PSYCH up2date 2015; 9(05): 263
DOI: 10.1055/s-0041-103795
Referate und Rezensionen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wirken Psychopharmaka karzinogen?

Amerio A et al.
Carcinogenicity of psychotropic drugs: A systematic review of US Food and Drug Administration – required preclinical in vivo studies.

Aust N Z J Psychiatry 2015;
DOI: 10.1177/0004867415582231.
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Publication History

Publication Date:
10 September 2015 (online)

 

    Der Gebrauch von Psychopharmaka ist in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. In den USA stieg die Verschreibung dieser Medikamentengruppe von 1996 – 2005 um 74 %, wovon die meisten Medikamente von den Hausärzten verschrieben werden. Vor dem Hintergrund des massiven Gebrauchs dieser Medikamente sollte auch das karzinogene Risiko berücksichtigt werden. Für die Zulassung neuer Medikamente fordert die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) eine Serie von Studien, welche die Sicherheit der neuen Medikamente nachweisen. In diesem Zusammenhang wurden auch schon Artikel veröffentlicht, die eine gewisse Besorgnis in Bezug auf eine erhöhte Karzinogenität postuliert haben. Allerdings sind klinische Studien häufig sehr heterogen, sodass eine Vergleichbarkeit nicht immer möglich ist.

    >Dies haben die Autoren der aktuellen Studie zum Anlass genommen, die von der FDA gestützten präklinischen In-vivo-Studien in Bezug auf ihre Karzinogenität zu vergleichen. Hierzu wurden auch unveröffentlichte Daten der FDA abgefragt. Die Autoren bildeten folgende Medikamentengruppen: Antidepressive, Antipsychotika, Bezodiazepine/Sedativa, Amphetamine und Stimulanzien, Lithium und Antikonvulsiva. 71,4 % (30/42) aller untersuchten Pharmaka zeigten eine präklinische Evidenz für eine erhöhte Karzinogenität. Bei den Antidepressiva zeigten 63,6 % eine Assoziation, wobei diese nicht spezifisch für Wirkstoffgruppen war. So zeigte sich z. B. eine Assoziation bei Sertralin und Citalopram, nicht aber bei Fluoxetin. Bei den antipsychotisch wirksamen Medikamenten zeigten 90 % eine Assoziation. Hier konnte lediglich bei Clozapin kein Hinweis gefunden werden. Bei den Benzodiazepinen und Sedativa gab es bei 70 % und bei den Antikonvulsiva bei 85,7 % der Medikamente eine Assoziation. Bei den Stimulanzien konnte dies lediglich für Methylphenidat gezeigt werden. Dies entsprach einem Prozentsatz von 25 %.

    Einschränkend muss natürlich erwähnt werden, dass die präklinischen Studien an Mäusen und Ratten durchgeführt worden sind, die z. T. per se eine erhöhte Inzidenz für spezifische Tumoren zeigen. Zudem werden in diesen Studien sehr hohe Medikamentendosen verwendet, um einen möglichen Effekt detektieren zu können. Des Weiteren ist es nicht möglich von einem Tiermodell direkte Rückschlüsse auf den Menschen zu ziehen. Hier wurden auch schon gegenteilige Studien veröffentlich, die eine reduzierte Karzinogenität festgestellt haben und diese mit verbesserten immunologischen Effekten begründeten.

    Fazit

    Aus präklinischen In-vivo-Tiermodellen können zwar keine abschließenden Schlussfolgerungen für den Menschen gezogen werden. Nichtsdestotrotz plädieren die Autoren dafür diese Ergebnisse der Grundlagenforschung nicht zu ignorieren.

    Dr. Bastian Willenborg, Wendisch-Rietz


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