Amerio A et al.
Carcinogenicity of psychotropic drugs: A systematic review of US Food and Drug Administration
– required preclinical in vivo studies.
Aust N Z J Psychiatry 2015;
DOI:
10.1177/0004867415582231
Der Gebrauch von Psychopharmaka ist in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. In
den USA stieg die Verschreibung dieser Medikamentengruppe von 1996 – 2005 um 74 %,
wovon die meisten Medikamente von den Hausärzten verschrieben werden. Vor dem Hintergrund
des massiven Gebrauchs dieser Medikamente sollte auch das karzinogene Risiko berücksichtigt
werden. Für die Zulassung neuer Medikamente fordert die amerikanische Zulassungsbehörde
(FDA) eine Serie von Studien, welche die Sicherheit der neuen Medikamente nachweisen.
In diesem Zusammenhang wurden auch schon Artikel veröffentlicht, die eine gewisse
Besorgnis in Bezug auf eine erhöhte Karzinogenität postuliert haben. Allerdings sind
klinische Studien häufig sehr heterogen, sodass eine Vergleichbarkeit nicht immer
möglich ist.
>Dies haben die Autoren der aktuellen Studie zum Anlass genommen, die von der FDA
gestützten präklinischen In-vivo-Studien in Bezug auf ihre Karzinogenität zu vergleichen.
Hierzu wurden auch unveröffentlichte Daten der FDA abgefragt. Die Autoren bildeten
folgende Medikamentengruppen: Antidepressive, Antipsychotika, Bezodiazepine/Sedativa,
Amphetamine und Stimulanzien, Lithium und Antikonvulsiva. 71,4 % (30/42) aller untersuchten
Pharmaka zeigten eine präklinische Evidenz für eine erhöhte Karzinogenität. Bei den
Antidepressiva zeigten 63,6 % eine Assoziation, wobei diese nicht spezifisch für Wirkstoffgruppen
war. So zeigte sich z. B. eine Assoziation bei Sertralin und Citalopram, nicht aber
bei Fluoxetin. Bei den antipsychotisch wirksamen Medikamenten zeigten 90 % eine Assoziation.
Hier konnte lediglich bei Clozapin kein Hinweis gefunden werden. Bei den Benzodiazepinen
und Sedativa gab es bei 70 % und bei den Antikonvulsiva bei 85,7 % der Medikamente
eine Assoziation. Bei den Stimulanzien konnte dies lediglich für Methylphenidat gezeigt
werden. Dies entsprach einem Prozentsatz von 25 %.
Einschränkend muss natürlich erwähnt werden, dass die präklinischen Studien an Mäusen
und Ratten durchgeführt worden sind, die z. T. per se eine erhöhte Inzidenz für spezifische
Tumoren zeigen. Zudem werden in diesen Studien sehr hohe Medikamentendosen verwendet,
um einen möglichen Effekt detektieren zu können. Des Weiteren ist es nicht möglich
von einem Tiermodell direkte Rückschlüsse auf den Menschen zu ziehen. Hier wurden
auch schon gegenteilige Studien veröffentlich, die eine reduzierte Karzinogenität
festgestellt haben und diese mit verbesserten immunologischen Effekten begründeten.
Aus präklinischen In-vivo-Tiermodellen können zwar keine abschließenden Schlussfolgerungen
für den Menschen gezogen werden. Nichtsdestotrotz plädieren die Autoren dafür diese
Ergebnisse der Grundlagenforschung nicht zu ignorieren.
Dr. Bastian Willenborg, Wendisch-Rietz