Einleitung
Rund 30–40% der Patienten mit einem Nierenzellkarzinom erleiden (NCC) im Rahmen dieser
Erkrankung eine syn-, oder metachrone Metastasierung (mNCC), die einer medikamentösen
Therapie bedarf [1]. In der letzten Dekade hat sich die Therapielandschaft des mNCC durch die Entwicklung
zielgerichteter Therapien drastisch verändert.
Nachdem mit den Zytokintherapien ein Tumoransprechen von 10–15% und ein medianes Gesamtüberleben
(overall survival [OS]) von rund 13–14 Monaten erzielt werden konnten, wird unter
den zielgerichteten Substanzen eine Ansprechrate von ca. 30% und ein Gesamtüberleben
von 30 Monaten erreicht [2]
[3]
[4]. Diese Entwicklung hat faktisch zum Ende der Zytokinära sowohl in der Mono- als
auch Kombinationstherapie mit Zytostatika geführt [5]. Allenfalls kann eine alleinige Chemotherapie beim sarkomatoid differenzierten mNCC
als akzeptable Alternative angesehen werden [6].
Die neue Potenz der gezielten Therapien beim mNCC verbesserte das OS im indirekten
Vergleich zur Zytokinära signifikant. Eine populationsbasierte Analyse verglich Zeiträume
mit jeweiliger Dominanz von Zytokin,- oder zielgerichteter Therapie und zeigte ein
besseres Überleben im Zeitraum der zielgerichteten Therapien (1992–2004: 13 Monaten
vs. 2005–2009: 16 Monaten; p<0.0001), ähnliche Ergebnisse fanden 2 weitere größere
Kohortenanalysen [7]
[8]
[9]. Insbesondere gilt dieser Trend für das klarzellige mNCC und jüngere Patienten [9]
[10]. Da die Mehrzahl der Studien beim klarzelligen NCC durchgeführt wurde, finden sich
die drastischen Therapiefortschritte überwiegend bei diesem dominanten histologischen
Subtyp.
Aktuell kann mit zielgerichteter Therapie beim mNCC ein Gesamtüberleben von rund 30
Monaten erzielt werden. Ca.10% der Patienten erzielen eine Langzeitremission, was
mit einem medianen OS von 55 Monaten assoziiert ist [11]
[12]
[13]. Insgesamt scheint eine weitere Verbesserung der Prognose von mNCC Patienten nur
durch neue Therapieansätze, wie z. B. die Checkpoint-Inhibitoren, erreichbar zu sein.
Die Vielfalt der systemischen Therapieoptionen beim mNCC erfordert bereits heute ein
differenziertes Vorgehen. Die Auswahl des „einen“ optimalen Präparates und der „einen“
optimalen Therapiesequenz lässt nicht belegen, hingegen scheint die Auswahl des für
den Patienten besten Präparats in der für den Patienten bestmöglichen Sequenz von
übergeordneter Bedeutung. Bereits vor Behandlungsbeginn ist z. B. die Risikoklassifizierung
eines mNCC Patienten nach dem IMDC-Risiko-Score als Standard einzufordern, der im
klinischen Alltag Grundlage für Therapieentscheidungen darstellt ([Tab. 1]) [14]. Anhand der Risikopunkte werden die Patienten in ein gutes, intermediäres oder ungünstiges
Risikoprofil eingeteilt. Der IMDC Score ist ebenso in der zweiten Therapielinie etabliert
[15].
Tab. 1 Prognose Kriterien zur Bestimmung der Risikogruppen (nach Heng et al.) mit der entsprechenden
Prognose der jeweiligen Risikogruppe.
IMDC Kriterien
|
Performance Status<80%
|
Intervall von Diagnose bis zur Systemtherapie<1 Jahr
|
Hämoblobin unterhalb des Normwertes
|
Hyperkalziämie
|
Neutrophile oberhalb des Normwertes
|
Thrombozyten oberhalb des Normwertes
|
Prognose nach IMDC Risikogruppen
|
Anzahl der Risikofaktoren
|
Risikoprofil
|
Medianes OS
|
0
|
Gutes Risikoprofil
|
43,2 Monate
|
1–2
|
Intermediäres Risikoprofil
|
22,2 Monate
|
3–6
|
Ungünstiges Risikoprofil
|
7,8 Monate
|
Erstlinientherapie
4 Therapeutika sind in Europa beim therapienaiven Patienten, neben IFNα zugelassen:
Sunitinib, ein oraler Multi-Tyrosinkinase-Inhibitor (MTKI), der den vaskulären endothelialen
Wachstumsfaktor Rezeptor (VEGFR) 2 und 3, den platelet-derived-growth-factor-receptor
(PDGFR)α, c-KIT, FLT (Fms-like tyrosine kinase)-3, inhibiert; Pazopanib, ebenfalls
ein oraler MTKI, der VEGFR 1–3, c-KIT, PDGFRα und β inhibiert; Temsirolimus, ein intravenöser
mTOR (mammalian target of rapamycin) Inhibitor, und die Kombination aus Bevacizumab/INFα,
einem monoklonalen Antikörper gegen den löslichen VEGF in Kombination mit einer unspezifischen
Immuntherapie [16]
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22].
Sunitinib, Pazopanib und Bevacizumab/IFNα, sind jeweils für alle Risikogruppen zugelassen.
Die VEGF(R) Inhibitoren zeigten in den Zulassungsstudien Gesamtansprechraten (ORR:
komplette Remissionen [CR]+partielle Remissionen [PR]) von ca. 25–30%, sowie einen
klinischen Nutzen (CBR: CR+PR+stabile Erkrankungen (SD)) bei etwa 70–79% der Patienten
([Tab. 2]). Der Anteil der kompletten Remissionen lag in den Studien bei <1%. Das jeweilige
PFS lag zw. 8,5–11 Monaten, mit einem Trend zu einem verbesserten OS, wenngleich nachfolgend
eingesetzte Therapien ähnlich wirksamer Substanzen wahrscheinlich das Erreichen eines
signifikanten OS Vorteils verhinderten [16]
[17]
[18]
[19]
[21]
[23]. Der einzige mTOR Inhibitor in der Erstliniensituation, Temsirolimus, wurde in einer
3-armigen Phase-3 Studie ausschließlich bei Patienten mit ungünstigem Risikoprofil
getestet. Temsirolimus zeigte hier ein PFS von 5,5 Monaten mit signifikanter Verbesserung
des OS (10,9 Monate) und wurde entsprechend als einzige Substanz ausschließlich für
Patienten mit ungünstigem Risikoprofil in Erstliniensituation zugelassen [20] ([Tab. 2]).
Tab. 2 Gegenüberstellende Übersicht über die Effizienz und Sicherheit von Therapeutika mit
Zulassung in der Erstliniensituation beim mNCC. Gezeigt sind die jeweiligen Verum-Arme
der Phase-3 Prüfung.
|
Bev/IFN (AVOREN) [19]
[21]
|
BEV/IFN (CALGB) [18]
[47]
|
Pazopanib (VEGF 105192)[17]
[48]
|
Pazopanib (COMPARZ)[12]
[23]
|
Sunitinib (COMPARZ)[12]
[23]
|
Sunitinib (NCT00098657)[16]
[24]
|
Temsirolimus (ARCC) Ungünstiges Risiko [20]
|
Ansprechraten,% (ORR=CR+PR)
|
31
|
26
|
30
|
31
|
25
|
31
|
8,6
|
Clinical Benefit Rate,% (CR+PR+SD)
|
77
|
NA
|
68
|
70
|
68
|
79
|
32,1
|
PFS, Mo.
|
10,2
|
8,5
|
9,2
|
8,4
|
9,5
|
11
|
5,5
|
OS, Mo.
|
23,3
|
18,3
|
22,9
|
28,4
|
29,3
|
26,4
|
10,9
|
Abbruchraten (AE assoziiert),%
|
28
|
19
|
14
|
24
|
20
|
19
|
7
|
Dosisreduktionsraten (AE assoziiert)%
|
40 (nur IFN)
|
46 (nur IFN)
|
NA
|
44
|
51
|
38
|
23
|
Nebenwirkungen CTC Grad 3/4,%
|
62
|
79
|
33
|
74
|
74
|
NA
|
67
|
Aufgrund von fehlenden vergleichenden Studien kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt im
Hinblick auf das Tumoransprechen keine überlegene Erstlinientherapie definiert werden
([Tab. 2] u. 4). Eine direkt vergleichende Phase-3-Studie erfolgte lediglich zwischen Pazopanib
und Sunitinib (COMPARZ Studie), in der zwar Unterschiede bei der Verträglichkeit zugunsten
von Pazopanib gezeigt werden konnte, nicht jedoch bei der Wirksamkeit [12]
[23].
Unter Beachtung des IMDC Risikos stellt Temsirolimus zwar die einzige Substanz dar,
die in der Erstlinie bei ungünstigem Risiko das OS nachweislich verbesserte, jedoch
erscheint Sunitinib in gleicher Konstellation als nahezu gleichwertige Therapiealternative.
Das erweiterte Zulassungsprogramm für Sunitinib umfasst 3 225 Patienten, darunter
373 Patienten mit ungünstigem Risikoprofil, deren PFS mit 4,1 Monaten eine ähnliche
Wirksamkeit wie unter Temsirolimus erreichte [20]
[24]
[25]. Aufgrund der COMPARZ Studie kann auch unter Vorbehalt auf eine dem Sunitinib ähnliche
Sicherheit und Effektivität von Pazopanib in dieser Situation zurückgeschlossen werden
[12]
[23]. Zu Bevacizumab/IFNα in Erstliniensituation bei ungünstigem Risikoprofil stehen
gegenwärtig nicht ausreichend Daten zum rechtfertigen Einsatz dieser Kombination zur
Verfügung ([Tab. 3]).
Tab. 3 Übersicht zur Sequenztherapie bzw. Systemtherapieoptionen beim mNCC gemäß Risikoprofil
und Therapielinie (in Anlehnung an die ESMO Therapieempfehlungen [50]).
Therapielinie
|
Risikoprofil
|
Standard
|
Option
|
Erstlinie
|
|
Gut/intermediär
|
Bevacizumab/IFNα Pazopanib Sunitinib
|
HD-IL2
|
Ungünstig
|
Temsirolimus
|
Sunitinib Pazopanib Sorafenib
|
Zweitlinientherapie
|
|
Nach Zytokinen
|
Axitinib Pazopanib Sorafenib
|
Nach VEGF-Versagen
|
Everolimus Axitinib
|
Nach mTOR Inhibition*
|
Axitinib Pazopanib Sorafenib Sunitinib
|
Drittlinientherapie
|
|
Nach 2-maligem VEGF Versagen
|
Everolimus MTKI*
|
Nach VEGF und mTOR Versagen
|
Sorafenib
|
Re-Chellange mit MTKI
|
*Empfehlung nicht aus der EMSO Leitlinie abgeleitet
Zweitlinientherapie
Bei vorbehandelten Patienten, respektive bei Patienten in der zweiten Therapielinie,
sind 4 Substanzen zugelassen und entsprechend getestet: der MTKI Axitinib, ein Inhibitor
von VEGFR 1–3 der zweiten Generation, zugelassen nach Therapieversagen von Sunitinib
oder Zytokinen; der orale MTKI Sorafenib, der die RAS/RAF-Kinasen, VEGFR 2–3, PDGFR
und c-KIT inhibiert und nach Zytokinversagen zugelassen ist. Pazopanib nach Zytokinversagen,
sowie der orale mTOR Inhibitor Everolimus, zugelassen nach Progress einer anti-VEGF(R)-Therapie
[26]
[27]. Die Zulassungsstudien zeigten ein PFS im Bereich von 4,7–6,7 Monaten, wobei durch
den hohen Anteil von wirksamen Folgetherapien das Signifikanzniveau für den sekundären
Endpunkt des OS nicht erreicht werden konnte [26]
[27]
[28] ([Tab. 4]).
Tab. 4 Übersicht über die Effizienz und Sicherheit von Therapeutika mit Zulassung in der
2. Liniensituation. Gezeigt sind die jeweiligen Verum-Arme der Phase-3 Prüfung.
|
Axitinib (AXIS) nach MTKI oder Zytokinen [26]
[49]
|
Everolimus (RECORD1) nach MTKI [27]
|
Sorafenib (TARGET) nach Zytokine n [22]
[28]
|
Pazopanib (VEG105192) nach Zytokinen [17]
[48]
|
Ansprechraten,% (ORR=CR+PR)
|
19
|
1
|
10
|
39
|
Clinical Benefit Rate,% (CR+PR+SD)
|
46
|
64
|
84
|
NA
|
PFS, Mo.
|
6,7
|
4,0
|
5,5
|
7,4
|
OS, Mo.
|
20,1
|
14,8
|
19,3
|
22,7
|
Abbruchraten (AE assoziiert),%
|
4
|
10
|
10
|
19
|
Dosisreduktionsraten (AE assoziiert)%
|
31
|
7
|
13
|
NA
|
Nebenwirkungen CTC Grad 3/4,%
|
NA
|
NA
|
NA
|
33
|
Da heutzutage eine alleinige Zytokintherapie in der Erstlinie kaum mehr erfolgt, ist
die Vorbehandlung mit einem VEGF(R) Inhibitor von wesentlicher Bedeutung und stellt
somit die Ergebnisse zweier Zulassungsstudien, AXIS und RECORD-1, in den Vordergrund.
Die AXIS Studie zeigte die Wirksamkeit von Axitinib im Vergleich zu Sorafenib in der
reinen zweiten Therapielinie [26]. Das PFS von Axitinib zeigte sich hier überlegen (PFS: Axitinib: 6,7 Monate vs.
Sorafenib: 4,7 Monate; p<0,0001), bei nahezu gleichem OS (Axitinib: 20,1 Monate vs.
Sorafenib: 19,2 Monaten, p=0,3744)[26]. Auch zeigte Axitinib im direkten Vergleich zu Sorafenib geringere nebenwirkungsassoziierte
Therapieabbruch-(3,9 vs. 8,2%), und Dosisreduktionsraten (31 vs. 52%).
Everolimus wurde in der RECORD-1 Studie in einem gemischten multipel vorbehandeltem
Kollektiv getestet. Das PFS betrug 4,9 Monate und weist damit eine ähnliche Marge
wie die anderen Therapieoptionen auf. Insgesamt muss die Wirksamkeit der Zweitlinie
als moderat bewertet werden. Ein Vergleich zwischen Everolimus und MTKI in der Zweitlinie
ist bisher nicht erfolgt. Allerdings erfolgte ein direkter Vergleich in der 2. Linientherapiesituation
für den mTOR Inhibitor Temsirolimus zum MTKI Sorafenib (INTROSECT Studie), der keinen
signifikanten Vorteil für das PFS von Temsirolimus zeigen konnte (4,3 vs. 3,9 Monate,
p=0,19). Der sekundäre Endpunkt OS zeigte hier jedoch einen Vorteil zugunsten von
Sorafenib (OS: 12,3 vs. 16,6 Monate, p=0,01), was gegenwärtig nicht sicher beurteilt
werden kann [29].
Zusammenfassend sind somit im Wesentlichen Axitinib als auch Everolimus die Therapeutika
in der zweiten Therapielinie. Je nach Erstlinientherapie können Pazopanib und Sorafenib
Behandlungsalternativen darstellen. Die Auswahl der jeweiligen Therapieoption erfolgt
individuell und richtet sich sowohl nach der zu erwartenden Effektivität als auch
der bisherigen Verträglichkeit der Therapien ([Tab. 3]).
Drittlinientherapie und weitere Linien der Behandlung
Zur gezielten Therapie in der dritten Therapielinie zeigte die GOLD-Studie (Phase-3)
klare Rationalen [30]. Bei Patienten mit mindestens 2 Vortherapien (eine MTKI und eine mTOR Inhibitor
Therapie) zeigte der experimentelle VEGFR und fibroblast-growth-factor receptor (FGFR)
Inhibitor Dovitinib im Vergleich zu Sorafenib ein ähnliches PFS von 3,7 vs. 3,6 Monaten
(p=0,36), woraufhin die klinische Weiterentwicklung von Dovitinib eingestellt wurde
[30]. Im Umkehrschluss müssen diese Ergebnisse als klares Signal für die Wirksamkeit
der VEGFR-Inhibition in der dritten Therapielinie gewertet werden, zumindest nach
der Vorsequenz MTKI-mTOR Inhibitor. Weitere Mosaike für die Wirksamkeit von VEGFR
Inhibition in der dritten Therapielinie lassen sich auch von präliminären Daten von
Pazopanib in der Drittlinie ableiten (n=28, PFS: 16 Monate) [31].
Da die Zweitlinientherapie entweder aus einem Wechsel der Substanzklasse (mTOR Inhibitor)
oder aus weiterem Einsatz eines MTKI bestehen kann, stehen für die Drittlinientherapie
somit Therapien mit unterschiedlicher Evidenz zur Verfügung. Während die höchste Evidenz
für Sorafenib auszumachen ist, zeigt eine Subgruppe der RECORD-1 Studie (ca. 20% der
Patienten) eine Rationale für den mTOR Inhibitor Everolimus nach dem Versagen zweier
vorheriger MTKI [27]. Ein direkter Vergleich zwischen Sorafenib und Everolimus in der Drittlinie steht
allerdings nicht zur Verfügung.
Zusammenfassend ist eine Drittlinientherapie als sinnvoll zu erachten, was auch eine
Analyse des „international mRCC database consortium“ mit 2 705 Patienten zeigte, in
der sich 16% der Patienten in Drittlinientherapiesituation befanden, mit einem PFS
von 4,4 Monaten und ein OS von 18 Monaten [32]. Insbesondere Patienten mit niedrigem Risikoprofil scheinen von einer Drittlinientherapie
zu profitieren [33].
Im Hinblick auf die 4. Therapielinie lässt sich vermuten, dass auch hier eine gewisse
Aktivität zu erwarten ist. Legt man der Gesamtbeurteilung den Vergleich mit Placebo-behandelten
Studien zugrunde, so schneiden im studienübergreifenden Vergleich Patienten mit einer
aktiven Behandlung deutlich besser ab. Aus der RECORD-1 Studie wird unter Placebo
ein PFS von 1,9 Monaten erzielt, was im Vergleich zum Drittlinien PFS der GOLD Studie
von 3,6–3,7 Monaten unterdurchschnittlich ist [27]
[30]. Insofern sollte das Ziel die Dauertherapie der Patienten sein.
Die optimale Sequenz, oder die für den Patienten optimale Therapie?
Auch wenn in den vergangenen Jahren viel über die optimale Therapiesequenz, über Vor-,
und Nachteile eines Wechsels der Therapiemodalitäten oder der Inhibitionsspektren
diskutiert wurde, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt anhand der Datenlagen nicht die
optimale Therapiesequenz apriori definiert werden [34]. Stattdessen sollte in jeder Linie die für die jeweilige Situation beste Therapieentscheidung
getroffen werden.
Während in der Erstlinie die Mehrzahl der Patienten einen MTKI erhält ging die RECORD-3
Studie der Frage zum Einsatz von Sunitinib oder Everolimus in der Erstlinie nach.
In dieser Situation ist Everolimus dem Sunitinib mit einem PFS von 7,9 Monaten vs.
10,7 Monaten klar unterlegen. Auch das vorläufige OS zeigte einen negativen Trend
(22 vs. 32 Monate) [35]. Dies unterstreicht die Überlegenheit der VEGFR Inhibition gegenüber der mTOR Inhibition
in der Erstlinie, entsprechend sollte Everolimus hier nicht zum Einsatz kommen [35].
Da in der Zweitlinie sowohl MTKI als auch Everolimus eingesetzt werden können, gibt
es keine definierte Sequenz [34]
[36]. Allerdings erscheinen primäre Bedenken gegenüber Kreuzresistenzen bei einer Abfolge
MTKI-MTKI als unbegründet, was sich aus der SWITCH Studie ableiten lässt [37]. Sowohl die Sequenz Sunitinib-Sorafenib als auch die Sequenz Sorafenib-Sunitinib
konnte eine Wirksamkeit für die MTKI-MTKI Sequenz belegen, wenngleich auch hier keine
optimale Sequenz identifiziert werden konnte [37]. Zusammenfassend sind entsprechend der ESMO Therapieleitlinien die Möglichen Therapiesequenzen
in [Tab. 3] dargestellt.
Zulassungsstudien, populationsbasierte-, und Meta-Analysen zeigen, dass die Sequenztherapie
beim mNCC ein etablierter Standard ist und suggerieren das möglicherweise neben der
Tumorbiologie die prinzipielle Exposition zu möglichst vielen aktiven Substanzen für
ein bestmögliches Therapieansprechen mitentscheidend sein könnte [30]
[32]
[38]. Eine globale populationsbasierte deskriptive Analyse mit 2 106 Patienten zeigte,
das gerade einmal 43% der Patienten eine zweite Therapiesequenz erhielten, was sich
nicht ausschließlich durch tumorbedingte Mortalität in und um die Erstliniensituation
erklärt [36]. Ähnliche Ergebnisse zeigte auch ein deutsches Patientenregister. Hieraus lässt
sich ableiteten, dass neben einem effektivem Therapeutikum mutmaßlich auch der Patientenadherence,
der supportiven Therapie, der Patientenkomorbidität, als auch der Antizipation von
Toxizitäten ein besonderer Stellenwert in der mNCC Therapie einzuräumen ist [39]. Dies wird umso deutlicher bei Betrachtung der Dosisreduktionsraten von 7–50% bzw.
der Therapieabbruchraten von 3–28% die die gezielten Therapien in den Zulassungsstudien
zeigten [16]
[18]
[20]
[26]
[27]
[30]. Wenn- gleich die MTKI einfach ambulant zu applizierende Substanzen sind besitzen
diese ein erhebliches Nebenwirkungspotenzial mit auch erhöhtem Mortalitätspotenzial
[40]. Insofern ist auch das individuelle Komorbiditätsprofil ein entscheidender Faktor
bei der Therapieauswahl [39].
Eine retrospektive Analyse einer offenen Kohortenstudie mit 291 Patienten generierte
erste Signale, das nahe liegender Weise Nebenwirkungen überproportional mit Dosis-reduktionen
und darüber hinaus mit einem reduziertem OS in Zusammenhang stehen könnten [41]. Nebenwirkungsmanagement und die daraus resultierende Patientenzufriedenheit sind
somit essentiell und werden immer wichtiger Parameter. Die COMPARZ Studie zeigte bereits
Signale im Hinblick auf deutlich unterschiedliche Therapieverträglichkeiten zweier
ähnlicher MTKI, Sunitinib und Pazopanib [23]. Unterstützt werden diese Ergebnisse durch die PISCES-Studie, die eine Präferenz
der Patienten zur Einnahme von Pazopanib im Vergleich zu Sunitinib zeigte [42].
Kenntnis des Toxizitätsprofils, des Komorbiditätsprofils und Erfahrungen im Nebenwirkungsmanagement
sind somit wichtige Voraussetzung zum Erreichen optimaler Therapieergebnisse, sodass
die Wahl des richtigen Therapeutikums für den Patienten in der entsprechenden Situation
zumindest genau so relevant erscheint wie die offene Überlegung um die bestmögliche
Therapiesequenz.
Ausblick – Zurück in die Zukunft?
Nachdem die letzte Dekade neue Therapieoptionen für das mNCC hervorbrachte, bleibt
die Therapie des mNCC weiterhin ein dynamisches und hochinnovatives Therapiefeld.
Nach einer Suche nach der besten Substanz, Kombinationen gezielter Therapien oder
Sequenz beim mNCC, hat das mediane Gesamtüberleben mit 29–30 Monate in aktuellen Studien
ein Plateau erreicht [11]
[12]
[13]. Eine weitere Verbesserung des Ergebnisses erscheint in dieser Situation nur durch
den Einsatz neuer Substanzen mit neuen Mechanismen denkbar [43].
Neben neuen molekularen Therapieansätzen befinden sich bereits neue gezielte Therapien
erfolgreich in der frühen klinischen Prüfung. Cabozantinib ist ein Inhibitor von c-MET
und VEGFR, der bei stark vorbehandelten Patienten mit mNCC ein PFS von 12,9 Monaten
und ein OS von 15 Monaten erzielte und dessen Phase-3 Daten in der Zweit- bis Drittlinie
in diesem Jahr erwartet werden [44].
Die wohl größte und spannendste Entwicklung der letzten Jahre ist allerdings der Einsatz
von neuen spezifischen Immuntherapeutika, den sogenannten Checkpoint Inhibitoren.
Im Gegensatz zur unspezifischen Zytokin-Immunmodulation der 80er Jahre, können Checkpoint
Inhibitoren die tumorbedingte Immunblockade aufheben und damit Langzeit-remissionen
induzieren. Der Einsatz der Checkpoint-Inhibitoren hat bereits die therapeutische
Landschaft des malignen Melanoms nachhaltig verändert. Zu den Checkpoint-Inhibitoren,
die sich gegenwärtig in klinischer Prüfung beim mNCC befinden, gehören vor allem Antikörper
gegen PD-1 und PD-1L, sowie CTLA-4. Teils erfolgt bereits die Prüfung von Kombinationen
dieser Antikörper. Bereits in Phase-1 Studien zeigte sich ein erstaunliches Tumoransprechen
in verschiedenen Tumoren. Nivolumab (Anti-PD1) zeigte bei vortherapierten mNCC Patienten
bei 27% der Patienten ein Tumoransprechen von über 24 Wochen [45]. In einer Analyse einer Expansionskohorte einer Phase-1 Studie mit Nivolumab zeigten
schwer vortherapierte mNCC Patienten ein erstaunliches OS von 22,4 Monaten [46].
Zusammenfassend scheint somit zukünftig neben der Identifizierung neuer molekularer
Ziele wie z. B. c-MET, der spezifischen Immuntherapie möglicherweise ein hoher Stellenwert
zuzukommen, nachdem die unspezifische Immuntherapie diesen bei der Behandlung des
mNCC nahezu vollständig verloren hat.