Klinische Neurophysiologie 2016; 47(02): 85-86
DOI: 10.1055/s-0041-107754
Neuro-Quiz – Fall 1
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine 52-jährige Patientin mit Abgeschlagenheit und allgemeiner Schwäche

A 52-Year-Old Patient with Abnormal Fatigue and Generalized Weakness
M. Dafotakis
Neurologische Klinik, Universitätsklinik, RWTH Aachen
› Institutsangaben
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Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. M. Dafotakis
Neurologische Klinik, Universitätsklinik der RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Juni 2016 (online)

 

Eine 52-jährige Fleischerei-Fachverkäuferin stellte sich aufgrund einer allgemeinen Schwäche und Abgeschlagenheit in der Notaufnahme vor. Bereits seit dem Vortag bestand ein allgemeines Krankheitsgefühl, daneben Unterbauchbeschwerden sowie ein Brennen beim Wasserlassen.

Bei der klinischen Untersuchung war die Patientin somnolent und psychomotorisch verlangsamt.

Sie gab „leichte“ Kopfschmerzen an, und sie hatte Fieber bis 39,8 °C. Brudzinski-, Kernig- und Lasègue-Zeichen waren negativ, ebenso der übrige neurologische Befund.

Die Laboruntersuchung ergab eine Leukozytose von 22 000/µl, ein CRP von 220 mg/dl (normal < 5). Die Thrombozytenzahl betrug 55 000/µl, der INR 1,5. Der D-Dimer-Wert lag bei 3500 ng/ml (normal < 500).

Die initiale körperliche Untersuchung erbrachte den folgenden Aspekt:

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Körperlicher Untersuchungsbefund bei der 52-jährigen Patientin am ersten Tag nach stationärer Aufnahme.
  • Welcher ist das?

  • Erlaubt dieser Befund eine Diagnose?

    • Wenn ja welche?

  • Sind Differenzialdiagnosen möglich?

    • Wenn ja welche?

Auflösung

Befunde

Das Bild zeigt Petechien (weißer Pfeil) und Sugillationen (schwarzer Pfeil).

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Nachweis von Petechien (weißer Pfeil) und Sugillationen (schwarzer Pfeil) als Ausdruck einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstörung.

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Diagnose

Disseminierte intravasale Gerinnungsstörung aufgrund einer Meningokokkensepsis.


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Differenzialdiagnose

Neben der Meningokokkensepsis kommen andere, vor allem durch gramnegative Bakterien ausgelöste Septitiden infrage.

Bei unserer Patientin konnte die Diagnose einer Meningokokkenmeningitis anhand einer positiven Blutkultur gestellt werden. Die initiale Lumbalpunktion hatte lediglich eine leichte Pleozytose von 50 Zellen/µl bei sonst unauffälligem Status erbracht. Erst die Verlaufspunktion einen Tag später erbrachte die typische Konstellation einer bakteriellen Meningitis (6000 Zellen, Laktat 10 mmol/l, Glukose 4 mg/dl, Protein 6,32 g/l). Die Patientin erhielt über 14 Tage Ceftriaxon und konnte nach 3 Wochen mit ambulanter Rehabilitation nach Hause entlassen werden.

Ungewöhnlich an diesem Fall ist die initiale klinische Präsentation. Die Patientin war lediglich leicht somnolent, und die typischen klinischen Meningismus-Zeichen waren allesamt negativ. Lediglich die psychomotorische Verlangsamung wies auf eine mögliche Beteiligung des ZNS hin, welche sich jedoch auch regelhaft bei Sepsis-Patienten im Rahmen einer septischen Enzephalopathie nachweisen lässt, sodass der initiale Liquorbefund als Begleitmeningitis gewertet wurde.

Die klassische Trias einer Meningokokkenmeningitis besteht aus Kopfschmerzen, Fieber und einem Meningismus. In großen Kollektiven findet sich diese Trias jedoch nur bei ca. 50 % aller Patienten [1]. Erweitert man das klinische Spektrum jedoch um das Symptom Bewusstseinsstörung, so weisen ca. 95 % aller Patienten zumindest zwei der vier klinischen Symptome auf [2]. Ein Exanthem bzw. Petechien oder auch Sugillationen finden sich bei der Hälfte der Patienten und kommt fast ausschließlich bei der Meningokokkensepsis vor.

Der vorliegende Fall demonstriert eindrücklich, dass die Diagnose einer Meningokokkenmeningitis neben der klassischen Klinik und dem laborchemischen Befund einer Sepsis immer auch die Untersuchung des gesamten Integuments beinhalten sollte. Eine antibiotische Therapie muss unmittelbar bei V. a. eine Meningokokkenmeningitis initiiert werden.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. M. Dafotakis
Neurologische Klinik, Universitätsklinik der RWTH Aachen
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen


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Körperlicher Untersuchungsbefund bei der 52-jährigen Patientin am ersten Tag nach stationärer Aufnahme.
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Nachweis von Petechien (weißer Pfeil) und Sugillationen (schwarzer Pfeil) als Ausdruck einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstörung.