Schlüsselwörter
weiße Nieren - HIV-Nephropathie - Nierenversagen
Keywords
white kidneys - HIV-nephropathy - renal failure
Im Ultraschall stellen sich die Nieren physiologischerweise echoarm dar. Echoreiche
Veränderungen weisen auf verschiedene Erkrankungen hin. Im aktuellen „Tübinger Fall“
werden bei einem 39-jährigen Flüchtling aus Gambia sonografisch vollständig „schneeweiße“
Nieren entdeckt – ein seltener Befund. Die ausführliche Fallbeschreibung mit allen
Details zum Patienten und den Untersuchungen, vielen Abbildungen und den Hintergründen
finden Sie online.
Anamnese | Ein 39-jähriger Mann aus Gambia hat Fieber (38,4 °C), Gliederschmerzen und Husten
mit Auswurf. Sein Allgemeinzustand verschlechtert sich zusehends. Vier Monate zuvor
ist er als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Er spricht weder Deutsch, Englisch
noch Französisch. Vorerkrankungen und Allergien sind nicht bekannt, Medikamente nimmt
er derzeit keine.
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Herzfrequenz: 104 / min
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Blutdruck:155 / 98 mmHg
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Atemfrequenz: 32 / min
Die Herztöne sind rein, die Atemgeräusche seitengleich vesikulär mit exspiratorischem
Giemen. Ansonsten fallen bei der körperlichen Untersuchung abdominelle Anasarka und
schmerzhaft geschwollene Knie mit tanzenden Patellae auf.
Labor | Zahlreiche Blutwerte sind pathologisch verändert. Die Befunde sprechen für ein Nierenversagen,
eine Myokardschädigung sowie eine Sepsis. Die Urindiagnostik ergibt eine massive Proteinurie
und renale Glukosurie.
Abdomen | Sonografisch stellen sich beide Nieren vollständig echoreich dar (▸ [
Abb. 1
]).
Abb. 1 Sonografie der rechten Niere: vollständig echoreicher („schneeweißer“) Kortex.
Thorax | Im EKG zeigen sich keine Ischämie-typischen Veränderungen. Echokardiografisch können
Thromben und eine Endokarditis ausgeschlossen werden. Der linke Ventrikel ist deutlich
hypertrophiert, bei mittelgradig eingeschränkter Pumpfunktion. Im Thorax-CT sind beidseitige
Pleuraergüsse, ein Perikarderguss und Infiltrate im Mittellappen, subpleural und apikal
zu sehen.
Erregerdiagnostik | In Blut- und Urinkulturen kann Staphylococcus aureus nachgewiesen werden. Die Virologie
einer bronchoalveolären Lavage ist negativ, im Blut finden sich jedoch HIV-Antikörper.
Die Infektion wird durch eine PCR bestätigt (148 000 Kopien / ml, Norm: < 40). Die
Lymphozyten- und CD4-Helferzellzahl ist stark vermindert.
Verlauf | Der Patient leidet an einer S.-aureus-Sepsis unklarer Genese mit pulmonalen Streuherden
sowie einer HIV-Infektion und Nierenversagen. Er wird intensivmedizinisch antibiotisch
und -mykotisch behandelt und dialysiert. Eine an die eingeschränkte Nierenfunktion
angepasste antiretrovirale Therapie wird eingeleitet.
Nierenbiopsie | Im Verlauf bessert sich der Zustand des Patienten, er bleibt aber weiterhin dialysepflichtig.
Aus diesem Grund wird eine Nierenbiopsie durchgeführt. Die Befunde sprechen für eine
HIV-assoziierte Nephropathie (HIVAN).
HIVAN | Die HIVAN ist eine Spätmanifestation der HIV-Erkrankung. 90 % aller Patienten sind
dunkelhäutig. Klinische Merkmale sind eine ausgeprägte Proteinurie und eine sich rasch
verschlechternde Nierenfunktion. Werden die Patienten effektiv antiretroviral behandelt,
ist die Überlebensrate ähnlich wie bei anderen Dialysepatienten. Im Einzelfall kann
eine Nierentransplantation erwogen werden.
Konsequenz für Klinik und Praxis
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Bei unklarer Sepsis sollte eine HIV-Erkrankung in Betracht gezogen werden.
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Bei Patienten mit HIV können sonografisch „schneeweiße“ Nieren auf eine HIV-assoziierte
Nephropathie (HIVAN) hinweisen.
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Eine HIVAN ist nicht reversibel und führt oft zur Dialysepflichtigkeit.