Keywords
Dissection - cervical arteries - magnetic resonance imaging - computed tomography - Horner’s syndrome
Epidemiologie und Definition
Epidemiologie und Definition
Dissektionen der zervikalen hirnversorgenden Gefäße sind selten (1 – 3 pro 200 000) [1]. Allerdings sind sie in ca. 20 % die Ursache für Schlaganfälle bei jüngeren und mittelalten Patienten [2].
Dissektion. Eine Dissektion entsteht, wenn die innere Schicht der Gefäßwand (Tunica intima) einreißt und damit Blut in die Gefäßwand eindringen kann. Es ist dabei auch möglich, dass sich der Riss bis an die Gefäßoberfläche fortsetzt (transmurale Dissektion).
Ursachen. Zahlreiche Erkrankungen des Bindegewebes sowie genetisch determinierte Syndrome sind mit Dissektionen vergesellschaftet, z. B.:
Allerdings findet sich bei mehr als 90 % der Patienten keine Ursache.
Spontane und traumatische Dissektionen. Man unterscheidet spontan auftretende von traumatischen Dissektionen. Bei den traumatischen Dissektionen kann ein klares Trauma mit direkter oder indirekter Krafteinwirkung auf die Gefäße benannt oder nachgewiesen werden, z. B. im Rahmen einer Fraktur oder nach chiropraktischen Manövern. In dieser Übersicht sollen aber nur spontane Dissektionen besprochen werden. Allerdings ist anzumerken, dass ein hoher Prozentsatz der Patienten Bagatelltraumen wie abrupte Kopfbewegungen im Vorfeld der Dissektion angeben, diese werden aber gemeinhin ebenfalls den spontanen Dissektionen zugerechnet.
Dissektionen der zervikalen hirnversorgenden Gefäße sind eine wichtige und häufige Ursache für Schlaganfälle bei jungen Patienten.
Pathophysiologie
Schädigungsmuster. Pathophysiologisch sind 3 Schädigungsmuster möglich:
-
Durch die Wandverletzung werden subintimale Strukturen freigelegt, die hochgradig thrombogen sind. Sie sind Ausgangspunkt für thrombembolische Ereignisse.
-
Durch die lokale Stenose oder den Verschluss des Gefäßes durch das Wandhämatom können hämodynamische Beeinträchtigungen entstehen, ohne dass primär thrombembolische Ereignisse auftreten (Abb.
[1]).
-
Bei Fortschreiten der Dissektion oder primärem Auftreten in den intraduralen Gefäßabschnitten (Abb. [2]) ist das Risiko einer Subarachnoidalblutung (SAB) gegeben.
Abb. 1 Hämodynamische Kompromittierung durch Dissektion. 53-jährige Patientin mit schwerer linkshemisphärischer Symptomatik. Die Perfusions-CT zeigt ein großes Perfusionsdefizit im Stromgebiet der A. carotis interna links (obere Zeile) mit Nachweis einer Penumbra (untere Zeile, links). Bereits in der CTA lagen Hinweise auf eine Dissektion der A. carotis interna links mit konsekutiven Verschluss vor. Angiografisch konnte der Befund bestätigt werden (untere Zeile, Mitte) und wurde stentgeschützt rekanalisiert. Kein Nachweis eines peripheren Embolus, allerdings zeigte die postinterventionelle DWI (untere Zeile, rechts) kleine embolische Infarkte.
Abb. 2 Nachweis der Lagebeziehung der Dissektion zur Dura mit fettgesättigten T1w Sequenzen. a Intradurale Dissektion der A. vertebralis links. b Extradurale Dissektion der A. vertebralis rechts.
Lokalisationen. Die typische Lokalisation für eine Dissektion der A. carotis interna ist einige Zentimeter distal der Karotisbifurkation, meist setzt sie sich bis an die Schädelbasis fort [3]. An der A. vertebralis ist das V3-Segment am häufigsten Ausgangspunkt einer Dissektion, wahrscheinlich aufgrund der größten Beweglichkeit des Gefäßes an dieser Stelle. Eine weitere wichtige Lokalisation liegt im V1-Segment [4].
Anatomie
Arteria carotis interna
Distal der Bifurkation der A. carotis communis in die A. carotis interna und externa verläuft die A. carotis interna vertikal bis an die Schädelbasis (zervikaler Abschnitt), wo sie in den knöchernen Karotiskanal eintritt (petröser Abschnitt). Hier zieht sie nach ventromedial, um im kavernösen Abschnitt das Karotissiphon zu bilden. Der Eintritt in den intraduralen Raum ist variabel, als Landmarke kann aber der Abgang der A. ophthalmica gelten. Der Karotisterminus verläuft wieder vertikal, um das Karotis-T zu bilden, die Aufzweigungsstelle in die A. cerebri media und die A. cerebri anterior. Pathophysiologisch ist zum Verständnis des Horner-Syndroms wichtig, dass sympathische Fasern entlang der A. carotis interna verlaufen, die den M. tarsalis superior und den M. dilatator pupillae innervieren. Außerdem ist die enge räumliche Beziehung zu den unteren Hirnnerven XI – XII relevant, die dazu führen kann, dass die Hirnnerven durch ein Wandhämatom der A. carotis interna irritiert werden.
Arteria vertebralis
Die A. vertebralis entspringt aus der A. subclavia (V0-Segment) und zieht bis an das Foramen transversarium des Querfortsatzes von HWK 6 (V1-Segment), um dort durch die Foramina transversaria der Wirbelkörper der Halswirbelsäule bis zum HWK 2 zu ziehen (V2-Segment). Hier tritt sie in das Foramen transversarium des Atlas ein, um sich nach dorsal um die Massa lateralis desselben zu schlingen (Atlasschleife, V3-Segment). Anschließend zieht sie wieder nach ventral, durchdringt die Dura und gibt den ersten intraduralen Ast, die A. inferior posterior cerebelli (PICA), ab.
Histologie
Die Gefäßwand von Arterien weist eine typische Dreischichtung auf. Innen liegt die Tunica intima, eine einzelne Lage von Endothelzellen, außen die Tunica externa, auch Adventitia genannt, eine Lage von Bindegewebe um das Gefäß herum. Zwischen diesen beiden Schichten liegt die Tunica media, die aus glatter Muskulatur und elastischem Bindegewebe besteht. Anders als bei den extraduralen Gefäßen ist die Tunica media in den intraduralen Abschnitten nicht besonders kräftig und die Adventitia gar nicht oder nur sehr zart ausgebildet, sodass sie hier keine schützende Funktion hat.
Klinik
Dissektionen der Arteria carotis interna
Symptomen-Trias. Die typische klinische Konstellation bei Dissektionen der A. carotis interna ist die Trias aus Hals- oder Kopfschmerz, einem Horner-Syndrom (Abb. [3]) und ischämischen Symptomen. Das Horner-Syndrom (Ptosis, Miosis) entsteht dadurch, dass die sympathischen Fasern an der A. carotis interna durch das Wandhämatom irritiert werden. Allerdings wird die typische Trias bei weniger als einem Drittel der Patienten beobachtet und isolierte Symptome sind nicht selten.
Abb. 3 Klinisches Bild einer Patientin mit Horner-Syndrom rechts (unterer Pfeil: Miosis, obere Pfeile: Ptosis).
Komplikationen. Ischämische Komplikationen sind dagegen häufig (bis zu 90 %), meist im Sinne von transienten ischämischen Attacken, aber auch Schlaganfällen [5]. Seltener (10 %) werden zusätzlich – infolge einer direkten Irritation durch das Wandhämatom – Ausfälle der kaudalen Hirnnerven IX – XII beobachtet [6]. Da der knöcherne Karotiskanal eine Barriere darstellt, sind sekundäre intradurale Dissektionen (Abb. [4]) – und somit auch die SAB als Komplikation – extrem selten [7].
Abb. 4 Dissektion der A. carotis interna links bis nach intrakraniell. a Kontrastmittelverstärkte MR-Angiografie mit Nachweis des Gefäßverschlusses (Pfeil). b Nachweis des Wandhämatoms im petrösen/intrakraniellen Abschnitt der A. carotis interna (Pfeil). c Rekanalisierte A. carotis interna (Pfeil) im zeitlichen Verlauf.
Jedes neu aufgetretene Horner-Syndrom muss als vaskulärer Notfall eingestuft und eine Dissektion der A. carotis interna ausgeschlossen werden.
Dissektionen der Arteria vertebralis
Bei Dissektionen der A. vertebralis werden häufiger Nacken- und/oder Kopfschmerzen angegeben, ischämische Komplikationen sind ebenfalls häufig. Dissektionen der A. vertebralis können sekundär nach intradural fortgeleitet werden oder primär, wenn auch seltener, intradural entstehen. Dann besteht das Risiko einer SAB.
Therapie
Patienten mit Dissektionen der zervikalen hirnversorgenden Gefäße profitieren von einer Antikoagulation. Primär ist die Markumarisierung mit einer Ziel-INR von 2 – 3 für einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten anzustreben. Bei einer primären oder sekundären Beteiligung der intraduralen Gefäßabschnitte ist aufgrund des Risikos einer SAB eine Thrombozytenaggregationshemmung vorzuziehen [8]. Einschränkend ist anzumerken, dass dieses Vorgehen nicht durch randomisiert kontrollierte Studien gesichert ist und es Hinweise darauf gibt, dass eine Thrombozytenaggregationshemmung grundsätzlich zumindest nicht unterlegen ist [9]. Eine Dissektion der zervikalen hirnversorgenden Gefäße ist per se keine Kontraindikation für eine intravenöse Thrombolyse [10]. Bei distalen embolischen Ereignissen stehen die Verfahren der mechanischen Thrombektomie zur Verfügung. Für den seltenen Fall der hämodynamischen Kompromittierung durch eine hochgradige Stenose oder kompletten Verschluss durch die Dissektion ist eine stentgeschützte Rekanalisierung möglich (Abb. [1]) [11].
Entscheidend für die Wahl der Sekundärprophylaxe (Antikoagulation oder Thrombozytenaggregationshemmung) ist die radiologische Information, ob die Dissektion intra- oder extradural lokalisiert ist.
Bildgebung
CT
Da ein Großteil der Dissektionen der A. carotis interna bis an die Schädelbasis heranreicht, kann bereits eine native kranielle CT Hinweise auf das entstandene Wandhämatom liefern. Dieses ist als hyperdense rundliche Struktur meist auf den untersten Schichten im Verlauf der A. carotis interna zu erkennen (Abb. [5]) [12]. Falsch positive Befunde entstehen durch eine Elongation der Gefäße unterhalb der Schädelbasis. Weil die Kaliber der beiden Aa. vertebrales (z. B. durch unilaterale Hypoplasie) deutlich stärker variieren als die der Aa. carotis internae, ist dieses Zeichen nicht besonders zuverlässig, wenn eine Dissektion der A. vertebralis nachgewiesen werden soll, kann im Einzelfall aber hilfreich sein.
Abb. 5 Nachweis eines subpetrösen Wandhämatoms (Pfeil) in der nativen kraniellen CT bei einem Patienten mit einer linksseitigen Dissektion der A. carotis interna.
MRT
Auch die kranielle MRT ohne explizite Gefäßdarstellung ermöglicht bereits häufig die Darstellung von Dissektionen. Da die räumliche Abdeckung („field of view“, FOV) normalerweise größer ist als in der CT, liegen somit auch die obersten zervikalen Abschnitte der A. carotis interna und der A. vertebralis mit im Untersuchungsbereich [13]. Hier lassen sich ähnlich wie in der CT das Wandhämatom direkt oder das Dissekat als intraluminale Struktur darstellen (Abb. [6]).
Abb. 6 Nachweis einer Dissektion in der MRT. a Die native axiale T1w Aufnahme zeigt ein hyperintenses Wandhämatom (Pfeil) im Stadium des Methämoglobins. b Das T2w Bild zeigt das Wandhämatom (Pfeil) und ein kleines Restlumen. c Im FLAIR-Bild ist ein intradurales Wandhämatom (Pfeil) der A. vertebralis zu erkennen.
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Bereits native CT- oder MRT-Untersuchungen ohne explizite Gefäßdarstellungen können Hinweise auf eine Dissektion erbringen.
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Besteht der klinische Verdacht oder weist das konventionelle Bild auf eine Dissektion hin, sind eine Gefäßdarstellung oder ergänzende Sequenzen in der MRT zum Nachweis eines Wandhämatoms indiziert.
CTA und CEMRA
In der CTA kommt auch im akuten Stadium neben dem nicht immer stenosierten Lumen [14] das Wandhämatom zur Darstellung, das gegenüber dem umliegenden Gewebe hyperdens imponiert (Abb. [7]) [15]. Die kontrastmittelverstärkte MRA (CEMRA) kann hochsensitiv Kaliberschwankungen der Gefäße nachweisen [16]. Beide Verfahren (CTA und CEMRA) können den typischen Befund einer Dissektion, das „flame shaped tapering“ zeigen. Damit wird die Verjüngung des Gefäßes bezeichnet, die der zunehmenden Einengung durch das Wandhämatom entspricht. Anders als beim thrombembolischen Verschluss, bei dem das Lumen stumpf endet, fehlen außerdem die Verkalkungen, die typischerweise bei präformierten atherosklerotischen Stenosen vorliegen (Abb. [8]).
Abb. 7 Nachweis einer Dissektion der A. carotis interna links mit der CTA. Stenosiertes zentrales Restlumen, umgebendes hyperdenses Wandhämatom (Pfeil).
Abb. 8 Typische angiografische Befunde (DSA, CTA und MRA) bei Dissektion der A. carotis interna: ein sich verjüngendes Lumen („flame shaped tapering“) ohne den Nachweis von Verkalkungen oder eines stumpfen Abbruchs der Kontrastmittelsäule.
Hämatomnachweis
Hochspezifisch und beweisend für eine Dissektion ist der direkte Nachweis des Wandhämatoms. Dies gelingt sicher mit fettgesättigten T1w Schichten, wobei der Umstand genutzt wird, dass Blut im Stadium des Methämoglobins (üblicherweise nach 3 Tagen) ein hyperintenses Signal liefert (Tab. [1]) [18]. Hier ist auf die Differenzierung zwischen intramuralem Hämatom und intraluminalem Thrombus zu achten, der ebenfalls hyperintens zur Darstellung kommen kann. Ein Wandhämatom kommt schienenstrangartig zur Darstellung (Abb. [9], Abb. [10]). Seltener, aber prinzipiell mit hochauflösenden T2w Sequenzen ist die Dissektionsmembran selbst nachweisbar (Abb. [11]). Mit diesen Sequenzen lässt sich auch sicher die Lagebeziehung der Dissektion zur Dura bestimmen (Abb. [2]). Neuere Arbeiten konnten die Wertigkeit der SWI für den Nachweis des Wandhämatoms zeigen [3].
Tabelle 1
Signalverhalten von Blut in T1 und T2 in Abhängigkeit von der Zeit [17].
Blutabbauprodukte
|
Zeit
|
T1w
|
T2w
|
Oxyhämoglobin
|
< 12 h
|
isointens
|
hyperintens
|
Deoxyhämoglobin
|
12 h – 3 d
|
isointens
|
hypointens
|
intrazelluläres Methämoglobin
|
3 – 7 d
|
hyperintens
|
hypointens
|
extrazelluläres Methämoglobin
|
8 d – 1 Monat
|
hyperintens
|
hyperintens
|
Hämosiderin
|
> 1 Monat
|
hypointens
|
hypointens
|
Abb. 9 Typischer Nachweis des Wandhämatoms in der fettgesättigten T1w. a A. vertebralis im V2 /3-Segment (Pfeil). b A. carotis interna (Pfeil) mit schienenstrangartiger Konfiguration und zentralem Restlumen.
Abb. 10 Bilaterale Dissektion der A. vertebralis (Pfeile). Rechts im V3-Segment, links langstreckig vom V1- bis in das V3-Segment.
Abb. 11 Direkter Nachweis der Dissektionsmembran im V3-Segment der A. vertebralis rechts. a Hochauflösendes koronares T2w Bild. b Ausschnittsvergrößerung.
Falls das Wandhämatom nicht nachgewiesen werden kann, ist es u. U. sinnvoll, die Untersuchung nach einigen Tagen zu wiederholen, um das methämoglobinhaltige Wandhämatom sicher nachweisen zu können.
DSA
Die DSA ist noch der Goldstandard zum Nachweis einer Dissektion [19]. Aufgrund der hohen Auflösung und Sensitivität der Schnittbildgebung ist sie jedoch nur noch selten notwendig und bleibt unklaren Befunden vorbehalten. Außerdem kann sie indiziert sein, falls sich eine therapeutische Option z. B. bei hämodynamischer Kompromittierung durch eine resultierende Stenose ergibt oder aber bei einer distalen Embolie eine Thrombektomie indiziert ist. Typische Befunde sind auch in der DSA sich verjüngende Gefäße, seltener die direkte Darstellung der Dissektionsmembran.
-
Dissektionen der zervikalen hirnversorgenden Gefäße sind eine häufige Ursache für Schlaganfälle bei jungen Patienten.
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Für die Wahl der Sekundärprophylaxe entscheidend ist die Tatsache, ob die Dissektion intra- oder extradural lokalisiert ist.
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Bereits in der konventionellen Bildgebung mit CT und MRT ohne dezidierte Gefäßdarstellung lassen sich Hinweise auf eine Dissektion erheben.
-
Eine sichere Darstellung des Wandhämatoms zum Beweis einer Dissektion gelingt mit fettgesättigten T1w Sequenzen.
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