Koxarthrose
Prävalenz und Inzidenz
Die Hüftarthrose zählt gemeinsam mit den Verschleißerkrankungen an anderen mechanisch
belasteten Gelenken (v. a. Knie, Fuß, Hand) und der Wirbelsäule zu den häufigsten
Erkrankungen in Industrienationen. Sie nimmt mit dem Lebensalter zu. In Querschnittuntersuchungen
der mitteleuropäischen Bevölkerung werden bei etwa 5 % der 50-Jährigen und 25 % der
80-Jährigen röntgenologische Hinweise auf Abnutzungserscheinungen der Hüftgelenke
gefunden. Im jüngeren Lebensalter sind vorwiegend Männer und mit zunehmendem Alter
häufiger Frauen betroffen, da nach dem Klimakterium knorpelschützende Hormone nicht
mehr ausgeschüttet werden.
Nur etwa ⅓ röntgenologisch nachweisbarer Arthrosen verursacht Beschwerden.
Es kann davon ausgegangen werden, dass hierzulande bei etwa 5 % aller Menschen im
Laufe des Lebens Behandlungsbedarf wegen einer Hüftarthrose besteht. Genauere Daten
werden derzeit im Rahmen der „Nationalen Kohorte“ erhoben, die als epidemiologische
Quer- und Längsschnittuntersuchung in Deutschland erstmals valide Daten auch zur Prävalenz
degenerativer Gelenkerkrankungen liefern wird. In Deutschland wurden nach Angaben
des Statistischen Bundesamtes 2012 insgesamt 287 Hüftendoprothesen pro 100 000 Einwohnern
wegen einer Koxarthrose implantiert. Entgegen früherer Annahmen zur deutschen Spitzenposition
belegen neuere (altersstandardisierte) Auswertungen, dass in 4 anderen europäischen
Ländern mehr Endoprothesen als bei uns implantiert werden [1].
Ätiologie
Moderne Konzepte zur Ätiologie degenerativer Gelenkerkrankungen basieren auf einer
multifaktoriellen Erkrankungsgenese (Abb. [1]). Als wichtige Risikofaktoren für eine Arthroseentwicklung werden neben dem Alter
genetische, biomechanische und entzündliche Faktoren diskutiert. Auch Übergewicht,
Osteoporose, kardiovaskuläre und Stoffwechselerkrankungen sind mittlerweile bekannte
Faktoren, die sich negativ auf den Knorpelstoffwechsel auswirken können.
Abb. 1 Ausgewählte Risikofaktoren der Koxarthrose; MMP = Matrixmetalloproteinasen [3]
[4].
Mechanische Risikofaktoren. Am Hüftgelenk gibt es besonders wichtige mechanische Risikofaktoren, die als präarthrotische
Deformitäten bezeichnet werden (Abb. [2]). Besondere Bedeutung kommt dem femoroazetabulären Impingement zu: Man unterscheidet die folgenden Deformitäten:
-
Cam-Deformität (Verlust der normalen Sphärizität des Hüftkopfs insbesondere am Kopf-Hals-Übergang,
Abb.[2 a], Abb. [2 b])
-
Pincer-Deformität (Vermehrung der Pfannenüberdachung in Teilabschnitten oder der gesamten Pfannenzirkumferenz,
Abb. [2 c], Abb. [2 d])
Abb. 2 Typische Röntgenbilder von Hüfterkrankungen, die als wichtige Risikofaktoren einer
Koxarthrose gelten. a, b Cam-Deformität. c, d Pincer-Deformität. e, f Hüftdysplasie. g, h Avaskuläre Hüftkopfnekrose.
Diese Formstörungen können isoliert oder in Kombination beobachtet werden und zu Abnutzungsschäden
von Gelenkknorpel bzw. Labrum führen [2].
Bei der ebenfalls als Risikofaktor wirksamen Hüftdysplasie führt eine unzureichende Pfannenüberdachung in Abhängigkeit vom Schweregrad zur Knorpelüberlastung.
Diese kann durch Dezentrierung bzw. Instabilität des Gelenks noch erheblich verstärkt
werden (Abb. [2 e]. Abb. [2 f]). Durchblutungsstörungen des Hüftkopfs im Kindesalter (Morbus Perthes) und bei Erwachsenen
(avaskuläre Nekrose) bzw. nach Schenkelhalsfrakturen mit Zirkulationsstörung (Abb. [2 g], Abb. [2 h]) führen ebenfalls häufig zu einer gestörten Gelenkform mit daraus resultierender
Knorpelschädigung.
Weitere Faktoren. In etwa der Hälfte der Koxarthrosefälle sind möglicherweise genetische Komponenten
beteiligt. Verschiedene Gene (u. a. Kollagen 2A, Vitamin-D-Rezeptor und Östrogenrezeptor
α) spielen für die Prädisposition der Arthrose eine Rolle. Im Hinblick auf die multifaktorielle
Ätiologie von Arthrosen muss aber betont werden, dass auch am Hüftgelenk Umwelteinflüsse
sowie berufliche und sportliche Expositionsmuster von Bedeutung sind.
Der genaue zelluläre und subzelluläre Entstehungsmechanismus bzw. Erkrankungsprozess
bei der Arthrose ist immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung.
Insgesamt führt ein Missverhältnis zwischen Tragfähigkeit und Beanspruchung des Gelenks
zu einer fortschreitenden Schädigung der Knorpelmatrix mit den typischen Folgeveränderungen
der Arthrose auch an weiteren Gelenkstrukturen (Knochen, Gelenkkapsel und Schleimhaut,
Bänder, Muskulatur).
Diagnostisches Vorgehen
Neben der Bewegungseinschränkung und Gangstörung gehören v. a. Schmerzen zu den Leitsymptomen
bei Koxarthrose, die häufig in der Leistenregion angegeben werden, aber auch nach
gluteal oder entlang der Oberschenkelinnenseite ausstrahlen können. Mit dem Ziel einer
differenzialdiagnostischen Abgrenzung der in der Hüfte beschriebenen Beschwerden sollte
die Lenden-Becken-Hüftregion als eine Einheit gesehen werden und eine strukturierte
klinische sowie bildgebende Untersuchung des Hüftgelenks und der angrenzenden anatomischen
Regionen erfolgen.
Anamnese
Von besonderer Bedeutung ist eine detaillierte Abfrage der Beschwerden unter Berücksichtigung
von:
-
Vorerkrankungen und Verletzungen im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter
-
Berufs- und Sportbelastung
-
bisher durchgeführten Therapiemaßnahmen
Daneben sollten anamnestisch erfasst werden:
-
Schmerzcharakter (Anlauf-, Belastungs-, Bewegungs-, Ruhe-, Nacht-, Leisten-, Knie-
oder Rückenschmerz)
-
Dauer der Beschwerden
-
genaue Schmerzlokalisation
-
Intensität der Schmerzen
-
schmerzverstärkende und -lindernde Faktoren
-
Funktionseinschränkungen im Alltag
Zusätzlich kann die Verwendung standardisierter Algofunktionsfragebögen hilfreich
sein (Tab. [1]).
Tabelle 1
Häufig verwendete Algofunktions-Scores bei Koxarthrose.
|
Western Ontario and McMaster Universities Arthritis Index (WOMAC)
|
Harris Hip Score (HHS)
|
Oxford Hip Score (OHS)
|
Hip Dysfunction and Osteoarthritis Outcome Score (HOOS)
|
Schmerz
|
X
|
X
|
X
|
X
|
Funktion/ADL
|
X
|
X
|
X
|
X
|
Steifigkeit
|
X
|
|
|
X
|
Beweglichkeit
|
|
X
|
|
|
ADL = Aktivitäten des täglichen Lebens
Klinische Untersuchung
Inspektion. Erste Auffälligkeiten des Gangbildes und der Beweglichkeit des Hüftgelenks zeigen
sich bereits beim Gehen des Patienten in das Untersuchungszimmer sowie beim Entkleiden
für die weitere Untersuchung (u. a. Verwendung von Hilfsmitteln und Körperhaltung).
Beim Auskleiden sollte darauf geachtet werden, ob der Patient auf einem Bein stehen
kann, sich Muskelverschmächtigungen oder trophische Störungen zeigen oder er aufgrund
von Bewegungseinschränkungen Trickmechanismen verwendet. Nachfolgend können Beckengeradstand,
Beckenvorneigung mit Hyperlordose der Lendenwirbelsäule bzw. kompensatorisch bei vorliegender
Beugekontraktur, Beinlängendifferenzen, An- und Abspreizkontrakturen sowie die Beinachse
beurteilt werden.
Gangbild. Ist ein hinkendes Gangbild auffällig, kann zwischen Verkürzungs-, Versteifungs-,
Lähmungs-, Schon- oder Duchenne-Hinken unterschieden werden:
-
Entlastungshinken (Duchenne-Hinken): Beim Duchenne-Hinken wird der Oberkörper in der
verkürzten Standphase verstärkt über die betroffene Hüftgelenkseite gebracht. Durch
diese Annäherung des Gesamtkörperschwerpunktes an den Hüftkopfmittelpunkt verbessern
sich die Hebelarme der hüftumgreifenden Muskulatur, und der Druck auf das Hüftgelenk
wird vermindert.
-
Verkürzungshinken: Das Verkürzungshinken zeigt sich durch ein tieferstehendes Becken
auf der betroffenen Seite.
-
Versteifungshinken: Beim Versteifungshinken muss das betroffene Bein angehoben oder
zirkumduziert bewegt werden.
-
Sonstige Formen: Gelegentlich ist auch ein Hinken aufgrund einer Insuffizienz der
Glutealmuskulatur zu beobachten, wie sie im Stand als positives Trendelenburg-Zeichen
nachgewiesen werden kann (Abkippen des Beckens im Einbeinstand zu der Seite des angehobenen
Beins als positives Trendelenburg-Zeichen des Standbeins).
Palpation. Der Untersucher palpiert die geschilderten Schmerzregionen und tastet das Trochantermassiv
ab. Außerdem gehört das Prüfen von Leistendruckschmerzen, das Palpieren des Beckenstandes
sowie ggf. das Ausmessen einer Beinlängendifferenz durch Unterlegen von Holzbrettchen
unter das verkürzte Bein zu diesem Untersuchungsabschnitt. Durch das gezielte Abtasten
der Weichteil- und Knochenstrukturen können Insertionstendinopathien, Bursitis trochanterica,
Coxa saltans oder differenzialdiagnostisch Beschwerden über dem Iliosakralgelenk,
der Lendenwirbelsäule oder dem Nierenlager detektiert werden.
Beweglichkeitsprüfung. Die differenzierte Erhebung des Bewegungsumfangs erfolgt nach der Neutral-Null-Methode
bei liegendem Patienten und passiver Prüfung der einzelnen Bewegungsrichtungen beginnend
mit der Flexion unter Ausschluss einer Hüftbeugekontrakur (Thomas-Handgriff). Innen-
und Außenrotation des Hüftgelenks werden in 90°-Flexion geprüft, die Ab- und Adduktion,
wenn möglich, in 0°-Extension bestimmt. Dabei sollte mit dem weniger schmerzhaften
Hüftgelenk begonnen und endgradige Schmerzen oder Schmerzausstrahlungen während der
Bewegungsprüfung notiert werden.
Funktionstests. Zu den Funktionstests gehören (Details s. [5]):
-
Drehmann-Zeichen: Bei Flexion im Hüftgelenk wird das Femur zwangsweise außenrotiert.
Dies kann z. B. bei fortgeschrittener Arthrose aufgrund einer Kapselkontraktur auftreten.
-
Viererzeichen oder Patrickʼs Sign: Das Hüftgelenk wird bei gebeugtem Kniegelenk außenrotiert
und abduziert und die Knöchelregion oberhalb des Kniegelenks des gestreckten Beins
der Gegenseite abgelegt, sodass die Beinkonfiguration einer 4 entspricht. Dabei kann
einerseits eine Einengung des N. femoralis zwischen dem M. iliopsoas und dem Lig.
inguinale provoziert werden (femorales Impingement), andererseits kommt es zu einer
Kompression des Iliosakralgelenks und zur Belastung der Symphyse.
-
Anterolateraler femoroazetabulärer Impingement-Test: Durch Adduktion und Innenrotation
des Femurs bei 90° flektiertem Hüftgelenk wird ein Schmerz ausgelöst. Dabei kommt
es zur Kompression der wulstartigen Deformierung des Kopf-Hals-Übergangs (Cam-Impingement)
an Labrum und Pfannenrand. Beim Pincer-Impingement („Beißzangen-Impingement“) kommt
es zum frühzeitigen Anschlagen des Schenkelhalses an die Ausziehungen des knöchernen
Pfannenrandes.
-
Piriformissyndrom: Durch maximale Flexion, Adduktion und Innenrotation wird ein tief
dorsal in der Hüfte lokalisierter Schmerz, der in das Bein ausstrahlen kann, ausgelöst.
Diese Symptomatik entsteht bei Einengung des N. ischiadicus durch den M. piriformis.
-
Mennel-Test (3-Stufen-Test): In Bauchlage wird das Becken durch Druck auf das Iliosakralgelenk
(ISG) fixiert und das ipsilaterale Hüftgelenk durch Abheben des Femurs von der Unterlage
dorsalextendiert. Im nächsten Schritt wird die Dorsalextension bei Fixierung des Sakrums
wiederholt, bevor der Test abschließend ohne Druckbelastung durchgeführt wird. Dadurch
kann zwischen Verkürzung der Muskulatur im Hüftbereich, Irritation des ISG und Lumbalsyndromen
differenziert werden.
Die Abgrenzung eines positiven Impingement-Zeichens bei entsprechender Deformität
gegenüber der häufig schmerzhaften Innenrotation bereits in frühen Arthrosestadien
ist kaum möglich.
Klinische Untersuchung des Hüftgelenks
Die klinische Untersuchung der Hüfte sollte strukturiert unter Berücksichtigung der
angrenzenden anatomischen Regionen und unterschiedlichen Weichteil- und Knochenstrukturen
erfolgen, um die geschilderten Beschwerden differenzialdiagnostisch abzuklären. Dabei
ist zusätzlich eine sorgfältige Erhebung des neurologischen Status und der Durchblutungsverhältnisse
erforderlich.
Bildgebende Verfahren – Röntgenologische Untersuchung
Gelenkdarstellung. Die Basisdiagnostik bei Hüftbeschwerden schließt eine Darstellung des Gelenks in
2 Ebenen ein (Details s. [6]):
-
Die a.-p. Aufnahme sollte als Beckenübersicht im Liegen oder Stehen, mit extendiertem Hüftgelenk und
ventral ausgerichteter Patella, durchgeführt werden (unter Stehbelastung bildet sich
die tatsächliche Gelenkspaltverschmälerung als Ausdruck des Knorpelverlustes besser
ab).
-
Die 2. Ebene wird i. d. R. als axiale/seitliche Aufnahme abgebildet (seitliche Darstellung des proximalen Femurs durch gleichzeitige Beugung
und Außendrehung des Beins). Ist auch eine Darstellung der Pfanne in der 2. Ebene
gewünscht (z. B. Beurteilung des vorderen Pfannenrandes und dorsalen Gelenkspalts),
muss eine „Falschprofilaufnahme“ (seitliche Aufnahme des gestreckten und 25° außenrotierten
Hüftgelenks im Stehen) erfolgen.
-
Soll die Antetorsion des proximalen Femurs gemessen werden, ist zusätzlich zur Beckenübersichtsaufnahme
eine Rippstein-Aufnahme (90°-Hüft- und Knieflexion, 20°-Femurabduktion, 0°-Rotation) erforderlich, um anhand
der jeweils projizierten Schenkelhalswinkel in beiden Ebenen den reellen Antetorsionswinkel
errechnen zu können.
Auswertung. Am Röntgenbild des Hüftgelenks sollte geprüft werden:
-
ob röntgenmorphologische bzw. morphematische Charakteristika präarthrotischer Deformitäten
nachweisbar sind (Abb. [3], Abb. [4]). Dazu ist die Bestimmung charakteristischer Winkelwerte und Messgrößen eine Hilfe
(Tab. [2]).
-
wie groß der CCD-Winkel (Centrum-Collum-Diaphysen-Winkel) ist. Dabei sollte man sich
darüber im Klaren sein, dass die Messung am a.-p. Bild aufgrund der dreidimensionalen
Ausrichtung des Schenkelhalses mit unterschiedlicher Antetorsion immer nur „projizierte“
Werte ergeben kann. Einen „reellen“ CCD-Winkel erhält man nur unter Zuhilfenahme einer
zusätzlichen Rippstein-Aufnahme mit Messung der Antetorsion und anschließender tabellarischer
Kalkulation. Der CCD-Winkel lässt sich jedoch auch angenähert in einer Beckenübersichtsaufnahme
beurteilen (Abb. [5]).
Abb. 3 Wichtige Röntgenparameter zur Beurteilung von Cam- und Pincer-Deformitäten. a Vermessung von α-Winkel und Kopf-Hals-Offset in der radiären MRT bzw. in seitlichen/axialen
Röntgenaufnahmen. b Parameter der Pfannenüberdachung (Bestimmung in der Beckenübersichtsaufnahme).
Abb. 4 Typischer Verlauf einer beidseitigen Koxarthrose. a In der initialen Aufnahme ist die Hüftdysplasie beidseits sowie eine beginnende Gelenkspaltverschmälerung
rechts zu erkennen. b 9 Jahre später ist es zur Entwicklung einer massiven Koxarthrose mit aufgehobenem
Gelenkspalt beidseits gekommen.
Tabelle 2
Die wichtigsten – in einer Beckenübersichtsaufnahme messbaren – Referenzwerte für
die Pfannenüberdachung (adaptiert nach [6]).
Parameter/Messwert
|
Überdachung
|
|
vermindert (Dysplasie)
|
normal
|
vermehrt (Pincer)
|
lateraler Centrum-Erker-Winkel
|
< 23°
|
23 – 33°
|
> 33°
|
Extrusionsindex
|
> 27%
|
17 – 27%
|
< 17%
|
Tragflächenwinkel
|
> 13°
|
3 – 13 °C
|
< 3° bzw. negativer Wert
|
Cross-over-Zeichen
|
negativ oder positiv
|
negativ
|
negativ oder positiv
|
Anterior-Wall-Index
|
28 (0 – 50)%
|
40 (30 – 50)%
|
60 (20 – 90)%
|
Posterior-Wall-Index
|
80 (35 – 100)%
|
90 (80 – 110)%
|
115 (70 – 160)%
|
Abb. 5 Abschätzung des CCD-Winkels (aus [7]). a Bei normalem CCD-Winkel verläuft die auf der Femurlängsachse als Tangente des Trochanter
major errichtete Senkrechte etwa durch den Mittelpunkt des Hüftkopfs. b Coxa valga. c Coxa vara.
Befunde der Koxarthrose. Die röntgenologischen Befunde der Koxarthrose unterscheiden sich in Abhängigkeit
vom Erkrankungsstadium und wurden von Dihlmann [9] ausführlich beschrieben (Abb. [6]):
-
Frühzeichen: Die normalerweise homogen strukturierte und horizontal verlaufende Sklerosezone im
Azetabulumdach als Korrelat einer gleichmäßigen Spannungsverteilung im Hüftgelenk
(Pfannendachsuperzilium oder „Sourcil“) kann bei pathologischer Krafteinleitung eine
Sichelform annehmen oder, z. B. bei der Hüftdysplasie, lateral ansteigen. Die ersten
erkennbaren Osteophyten bilden sich häufig an der Fovea capitis als perifoveale Osteophyten
sowie auf der Vorderseite des Schenkelhalses als in der Axialaufnahme sichtbares Plaque-Zeichen
aus.
-
Fortgeschrittene Koxarthrose: In späteren Erkrankungsstadien kommt es zur Umwandlung des physiologischen Superziliums
in eine subchondrale Sklerose und zur Gelenkspaltverschmälerung als Ausdruck eines
Knorpelverlustes. Dieser kann begleitet sein von der Ausbildung marginaler Osteophyten
und Geröllzysten auf Kopf- bzw. Pfannenseite. Häufig kommt es auch zur Verkalkung
von Weichteilstrukturen (Labrum acetabulare, Gelenkkapsel, Synovialmembran).
-
Dezentrierungszeichen: Ausgeprägte Umbauvorgänge können zu einer Dezentrierung des Hüftgelenks führen. Neben
einer Lateralisation des Hüftkopfs ist diese durch Osteophytenbildung kaudal der Fovea,
im Pfannengrund („doppelter Pfannenboden“) und am medialen Schenkelhals („Hängematte“)
charakterisiert.
-
Schweregradeinteilung: Es gibt verschiedene röntgenologische Klassifikationssysteme zur Schweregradeinteilung
degenerativer Gelenkerkrankungen. Am häufigsten kommt der Score nach Kellgren und
Lawrence [10] zur Anwendung, der von Grad 0 (keine Arthrosezeichen) bis Grad 4 (schwere Arthrose)
reicht. Auch die Klassifikation nach Tönnis [11] (Grad 0 – 3) findet im klinischen Alltag Verwendung (Tab. [3]).
Abb. 6 Röntgenzeichen der Koxarthrose nach Dihlmann (aus [7]). a Frühzeichen (perifovealer Osteophyt, Pfannendachsuperzilium). b Fortgeschrittene Koxarthrose (Gelenkspaltverschmälerung, Sklerose, Osteophyten, Geröllzysten,
Verkalkung von Labrum/Kapsel). c Dezentrierungszeichen (doppelter Pfannenboden, subfovealer Osteophyt und „Schenkelhals-Hängematte“).
Tabelle 3
Röntgenologische Schweregrade der Koxarthrose nach Kellgren und Lawrence [10] sowie Tönnis [11].
Grad 0
|
Grad 1
|
Grad 2
|
Grad 3
|
Grad 4
|
Röntgenologischer Befund nach Kellgren und Lawrence
|
keine Arthrosezeichen
|
fraglicher Nachweis von Osteophyten
|
|
mäßige Gelenkspaltverschmälerung
|
Gelenkspalt erheblich verschmälert bzw. aufgehoben
|
Röntgenologischer Befund nach Tönnis
|
keine Arthrosezeichen
|
|
|
|
–
|
Bildgebende Verfahren – Schnittbildverfahren
CT und MRT können als ergänzende Untersuchung nach der konventionellen Röntgenaufnahme
zur Beurteilung von Gelenkstrukturen sowie zur alternativen Vermessung der Schenkelhals-
und Pfannentorsion indiziert sein. MR-tomografisch lässt sich v. a. das Labrum acetabulare
als sekundärer Stabilisator des Hüftkopfs darstellen. Mit radiären Sequenzen (und
ggf. intraartikulärer Kontrastmittelgabe) können die Labrumhypertrophie, gelenkseitige
Einrisse oder gar vollständige Abrisse meist gut diagnostiziert werden. Mit entsprechender
Untersuchungstechnik sind auch höhergradige Knorpelschäden, extraossäre Ganglien bzw.
Erkerzysten, die Durchblutungssituation am Hüftkopf (aseptische Femurkopfnekrose)
und synoviale Veränderungen (Chondromatose, villonoduläre Synovialitis) nachweisbar
(Abb. [7], Abb. [8]). Darüber hinaus kann durch spezielle Sequenzen auch die Qualität des Knorpels beurteilt
werden.
Abb. 7 MR-tomografische Darstellung einer Labrumdegeneration sowie eines extraartikulären
Ganglions bei Hüft-Impingement.
Abb. 8 Chondromatose des linken Hüftgelenks mit Darstellung der freien Gelenkkörper. a Röntgenaufnahme. b MRT. c MRT.
Die Einführung von dreidimensionalen Datensätzen in der MR-Tomografie erlaubt eine
sekundäre Rekonstruktion von Spezialschichtungen und verbessert die Möglichkeit zur
Messung der femoralen Antetorsion in der MRT als Alternative zur CT-Bestimmung.
-
Eine MR-Tomografie mit radiären Sequenzen ist für die detaillierte Beurteilung eines
femoroazetabulären Impingements erforderlich.
-
Die CT hat in der Arthrosediagnostik einen geringen Stellenwert, ist aber für die
Torsionsmessung und zur Beurteilung knöcherner Pathologien von Bedeutung.
Differenzialdiagnose
Eine Vielzahl intra- und extraartikulärer Schmerzursachen müssen differenzialdiagnostisch
in Erwägung gezogen werden (Tab. [4]). Häufig ist eine Abgrenzung von Gelenkbeschwerden gegenüber ausstrahlenden Schmerzen
aufgrund degenerativ bedingter Wirbelsäulenerkrankungen erforderlich. Hier kann die
lokale Injektion eines Lokalanästhetikums zur Klärung beitragen. Einige der Koxarthrosepatienten
weisen eine atypische Verlaufsform auf. Statt der üblicherweise langsamen Progredienz
kommt es bei diesen Patienten innerhalb kürzester Zeit zu einer schmerzhaften Zerstörung
des Gelenks („rapid erosive Koxarthrose“). Wegen der ausbleibenden Osteophytenbildung
und der schnellen Gelenkdestruktion kann die Abgrenzung zur septischen Koxitis (Entzündungsparameter)
oder zu Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises erschwert sein.
Tabelle 4
Differenzialdiagnose Koxarthrose.
Lokalisation
|
Differenzialdiagnosen
|
intraartikulär
|
-
Infektion (septische Koxitis, viral)
-
entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankungen (rheumatoide Arthritis)
-
Labrumpathologie
-
femoroazetabuläres Impingement
-
Hüftdysplasie
-
Osteochondrosis dissecans, avaskuläre Femurkopfnekrose
-
Trauma (Schenkelhals- und Azetabulumfrakturen)
-
Tumor, Metastasen
-
Chondromatose
|
extraartikulär
|
-
Weichteilschmerz (Periarthropathia coxae, Bursitis trochanterica, Fibromyalgie, Insertionstendinopathien)
-
Coxa saltans
-
Erkrankungen der Wirbelsäule und Iliosakralgelenke
-
Nervenkompressionssyndrome (Meralgia paraesthetica, Piriformissyndrom)
-
Hamstring-Syndrom
-
extraartikuläre proximale Femurfrakturen
-
periphere arterielle Verschlusskrankheit
-
Osteomyelitis
-
Leisten-, Obturatorius-, Schenkelhernien
-
Tumor, Metastasen
-
abdominelle Erkrankungen
|
Wichtige intraartikuläre Differenzialdiagnosen zur frühen Arthrose sind:
Durch eine genaue Anamnese, gezielte klinische Untersuchung und ggf. erweiterte Bildgebung
gelingt eine Abgrenzung der einzelnen Krankheitsbilder.
Bei diskrepantem klinischem und radiologischem Befund ist eine weitere differenzialdiagnostische
Abklärung erforderlich.
Prävention
Primärprävention
Ziel vorbeugender Maßnahmen muss sein, das Neuauftreten einer Hüftarthrose zu verhindern
(„Primärprävention“). Dazu ist es erforderlich, Risikofaktoren für eine Arthroseentstehung
auszuschalten. Nachdem konstitutionelle Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, genetische
Faktoren) nicht änderbar sind, haben v. a. frühzeitige Maßnahmen bei anderen Risikofaktoren
große Bedeutung: Dazu gehört die rechtzeitige und erfolgreiche Behandlung von Formstörungen
des Hüftgelenks (z. B. Hüftdysplasie und andere kindliche Hüfterkrankungen, Hüft-Impingement)
sowie die Vermeidung von Überlastungen. Übergewicht sollte reduziert und gelenkschädigende
sportliche oder berufliche Tätigkeiten sollten gemieden werden (regelmäßige sportmedizinische
bzw. arbeitsmedizinische Untersuchungen). Bei vorliegenden Stoffwechselerkrankungen
(Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Gicht) muss eine optimale Einstellung erfolgen.
Sekundärprävention
Bei bereits vorliegenden Anfangsstadien einer Arthrose sollte mit Maßnahmen der sog.
Sekundärprävention das Fortschreiten der Erkrankung aufgehalten werden:
-
Ausschalten belastender Faktoren
-
Optimierung des Körpergewichts
-
moderate regelmäßige Bewegung und Muskelkräftigung
-
bei erst beginnender Gelenkabnutzung evtl. noch gelenkerhaltende operative Maßnahmen
wie z. B. Umstellungsosteotomie
Tertiärprävention
Bei bereits manifestem Arthroseschaden kommt nur noch die sog. Tertiärprävention (Verhinderung
von Folgeschäden) infrage. Durch Schmerzen und eine zunehmende Einschränkung der Gelenkfunktion
minimieren die Patienten oft ihre körperlichen Aktivitäten. Dies kann zu Übergewicht
und daraus resultierenden Zivilisationskrankheiten führen. Außerdem entstehen oft
Defizite in Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer, was wiederum die Beschwerden
verstärken und die Patienten deutlich in ihrer Lebensqualität sowie in der Ausübung
von Beruf und Freizeitaktivitäten einschränken kann. Die Tertiärprävention umfasst
daher sämtliche Maßnahmen zur Beschwerdelinderung und zum Erhalt der Gelenkfunktion
(medikamentöse und nicht medikamentöse Maßnahmen einschließlich endoprothetischem
Gelenkersatz).
Eine Übersicht über die Präventionsmaßnahmen bei Koxarthrose gibt Tab. [5]
.
Tabelle 5
Präventionsmaßnahmen bei Koxarthrose.
Stufe der Vorbeugung
|
Ziel
|
Wichtige Maßnahmen
|
Primärprävention
|
Verhinderung der Arthroseentstehung
|
-
Ausschalten von Risikofaktoren: Behandlung von Dysplasie, Impingement und anderer
Formstörungen, Vermeidung extremer Belastung in Sport und Beruf
-
operative Korrektur von Fehlstellungen
|
Sekundärprävention
|
Aufhalten des Fortschreitens der Arthrose
|
|
Tertiärprävention
|
Verhinderung von Folgeschäden
|
|
Konservative Therapie
Wie bei allen anderen degenerativen Gelenkerkrankungen sollte auch bei der Koxarthrose
die konservative Therapie am Beginn der Behandlungsmaßnahmen stehen, die vorwiegend
auf die Kontrolle der Symptome Schmerz und Funktionseinschränkung ausgerichtet ist.
Es gibt eine Vielzahl von pharmakologischen und nichtpharmakologischen Maßnahmen,
die kombinierbar sind.
Beratung. Zu Beginn der Behandlung ist es wichtig, den Patienten über sein Krankheitsbild (Ursache
und Verlauf) zu informieren und über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten aufzuklären.
Intensität und Dauer des Hüftschmerzes spielen bei der Indikationsstellung zu einer
Therapieform neben den Begleiterkrankungen, der körperlichen Aktivität und Arbeitsbelastung
des Patienten sowie der Einschränkung der Lebensqualität eine wichtige Rolle. Dabei
sollte die Beratung des Patienten individuell gestaltet werden und Hinweise zum Verhalten
in Alltag, Sport und Beruf genauso enthalten wie zur Gewichtsnormalisierung und zu
Eigenübungen, um muskuläre Defizite zu beseitigen. Schriftliche Patienteninformationen
können dabei hilfreich sein.
Übungsbehandlungen und Diät. Im Februar 2014 veröffentlichte das britische National Institute for Health and Clinical
Excellence (NICE) eine aktualisierte Leitlinie für die Behandlung von Arthrose [8]. Am Anfang des Behandlungsalgorithmus stehen neben der Patienteninformation die
Muskelkräftigung und generelle Fitness sowie die Reduktion eines evtl. vorhandenen
Übergewichts unabhängig vom Alter (auch bei geriatrischen Patienten). Begleiterkrankung
und Schmerzintensität sind dabei zu berücksichtigen. Die Kombination von Übungsbehandlungen
und Diät ist den Einzelmaßnahmen in Hinblick auf Schmerzreduktion und funktionelle
Verbesserung überlegen.
Medikamentöse Therapie. Als erste medikamentöse Therapie wird der Einsatz von Paracetamol empfohlen, wobei
Nebenerkrankungen das Nutzen-Risiko-Profil negativ beeinflussen. Die nächste Stufe
besteht in der Gabe von Coxiben oder nichtselektiven NSAID („non-steroidal anti-inflammatory
drug“ = nicht steroidales Antiphlogistikum). Diese Behandlung sollte nur für die notwendige
Dauer eingesetzt werden, um kardiovaskuläre Nebenwirkungen möglichst gering zu halten
[8]. Opioide können bei Nichtansprechen der vorherigen Therapiestufen verwendet werden
(Abb. [14]). Laut der S3-Leitlinie der AWMF sind Opioide eine kurzzeitige Therapieoption (4 – 12
Wochen), längerfristig profitiert der Großteil der Patienten nicht.
Weitere Möglichkeiten. Der Einsatz von intraartikulären Hyaluronsäureinjektionen, Chondroitinsulfat und
Glukosamin, Akupunktur und Orthesen wird kontrovers diskutiert. Thermo-, Hydro-, Balneo-,
Elektro-, Ultraschall- und pulsierende Magnetfeldtherapie können einen günstigen Einfluss
haben, valide Studien zur Wirksamkeit der einzelnen Therapieformen liegen derzeit
allerdings nicht vor.
Operative Therapie
Bei der Koxarthrose ist die Entscheidung zur Durchführung einer Operation dann sinnvoll,
wenn entweder mit einem „vorbeugenden“ Eingriff der Verlauf der Arthrose verlangsamt
werden kann oder mit konservativen Maßnahmen keine ausreichende Beschwerdelinderung
erreichbar ist.
Grundsätzliche Alternativen der operativen Therapie sind:
-
gelenkerhaltende Korrektureingriffe (z. B. Impingement-Chirurgie, Osteotomien)
-
ersatzlose Entfernung zerstörter Gelenke („Resektionsarthroplastik“)
-
endoprothetischer Gelenkersatz
-
Arthrodese
Am Hüftgelenk sind sowohl die ersatzlose Entfernung als auch die Versteifung mit erheblichen
funktionellen Beeinträchtigungen verbunden, weshalb sie nur sehr selten durchgeführt
werden. Deshalb sollen im Folgenden nur die Prinzipien gelenkerhaltender Behandlungsmaßnahmen
sowie des endoprothetischen Gelenkersatzes ausgeführt werden.
Impingement-Chirurgie
In Abhängigkeit von der vorliegenden Deformität gibt es heute unterschiedliche Korrektureingriffe,
mit denen sich Impingement-Pathologien behandeln lassen.
Cam-Impingement. Die femorale Offset-Verbesserung beim Cam-Impingement (Abb. [9 a]) kann je nach Lage und Ausmaß der bestehenden Asphärizität über eine arthroskopische,
halb offene (arthroskopisch gestützte Miniarthrotomie) oder offene Vorgehensweise
(chirurgische Hüftluxation) indiziert sein.
Abb. 9 Operative Behandlung des Hüft-Impingements. a Abtragung der Asphärizität bei Cam-Deformität. b Abtragung des Pfannenrandes bei Pincer-Deformität.
Pincer-Impingement. Die Auswahl des am besten geeigneten Vorgehens zur Trimmung des Pfannenrandes beim
Pincer-Impingement (Abb. [9 b]) hängt von Lokalisation und Ausmaß der vermehrten Überdachung (global bzw. segmental)
ab und reicht von resezierenden Verfahren (nach Möglichkeit mit Labrumrefixation unter
den o. g. Zugangsalternativen) bis zur reorientierenden Beckenosteotomie.
Da häufig Cam- und Pincer-Deformitäten gleichzeitig vorliegen, kommen meist kombinierte
Verfahren zur Anwendung.
Knorpelschaden. In Abhängigkeit vom vorliegenden Knorpelschaden auf der Pfannenseite gibt es unterschiedliche
Behandlungsmöglichkeiten von der Mikrofrakturierung bis hin zu unterschiedlichen Tissue-Engineering-Verfahren
bei der Vollschichtzerstörung (autologe Chondrozytentransplantation, matrixinduzierte
autologe Chondrozytenimplantation und autologe matrixinduzierte Chondrogenese). Der
Stellenwert der unterschiedlichen Regenerationstechniken ist allerdings aufgrund fehlender
Evidenz noch nicht abschließend beurteilbar.
Labrumschaden. Bei Labrumschäden erfolgt die Behandlung ebenfalls in Abhängigkeit vom Schädigungsgrad:
Degenerative Auffaserungen oder Verknöcherungen des Labrums werden reseziert, vollschichtige
Risse sollten refixiert werden. Bei fehlendem Labrum bzw. maximaler Schädigung wird
gelegentlich die Rekonstruktion mittels entsprechender Transplantate (z. B. aus einem
Tractus-iliotibialis-Streifen) propagiert, allerdings ist die Wertigkeit solcher Verfahren
mangels verfügbarer Daten nicht beurteilbar.
Umstellungsosteotomien
Umstellungsoperationen sind Korrektureingriffe am gelenknahen Femur bzw. Azetabulum,
mit denen eine veränderte Gelenkform und damit eine Optimierung der Belastung erreicht
werden soll. Gute Indikationen sind insbesondere eine höhergradige Hüftdysplasie mit
noch kongruentem Gelenkspalt und die ausgeprägte Coxa valga bzw. Coxa vara sowie Torsionsdeformitäten
des proximalen Femurs. In Abhängigkeit vom Ort der Deformität sind moderne Korrekturverfahren
verfügbar:
Abb. 10 Reorientierende Beckenosteotomie bei Hüftdysplasie.
Mit diesen Verfahren lassen sich bei guter Indikationsstellung und entsprechender
Expertise ausgezeichnete klinische Ergebnisse auch über längerfristige Zeiträume erreichen.
Sonstige gelenkerhaltende Behandlungsmaßnahmen
Bei einigen Pathologien, die mit dem frühen Stadium einer Koxarthrose assoziiert sein
können, kann ebenfalls ein gelenkerhaltender Eingriff sinnvoll sein:
-
Entfernung freier Gelenkkörper (z. B. bei Chondromatose)
-
Knorpelchirurgie bei fokalem Knorpelschaden (z. B. bei Osteochondrosis dissecans)
-
Synovialisbiopsie und Synovektomie (z. B. bei villonodulärer Synovialitis)
-
Lavage und Débridement bei Verdacht auf septische Arthritis
-
Pathologie des Lig. capitis femoris (z. B. Ruptur)
-
Läsionen des Labrum acetabulare
-
extraartikuläre Pathologien (z. B. Psoas-Impingement, Bursitiden, Ruptur des M. gluteus
medius)
In diesen Fällen sind unterschiedliche Operationszugänge und Behandlungstechniken
(z. B. Miniarthrotomie) verfügbar.
Eine heute häufig propagierte Hüftarthroskopie ist i. d. R. nur im Frühstadium der
Hüftarthrose sinnvoll und kann z. B. bei Einklemmungserscheinungen und Blockierungen
angezeigt sein, wenn freie Gelenkkörper vorliegen. Bei fortgeschrittener Arthrose
(Kellgren-Lawrence ab Grad 3 [10]) lassen sich im Regelfall keine dauerhaften Verbesserungen mehr erreichen.
Bewertung der gelenkerhaltenden chirurgischen Behandlung
Der Erfolg gelenkerhaltender Behandlungsverfahren hängt ganz wesentlich vom Ausmaß
bereits vorliegender Abnutzungsschäden des Hüftgelenks ab: In der Regel ist deshalb
die höhergradige Koxarthrose (ab Stadium 3 nach Kellgren und Lawrence) eine Kontraindikation
für gelenkerhaltende Eingriffe. Wegen der mittlerweile guten Langzeitergebnisse der
modernen Endoprothetik werden aufwendige Rekonstruktionsverfahren (chirurgische Hüftluxation,
Korrekturosteotomien) jenseits des 45. Lebensjahrs ebenfalls kaum mehr durchgeführt.
Endoprothetischer Gelenkersatz
Bei konservativ therapieresistenten Beschwerden und fortgeschrittener Arthrose (i. d. R.
Arthrosegrad 3 und 4 nach Kellgren und Lawrence [10]) sollte die Indikation zum endoprothetischen Hüftgelenkersatz geprüft werden. Es
gibt zwar keine allgemeingültigen Kriterien für den richtigen Operationszeitpunkt,
aber i. d. R. wird vor Indikationsstellung eine adäquate konservative Behandlung (medikamentöse
und nicht medikamentöse Verfahren) über mindestens 3 – 6 Monate gefordert.
Der Eingriff gehört zu den erfolgreichsten medizinischen Behandlungsverfahren, da
i. d. R. die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessert werden kann. Die
postoperative Funktionskapazität hängt jedoch u. a. vom Ausmaß präoperativer Einschränkungen
ab.
Das Endstadium der Erkrankung mit völliger Einsteifung des Gelenks und hochgradiger
Behinderung sollte nicht abgewartet werden, bevor die Indikation zum Gelenkersatz
gestellt wird.
Die vielen verfügbaren Endoprothesenmodelle unterscheiden sich hinsichtlich Design,
Verankerungstechnik und Gleitpaarung.
Verankerung von Schaft und Pfanne. Grundsätzlich können Schaft und Pfanne zementiert oder zementfrei verankert werden
(Abb. [11]). Eine Kombination dieser Verfahren ist ebenso möglich (Hybridendoprothese). Die
Zementiertechnik hat sich insbesondere im höheren Lebensalter durchgesetzt, da sie
eine gute Verankerung auch im biologisch weniger regenerationsfähigen Knochen gewährt.
Im jüngeren Lebensalter zeigt die zementfreie Hüftendoprothetik – insbesondere unter
Nutzung von sog. Hart-Hart-Gleitpaarungen (s. u.) – nach Daten aus den Endoprothesenregistern
längerfristig bessere Standzeiten als die zementierte oder Hybridendoprothesenversorgung.
Abb. 11 Unterschiedliche endoprothetische Versorgungsmöglichkeiten bei Koxarthrose. a, b Zementfreie Standard-Totalendoprothese. c, d Zementfreie Kurzschaftprothese. e, f Hybridendoprothese. g, h Vollzementierte Prothese.
Sowohl unter Verwendung moderner Zementiertechnik als auch qualitativ hochwertiger
zementfreier Implantate lassen sich Überlebensraten von mehr als 90 % über 10 Jahre
in großen Endoprothesenregistern nachweisen.
Femorale Krafteinleitung. Hinsichtlich der femoralen Krafteinleitung unterscheidet man schaftbasierte Systeme
(Standard- und Kurzschaft) und einen Oberflächenersatz mit epiphysärer Verankerung.
Während Letzterer aufgrund der metallassoziierten Risiken kaum mehr angeboten wird,
gibt es eine Vielzahl sog. Kurzschäfte mit mehr oder weniger proximaler Krafteinleitung
als Alternative zum konventionellen Standardschaft. Ob und bei welchen Implantatmodellen
die postulierten Vorteile von Kurzschäften (knochensparende Einbringung, Vermeidung
von Stress Shielding) tatsächlich durch entsprechend gute Standzeiten belegbar sind,
muss jedoch noch abgewartet werden.
Gleitpaarungen. Eine häufige Ursache für die Lockerung von Endoprothesen ist die Entstehung von Abriebpartikeln
aus den artikulierenden Oberflächen, die an der Grenzfläche von Prothese bzw. Zement
und Knochen eine Fremdkörperreaktion in Gang setzen. Durch die Entwicklung des hochvernetzten
Polyethylens mittels Gammabestrahlung konnten die Abriebeigenschaften im Vergleich
zum konventionellen Polyethylen verbessert werden. Technologische Weiterentwicklungen,
die auf eine Verlangsamung der Alterung von hochvernetztem Polyethylen abzielen (u. a.
Applikation von Vitamin E) müssen noch zeigen, dass Erfolg versprechende In-vitro-Daten
auch in den klinischen Einsatz übertragbar sind. Während sich Keramik-Keramik-Gleitpaarungen
mittlerweile etabliert haben, kommen Metall-Metall-Gleitpaarungen kaum mehr zum Einsatz.
Grund dafür ist eine relativ hohe Rate lokaler Unverträglichkeiten sowie die potenzielle
Gefahr systemischer Schäden infolge einer Freisetzung von Metallpartikeln insbesondere
bei Verwendung von Köpfen größerer Durchmesser (> 36 mm).
OP-Zugang. Die Entwicklungen in der weniger invasiven Hüftgelenkendoprothetik spiegeln das Bemühen
um einen weichteilschonenden Zugang mit Reduktion des Operationstraumas wider. Tendenziell
sind damit ein geringerer Blutverlust und reduzierte postoperative Schmerzen erreichbar.
Allerdings besteht die Gefahr von Fehlplatzierungen bei eingeschränkter Übersicht
und eine insgesamt flache Lernkurve. Auch bleiben längerfristige positive Auswirkungen
(z. B. auf Standzeiten und Algofunktion) abzuwarten, weshalb derzeit keine generelle
Überlegenheit der weniger invasiven gegenüber den konventionellen Zugängen gesehen
wird.
Einen zusammenfassenden Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten gibt Abb. [14].
Nachsorge nach operativen Eingriffen
Die Rehabilitation wird beeinflusst durch:
-
die Art des Eingriffs (gelenkerhaltend bzw. Gelenkersatz)
-
die Belastbarkeit von Osteotomien bzw. Implantaten
-
patientenbezogene Kriterien (z. B. Alter, koordinative Fähigkeiten, muskuläre Ausgangssituation)
Belastungsaufbau. Bei der Impingement-Chirurgie und verschiedenen Osteotomien wird der Belastungsaufbau
vom Operateur vorgegeben. Nach Versorgung mit einer Hüftendoprothese sollte im Regelfall
eine Vollbelastung bei gesicherter Wundheilung möglich sein. Muskuläre Defizite und
Kontrakturen, die im Verlauf der Erkrankung entstanden sind, sowie der gewählte operative
Zugang – evtl. mit passagerer Ablösung und Refixation von Muskeln – müssen bei der
postoperativen Rehabilitation jedoch beachtet werden.
Physiotherapie. Die physiotherapeutische postoperative Behandlung beinhaltet Gangschule und Beinachsentraining,
dynamisches und statisches Muskeltraining, ADL-Schulung, Dehnungsübungen, Kraft- und
Ausdauertraining der angrenzenden Gelenke und Muskulatur verbunden mit Koordinations-
und Gleichgewichtstraining unter individuellen Gesichtspunkten und mit steigender
Intensität im postoperativen Zeitintervall. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Teilnahme
an Hüftsportgruppen.
Mit sportlichen Übungen (Fahrradfahren, Wandern) kann häufig ab der 12. postoperativen
Woche begonnen werden.
Schmerzmedikation. Die Einnahme eines Antiphlogistikums (z. B. Ibuprofen 600 mg 3 × 1/d) zur Prophylaxe
periartikulärer Ossifikationen über 2 Wochen postoperativ wird nach vielen gelenkerhalten
Eingriffen und beim Gelenkersatz (bei vertretbarem Risikoprofil) empfohlen.
Thromboseprophylaxe. Diese sollte bis zum Wiedererreichen des ursprünglichen Aktivitätsniveaus fortgesetzt
werden.
Begutachtung
Bei Funktionseinschränkung und Beschwerden aufgrund einer Koxarthrose bzw. nach operativen
Eingriffen am Hüftgelenk muss ärztlicherseits häufig das Restleistungsvermögen im
privaten und beruflichen Alltag eingeschätzt werden.
Es besteht Erwerbsfähigkeit für überwiegend sitzende Tätigkeiten ohne Gehen auf Leitern
und Gerüsten bzw. unebenem Gelände. Dies gilt in ähnlicher Weise für Koxarthrosepatienten
mit einer Bewegungseinschränkung, bei denen das Restleistungsvermögen ebenfalls auf
leichte bis mittelschwere Tätigkeiten begrenzt ist.
Gesetzliche Unfallversicherung. In der gesetzlichen Unfallversicherung besteht der Grundsatz einer abstrakten Schadensbewertung,
die berücksichtigt, wie viel Prozent des Arbeitsmarktes aufgrund der Unfallfolge verschlossen
bleibt (Minderung der Erwerbsfähigkeit, MdE):
-
Der Verlust eines Hüftgelenks, z. B. nach Ausbau einer Totalendoprothese (TEP), ist
selten mit weniger als 50 % MdE zu bewerten.
-
Die Versteifung des Hüftgelenks in günstiger Gebrauchsstellung (Abduktion 10°, Flexion
10°, mittlere Rotation) entspricht einer MdE von 40 %, wenn die andere Hüfte gut beweglich
ist.
-
Eine einseitige Einschränkung des Bewegungsausmaßes für Flexion/Extension 90/30/0°
bei gleichzeitig eingeschränkter Rotation und Abduktion wird mit 30 % MdE bewertet.
-
Die Mindest-MdE für eine Hüfttotalendoprothese bei freier Beweglichkeit beträgt 20 %.
Private Unfallversicherung. In der privaten Unfallversicherung werden Schäden an den Gliedmaßen und Sinnesorganen
nach der Gliedertaxe bewertet:
-
Die Gliedertaxe entspricht bei einer Versteifung des Hüftgelenks in günstiger Gebrauchsstellung
4/10 Bein.
-
Eine Beweglichkeit für Flexion/Extension von 90/0/0° bei freier Rotation entspricht
1/10 Bein.
-
Eine Beweglichkeit von Flexion/Extension von 90/30/0° bei freier Rotation entspricht
5/20 Bein.
-
Eine Hüftgelenksresektion wird mit 1/10 Bein bewertet.
-
Eine Totalendoprothese wird bei guter Funktion mit 7/20 Bein berücksichtigt.
-
Die zu erwartende Standzeit mit der Notwendigkeit eines Prothesenwechsels muss insbesondere
bei jüngeren Patienten in der Prognoseeinschätzung bzw. mit Risikoaufschlag beachtet
werden.
-
Für die nach dem 3. Jahr des Unfalls zu erwartende Arthrose kann bei der Beurteilung
nach Ablauf von 36 Monaten als Orientierung ein Risikoaufschlag von 1/20 bei röntgenologisch
nachgewiesener posttraumatischer Arthrose Kellgren und Lawrence Grad 1, 1/10 bei Grad
2, 3/20 bei Grad 3 und 2/10 bei Grad 4 gelten.
Entzündliche Hüftgelenkserkrankungen (Arthritis)
Während bei der Koxarthrose die initiale Knorpeldegradation zu einer sekundär entzündlichen
Antwort von Synovialmembran und Gelenkkapsel führt, gibt es eine Reihe von Erkrankungen
des Hüftgelenks, bei denen die inflammatorische Komponente ätiopathogenetisch im Vordergrund
steht und es erst sekundär zu Knorpelschäden kommt. Aufgrund von Ähnlichkeiten in
der initialen klinischen Symptomatik sowie gemeinsamer diagnostischer Prinzipien sollen
die klinisch relevanten Erkrankungsformen hier kurz zusammengefasst werden.
Ätiologie und Pathogenese
Bakterielle Arthritis
Zu einer bakteriellen Arthritis kommt es entweder durch hämatogene Streuung (endogener
Gelenkinfekt) oder durch eine äußere Kontamination (exogener Gelenkinfekt). Der exogene
Gelenkinfekt kann z. B. nach einer Gelenkpunktion, Infiltration oder einer operativen
Maßnahme auftreten. Gehäuft sind Gelenkinfekte bei älteren Patienten mit internistischen
Grunderkrankungen und demzufolge reduziertem Immunsystem zu finden. Bakterielle Toxine
oder die sekundäre Pannusbildung können den Gelenkknorpel und die Gelenkflächen zerstören
(Abb. [12]).
Abb. 12 Verlauf einer Patientin mit septischer Koxitis. Initiale Röntgendiagnostik (a) mit zunächst konservativer Behandlung und Destruktion des Kopfes (b) sowie Abszedierung in der MRT innerhalb von 4 Wochen (c, d). Behandlung mittels Kopfresektion (e) und zweizeitiger TEP-Implantation nach Infektausheilung (f).
Unspezifische septische Arthritiden werden häufig von den folgenden Erregern ausgelöst:
Allerdings können auch virale Infektionen zu einer Arthritis führen. Spezifische Arthritiden
gehören zu den seltenen Differenzialdiagnosen.
Rheumatische Hüftgelenkentzündungen
Diese Hüftgelenkentzündungen können als Mono- oder Oligoarthritis im Rahmen systemischer
Erkrankungen auftreten (Tab. [6]). Dazu gehören die rheumatoide Arthritis (RA) im Erwachsenen- und Kindesalter, die
Gruppe der Spondylarthropathien (Spondylitis ankylosans, Psoriasisarthritis, reaktive
Spondylarthritis, Spondylarthrits bei entzündlichen Darmerkrankungen, SAPHO-Syndrom)
und das rheumatische Fieber.
Tabelle 6
Differenzialdiagnose Hüftgelenkarthritis.
Typ
|
Formen
|
bakterielle Arthritis
|
|
rheumatische Arthritis
|
-
rheumatoide Arthritis (RA)
-
Morbus Still
-
rheumatisches Fieber
-
Morbus Bechterew
-
Psoriasisarthritis
-
reaktive Arthritis (Morbus Reiter, postenteritisch)
-
Spondylarthritis bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
-
SAPHO-Syndrom (Synovitis, Akne, Pustulosis, Hyperostose, Osteitis)
|
Arthropathien bei Stoffwechselerkrankungen
|
-
Arthritis urica
-
Chondrokalzinose (Pseudogicht)
-
ochronotische Osteoarthropathie
-
Arthropathie bei Hämochromatose
-
hämophile Arthropathie
|
Kollagenosen
|
|
weitere
|
|
Sowohl endogene Faktoren, genetische Disposition als auch exogene Faktoren werden
ätiologisch diskutiert. Die detaillierten zellulären und subzellulären Entstehungsmechanismen
sind Gegenstand der aktuellen Forschung. Beim rheumatischen Befall des Hüftgelenks
kommt es zur Ausbildung einer Synovialitis in der Fossa acetabuli und am Schenkelhals
mit sekundären knöchernen Erosionen als Folge der Unterminierung des Gelenkknorpels.
In späteren Stadien entwickeln sich sekundäre Koxarthrosen mit häufig starken Substanzdefekten
und Weichteilkontrakturen (Abb. [13]).
Abb. 13 Unterschiedlich schwere Formen der sekundären Koxarthrose bei rheumatoider Arthritis
reichen vom isolierten Knorpelverlust mit geringen osteophytären Anbauten (a) bis zu schwersten Substanzdefekten und Weichteilkontrakturen (b).
Abb. 14 Behandlungsalgorithmus der Koxarthrose im Überblick; NSAID = „non-steroidal anti-inflammatory
drug“, TENS = „transcutaneous electrical nerve stimulation“.
Die reaktive Arthritis entsteht nach einem vorangegangenen gastrointestinalen, bronchopulmonalen
oder urogenitalen (Reiter-Syndrom; auch als „urethro-okulo-synoviales Syndrom“ bezeichnet)
Infekt auf dem Boden einer gestörten Immunregulation, ohne dass im Gelenk selbst Erreger,
jedoch Antigene und Erregerbestandteile nachweisbar sind.
Arthropathien
Im Rahmen unterschiedlicher metabolischer und endokriner Störungen können ebenfalls
Arthropathien auftreten:
-
Arthritis urica bei Purinstoffwechselstörung
-
Chondrokalzinose durch Ablagerung von kristallinem Kalziumpyrophosphat im Gelenk
-
aseptische Osteonekrosen bei manifesten Fettstoffwechselstörungen
-
Gelenkveränderungen bei genetisch bedingten Eisenstoffwechselstörungen (Hämochromatose)
-
Störungen des Phenylalanin- und Tyrosinmetabolismus (Ochronose)
Weitere Erkrankungsformen sind
Eine Sonderform ist die Coxitis fugax („Hüftschnupfen“) als transiente Synovitis im
Kindesalter, bei der vermutlich allergisch-hyperergische Reaktionen der Synovialmembran
eine unspezifische Reizreaktion auslösen. Ebenfalls im Kindesalter ist gelegentlich
ein entzündlicher Hüftgelenkbefund bei einem Osteoidosteom in Schenkelhals oder Azetabulum
zu beobachten (Tab. [6]).
Diagnostisches Vorgehen
Klinische Untersuchung
Die klinische Verdachtsdiagnose ergibt sich aus einem oft akuten Schmerzverlauf (v. a.
bei der bakteriellen Koxitis mit spontan einsetzenden und stärksten Beschwerden) sowie
aus begleitenden Krankheitssymptomen. Bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises
ist das Hüftgelenk i. d. R. eher spät betroffen, weshalb oft begleitende Krankheitserscheinungen
(Morgensteifigkeit von mehr als 1 Stunde, Gelenkschwellungen, Befall der Hände) die
Diagnose erleichtern. Eine Kristallarthropathie kann sich als akuter Schmerzanfall
oder chronisch verlaufende und arthroseähnliche Symptomatik manifestieren.
Ochronose, Hämochromatose und Hämophilie sind i. d. R. als systemische Erkrankungen
bereits bekannt, bevor ein Hüftbefall den Verlauf zusätzlich kompliziert.
Labordiagnostik
Laborbefunde sind wichtig zur Abgrenzung entzündlicher Gelenkerkrankungen gegenüber
einer Koxarthrose: Bei der septischen Arthritis lassen sich regelhaft eine Leukozytose,
Blutsenkungsbeschleunigung und v. a. ein sehr sensitiver CRP-Anstieg nachweisen. Liegen
ein Gelenkerguss (Ultraschall) und systemische Entzündungszeichen vor, sollte das
Gelenk punktiert und Zellzahl und Erreger im Punktat bestimmt werden. Bei negativem
Bakteriennachweis kann die Abgrenzung gegenüber dem akuten Verlauf einer monoartikulären
rheumatischen Entzündung schwierig sein, da in diesen Fällen ebenfalls eine deutliche
Erhöhung der Entzündungswerte (CRP und Blutsenkung) zu beobachten ist.
Der Rheumafaktor ist bei etwa 5 % der Normalbevölkerung und bei ca. 85 % der erwachsenen
Patienten mit rheumatoider Arthritis vorhanden. Eine ähnliche Verteilung weist das
HLA-Merkmal B27 bei Patienten mit Spondylarthropathien auf, weshalb diese beiden Marker
bei unklaren Entzündungszuständen eine diagnostische Hilfe (aber keine Gewissheit)
bieten können.
Stoffwechselbedingte und sonstige Arthropathien lassen sich ggf. über spezifische
Laborparameter nachweisen.
Bildgebende Verfahren
In der bildgebenden Diagnostik haben v. a. folgende Verfahren eine große Bedeutung:
Insbesondere bei Hüftgelenkschmerzen im Kindesalter, aber auch bei akut einsetzenden
Beschwerden im Erwachsenenalter sollte die Sonografie an erster Stelle stehen.
Sonografie. Mit einer standardisierten Untersuchung (Sagittalebene, Kapseldarstellung im Seitenvergleich,
5- bzw. 7,5-MHz-Linearschallkopf) lässt sich ein relevanter Gelenkerguss zuverlässig
nachweisen und ggf. vermessen. Besteht anamnestisch kein Hinweis auf eine rheumatische
Erkrankung und erkennt man in der Sonografie Flüssigkeit im Gelenk, sollte es – bei
deutlicher Erhöhung der Entzündungsparameter (v. a. CRP) – punktiert werden, um ein
Empyem auszuschließen.
Röntgen. Im Röntgenbild werden periartikuläre Weichteile beachtet, die subchondrale Mineralisation
im Vergleich zur Gegenseite abgeschätzt und die Breite des Gelenkspaltes sowie die
Kontur der gelenknahen Knochen beurteilt. Die arthritische Demineralisation kann sich
in Frühstadien als unscharfe Knochenstruktur oder fleckige Strahlentransparenzerhöhung
zeigen. Bei längerem Erkrankungsverlauf ist als arthritisches Direktzeichen eine meist
konzentrische Gelenkspaltverschmälerung zu beobachten.
Im Gegensatz zur ungleichmäßigen Gelenkspaltverschmälerung bei der Koxarthrose (v. a.
in den lasttragenden kranialen Gelenkanteilen) betrifft die arthritische Knorpelzerstörung
den gesamten Spalt.
Die chronische Koxarthritis – z. B. bei einer rheumatischen Erkrankung – ist neben
der konzentrischen Gelenkspaltverschmälerung häufig durch arthritische Begleitzysten,
Abplattung des Femurkopfs und schließlich eine Gelenkzerstörung mit entzündlicher
Pfannenprotrusion gekennzeichnet.
Therapeutische Alternativen
Die Therapie der Koxarthritis wird selbstverständlich in erster Linie von der zugrunde
liegenden Erkrankung bestimmt.
Bakterielle Koxitiden
Bei bakteriellen Koxitiden ist i. d. R. nach der diagnosesichernden Punktion eine
chirurgische Entlastung des Empyems (arthroskopischer Eingriff bzw. Arthrotomie) mit
Gelenk-Débridement und gleichzeitiger Einleitung einer Antibiotikabehandlung erforderlich.
Da die Gelenkzerstörung sehr schnell voranschreitet, ist die bakterielle Entzündung
des Hüftgelenks in jedem Lebensalter ein Notfall!
Durch die Anlage einer Drainage bzw. mehrfache Gelenkspülungen soll der erneuten Ansammlung
von Eiter und einer entsprechenden Gelenkzerstörung vorgebeugt werden. Bei Infektpersistenz
ist wegen der zunehmenden Zerstörung des Gelenks meist die ersatzlose Kopfresektion
(Girdlestone-Operation) erforderlich, der nach Infektausheilung ggf. ein zweizeitiger
endoprothetischer Ersatz folgt (Abb.[12]).
Rheumatische Arthritiden
Rheumatische Arthritiden erfordern ein multimodales Behandlungskonzept mit der frühen
Einleitung einer adäquaten medikamentösen Therapie (NSAID, Kortikoide und Basistherapeutika,
ggf. Biologika). Ergänzend kommen physikalische Maßnahmen zum Einsatz (Krankengymnastik,
Kryotherapie, Orthesen, Ergotherapie, Patientenschulung).
Eine frühe und aggressive medikamentöse Behandlung beeinflusst sowohl die Krankheitsaktivität
als auch die Progression meist positiv. Bei der floriden Koxarthritis im Erwachsenen-
und ganz besonders auch im Kindesalter kann zusätzlich eine intraartikuläre Steroidinjektion
vorgenommen werden.
Im akuten Stadium haben operative Therapiemaßnahmen heute kaum mehr einen Stellenwert,
sie kommen v. a. bei fortgeschrittener Destruktion zum Einsatz (endoprothetische Versorgung).
Sonstige Arthritiden
Bei sonstigen Arthritiden wird nach Möglichkeit die Grunderkrankung entsprechend behandelt,
um den schädigenden Einfluss von Noxen auf das Gelenk möglichst zu minimieren. Ein
Sonderfall ist die Coxitis fugax im Kindesalter, die i. d. R. keine spezifische Therapie
erfordert und meist folgenlos ausheilt.
Einen zusammenfassenden Überblick über die Behandlungsmöglichkeiten gibt Abb. [14].
Behandlungsprinzipien bei Koxarthritis
-
In Abhängigkeit vom Verlauf der entzündlichen Hüfterkrankungen können in späteren
Stadien rekonstruktive Hüftgelenkoperationen erforderlich sein. Meist handelt es sich
um den endoprothetischen Gelenkersatz. Nach Ausheilung bakterieller Arthritiden sowie
beim schweren Verlauf rheumatischer Gelenkzerstörungen kann dies die einzige Maßnahme
sein, die dem Patienten zu einer akzeptablen Lebensqualität verhilft.
-
Grundsätzlich sind die gleichen Prinzipien wie bei der Koxarthrose zu beachten, auch
wenn bei früherer septischer Arthritis und geschwächter Abwehrlage im Rahmen rheumatischer
Erkrankungen das Risiko einer periprothetischen Infektion erhöht ist und die oft schlechte
Knochensubstanz beim Rheumatiker eine spezielle Erfahrung erfordert.
-
Umstellungsosteotomien haben meist keinen Stellenwert, da die mechanisch begründeten
Behandlungskonzepte bei der konzentrischen Gelenkschädigung nicht greifen.
Dieser Artikel ist ein aktualisierter Zweitabdruck des im Volume 10, Ausgabe 3/2015
erschienenen Artikels „Hüftgelenk – Arthrose und Arthritis“ der Orthopädie und Unfallchirurgie
up2date.
Koxarthrose
-
Risikofaktoren der Koxarthrose sind neben dem Alter, genetische, biomechanische und
entzündliche Faktoren, aber auch Übergewicht, Osteoporose, kardiovaskuläre und Stoffwechselerkrankungen.
Zu den mechanischen Risikofaktoren zählen das femoroazetabuläre Impingement (Cam und/oder
Pincer Deformität) sowie die Hüftdysplasie.
-
Leitsymptom der Koxarthrose ist der Schmerz (meist in der Leistengegend) sowie Bewegungseinschränkung
und Gangstörung. Die Diagnostik umfasst nach der Anamnese die Inspektion und Prüfung
des Gangbilds, die klinische Untersuchung (Palpation, Beweglichkeit, Funktionstests).
Als bildgebendes Verfahren sollte das Röntgen des Hüftgelenks in 2 Ebenen (Deformitäten,
CCD-Winkel, Arthrosezeichen, Schweregradeinteilung) und in einigen Fällen als ergänzende
Diagnostik die Schnittbildgebung, insbesondere die MRT (Beurteilung des Labrums und
eines femoroazetabulären Impingements) erfolgen.
-
Die Therapie der Koxarthrose beginnt i. d. R. mit konservativen Maßnahmen; Operationen
sind sinnvoll, wenn als „vorbeugender“ Eingriff der Verlauf der Arthrose damit verlangsamt
werden kann oder die Beschwerden mit konservativen Maßnahmen nicht ausreichend gelindert
werden können. Dabei können gelenkerhaltende von gelenkersetzenden Operationen unterschieden
werden.
Arthritis
-
Bei der Arthritis steht die inflammatorische Komponente ätiopathogenetisch im Vordergrund
und es kommt erst sekundär zu Knorpelschäden. Mögliche Ursachen sind bakterielle Infekte,
rheumatische Entzündungen oder metabolische oder endokrine Störungen. Eine Sonderform
ist die Coxitis fugax als transiente Synovitis im Kindesalter.
-
Diagnostisch sind die Entzündungswerte bei der Arthritis oft erhöht. Die Bestimmung
des Rheumafaktors kann eine diagnostische Hilfe bieten. Stoffwechselbedingte und sonstige
Arthropathien lassen sich ggf. über spezifische Laborparameter nachweisen. In der
Bildgebung spielt neben Röntgen und MRT auch die Sonografie eine Rolle (Ergussnachweis).
-
Bei der Arthritis sind die differenzierte Frühdiagnostik und eine schnelle adäquate
Therapie wichtig, um eine rasche progrediente Knorpelzerstörung zu verhindern.