Schlüsselwörter
Hirntod - Zusatzverfahren - Dopplersonografie - Duplexsonografie - zerebraler Zirkulationsstillstand
Key words
brain death - ancillary tests - doppler sonography - duplex sonography - cessation
of cerebral blood circulation
Einleitung
Eine der wesentlichen Neuerungen der aktuellen vierten Fortschreibung der Richtlinie
der Bundesärztekammer zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls („Hirntod“)
– im folgenden Text mit RL4-BÄK bezeichnet – ist die Aufnahme der Duplexsonografie
und der computertomografischen Angiografie (CTA) als Nachweisverfahren für den zerebralen
Zirkulationsstillstand [1]. Außerdem wurden in der RL4-BÄK umfangreiche Präzisierungen vorgenommen, die in
den separat angefügten „Begründungen“ insbesondere auch für die Neurosonologie noch weiter erläutert sind.
Weltweit und unabhängig von der geografischen Region ist die transkranielle Dopplersonografie
(TCD) nach dem EEG die am häufigsten angewendete Zusatzuntersuchung („ancillary test“);
in 5% der Länder ist die TCD sogar verbindlich vorgeschrieben, während sie in den
USA nur optional eingesetzt wird [2]. In Deutschland und auch international ist die TCD das am häufigsten eingesetzte
Verfahren zur Feststellung des zerebralen Zirkulationsstillstandes, je nach länderspezifischen
Richtlinien vor der CTA und der selektiven arteriellen Katheter-Angiografie [2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]. Die verschiedenen nationalen Empfehlungen weisen dabei große Übereinstimmung auf
in Hinblick auf technische Parameter und die pathognomonischen sonografischen Befunde
des Zirkulationsstillstandes (systolische Spitzen, biphasische Strömungssignale),
unterscheiden sich aber teilweise in der Festlegung der Anzahl der minimal zu untersuchenden
Gefäße. Bspw. wird in Lateinamerika die TCD-Untersuchung nur der beiderseitigen A.
cerebri media und der A. basilaris gefordert [7], in Übereinstimmung mit der Empfehlung einer nordamerikanischen Expertengruppe [8], während in Mitteleuropa und Japan die Untersuchung der beiderseitigen A. cerebri
media, der beiderseitigen A. carotis interna sowie der beiderseitigen A. vertebralis
gefordert wird [1]
[9]. Übereinstimmend mit den deutschen Richtlinien wird die Bedeutung der TCD hervorgehoben
in Situationen, in denen der Apnoe-Test oder die Untersuchung einzelner Hirnstammreflexe
nicht durchgeführt werden kann oder trotz Einhaltung strenger Regeln Unsicherheit
bezüglich der Wirkung zentral dämpfender Medikamente auf die klinischen Symptome des
Hirnfunktionsausfalls besteht [1]
[2]
[4]
[7]. Die Neuaufnahme der transkraniellen farbkodierten Duplexsonografie (TCCS) als Verfahren
zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes ist den lateinamerikanischen
und deutschen Richtlinien gemeinsam [1]
[7]. Die folgenden Ausführungen nehmen Bezug auf den zitatweise kursiv gedruckten Originaltext
der RL4-BÄK sowie die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie
und Funktionelle Bildgebung (DGKN) zur Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls
[1]
[10]. Um dem Leser einen schnellen Überblick zu gewähren, werden neue Inhalte der RL4-BÄK im Text besonders hervorgehoben und punktuell kommentiert.
Einsatz der Doppler-/Duplexsonografie
Einsatz der Doppler-/Duplexsonografie
Die Doppler- bzw. Duplexsonografie kann bei allen Hirnschädigungen und in jedem Lebensalter
zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes eingesetzt werden [9]
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
[16]
[17]. Beim Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes sind potentiell reversible
Ursachen der klinischen Symptome des Hirnfunktionsausfalls ausgeschlossen und es kann
die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls bei Erwachsenen und Kindern ab dem
vollendeten 2. Lebensjahr ohne Wartezeit und klinische Verlaufsuntersuchungen festgestellt
werden [1]. Bei Kindern in einem Alter unterhalb des vollendeten 2. Lebensjahres kann die Doppler-/Duplexsonografie
ebenfalls zum Irreversibilitätsnachweis eingesetzt werden, muss dann aber nach jeder
der beiden klinischen Untersuchungen durchgeführt werden [1]. Voraussetzung für den Einsatz dieser Methode ist ein altersentsprechend suffizienter
arterieller Mitteldruck, der bei Erwachsenen mehr als 60 mmHg betragen muss [1]. Bei Kindern muss ebenfalls ein suffizienter arterieller Mitteldruck vorliegen,
der jedoch in Abhängigkeit von Alter und Körpergröße kleinere Werte annehmen kann
([Tab. 1]) [18]
[19].
Tab. 1 Altersabhängige Mindestwerte des arteriellen Mitteldrucks für die Durchführung der
Doppler-/Duplexsonografie zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes.
Alter [Jahre]
|
Mindestwert des arteriellen Mitteldruckes [mm Hg]
|
1
|
35
|
2
|
40
|
3–4
|
45
|
5–7
|
50
|
8–10
|
55
|
>10
|
60
|
Diese Werte entsprechen näherungsweise den publizierten 5%-Perzentilen des arteriellen
Mitteldruckes bei Kindern mit mittlerer Körpergröße der jeweiligen Altersgruppe (jeweils
mittlerer der geschlechtsspezifisch angegeben Werte des arteriellen Mitteldruckes)
[18]. Wenn die Körpergröße eines Kindes deutlich von seiner Altersnorm abweicht, sollte
der individuelle Richtwert einer differenzierteren Tabelle entnommen werden [18]
Pathophysiologie und methodische Limitationen
Pathophysiologie und methodische Limitationen
Die charakteristischen doppler-/duplexsonografischen Signale eines zerebralen Zirkulationsstillstandes
sind Folge eines pathologischen Anstiegs des intrakraniellen Drucks über den arteriellen
Mitteldruck ([Abb. 1]). Sorgfältiges Monitoring von beatmeten Intensivpatienten mit schweren Hirnschädigungen
beinhaltet ohnehin regelmäßige transkranielle Doppler- oder farbduplexsonografische
Untersuchungen, sodass verfolgt werden kann, ob und wie sich der typische Befund des
irreversiblen zerebralen Kreislaufstillstandes allmählich entwickelt. Speziell hierin
liegt ein besonderer diagnostischer Wert der Sonografie. Es wurde zudem eine Zeitabhängigkeit
der Entwicklung der charakteristischen doppler-/duplexsonografischen Signale auch
nach Feststellung der klinischen Symptome des Hirnfunktionsausfalls beschrieben, was
einen potenziellen Einfluss auf die Sensitivität der Sonografie hat. So wurde bis
zu 6 h nach der klinischen Diagnose der zerebrale Zirkulationsstillstand mittels TCD
nur in 58% der Fälle, jedoch nach 6–12, 12–24 bzw. 24–36 h in 77, 83 bzw. 100% nachgewiesen
[20]. Nach offenen Schädel-Hirn-Verletzungen und nach Dekompressions-Kraniotomien kann eine regional
begrenzte zerebrale Zirkulation, z. B. infolge spontaner extra-intrakranieller Anastomosen,
auftreten, sodass der zerebrale Zirkulationsstillstand durch die Doppler-/Duplexsonografie
der Hirnbasisarterien nicht diagnostiziert werden kann und durch andere Perfusionsuntersuchungen
nachzuweisen ist [1]. Nach großen offenen Schädel-Hirn-Verletzungen und vereinzelt bei sekundären Hirnschädigungen
kommt es, wenn der intrakranielle Druck nicht über den mittleren arteriellen Druck
ansteigen kann, nicht zu einem zerebralen Zirkulationsstillstand [1]. Diese Situation kann auch ohne Schädelverletzung bei Neugeborenen und bei Kindern
bis zum vollendeten 2. Lebensjahr vorliegen, da sich die Schädelnähte und die Fontanellen
erst im 2. Lebensjahr vollständig verschließen [1]
[9]. In diesen Fällen ist die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls unter der Berücksichtigung
des Alters und der Art der Hirnschädigung durch klinische Verlaufsuntersuchungen nach
den normierten Wartezeiten oder durch geeignete elektrophysiologische Befunde nachzuweisen
[1]
[10].
Abb. 1 Zeitliche Dynamik der intrakraniellen Drucksteigerung. Doppler-Frequenzspektrum abgeleitet
aus der A. cerebri media im zeitlichen Verlauf. Die diastolische Strömungskomponente
verschwindet, wenn der intrakranielle Druck den diastolischen Blutdruck übersteigt.
Biphasische Strömungssignale signalisieren den zerebralen Zirkulationsstillstand,
wenn kein Netto-Vorwärts-Fluss mehr vorliegt [31].
Eine weitere wesentliche Limitation der transkraniellen Doppler-/Duplexsonografie
ist die Abhängigkeit der Signalqualität von der Größe und Lage des transtemporalen
Knochenfensters („Schallfensters“), die insbesondere bei älteren Patienten die Untersuchung
intrakranieller Arterien einschränken oder unmöglich machen kann [21]
[22]. Für diesen Fall (und nur für diesen Fall) sieht die RL4-BÄK allerdings die Möglichkeit der Untersuchung der beidseitigen extrakraniellen
Arterien (A. carotis interna und A. vertebralis) als ausreichend vor [1].
Besonderheiten der Doppler-/Duplexsonografie
Besonderheiten der Doppler-/Duplexsonografie
Im Gegensatz zur Dopplersonografie ermöglicht die transkranielle Duplexsonografie
durch die Darstellung des Hirngewebes, das die intrakraniellen Arterien umgibt, den
Nachweis der Penetration des Ultraschalls durch den Schädelknochen und die Lokalisation
der intrakraniellen Arterien jeweils unabhängig vom Vorliegen eines Blutflusses in
diesen Arterien [1]. Als Signalverstärker eingesetzte Ultraschallkontrastmittel erhöhen die Sensitivität
der Duplexsonografie, um die für einen zerebralen Zirkulationsstillstand charakteristischen
Strömungssignale an den intrakraniellen Arterien nachzuweisen [1]
[23]
[24]. Die darzustellenden Gefäßabschnitte der A. carotis interna und der A. vertebralis
sind in einigen Details unterschiedlich für die Dopplersonografie und die Duplexsonografie
in der RL4-BÄK festgelegt worden [1], folgen aber dem gleichen Grundprinzip, dass jedes Gefäß nur noch an einem Abschnitt dargestellt werden muss ([Tab. 2], [Abb. 2]). Dies wird in der RL4-BÄK ausführlich wie folgt begründet [1]: Die Untersuchung der Aa. carotides internae und der Aa. vertebrales in den extra-
und intrakraniellen Abschnitten wird nicht gefordert, da prinzipiell keine Notwendigkeit besteht, eine Arterie an mehreren Stellen abzuleiten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass jede einzelne Ableitung technisch suffizient
möglich ist und deren Untersuchungsergebnis für sich alleine eine eindeutige Schlussfolgerung
erlaubt. Dies ist bei Ableitung der Aa. carotides internae intrakraniell und extrakraniell
jeweils der Fall. Konsequenterweise kann, wenn die Ableitung an einer Stelle technisch
nicht möglich ist, die Aussage durch Ableitung an einer anderen Stelle getroffen werden.
Praktisch könnte die Forderung, trotz intrakranieller Signale des zerebralen Kreislaufstillstandes
in den Aa. carotides internae, diese auch extrakraniell abzuleiten, bei technischen
Hindernissen (z. B. zentraler Venenkatheter) sogar unnötigerweise die Diagnose doppler-/duplexsonografisch
nicht erlauben. Bei duplexsonografischem Nachweis der für einen zerebralen Kreislaufstillstand
charakteristischen Signale in der A. basilaris und beiden V4-Segmenten, von denen
die Aa. cerebelli inferiores posteriores (sog. PICA) abgehen, besteht aus oben genannten
Gründen ebenfalls keine Notwendigkeit, diese Signale auch in den extrakraniellen Aa.
vertebrales abzuleiten. Die Forderung, diese Signale auch extrakraniell abzuleiten,
könnte, aufgrund der Kollateralverbindungen der Aa. vertebrales zur jeweiligen A.
carotis externa, extrakraniell unter Umständen zu Strömungssignalen führen, die unnötigerweise
die Diagnose des zerebralen Kreislaufstillstandes duplexsonografisch nicht erlauben
würden [1].
Abb. 2 Darzustellende Gefäße mit der Doppler- und Duplexsonografie zur Diagnostik des zerebralen
Zirkulationsstillstandes.
Tab. 2 Untersuchungsprogramm zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes.
|
BÄK Richtlinie 1998
|
BÄK Richtlinie 2016
|
|
Dopplersonografie
|
Dopplersonografie
|
Duplexsonografie
|
Extrakraniell bds.
|
ACI
|
+
|
+§
|
AV
|
+
|
+§
|
Intrakraniell bds.
|
ACI
|
+
|
+
|
+
|
ACM
|
+
|
+
|
+
|
AV (V4)
|
+
|
+
|
AB
|
+
|
„jede weitere“
|
+$
|
+$
|
+$
|
Gegenüberstellung der „alten“ und der aktuellen BÄK-Richtlinie (RL4-BÄK). ACI A. carotis interna, AV A. vertebralis, ACM A. cerebri media, AB A. basilaris
§ die Untersuchung der ACI und der AV sowohl in den extra- als auch in den intrakraniellen
Abschnitten wird nicht gefordert, da prinzipiell keine Notwendigkeit besteht, eine
Arterie an mehreren Stellen abzuleiten. $ optional
Befunde des zerebralen Zirkulationsstillstandes
Befunde des zerebralen Zirkulationsstillstandes
Frühsystolische Spitzen, die eine systolische Maximalgeschwindigkeit von kleiner als
50 cm/s und eine Dauer von unter 200 ms aufweisen, und biphasische Strömungssignale
(oszillierende Strömungssignale, „Pendelfluss“) sind dopplersonografische Zeichen
eines zerebralen Zirkulationsstillstandes ([Abb. 3]
[4]). Biphasische Strömungssignale sind nur dann verwertbar für einen zerebralen Zirkulationsstillstand,
wenn das Integral (Fläche) der anterograden und retrograden Anteile des Doppler-Frequenzzeitspektrums
innerhalb eines Herzzyklus gleich groß ist; es wird aber nicht gefordert, dass hier eine Messung durch das Ultraschallgerät erfolgen
soll, in der Praxis wird das durch den Untersucher abgeschätzt [1]. Die biphasischen Strömungssignale nach zerebralem Zirkulationsstillstand können
dabei durchaus noch relativ hohe Amplituden der orthograden systolischen Flusskomponente
bis über 100 cm/s haben, sind aber charakterisiert durch eine schmale monophasische
Konfiguration der orthograden systolischen Flusskomponente („systolische Spitzen“)
[25]
[26]. Strömungssignale mit breiter oder angedeuteter biphasischer Konfiguration der orthograden
systolischen Flusskomponente ([Abb. 5]) sollten nicht im Sinne eines zerebralen Zirkulationsstillstandes gewertet werden.
Gelegentlich werden auch spontane oder posttraumatische arteriovenöse Shuntflüsse
(AV-Fistel) detektiert, die die sonografische Diagnosestellung eines zerebralen Zirkulationsstillstandes
ebenfalls nicht erlauben ([Abb. 5]).
Abb. 3 Duplexsonografische Befunde beim zerebralen Zirkulationsstillstand. Die Bilder a und b zeigen typische biphasische Strömungssignale in der A. cerebri media und A. cerebri
anterior. Die Bilder c und d zeigen „systolische Spitzen“ in der A. cerebri media
und A. cerebri anterior.
Abb. 4 Dopplersonografische Befunde beim zerebralen Zirkulationsstillstand. Das in Bild
a dargestellte Doppler-Frequenzspektrum zeigt ein biphasisches Strömungssignal in der
A. cerebri media. Das in Bild b dargestellte Dopplerfrequenzspektrum zeigt „systolische Spitzen“ in der A. cerebri
media. Aufgrund der begrenzten Qualität des Doppler-Frequenzspektrums und der niedrigen
Amplitude des Flusssignals muss mit hoher Verstärkung (Sensitivität) und niedrigem
Wandfilter untersucht werden.
Abb. 5 Dopplersonografische Befunde, die mit der Diagnose des zerebralen Zirkulationsstillstandes
nicht vereinbar sind. Das in Bild a dargestellte Doppler-Frequenzspektrum zeigt einen großvolumigen Pendelfluss mit breiter,
biphasischer Konfiguration der orthograden systolischen Flusskomponente; hier kann
zwar ein zerebraler Zirkulationsstillstand vorliegen, jedoch ist der zerebrale Zirkulationsstillstand
mit diesem Dopplerbefund nicht zu diagnostizieren, da eine Restperfusion von Hirnarealen
hiermit nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Das in Bild b dargestellte Doppler-Frequenzspektrum zeigt einen arterio-venösen Shuntfluss, überlagert
durch systolische Spitzen (proximale A. cerebri media). Auch dieser Befund erlaubt
die Ultraschalldiagnose eines zerebralen Zirkulationsstillstandes nicht. In beiden
Fällen a, b konnte der zerebrale Zirkulationsstillstand schließlich mittels Perfusions-Szintigrafie
bewiesen werden.
Die RL4-BÄK gibt die folgenden Kriterien für die Feststellung des zerebralen Zirkulationsstillstandes
mittels Doppler- oder Duplexsonografie vor [1]:
Zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes müssen im Abstand von mindestens
30 min
-
mittels
Dopplersonografie
intrakraniell die Aa. cerebri mediae, Aa. carotides internae und eventuell detektierbare
weitere Hirnbasisarterien, extrakraniell die Aa. vertebrales und, wenn die korrespondierenden
intrakraniellen Gefäßsegmente nicht darstellbar sind, die Aa. carotides internae,
oder
-
mittels
Duplexsonografie
intrakraniell die M1-Segmente der Aa. cerebri mediae, die Aa. carotides internae,
die V4-Segmente der Aa. vertebrales und die A. basilaris sowie eventuell detektierbare
weitere Hirnbasisarterien
untersucht werden und dabei folgende Befunde nachweisbar sein:
oder
Ein Fehlen der Strömungssignale bei transkranieller Beschallung der Hirnbasisarterien
kann nur dann als sicheres Zeichen eines zerebralen Zirkulationsstillstandes gewertet
werden, wenn derselbe Untersucher mit gleicher Geräteeinstellung während einer früheren
Untersuchung eindeutig ableitbare intrakranielle Strömungssignale dokumentiert hat,
oder wenn an den extrakraniellen hirnversorgenden Arterien (Aa. carotides internae,
Aa. vertebrales) die Zeichen des zerebralen Zirkulationsstillstandes nachweisbar sind
[1]. Primär fehlende Strömungssignale dürfen nicht als Irreversibilitätsnachweis gewertet
werden, da intrakranielle Strömungssignale bei unzureichender Schalltransmission durch
den Knochen, intrakranieller Luftansammlung und massiver Gefäßverlagerung trotz noch
erhaltener Hirndurchblutung fehlen können [10]. Die Befunderhebung mittels Doppler- und Duplexsonografie kann durch eine Reihe
von Fehlermöglichkeiten beeinträchtigt werden ([Tab. 3]), welche unbedingt beachtet oder ausgeschlossen werden müssen [27]
[28]. Die zweite Untersuchung in zeitlichem Abstand von 30 min soll sicherstellen, dass
es sich nicht nur um einen kurzzeitigen, reversiblen Zirkulationsstillstand handelt.
Dabei ist der Zeitpunkt des Beginns der jeweiligen sonografischen Untersuchung maßgeblich;
das heißt, der Beginn der zweiten Untersuchung kann frühestens 30 min nach Beginn
der Erstuntersuchung (oder aber auch später) begonnen werden [29]. Im Untersuchungsbefund wie auch in den Protokollbögen muss dementsprechend diese
Zeitspanne > 30 min dokumentiert sein.
Tab. 3 Fallstricke (modifiziert nach [28]).
1. Primär fehlende Strömungssignale dürfen für sich alleine nicht als Irreversibilitätsnachweis
gewertet werden.
|
2. Falsch-negative Befunde können bei größeren Knochendefekten oder Kleinkindern mit
noch nicht verschlossener Fontanelle erhoben werden.
|
3. Starke Tachykardie (Tachyarrhythmie, Sinustachykardie>120/min) kann durch Überlagerung
der Pulswellen eine noch vorhandene Strömung vortäuschen.
|
4. Starke Bradykardie kann die Dauer systolischer Spitzen auf über 200 ms verlängern,
was die Wertung im Sinne eines zerebralen Zirkulationsstillstandes gemäß RL4-BÄK ausschließt.
|
5. Gelegentlich intrakraniell nachweisbare, schwach pulsatile venöse Flusssignale
können zu falsch-negativen Befunden führen (vermeintlicher arterieller zerebraler
Blutfluss).
|
6. Artefakte oder Flussveränderungen aufgrund von intraaortaler Ballonpumpe (IABP),
arteriovenöser extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) oder Beatmung können zu
schwer interpretierbaren Befunden führen.
|
7. Duplexsonografisch kann selbst bei Vorliegen typischer Flusssignale (systolische
Spitzen, biphasische Strömungssignale) beidseits in der A. cerebri media, A. cerebri
anterior, A. cerebri posterior, A. basilaris und A. vertebralis (V4-Segment) die Diagnose
des Zirkulationsstillstandes gemäß RL4-BÄK nicht gestellt werden, wenn der Fluss in
der intrakraniellen A. carotis interna in Richtung A. ophthalmica erhalten ist. Diese
falsch-negative Befundkonstellation wurde in der RL4-BÄK zur Vermeidung von irrtümlichen
Gefäßzuordnungen bewusst in Kauf genommen. In einem solchen Fall kann die CTA als
alternatives Verfahren erwogen werden, da dort die Diagnose eines zerebralen Zirkulationsstandes
trotz eines residualen Flusses in der die A. ophthalmica versorgenden A. carotis interna
zulässig ist
|
Wird die Doppler- oder Duplexsonografie gemäß den hier ausführlich dargestellten Vorgaben
und zeitlich nach der standardisierten Feststellung der klinischen Symptome des Hirnfunktionsausfalls
gemäß RL4-BÄK durchgeführt und der zerebrale Zirkulationsstillstand bei zweimaliger
Untersuchung im Abstand von 30 min bestätigt, sind nach Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse keine falsch-positiven Ergebnisse zu erwarten (somit eine 100%ige Spezifität
der Doppler-/Duplexsonografie) [13]
[28]
[29]
Apparative Anforderungen
Grundsätzlich können alle kommerziell in Deutschland verfügbaren Ultraschall-Systeme,
die für die Untersuchung der extra- und intrakraniellen hirnversorgenden Arterien
konfiguriert sind, verwendet werden. Voraussetzung sind geeignete Sonden (Dopplersonografie
[extrakraniell: 4 MHz-Sonde, transkraniell: 2 MHz-Sonde, Duplexsonografie [extrakraniell:
5–10 MHz-Sonde, transkraniell: 1–2,5 MHz-Sonde]). Um die Detektion niedrigvolumiger
oder langsamer Flüsse mittels der Doppler- oder Duplexsonografie sicher zu stellen,
sind geeignete Geräteeinstellungen zu wählen ([Tab. 4]).
Tab. 4 Untersuchungstechnik zum Nachweis des Zirkulationsstillstandes.
Transkranielle Dopplersonografie
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1. Den arteriellen Blutdruck messen: arterieller Mitteldruck bei Erwachsenen> 60 mm
Hg.
|
2. Mit hoher Sende- und Empfangsleistung beginnen, da sonst Signale mit schwacher
Intensität nicht erfasst werden können.
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3. Die Hüllkurve ausschalten, da sie mehr verwirrt als nützt.
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4. Den Wandfilter unter 50 Hz senken, da sonst z. B. systolische Spitzen ausgefiltert
werden.
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5. Das Messvolumen möglichst groß wählen (15 mm).
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6. Die Untersuchung in größerer Tiefe beginnen, da distale Äste der A. cerebri media
u. U. komprimiert und verlagert sein können.
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Transkranielle (Farb-)Duplexsonografie*
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1. Den arteriellen Blutdruck messen: arterieller Mitteldruck bei Erwachsenen>60 mm
Hg.
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2. Farbfenster nicht zu groß einstellen.
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3. Pulsrepetitionsfrequenz (PRF) für niedrige Flusssignale optimieren (reduzieren).
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4. Farbgain (Empfangsleistung für den Farbmodus) erhöhen.
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5. Korrekte Schallebenen auswählen, dabei anatomische B-Bild Landmarken zum Aufsuchen
der Gefäße nutzen: a) obere Ponsebene (Treffpunkt von Keilbeinflügel und Felsenbein)
für ICA-Siphon und A. ophthalmica, b) untere Ponsebene (Felsenbein) für petrosale
ICA, c) Mittelhirnebene für Darstellung der Circulus-Willisii-Ebene.
|
6. Bei fehlendem intrakraniellen Flusssignal, jedoch noch erkennbaren Strukturen im
B-Bild Gabe eines Echosignalverstärkers erwägen.
|
*Die Bildgebung erlaubt eine exakte topografische Zuordnung der Dopplersignale, die
man für die Diagnose des Zirkulationsstillstandes verwertet
Anforderungen an den Untersucher
Anforderungen an den Untersucher
Die Untersuchung muss durch einen in dieser Methode speziell erfahrenen Arzt durchgeführt
werden [1]. Eine medizinisch-technische Assistentin kann also diese Untersuchung im Rahmen
der Hirntoddiagnostik nicht durchführen, wohl aber ein qualifizierter Arzt, der diese
Leistung konsiliarisch erbringt. In den Fachgremien der DEGUM und DGKN hat es eine
intensive Diskussion darüber gegeben, ob ein Zertifikat des Untersuchers als Voraussetzung
für die Durchführung der sonografischen Diagnostik im Rahmen der Hirntoddiagnostik
zu fordern ist. Davon ist schließlich abgesehen worden, um langjährig erfahrenen Untersuchern
in dieser Indikation, die evtl. kein Zertifikat haben, weiterhin die Möglichkeit der
Durchführung zu geben. Dennoch sehen die Autoren es als wünschenswert und sinnvoll
an, dass die in dieser Indikation tätigen Ärzte ein Zertifikat der DEGUM oder DGKN
für die Doppler-/Duplexsonografie der hirnversorgenden Arterien erwerben, um damit
ihre Kompetenz formal zu dokumentieren.
Anforderungen an den Befundbericht
Anforderungen an den Befundbericht
Gemäß den aktualisierten Empfehlungen der DGKN soll der Befundbericht neben den üblichen
Informationen (Fragestellung, Befundbeschreibung, Beurteilung) die folgenden Angaben
enthalten [10]: Untersuchungszeit (Datum, Uhrzeit), Blutdruck (arterieller Mitteldruck oder systolischer
und diastolischer Blutdruck), Benennung der dargestellten Gefäße mit der Art der jeweils
detektierten Strömungssignale (frühsystolische Spitzen, biphasische Strömung mit gleich
ausgeprägtem Integral der antero- und retrograden Komponente, erhaltene Perfusion,
kein Strömungssignal nachweisbar). Im Falle fehlender transkranieller Strömungssignale
ggf. Vergleich mit der von demselben Untersucher durchgeführten Voruntersuchung beschreiben,
Name des untersuchenden/befundenden Arztes, und Form der Archivierung der abgeleiteten
Strömungssignale angeben (Papierausdruck oder digital). Wenn im Anschluss an die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (ggf.
mit Durchführung der Doppler- bzw. Duplexsonografie) eine Organ- oder Gewebespende
durchgeführt wird, erfolgt die Archivierung für 30 (!) Jahre [1].
Vorgehen bei unvollständiger Untersuchbarkeit oder unsicheren Befunden
Vorgehen bei unvollständiger Untersuchbarkeit oder unsicheren Befunden
Wenn die doppler-/duplexsonografische Untersuchung nicht vollständig gemäß den Vorgaben
der RL4-BÄK abgeschlossen werden kann, ist der Einsatz einer alternativen Methode
zum Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes (KM-gestützte CT-Angiografie,
Perfusions-Szintigrafie) möglich [1]. Dies gilt ebenso in Fällen, in denen extra-intrakranielle Shuntflüsse in der Doppler-/Duplexsonografie
nachgewiesen werden. Diese Konstellation kann nach sekundären Hirnschädigungen beobachtet
werden, wenn kein schweres Hirnödem, kein maximal erhöhter Hirndruck und damit kein
zerebraler Zirkulationsstillstand entsteht. Des Weiteren besteht die – in der Praxis
seltene – Möglichkeit, dass mit dem zunehmenden Entstehen von Hirnnekrosen die eingetretenen
dopplersonografischen Zeichen des Zirkulationsstillstandes (systolische Spitzen) partiell
wieder verschwinden und dass wieder schwache orthograde Flüsse auftreten [30]. Gemäß den Vorgaben der RL4-BÄK ist neben dem Einsatz einer anderen Methode zum
Nachweis des zerebralen Zirkulationsstillstandes alternativ unter Beachtung der jeweilig
erforderlichen Voraussetzungen die Möglichkeit des Einsatzes einer elektrophysiologischen
Methode oder der 2. klinischen Untersuchung nach entsprechender Wartezeit gegeben
[1]
[10].