Ziel Schwangerschaft und Geburt sind physiologische Prozesse, gehen jedoch oft mit Beckenbodenbeschwerden
wie Harn-, Stuhlinkontinenz oder einer Veränderung des Sexuallebens einher. Es war
Ziel dieser Studie, den Einfluss von zusätzlichem, professionellen Beckenbodentraining
auf die postpartale Beckenboden- und Sexualfunktion von Erstgebärenden zu untersuchen.
Materialien/Methoden Bei dieser Studie handelt es sich um eine randomisierte, kontrollierte, prospektive
Studie mit 300 Erstgebärenden, die zwischen 2018 und 2019 entbunden haben. Einschlusskriterien
waren die Entbindung des ersten Kindes sowie die Fähigkeit deutsch fließend zu sprechen,
zu verstehen. Die Teilnehmerinnen wurden postpartal in die Studie eingeschlossen und
nach 6 sowie 12 Monaten postpartal untersucht und erhielten zu beiden Zeitpunkten
zwei Fragebögen. Die klinische Untersuchung umfasste eine Spekulumeinstellung zur
Beurteilung eines möglichen Deszensus genitalis und der Beckenbodenkontraktionskraft
anhand des Oxford Score. Die Fragebögen umfassten den „Female Sexual Function Index“
und den „Beckenboden-Fragebogen für schwangere Frauen und Frauen nach der Geburt“.
Nach 6 Monaten wurden die Frauen in zwei Gruppen randomisiert. Im Vergleich zur Kontrollgruppe
nahm die Interventionsgruppen über 6 Wochen einmal wöchentlich, unter Anleitung einer
zertifizierten Physiotherapeutin, am zusätzlichen Beckenbodentraining teil. Der Lost
to follow-up betrug nach 6 Monaten 100, nach 12 Monaten 136 Teilnehmerinnen. Diese
Studie wurde von der Ethikkommission genehmigt.
Ergebnisse Die Ergebnisse der Fragebögen zeigten nach 12 Monaten keine signifikanten Unterschiede
hinsichtlich der Sexual- und Beckenbodenfunktion zwischen den Gruppen (FSFI p = 0.465;
Beckenbodenfragebogen p = 0.766). Nach 12 Monaten konnte in der Interventionsgruppe
eine signifikant stärkere Beckenbodenkontraktionskraft festgestellt werden (p = 0.001;
Kontrollgruppe p = 0.111). Die Entwicklung der Beckenboden- und Sexualfunktion im
Zeitverlauf zeigte in beiden Gruppen in fast allen Bereichen eine signifikante Verbesserung
(FSFI: Interventionsgruppen p = 0.001, Kontrollgruppe p = 0.000).
Diskussion Das zusätzliche Beckenbodentraining nach 6 Monaten verbesserte die Beckenbodenkontraktionskraft,
jedoch nicht die Beckenboden- bzw. Sexualfunktion im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Gegebenenfalls wäre zum Nachweis eines signifikanten Unterschiedes ein größeres Kollektiv
und eine längere Nachbeobachtungszeit nötig. Zudem könnte es sein, dass alle Teilnehmerinnen
sehr motiviert waren und auch ihr selbstständiges Beckenbodentraining regelmäßig absolvierten.
Daher kann keine klare Aussage über den Nutzen von zusätzlichem Beckenbodentraining
nach 6 Monaten gemacht werden. Jedoch ist deutlich hervorzuheben, dass sich eine signifikante
Verbesserung der Beckenboden- und Sexualfunktion in beiden Gruppen im zeitlichen Verlauf
nach 12 Monaten aufzeigen ließ. Dies unterstreicht die Bedeutung der notwendigen Regenerationszeit
nach Entbindung.