Fragestellung Die Inzidenz einer frühen Neugeborenensepsis (early onset neonatal sepsis - EONS)
nach frühem vorzeitigem Blasensprung (preterm premature rupture of membranes - PPROM)
beträgt 14-22% [1],[2]. Die Diagnostik und Prädiktion inflammatorischer und infektiöser Komplikationen
stellt eine klinische Herausforderung dar. Die Analyse der kindlichen Herzfrequenzvariabilität
(HRV) könnte hierbei eine ergänzende, nicht invasive Überwachungsmodalität darstellen
[3],[4]. An CTG-Aufzeichnungen nach PPROM soll das prädiktive Potential modellbasierter
HRV-Auswertung als Machbarkeitsanalyse beurteilt werden.
Methodik und Ergebnisse 32 Schwangerschaften nach PPROM zwischen 22+0 und 34+0 SSW (EONS n=4, noEONS n=28)
erhielten ein longitudinales CTG-Monitoring. Es resultierten 759 elektronische Aufzeichnungen
(Abtastrate der Herzfrequenz 4 Hz). Nach Anwendung klinischer und technischer Ausschlusskriterien
(Wehentätigkeit, Geburts-CTG, loss of follow up, Herzfrequenz nicht reaktiv, Signalverlust
>20%), visueller Zustandsklassifikation und Artefaktkorrektur konnten 619 CTG-Aufzeichnungen
einbezogen werden, um 131 HRV-Parameter in logistischen Regressionsmodellen prädiktiv
zu testen. Der Betrachtungszeitraum wurde auf Tag -7 bis -1 vor Entbindung (218 CTGs,
42 EONS, 172 noEONS) und die Parameterzahl um stark redundante Merkmale reduziert
(partielle Korrelation r>0.9, Parameterzahl 47).
Unter Anwendung eines komplexen, rekursiven Verfahrens zur Parametervalidierung blieben
im Prädiktionsmodell die 4 folgenden HRV-Merkmale: Accelerationscapacity mit S=1.25sec
und T=1.25sec (quantifiziert Schwankungsbreite), Skewness (quantifiziert De- und Akzelerationen),
Sampleentropie (quantifiziert Komplexität) und mittlere basale Herzfrequenz als prädiktive
Faktoren enthalten. Der kreuzvalidierte AUC-Wert des Modells beträgt 73.27 +/- 12.1%
(Sens: 58.54 +/- 21.24%, Spez: 72.90 +/- 10.16%, PPV: 35.39 +/- 15.53%). Bei Anwendung
des Prädiktionsmodells auf die Tagesspanne -15 bis 0 Tage vor der Geburt (359 CTGs,
74 EONS, 285 noEONS) ergab sich eine AUC von 77.0 +/- 6% (Sens:68.92%, Spez: 69.82%,
PPV: 37.23%).
Schlussfolgerung Die im Modell enthaltenen HRV-Parameter stellen etablierte Entwicklungsmarker des
fetalen autonomen Nervensystems dar, sind jedoch der konventionellen visuellen oder
computerisierten CTG-Auswertung (Dawes-Redman-Analyse) nicht zugänglich.
Die automatisierte Auswertung und modellbasierte Integration von HRV-Merkmalen stellt
prinzipiell einen vielversprechenden Ansatz zur Ergänzung multimodaler klinischer
fetaler Überwachung nach PPROM und der Prädiktion einer konsekutiven EONS dar. Sie
ist mit in der klinischen Routine digital aufgezeichneten CTGs möglich. Die Evaluation,
Validierung und Weiterentwicklung des Modells werden angestrebt.