Dialyse aktuell 2016; 20(02): 101-102
DOI: 10.1055/s-0042-101561
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kidney Week 2015 – ASN-Highlights

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Publication Date:
21 March 2016 (online)

 
 

Rund 13 000 Nierenexperten diskutierten auf der ASN Kidney Week 2015 Anfang November 2015 in San Diego (Kalifornien, USA) neueste Ergebnisse aus der Nephrologie. Dr. Dirk Henrich vom Dialysezentrum Saarlouis, PD Thiemo Pfab, Diaverum Potsdam, Dr. Stefan Degenhardt vom Nieren- und Diabeteszentrum Viersen, Prof. Frank Dellanna vom Medizinischen Versorgungszentrum DaVita Rhein-Ruhr und Dr. Patrick Biggar vom KfH-Nierenzentrum Coburg fassten die Topergebnisse zusammen.

Neues aus der konventionellen ESF-Therapie

Die ASN-Highlights zur Therapie mit konventionellen Erythropoese stimulierenden Faktoren (ESF) präsentierte Henrich. So untersuchte die kalifornische Arbeitsgruppe von Kamyar Kalantar-Zadeh die prädiktive Aussagekraft des Hb-Werts (Hb: Hämoglobin) in der Prädialyse [ 1 ]. In der retrospektiven Studie mit über 18 000 US-Veteranen wiesen Patienten mit einem Hb-Wert zwischen 10 und 11 g/dl innerhalb der ersten 3 Monate nach Dialysebeginn die niedrigste Mortalität auf, während diese bei Werten von unter 9 g/dl bzw. über 13 g/dl deutlich höher lag. Allerdings war für den Einschluss minimal nur ein einzelner Hb-Wert erforderlich, merkte Henrich kritisch an.

Aufsehen erregte eine Studie zur Kostenentwicklung aus Kanada [ 2 ]. Dort kürzte die ortsansässige Krankenkasse aus Kostengründen die Erstattung der wöchentlichen maximalen ESF-Dosis um 50 %. In der Studie wurden Patienten mit ESF-Dosen von mehr als 75 µg/Woche Darbepoetin bzw. 15 000 IE/Woche Epoetin auf ein Äquivalent von 75 µg/Woche Darbepoetin gekürzt. Bereits rund 4 Monate nach der Dosisreduktion war bei jedem zweiten Patienten der Hb-Wert auf unter 9 g/dl abgesunken, sodass die ESF-Dosis wieder erhöht werden musste. Die Anzahl der Bluttransfusionen blieb davon unbeeinflusst. Nach einer multivariaten Analyse war lediglich ein höherer Hb-Wert vor der Umstellung prädiktiv mit einem geringeren Anämierisiko verbunden. „Die klinischen, ökonomischen und ethischen Implikationen dieses Vorgehens bleiben noch offen“, mahnte Henrich.

Ein weiterer Diskussionspunkt auf dem ASN war die Frage nach der Vergleichbarkeit der einzelnen ESF-Therapeutika. Nach einer Metaanalyse von insgesamt 17 randomisierten Studien mit 5397 Patienten, die ebenfalls auf dem ASN vorgestellt wurde [ 3 ], sind die verschiedenen ESF in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheitsaspekten in allen Stadien der chronischen Niereninsuffizienz vergleichbar [ 3 ].

Die Autoren der Metaanalyse urteilten: „Es gab keine relevanten Unterschiede der getesteten ESF in Bezug auf den Behandlungserfolg bei erwachsenen CKD-Patienten.” Das bestätigte auch Henrich: „Erst- und Zweitgenerations-ESF sind wirksam in der Therapie der renalen Anämie. Es gibt keine Daten zum Auftreten neuer unerwünschter Ereignisse. Nach den hier vorgestellten Daten bieten die langwirksamen ESF keinen Wirkungsvorteil gegenüber den rekombinanten Erythropoetinen.“

Auch zur Thematik ESF-Hyporesponse, d. h. einem verminderten Ansprechen auf eine ESF-Therapie, die bei einigen Patienten ein Erreichen des Hb-Zielwerts erschwert, gab es neue Erkenntnisse. Die Daten von Luo J et al. bestätigen, dass eine ESF-Hyporesponse mit einer relevant erhöhten Mortalität verbunden ist [ 4 ]. Risikofaktoren scheinen u. a. auch das weibliche Geschlecht [ 5 ] und ein Vitamin-D-Mangel [ 6 ] zu sein, während die Gabe von Statinen nach Daten aus der JDOPPS[ 1 ] mit über 3000 Patienten die Hyporesponse bei Dialysepatienten zu verringern scheint [ 7 ].


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Eisenpräparate in der Prädialyse und Dialyse

Neue Ergebnisse zur Therapie mit Eisenpräparaten lieferten Post-hoc-Ergänzungsanalysen zur FIND-CKD[ 2 ]-Studie [ 8 ], wie Pfab berichtete. MacDougall und Mitarbeiter hatten bei 626 nicht dialysepflichtigen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und Eisenmangelanämie beobachtet, dass eine orale Eisentherapie vergleichbar effektiv ist wie unter niedrig dosierter intravenös (i. v.) applizierter Eisencarboxymaltose, jedoch schlechter vertragen wird. Außerdem konnte eine hoch dosierte i. v. Eisentherapie (Ziel-Ferritin-Wert 400–600 μg/l) ein besseres Ergebnis erzielen als niedrig dosierte i. v. Eisencarboxymaltose (Ziel-Ferritin-Wert 100–200 μg/l).

Neue Safety-Daten von Roger und Mitarbeitern ergaben für alle 3 Patientengruppen vergleichbare Ergebnisse in Bezug auf ernste Nebenwirkungen [ 9 ]. „Orales Eisen ist effektiv in der Prädialyse. Man kann guten Gewissens damit beginnen. Die i. v. Gabe ist gut verträglich und sicher, wobei es am effektivsten ist, hoch einzusteigen und dies nach den vorgestellten Studien über ein Jahr nicht mit erhöhten Risiken verbunden ist“, schlussfolgerte Pfab.

Eine innovative Darreichungsform bietet Eisen-Pyrophosphat-Zitrat, das über das Dialysat als Zugabe zum Bikarbonatanteil (2 µM, 110 µg/l) verabreicht werden kann und dosisabhängig den Eisenwert im Blut erhöht [ 10 ]]. Das Sicherheitsprofil erscheint nach mehr als 100 000 Behandlungen gut, bisher wurde in der Verlängerungsstudie der beiden Zulassungsstudien CRUISE[ 3 ] 1 und 2 keine Anaphylaxie beobachtet [ 11 ].


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Hepcidin und Pegol

„Hepcidin ist ein Akute-Phase-Protein und zentraler Regulator der Eisenhomöostase. Eine erhöhte Hepcidinaktivität führt zu Eisenmangel und Anämie, eine verminderte steigert dagegen die intestinale Eisenresorption und begünstigt die Eisenüberladung“, erklärte Degenhardt. Substanzen, die den Hepcidinspiegel senken, sind daher vielversprechend. In Phase 2 untersuchten Szczech und Mitarbeiter [ 12 ] die Wirksamkeit des oralen HIF-Stabilisators (HIF: Hypoxie induzierbarer Transkriptionsfaktor) Roxadustat. Je höher der Hepcidinausgangswert war, desto besser konnte der Hepcidinspiegel bei CKD-Patienten gesenkt werden, so ihr Ergebnis.

Statine können nach den Ergebnissen einer kleinen kontrollierten Studie mit Crossover-Design ebenfalls den Hepcidinspiegel senken [ 13 ], wie Hasegawa und Mitarbeiter in der JDOPPS-Studie bestätigen konnten [ 7 ]. Andererseits erfüllt Hepcidin offenbar auch protektive Wirkungen gegenüber einer durch bakterielles Endotoxin induzierten Sepsis, weil es die Zytokinspiegel herunterreguliert, wie eine amerikanische Studie am Mausmodell demonstrierte [ 14 ].

Einen neuen Behandlungsansatz bietet außerdem das spiegelmere Lexaptepid Pegol. Das linksdrehende Pegol bindet an Hepcidin, wird jedoch von den natürlich vorkommenden Enzymen, die auf rechtsdrehende Proteine spezialisiert sind, nicht prozessiert, sodass Hepcidin inaktiviert wird, erläuterte Degenhardt.

In einer Studie mit gesunden Probanden, die zu einer Endotoxingabe bereit waren, verhinderte Pegol den Eisenabfall. Bei Myelompatienten mit funktionellem Eisenmangel steigerten 2 Einzeldosen Lexaptepid in einem Monat den Hb-Wert um mindestens 1 g/dl, bei Dialysepatienten mit ESF-Hyporesponse zeigte der Crossover-Vergleich mit Placebo einen Anstieg der Serum-Eisen-Konzentrationen nach Lexaptepid [ 15 ]. „Lexaptepid ist ein vielversprechendes Agens zur Behandlung der Epo-Hyporesponse. Zur Beurteilung der Sicherheit ist die Datenbasis jedoch noch zu schmal“, fasste Degenhardt zusammen.


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Sotatercept

Sotatercept ist ein künstliches Fusionsprotein, das aus dem Fc-Fragment des Immununglobulins IgG1 und dem Aktivin-A-Rezeptor besteht. Aktivin A, ein Mitglied der TGF-beta-Superfamilie, stammt aus dem Knochenmark und hemmt einerseits die Osteoblasten und andererseits die späten Erythrozyten an der Ausreifung und dem Übergang in der Peripherie. Wird Activin A abgefangen, erreicht man damit sowohl einen positiven Effekt auf die Erythropoese als auch auf die osteoblastäre Funktion. Damit ist Sotatercept besonders für Patienten mit Anämie und komorbider renaler Osteopathie interessant, erläuterte Dellanna, der die frühe Phase-2-Studie präsentierte.

In der Dosis-Findungs-Studie REN 002 wurden 36 Patienten mit einem stabilen Hb-Wert zwischen 10 und 12 g/dl von ESF randomisiert auf Sotatercept umgestellt [ 16 ]: in Gruppe 1 zunächst auf i. v. (0,1 mg/kg alle 2 Wochen) oder subkutan (s. c.; 0,13 mg/kg alle 2 Wochen), jeweils bis zu 8 Dosierungen. Sank der Hb-Wert auf unter 9 g/dl, war eine ESA-Rescue-Therapie erlaubt. In Gruppe 2 verdoppelten die Autoren dann die Dosen und beobachteten jeweils Pharmakokinetik, Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit auf den Hb-Wert über 112 Tage.

Interessanterweise war die maximale Dosiskonzentration (Cmax) nicht dosisabhängig und in den i. v. Gruppen höher als in den s. c. Gruppen.

„Das Nebenwirkungsprofil war günstig und innerhalb der Gruppen vergleichbar, auch wenn Blutdruckanstiege vereinzelt beobachtet wurden“, so Dellanna. „Es ist gut wirksam, man sieht einen zügigen Effekt und kann den Hb über die Ausschwemmung der reifen Erythrozyten aus dem Knochenmark rasch anheben. Man sieht weder einen Retikulozyten- noch einen Epo-Anstieg. Um den Hb-Wert rasch und anhaltend zu erhöhen, ist das ein gutes und vielversprechendes Medikament“, urteilte Dellanna. Die Ergebnisse der späteren Phase 2 bleiben abzuwarten.


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HIF-Stabilisatoren

Neue Studien zu HIF-Stabilisatoren diskutierte Biggar. Spinowitz und Mitarbeiter untermauerten den Anstieg des Hb-Werts in einer Phase-2-Studie mit der Substanz AKB-6548 zur Behandlung der Anämie bei nicht dialysepflichtigen CKD-Patienten [ 17 ]. Hepcidin und Ferritinwerte fielen entsprechend ab. Darüber hinaus spielen HIF z. B. eine zentrale Rolle in der Differenzierung myokardialer Strukturen, erklärte Biggar. Im Mausmodell induzierten HIF-Stabilisatoren eine Fibrosebildung [ 18 ].

Potenzielle Gefahren können außerdem Tumorwachstum und Induktion einer Präeklampsie während der Schwangerschaft sein. Dennoch ist das Verträglichkeitsprofil nach den bisher vorliegenden Studien günstig. „Bei insgesamt noch relativ kleinen Probandenzahlen und kurzen Studiendauern wird über eine zuverlässige Anhebung des Hb-Werts und wenigen Nebenwirkungen berichtet mit Betonung der Eisenutilisation“, zog Biggar sein Fazit. Die Analyse aus 2 Phase-2-Studien mit Roxadustat deutet außerdem auf einen moderaten Anstieg der Lebensqualität hin [ 19 ], wobei bevorzugt Patienten mit sehr schlechten Ausgangswerten von der Therapie profitierten, betonte Biggar. Derzeit wird in groß angelegten Studien die Auswirkungen auf Mortalität und Lebensverlängerung untersucht.

Dr. Katrin Wolf, Eitorf

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Hexal AG, Holzkirchen.
Die Beitragsinhalte stammen vom „Hexal Advisory Board Meeting“, München, 15.01.2016, veranstaltet von der Hexal AG, Holzkirchen.
Die Autorin ist freie Journalistin.


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1 Japan Dialysis Outcomes and Practice Patterns Study


2 Ferinject assessment in patients with Iron deficiency anaemia and Non-Dialysis-dependent Chronic Kidney Disease


3 Continuous Soluble Ferric Pyrophosphate (SFP) Iron Delivery Via Dialysate in Hemodialysis Patients


  • Literatur

  • 1 Soohoo M et al. [SA-PO796]
  • 2 Leung KCW et al [FR-PO889]
  • 3 Saglimbene VM [SA-PO821]
  • 4 Luo J et al. [SA-PO800]
  • 5 Hong S et al. [SA-PO806]
  • 6 Lei P et al. [SA-PO803]
  • 7 Hasegawa T et al. [SA-PO802]
  • 8 Macdougall I et al. Nephrol Dial Transplant 2014; 29: 2075-2084
  • 9 Roger SD et al. [TH-PO652]
  • 10 Fishbane SN et al. Nephrol Dial Transplant 2015; 30: 2019-2026
  • 11 Guss CD et al. [FR-OR016]
  • 12 Szczech L et al. [TH-PO646]
  • 13 Masajtis-Zagajewska A, Nowicki MP [TH-PO575]
  • 14 Scindia YM et al. [SA-PO238]
  • 15 Macdougall IC et al. [FR-OR018]
  • 16 Dellanna F et al. [FR-OR020]
  • 17 Spinowitz BS et al. [TH-OR038]
  • 18 Baumann B et al. [FR-PO286]
  • 19 Szczech L et al. [TH-OR039]

  • Literatur

  • 1 Soohoo M et al. [SA-PO796]
  • 2 Leung KCW et al [FR-PO889]
  • 3 Saglimbene VM [SA-PO821]
  • 4 Luo J et al. [SA-PO800]
  • 5 Hong S et al. [SA-PO806]
  • 6 Lei P et al. [SA-PO803]
  • 7 Hasegawa T et al. [SA-PO802]
  • 8 Macdougall I et al. Nephrol Dial Transplant 2014; 29: 2075-2084
  • 9 Roger SD et al. [TH-PO652]
  • 10 Fishbane SN et al. Nephrol Dial Transplant 2015; 30: 2019-2026
  • 11 Guss CD et al. [FR-OR016]
  • 12 Szczech L et al. [TH-PO646]
  • 13 Masajtis-Zagajewska A, Nowicki MP [TH-PO575]
  • 14 Scindia YM et al. [SA-PO238]
  • 15 Macdougall IC et al. [FR-OR018]
  • 16 Dellanna F et al. [FR-OR020]
  • 17 Spinowitz BS et al. [TH-OR038]
  • 18 Baumann B et al. [FR-PO286]
  • 19 Szczech L et al. [TH-OR039]