Chlorome, nach pathomorphologischer Nomenklatur auch granulozytäre Sarkome (engl.
myeloid / granulocytic sarcoma) oder „grüner Tumor“ genannt, treten in Zusammenhang
mit myeloproliferativen Neoplasien oder im Rahmen myelodysplastischer Erkrankungen
auf und sind dabei vor allem mit der akuten myeloischen Leukämie (AML) assoziiert
[Mawad R et al. Leuk Lymphoma 2012; 53: 2511–2514; Anders M et al. Fortschr Röntgenstr
2000; 172: 282–286]. Sie gelten als maligne extramedulläre Tumoren. Da sie sowohl
im Verlauf einer myeloischen Neoplasie, als auch als Erstmanifestation auftreten können,
spielt die adäquate Bildgebung eine zentrale Rolle [Cash T et al. J Pediatr Hematol
Oncol 2011; 33: e330–e332].
Epidemiologie & Lokalisation
Epidemiologie & Lokalisation
Chlorome kommen insgesamt in 2,5–9,1% aller AML-Patienten vor, wobei kardiale Manifestationen
mit < 1% eine Seltenheit darstellen [Mawad R et al. Leuk Lymphoma 2012; 53: 2511–2514].
Diese werden oft lediglich post mortem in Autopsien nachgewiesen. Dabei wurde über
eine Präferenz des rechten Atriums berichtet. Leukämische Zellen können nahezu jedes
Organ infiltrieren, am häufigsten sind jedoch Haut, Lymphknoten und Gastrointestinaltrakt
befallen. Bei Kindern sind besonders häufig die Augenhöhlen betroffen [Mawad R et
al. Leuk Lymphoma 2012; 53: 2511–2514; Cash T et al. J Pediatr Hematol Oncol 2011;
33: e330–e332; Matkowskyj KA et al. J Hematop 2010; 3: 41–46]. Chlorome können sowohl
im Zusammenhang mit der typischen medullären Manifestation einer AML, als auch isoliert
– z. B. nach erfolgreicher allogener Stammzellentransplantation – ausschließlich extramedullär
auftreten.
Klinik
Klinisch stehen oft die Symptome der AML bzw. des Blastenschubs einer chronisch myeloischen
Leukämie (CML) im Vordergrund. Auch durch eine unspezifische und wenig eindrückliche
Symptomkonstellation wird die klinische Diagnose erschwert [Kara IO et al. Leuk Lymphoma.
2005; 46: 1081–1084]. Zu den in Fallberichten am häufigsten genannten Symptomen zählt
der Thoraxschmerz mit Dyspnoe. Möglicherweise präsentieren sich kardiale Chlorome
mit Tachykardien bzw. Arrhythmien oder einem Pulsus paradoxus. Bei Invasion des Gefäßsystems
kann eine obere Einflussstauung resultieren [Mawad R et al. Leuk Lymphoma 2012; 53:
2511–2514; Kim JG et al. QJM 2014; 107: 381–382; Antic D et al. Acta Dermatovenerol
Croat. 2015; 23: 134–137].
Histopathologie
Makroskopisch stellt sich der Tumor hellbraun mit grünlichem Belag dar, was auf die
enthaltene Myeloperoxidase zurückgeführt wird [Antic D et al. Acta Dermatovenerol
Croat. 2015; 23: 134–137]. Das histopathologische Bild des Chloroms entspricht einer
umschriebenen und homogenen Masse vergrößerter, unreifer Zellen der myeloiden Reihe
mit hoher Nukleus-Zytoplasma-Relation und prominenten Nukleoli [Mawad R et al. Leuk
Lymphoma 2012; 53: 2511–2514]. Wie in der Bildgebung kann auch histologisch die Differenzierung
von einem Lymphom eine Herausforderung darstellen, da auch Chloromzellen aberrante
T- und B-Zell-Marker (vor allem CD43) exprimieren. Die exakte Diagnose ist daher nur
unter Einbeziehung des Immunphänotyps, aber auch von molekular-zytogenetischen Aspekten
möglich. Dabei wurden insbesondere die Monosomien 7 und 8 identifiziert. Außerdem
scheinen solche Aberrationen relevant, die den core binding factor (CBF) Transkriptionsfaktor-Komplex
stören, bei Kindern vor allem die Translokation t(8;21)(q22;q22) [Mawad R et al. Leuk
Lymphoma 2012; 53: 2511–2514; Hagen PA et al. Hematol Rep 2015; 7: 5709]. Zudem zählen
die FAB-Subtypen M4 und M5 zu den prädisponierenden Faktoren [Cash T et al. J Pediatr
Hematol Oncol 2011; 33: e330–e332].
Therapie
Insgesamt stellt die Therapie einer kardialen Manifestation bei myeloproliferativen
Erkrankungen – insbesondere in Zusammenhang mit einem isoliert extramedullären Rezidiv
nach Stammzelltransplantation – hämatologisch eine Herausforderung dar. Entsprechend
ihrer Seltenheit sind für kardiale Chlorome keine leitlinienorientierten Therapieregime
etabliert [Kim JG et al. QJM 2014; 107: 381–382]. Es wurde ein Ansprechen von Chloromen
auf Radiotherapie und systemische Chemotherapie beschrieben. Insbesondere bei lokal
begrenztem Befall und in kritischen Lokalisationen scheint die Bestrahlung vorteilhaft,
zumal das Auftreten eines Chloroms auf einen chemotherapierefraktären Verlauf hinweisen
kann [Mignano JE et al. J Pediatr Hematol Oncol 2009; 31: 977–979]. Bei kombiniertem
Vorgehen richtet sich die Chemotherapie nach der myeloproliferativen Grunderkrankung
[Anders M et al. Fortschr Röntgenstr 2000; 172: 282–286]. Die zügige Einleitung einer
Therapie ist vor allem aufgrund der schlechten Prognose mit einem medianen Überleben
von 8 Monaten bis etwa 2 Jahren relevant. Bei gutem Ansprechen auf die Induktionstherapie
kann dann eine Knochenmarkstransplantation die Langzeitprognose verbessern [Hagen
PA et al. Hematol Rep 2015; 7: 5709].
Bildgebung
Eine multimodale Bildgebung, die sich maßgeblich aus der Echokardiografie, CT und
MRT zusammensetzt, ist für die Beurteilung unerlässlich. Initial können im Röntgenbild
eine verbreiterte Herzsilhouette und begleitende Pleuraergüsse auffallen [Antón E.
Am J Hematol 2006; 81: 382–383]. Bezüglich des Nachweises einer intrakardialen Raumforderung
gehört die Echokardiografie zur Basisdiagnostik. Das Chlorom stellt sich dabei als
amorphes, hypoechogenes Areal mit irregulärer Begrenzung dar ([Abb. 1])[Kara IO et al. Leuk Lymphoma. 2005; 46: 1081–1084; Kozelj M et al. Int J Hematol
2008; 88: 101–103]. Die Echokardiografie zeigt häufig einen begleitenden Perikarderguss
([Abb. 1]) und kann zudem segmental hypokinetische Wandareale nachweisen, die eine kardiale
Funktionseinschränkung bedingen.
Abb. 1 55-jähriger Patient mit AML-Rezidiv mit histologisch gesicherten kardialen Chloromen.
Die transthorakale Echokardiografie weist ein umschriebenes Areal inhomogen echoarmer
Textur im Bereich des rechtsventrikulären Myokards auf. Zudem zeigt sich ein zirkulärer,
teils organisierter Perikarderguss.
Die Schnittbildgebung mittels CT und MRT ([Abb. 2]–[5]) bietet ein im Vergleich zum echokardiografischen Schallfenster uneingeschränktes
Sichtfeld und den Vorteil die lokale Ausdehnung der weichteildichten Raumforderung
abschätzen und eine etwaige Gefäßbeteiligung nachweisen zu können. Diesbezüglich kann
eine Ummauerung von Koronarien ([Abb. 2b] und 3a) oder großen Arterien bzw. ein Wachstum in das pulmonale Venensystem ([Abb. 5b]) oder die Venae cavae beobachtet werden. Dementsprechend können auch Anteile des
Bronchialbaums involviert sein. Gegebenenfalls kann das Ausmaß einer vaskulären Kollateralisierung
eingeschätzt werden. Aufgrund des langsamen Tumorwachstums ist darüber hinaus auch
eine mediastinale oder perikardiale Beteiligung möglich ([Abb. 3b]) [Mawad R et al. Leuk Lymphoma 2012; 53: 2511–2514; Mignano JE et al. J Pediatr
Hematol Oncol 2009; 31: 977–979].
Abb. 2 Dieser 69-jährige Patient mit AML-Frührezidiv nach allogener Stammzelltransplantation
zeigt echokardiografisch (a) myokardiale Verdickungen (Pfeile) im rechten Vorhofs mit auffälliger Echotextur.
Der zirkuläre Perikarderguss ist auch MR-tomografisch (b-d) nachweisbar. In der axialen HASTE-Sequenz stellt sich der epikardiale Tumor (b, dicker Pfeil) an der rechten Ventrikelwand mit Infiltration des Myokards und Ummauerung
der rechten Koronararterie dar. Zudem ist eine Manifestation des histologisch gesicherten
Chloroms (b, dünner Pfeil) im Sulcus interventricularis anterior zu erahnen. In den CINE-SSFP-Sequenzen
(c, d) stellen sich nahezu myokardisointense Raumforderungen (Pfeile) ventral der rechsseitigen
Herzräume (c) und unterhalb des linksventrikulären Ausflusstrakts dar (d).
Abb. 3 Die kontrastmittelangehobene CT eines 41-jährigen Patienten mit CML-Rezidiv nach
fremdallogener Stammzelltransplantation zeigt in axialer Schichtführung hypodense
intrakavitäre Raumforderungen des rechten Vorhofs und des Septum interatriale (a, Pfeile) angrenzend an die Trikuspidalklappe und eine Beteiligung des Sinus coronarius
(weißer Pfeil) mit Ummauerung der rechten Koronararterie. Auch im Bereich der rechten
Ventrikelwand und des ventralen parietalen Perikardblattes (b, Pfeil) ist eine Chlorommanifestation abgrenzbar. Der Befall ist auch in koronarer
Rekonstruktion (c) nachvollziehbar. Zudem kann hier eine Infiltration des ventrobasalen Perikards vermutet
werden.
Die moderne Perfusions-CT bietet mit ihrer kurzen Messzeit (ca. 40 s) und Algorithmen
zur Bewegungskorrektur auch ohne EKG-Triggerung die Möglichkeit zur Quantifizierung
der Gewebeperfusion. Kardiale Chlorome stellen sich in der Perfusions-CT gegenüber
dem besonders stark perfundierten Myokard als umschriebene relativ minderperfundierte
Areale dar ([Abb. 4] und 5). Einen zusätzlichen Nutzen weist die Methode bei der Differenzierung zwischen kardialen
Tumoren und intrakavitären Thromben auf [Schulze M et al. Acta Radiol 2013; 54: 895–903].
Abb. 4 Patient mit histologisch gesicherten Herzchloromen. In der Perfusions-CT (b-c) ist in den Parameterfarbkarten (c: Blutfluss; d: Blutvolumen) eine Perfusion der betreffenden Areale nachweisbar, es erscheinen jedoch
deutlich die relativ minderperfundierten Areale des rechten Vorhofs und Ventrikels,
sodass hier von einem Tumorbefall ausgegangen werden kann. Unter alleiniger Berücksichtigung
der MIP-Darstellung (a) sind diese Areale bei linksventrikulärer Hypertrophie nicht eindeutig zu identifizieren.
Abb. 5 Bei dem gleichen Patienten wie in [Abb. 1] offenbart die Perfusions-CT die relativ minderperfundierten Chlorominfiltrate des
Myokards im Bereich der rechten Ventrikelvorderwand, sowie des rechten Atriums (a, Pfeile). Hypoperfundierte Bezirke finden sich auch an der rechten Vorhofhinterwand
– wobei auch das Septum interatriale betroffen erscheint (a) – und angrenzend an die Pulmonalvenen (b, Pfeile). Der exzellente Kontrast zwischen Chlorom und Myokard stellt die Stärke
dieses Verfahrens in der Detektion einer Herzinfiltration dar.
Als Goldstandard zur Charakterisierung kardialer Tumoren gilt jedoch – aufgrund ihres
guten Weichteilkontrasts – die Kardio-MRT. In der Literatur wird das Signalverhalten
von Chloromen in der MRT als iso- bis hypointens in T1-gewichteten Sequenzen und iso-
bis leicht hyperintens in T2-gewichteter Darstellung beschrieben. Zudem weisen sie
oft aufgrund der hohen Zelldichte und der großen Zellkerne eine Diffusionsrestriktion
auf [Anders M et al. Fortschr Röntgenstr 2000; 172: 282–286; Chaudhry AA et al. J
Comput Assist Tomogr 2016; 40: 61–66]. In dem in [Abb. 2b–d] dargestellten Fall zeigen die Raumforderungen ein abweichendes Signalverhalten.
Bezüglich des Kontrastmittelverhaltens ist die Raumforderung bei allgemein nur mäßiger
Kontrastmittelaufnahme schwer von anderen tumorösen Prozessen zu differenzieren. Der
Hauptnachteil der kardialen MRT liegt in der langen Messzeit und der schwer kontrollierbaren
Herzfrequenz die z. T. für erhebliche Artefakte sorgt. Die meisten Patienten mit Herzchloromen
fallen klinisch durch Herzrhythmusstörungen auf. Chlorome zeigen im FDG-PET eine gesteigerte
Traceraufnahme [Mawad R et al. Leuk Lymphoma 2012; 53: 2511–2514; Makis W et al. Clin
Nucl Med 2010; 35: 706–709]. Die PET / CT ist insbesondere wichtig, um festzustellen,
ob es sich um einen isolierten Tumor handelt oder primär okkulte Manifestationen in
weiteren Organen vorliegen [Cunningham I et al. Am J Hematol. 2016; 91: 379–384].
Differenzialdiagnosen
Im Rahmen der initialen Bildgebung, etwa der Echokardiografie, sind differenzialdiagnostisch
bei den sonst stärkst immunkompromitierten Patienten auch inflammatorische bzw. infektiöse
Prozesse in Betracht zu ziehen [Mawad R et al. Leuk Lymphoma 2012; 53: 2511–2514].
In der MRT lässt die intrakardiale Raumforderung mit ihrer multilobulierten Binnenstruktur
auch an ein Lymphom oder ein primäres kardiales Sarkom denken. Eine Differenzierung
von anderen kardialen Tumoren, insbesondere Sarkomentitäten, ist auf alleiniger Grundlage
der teils unspezifischen Bildbefunde kaum möglich [Kim JG et al. QJM 2014; 107: 381–382].
Unter Kenntnis einer myeloproliferativen Grunderkrankung, insbesondere jedoch bei
Patienten nach allogener Stammzellentransplantation und nach Ausschöpfung der oben
genannten Modalitäten sind die Befunde zwar suggestiv für ein Herzchlorom, jedoch
bedarf es zur Sicherung der insgesamt seltenen Diagnose einer histologischen Untersuchung.
Die Biopsie kann etwa echokardiografisch gesteuert erfolgen [Kozelj M et al. Int J
Hematol 2008; 88: 101–103].
Zusammenfassung
Kardiale Chlorome stellen eine seltene extramedulläre Manifestation myeloproliferativer
und -dysplastischer Erkrankungen dar. Die Diagnose ist aufgrund einer unspezifischen
und möglicherweise durch die Grunderkrankung überlagerten Klinik erschwert. Daher
nimmt eine adäquate Bildgebung auf Grundlage multimodaler Ansätze eine wichtige Stellung
ein. Im Rahmen der Basisdiagnostik stellen sich Herzchlorome echokardiografisch amorph
und hypoechogen und im CT mit weichteiläquivalenten Dichtewerten dar. Die Perfusions-CT
vermag das Ausmaß einer myokardialen Infiltration durch Chlorome in Form relativ minderperfundierter
Areale zu erfassen. Aufgrund der Schnelligkeit und Zuverlässigkeit dieser Methode
fordert sie mittlerweile den bisherigen Goldstandard der kardialen Tumorbildgebung,
die Kardio-MRT heraus. Letztendlich bedarf es zur Sicherung der insgesamt seltenen
Diagnose einer histologischen Untersuchung. Differenzialdiagnostisch sind inflammatorische
(Myokarditiden) wie infektiöse (z. B. mykotische) Prozesse, aber auch Lymphome in
Betracht zu ziehen. Abhängig von der lokalen Ausdehnung und einer möglichen Gefäßbeteiligung
ist bei insgesamt schlechter Prognose die zügige Einleitung eines individuellen Therapieregimes
aus Chemotherapie und Bestrahlung relevant.
M. Esser, D. Dörfel, I. Müller, M. Horger; Tübingen