Pneumologie 2016; 70(05): 328-330
DOI: 10.1055/s-0042-103703
Historisches Kaleidoskop
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Rohrbacher Schlösschen – Heimat des Deutschen Tuberkulose-Archivs

Rohrbach Castle: Home of the German Tuberculosis Archive
W. Ebert
Further Information

Korrespondenzadresse

Professor Dr. Werner Ebert
Wiesenweg 12
69198 Schriesheim

Publication History

Publication Date:
11 May 2016 (online)

 

Das Rohrbacher Schlösschen, in dem seit Dezember 2011 das Deutsche Tuberkulose-Archiv untergebracht ist, ließ um 1760 der Pfalz-Zweibrücker Erbprinz Carl August im damals modernen frühklassizistischen Stil („Louisseize“) errichten. (Teile der erhaltenen Inneneinrichtung befinden sich im Residenzmuseum zu München.)

Der Gartenkünstler Friedrich Ludwig von Sckell umgab das Schlösschen mit einem Landschaftsgarten im Englischen Stil ([Abb. 1]). Carl August war der potenzielle Erbe aller Wittelsbacher Länder, da die Kurfürsten von Pfalz und Bayern sowie der Herzog von Zweibrücken ohne legitime Nachfolger blieben. Sein früher Tod verhinderte jedoch den Antritt seines Erbes.

Zoom Image
Abb. 1 Das Rohrbacher Schlösschen (Vue de la Maison de Campagne à Rohrbach). Aquarell von Philipp Le Clerc (1797), Kurpfälzisches Museum, Heidelberg.

In diesen Genuss kam sein jüngerer Bruder Max Joseph, der spätere erste König von Bayern. Max Joseph war zunächst ein Herzog ohne Land, da in dieser Zeit französische Revolutionsheere sein Herzogtum und das linksrheinisch gelegene Kurfürstentum Pfalz besetzt hielten. Als Residenz blieb ihm nur das Rohrbacher Schlösschen. Max Joseph war verheiratet mit Auguste Wilhelmine, Prinzessin von Hessen-Darmstadt. Mit Auguste Wilhelmine hielt erstmals die Tuberkulose Einzug in Rohrbach. Zwar berichtete der zur Brautwerbung nach Darmstadt entsandte Zweibrücker Minister Hofenfels: „Madame la Princesse vereinigt mit einer schlanken Taille, einem angenehmen und interessanten Gesicht hervorragende Eigenschaften des Herzens … Auch der Wuchs ist vollendet. Im Ganzen erscheint mir die hohe und liebenswürdige Prinzessin … très marriable.“ [1] Doch der ebenfalls anwesende Hofarzt Besnard warnte: „Wir bekommen einen Engel, aber ich fürchte, er wird uns nicht lange erhalten bleiben“. [1] Wilhelmine Auguste war kränklich und – wie es hieß – „schwach auf der Brust“. [1] Der kundige Arzt erkannte in der bezaubernden Erscheinung der Prinzessin die beginnende Schwindsucht. Trotz ihres Leidens gebar sie vier Kinder, darunter den nachmaligen König Ludwig I. von Bayern. In Rohrbach wurde ihre tuberkulöse Erkrankung zunehmend progredient. In einem Brief an ihren Gemahl schrieb sie: „Ich vegetiere noch immer auf dieser Welt! Kann Dir aber nicht verheimlichen, dass ich eine große Veränderung in mir verspüre. Meine Gesundheit wird von Tag zu Tag schlechter. Seit drei Tagen atme ich nur mit Mühe und bekomme jeden Abend Fieber mit Koliken und Schmerzen an allen Gliedern, habe weder Appetit noch Schlaf – mit einem Wort: ich vegetiere, aber ich lebe nicht mehr.“ [1] Eine Schilderung ihres Zustandes stammt von Pfarrer Joseph Anton Sambuga aus Walldorf, Religionslehrer ihrer ältesten Kinder: „Ich sah auf ihrem so guten Angesichte und an den Händen die deutlichen Spuren der Auflösung. Ihre Haut war wie das Aussehen eines verblühenden Rosenblattes, wenn die Rose zu welken anfängt. Sie hatte noch rote Wangen, aber es war eine Fieberröte, die sie zu zerstören drohte. Der Übergang von einer zusammengedrängten Röte zur elfenbeinernen Bleiche war zu schnell, als dass ich es für Gesundheit halten konnte. Die Adern waren ganz durchsichtig und schienen nicht Blut, sondern rötliches Wasser zu enthalten.“ [2] Auguste Wilhelmine starb im Rohrbacher Schlösschen. Die schöne, engelhafte Prinzessin von der Pfalz, wie Königin Luise von Preußen sie einmal nannte, wurde nur 30 Jahre alt.

Zwei Jahre später heiratete Max Joseph Prinzessin Caroline, Tochter der Markgräfin Amalie von Baden. Amalie ging als Schwiegermutter Europas in die Geschichte ein. Sie verstand es fünf ihrer Töchter glänzend zu verheiraten. Zu ihren Schwiegersöhnen zählen Zar Alexander I. von Russland und König Gustav IV. von Schweden. Max Joseph schenkte das Rohrbacher Anwesen seiner Schwiegermutter, als 1802 die rechtsrheinische Pfalz an das Großherzogtum Baden fiel. Amalie residierte regelmäßig zur Sommerszeit in Rohrbach. Gekrönte Häupter gingen hier ein und aus, so zum Beispiel der Zar und Kaiser Franz I. von Österreich am 19. Juni 1815 als Gäste der Markgräfin.

Nach ihrem Tod 1832 erwarb Georg von Stulz, der mit einer Hofdame Amaliens verheiratet war, das Schlösschen. Von dessen Erben kaufte es 1898 Kommerzienrat Carl Haas vom Verein für Genesungsfürsorge mitsamt seinen Liegenschaften und gründete ein Genesungsheim für „Rekonvaleszente und Erholungsbedürftige der arbeitenden Klassen“ ([Abb. 2]). Es war das erste seiner Art in Baden. Bereits im Jahresbericht von 1908 war die Rede von zahlreichen „Pfleglingen mit Lungenspitzaffektionen und Tuberkelbakterien im Auswurf“, also offener Tuberkulose. Nach einem kurzen Intermezzo im 1. Weltkrieg als Reservelazarett wurde das ehemalige Genesungsheim 1920 von der Hauptfürsorgestelle Karlsruhe übernommen und als Tuberkulosekrankenhaus für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene weitergeführt. Leitender Arzt war Gustav Hack (1920 – 1928). 1925 erwarb der Kreis Heidelberg das Haus und öffnete es allen versicherten und nichtversicherten Tuberkulosekranken aus Nordbaden und der benachbarten Rheinpfalz. Anfangs noch mit schwerkranken und nicht mehr „Heilstätten-fähigen“ Patienten belegt, wurde das Krankenhaus später in zunehmendem Maße für die Versicherungsträger als Vorbeobachtungs- und Begutachtungsstelle, dann aber auch für spezielle Heilverfahren herangezogen. Damit erschloss sich die Klinik immer mehr dem Versichertenkreis und den Bedürfnissen der Landesversicherungsanstalt Baden, die das Haus 1929 übernahm.

Zoom Image
Abb. 2 Genesungsheim Rohrbach im Jubiläumsjahr 1908. Links vom Schlösschen das Wirtschaftsgebäude, rechts der mit einem Gang verbundene Erweiterungsbau (Museum im Rohrbacher Schlösschen).

Ein Jahr zuvor wurde Albert Fraenkel leitender Arzt. Er ging in die Geschichte der Medizin ein als Begründer der intravenösen Gabe von Strophantin zur Therapie der Herzinsuffizienz. Neben dem Krankenhaus Rohrbach leitete Fraenkel das Mittelstandssanatorium Speyererhof. Sein Nachfolger Walter Schmidt (1933 – 1938) hat zusammen mit seinen Schülern Ludwig Adelberger (1939 – 1946), Ludwig Theiss (1946 – 1947) und Erwin Gaubatz (1947 – 1972) wesentlichen Anteil an der wissenschaftlich fundierten Kollapstherapie zur Behandlung der Lungentuberkulose. Schmidt war Herausgeber des 1938 erschienen Standardwerks: „Hein, Kremer, Schmidt: Kollapstherapie der Lungentuberkulose“, das seine Bedeutung über den 2. Weltkrieg hinaus bis ins erste Jahrzehnt der Chemotherapie der Lungentuberkulose nicht verlieren sollte. Die richtungsweisenden Kapitel behandeln Indikationsstellung und Durchführung der Kollapstherapie. Ziel der verschiedenen Verfahren – Pneumothorax-Anlage, extrapleurale Pneumolyse, teilweise verbunden mit Plombierung, Thorakoplastik – war es, die Lunge ruhigzustellen, einen Kavernenschluss zu erreichen und so eine Heilung einzuleiten. Die Kollapstherapie war der natürliche Vorläufer der erst nach dem Krieg aufgenommenen Resektionen und Pneumonektomien.

Mit der erfolgreichen Einführung der Chemotherapie zur Bekämpfung der Volksseuche Tuberkulose wandelte sich unter der Ägide von Erwin Gaubatz das Aufgabenspektrum des Krankenhauses. Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen nahm ab, bösartige Neubildungen im Thoraxraum traten in den Vordergrund. Die Neugewichtung hatte eine Umbenennung des Tuberkulosekrankenhauses in „Krankenhaus Rohrbach – Thoraxchirurgische Spezialklinik“ zur Folge. (Weitere Namensänderungen kamen später hinzu.) Auch weitere pneumologische Erkrankungen wie chronisch-obstruktive Bronchitis, Asthma bronchiale und interstitielle Lungenerkrankungen gewannen an Bedeutung. Besondere Verdienste erwarb sich Gaubatz in der Beurteilung der Staublunge, insbesondere der Porphyrsilikose. Als erster betonte er, dass deren arbeitsmedizinische Wertung nicht allein mit dem radiologischen Bild, sondern bevorzugt nach Funktionsdaten der Lunge und des Herzens erfolgen sollte.

Nachfolger von Gaubatz wurde Ingolf Vogt-Moykopf (1972 – 1996). Er entwickelte und perfektionierte chirurgische Techniken zur Behandlung des Lungenkrebses. Um den Patienten die Pneumonektomie zu ersparen – diese geht mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität einher – führte der Chirurg organsparende Resektionsverfahren mit Hilfe der sog. Manschettenresektion an Bronchus und Lungengefäßbaum bis hin zur Lappentransplantation ein. Dieses Verfahren wurde bei Bedarf ergänzt durch ausgedehnte Operationen der Brustwand mit Brustwandersatz oder durch Teilplastiken an Herzbeutel und Zwerchfell. Weitere Schwerpunkte bildeten die Chirurgie von Metastasen anderer Primärtumoren in die Lunge sowie die Chirurgie des besonders bösartigen Pleuramesothelioms (Asbestkrebs) und Korrekturen von Fehlbildungen bei Neugeborenen. In Anbetracht der Tatsache, dass Lungenkrebs nur dann heilbar ist, wenn er in einem möglichst frühen Stadium operiert wird, öffnete sich Vogt-Moykopf zusätzlichen Optionen zur Behandlung des fortgeschrittenen Leidens. Er wurde Gründungsmitglied des Tumorzentrums Heidelberg-Mannheim (1978), zu dessen Aufgaben die Entwicklung einer standardisierten Krebstherapie unter Einbeziehung wissensbasierter chirurgischer, radiologischer und chemotherapeutischer Verfahren zählt. In diesem Zusammenhang ist auch die Einrichtung mehrerer selbständiger Fachabteilungen zu sehen, die eng miteinander kooperieren. Das Lebenswerk von Vogt-Moykopf fand breite nationale und internationale Anerkennung. Er wurde Gründungs- und Vorstandsmitglied der SEP (Societas Europeana Pneumologia) bzw. ERS (European Respiratory Society) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, der European Society of Thoracic Surgeons sowie der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie. Bei der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie vertrat er das Fach Thoraxchirurgie.

Auf Vogt-Moykopf folgte der Onkologe Peter Drings (1996 – 2005). Unter seiner Leitung entwickelten sich die klinischen Abteilungen und Funktionseinheiten rasch weiter. Die Abteilung Innere Medizin-Pneumologie etablierte sich in der Diagnostik und Therapie der respiratorischen Insuffizienz und schlafbezogenen Regulationsstörungen als überregionales Zentrum. Gleiches gilt für die Versorgung der Mukoviszidosepatienten. In der Endoskopie wurden Verfahren zur besseren Diagnostik wie die Endosonografie und zur Behandlung von Stenosen der oberen Atemwege wie Lasereingriffe und Stentimplantationen entwickelt. Die Behandlung der Patienten mit malignen Tumoren erfolgte weitgehend im Rahmen klinisch-wissenschaftlicher Programme, z. B. der European Organization of Research and Treatment of Cancer (EORTC). Mit dem Klinikum und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg wurde im Jahre 2000 ein Kooperationsvertrag abgeschlossen. Die exklusive Vertretung der Thoraxchirurgie und der Inneren Medizin-Onkologie an der Universität war Anlass, die Thoraxklinik 2005 an der Gründung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg zu beteiligen. Auch die Zusammenarbeit zwischen klinischem und experimentellem Bereich wurde vorangetrieben. Die Forschungslabors der Klinik wurden in der „Sektion Translationale Forschung“ vereinigt. Im Mittelpunkt der im Verbund mit dem DKFZ durchgeführten Forschungsvorhaben der Sektion steht die molekularbiologische Charakterisierung des Tumorgewebes mit dem langfristigen Ziel der Formulierung einer tumorspezifischen, d. h. auf den Patienten zugeschnittenen individuellen Therapie. Die kooperativen Forschungsprojekte stützen sich auf eine umfangreiche Tumorgewebebank (gegründet 1999) sowie ein sorgfältig dokumentiertes, nach einheitlichen Kriterien behandeltes Kollektiv von Tumorpatienten.

2005 übernahm der Chirurg Hendrik Dienemann die Leitung des Hauses. Die operativen Techniken wurden weiter verfeinert. Das derzeitige Leistungsvolumen von über 2200 Eingriffen pro Jahr garantiert ein hohes Maß an Expertise, welche breite nationale und internationale Anerkennung findet. In der von Felix Herth geleiteten Abteilung Pneumologie und Beatmungsmedizin wurden Spezialambulanzen und ein kardiopulmonales Funktionslabor eingerichtet. International ist die Abteilung in zahlreichen interdisziplinär geführten wissenschaftlichen Projekten eingebunden, insbesondere in den Bereichen COPD, Lungenfibrose, Pulmonale Hypertonie sowie der Endoskopie.

Patienten mit Tuberkulose (offen, ansteckungsfähig) werden nach wie vor in einer eigenen Isolierstation behandelt. Ihre Anzahl betrug im Jahre 2014 nur noch 0,3 %, bezogen auf das gesamte stationäre Patientenaufkommen der Klinik. Für 2015 zeichnet sich allerdings eine signifikante Steigerung der Fallzahl ab infolge des Zustroms von Migranten.

2011 wurde die Thoraxklinik Heidelberg gGmbH Tochter des Universitätsklinikums Heidelberg. Seit Mai 2015 ist Felix Herth medizinischer Geschäftsführer der Klinik.

Zoom Image
Abb. 3 Thoraxklinik des Universitätsklinikums Heidelberg (Luftbild, 2005)

#
  • Literatur

  • 1 Adalbert Prinz von Bayern Max I. Joseph. München: Verlag F. Bruckmann; 1956
  • 2 Kunz W. „Auguste Wilhelmine Marie von Hessen-Darmstadt, Gemahlin von Max Joseph von Pfalz-Zweibrücken. Harthausen H. Pfälzer Lebensbilder, Bd. 7. Speyer: Verlag Pfälzische Ges; 2007

Korrespondenzadresse

Professor Dr. Werner Ebert
Wiesenweg 12
69198 Schriesheim

  • Literatur

  • 1 Adalbert Prinz von Bayern Max I. Joseph. München: Verlag F. Bruckmann; 1956
  • 2 Kunz W. „Auguste Wilhelmine Marie von Hessen-Darmstadt, Gemahlin von Max Joseph von Pfalz-Zweibrücken. Harthausen H. Pfälzer Lebensbilder, Bd. 7. Speyer: Verlag Pfälzische Ges; 2007

Zoom Image
Abb. 1 Das Rohrbacher Schlösschen (Vue de la Maison de Campagne à Rohrbach). Aquarell von Philipp Le Clerc (1797), Kurpfälzisches Museum, Heidelberg.
Zoom Image
Abb. 2 Genesungsheim Rohrbach im Jubiläumsjahr 1908. Links vom Schlösschen das Wirtschaftsgebäude, rechts der mit einem Gang verbundene Erweiterungsbau (Museum im Rohrbacher Schlösschen).
Zoom Image
Abb. 3 Thoraxklinik des Universitätsklinikums Heidelberg (Luftbild, 2005)