Schlüsselwörter
zentraler Venenkatheter - peripherer Venenkatheter - intraossärer Zugang - intravenöser
Zugang - Ultraschalltechnik - Landmarkentechnik
Key words
central venous catheter - peripheral venous catheter - intraosseous catheter - intravenous
catheter - ultrasound - landmarks technique
Der i. v. Gefäßzugang muss v. a. im Notfall adäquat beherrscht werden. Gerade aber
bei kleinen Kindern oder Säuglingen ist die Punktion peripherer Venen mitunter schwierig
und in einer zeitkritischen Situation häufig auch sehr stressbelastet. Hier muss der
Anwender Alternativen kennen und Hilfsmittel beherrschen können. Dieser Beitrag geht
auf die verschiedenen Gefäßzugänge ein, diskutiert Alternativen und beschreibt gängige
Techniken.
Einleitung
Der i. v. Gefäßzugang wird gelegt, um Medikamente und/oder Flüssigkeiten zuführen
zu können. Bei den meisten erwachsenen Patienten kann man periphere Venen i. d. R. visuell
identifizieren oder manuell tasten, besonders wenn sie sich mit der Anwendung eines
Stauschlauchs adäquat füllen. Bei Neugeborenen, Säuglingen und kleinen Kindern ist
dies oftmals nicht so einfach: Die sehr kleinen Gefäße sind häufig nicht gut zu sehen
und zu tasten, auch weil das Oberhautfettgewebe diese überdeckt. Noch schwieriger
wird es besonders in Notfallsituationen bei kritisch kranken Patienten mit reduziertem
Kreislauf. Präklinische Notfallsituationen mit pädiatrischen Patienten können alle
Teilnehmer des Rettungsdienstes treffen, auch wenn sie nicht speziell für Kindernotfälle
ausgebildet sind. In diesem Zusammenhang müssen etablierte Techniken beherrscht werden,
aber auch alternative Gefäßzugangsmöglichkeiten bekannt sein.
In außerklinischen Notfallsituationen kann die rasche Etablierung eines Gefäßzugangs
lebensrettend sein. Nach aktuellen Empfehlungen werden in solchen Situationen wenn
möglich die peripheren Verweilkanülen oder alternativ dazu die Anlage eines intraossären
(i. o.) Gefäßzugangs empfohlen [1]. Berichte bestätigen, dass i. o. Zugänge im Kreislaufstillstand oder unter Reanimation
erfolgreicher und schneller als i. v. Zugänge etabliert werden können [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8]. Obwohl zahlreiche transportable Ultraschallgeräte entwickelt wurden, die auch im
Rettungsdienst eingesetzt werden, sind diese zurzeit bei außerklinischen Notfallsituationen
noch nicht flächendeckend verfügbar. Nach Stabilisierung der Vitalfunktionen und Transport
ins Krankenhaus kann die Anlage eines periphervenösen (PVK) oder zentralvenösen Katheters
(ZVK) erwogen werden, um einen bereits liegenden i. o. Zugang zu ersetzen.
Merke
In Notfallsituationen wird die periphere Verweilkanüle oder der i. o. Gefäßzugang
empfohlen.
Die Anwendung des Ultraschalls zu Gefäßpunktion nimmt einen immer größeren Stellenwert
ein. Daher werden im Folgenden auch ultraschallbasierte Techniken vorgestellt. Die
Sonografie kann die Anlage von peripheren Verweilkanülen und/oder zentralvenösen Kathetern
beim pädiatrischen Patienten in innerklinischen Notfallsituationen oder bei schwierigen
Venenverhältnissen erheblich erleichtern.
Intraossäre Gefäßzugänge
Die aktuelle Leitlinie des European Resuscitation Council (ERC) empfiehlt den i. o.
Gefäßzugang als alternativen Zugangsweg zum Gefäßsystem unter Reanimation bei pädiatrischen
Patienten [1]. In dieser Leitlinie wird gefordert, dass nach max. 2 Versuchen (oder 2 min), einen
peripheren i. v. Zugang zu legen, alternativ der i. o. Zugang erwogen werden muss
(► https://www.resus.org.uk/resuscitation-guidelines/prehospital-resuscitation/).
Vorgehen
Das Knochenmark steht durch reichhaltige Kapillarisierung in direkter Verbindungen
zum Gefäßsystem. Es bietet sich an, im Notfall einen Gefäßzugang zu etablieren und
direkt vom Knochenmark das 1. Blutpräparat während der i. o. Punktion im Kreislaufstillstand
oder unter Reanimation zur Laborbestimmung abzunehmen [9], [10]. Die ausgeprägte Vaskularisierung des Knochenmarks ist ein Grund für die ausgedehnten
Blutungen nach Frakturen großer Knochen ([Tab. 1]). Durch die i. o. Zugänge macht man sich diese Vaskularisierung zunutze. Über diese
können Kathecholamine, Infusionen und Blutprodukte sicher verabreicht werden [11], [12]. Intraossär applizierte Medikamenten erreichen zügig den zentralen Kreislauf. Die
Blutkonzentration so verabreichter Pharmaka ist vergleichbar mit i. v. gegebener Medikation
[13]. Bei wachen Patienten sollte man bedenken, dass die Injektion ins Knochenmark sehr
schmerzhaft ist, daher wird empfohlen, vorab ein Lokalanästhetikum zu verabreichen.
Tab. 1 Möglicher Blutverlust nach Frakturen bei erwachsenen Patienten.
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Blutungsort
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Blutungsmenge
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Humerus
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300 ml
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Tibia
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500 ml
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Femur
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1 000 ml
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Becken
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2 000 ml
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Merke
Beim i. o. Gefäßzugang macht man sich die starke Vaskularisierung des Knochenmarks
zunutze. Dadurch können Flüssigkeiten sicher verabreicht werden und erreichen zügig
den zentralen Kreislauf.
Geringe Komplikationsraten
Das Material für i. o. Zugänge sollte in jedem OP oder in außerklinischen Rettungssystemen
vorhanden sein. Der große Vorteil ist, dass sich i. o. Zugänge bei geringen Komplikationsraten
leicht erlernen lassen [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8]. Es wird empfohlen, in klinikinternen Handlungsempfehlungen festzuhalten, wie lange
der Versuch dauern soll, einen konventionellen Gefäßzugang beim Kind zu legen [14]. Bei Kreislaufstillstand sollte sofort ein i. o. Zugang gelegt werden. Auch bei
in Notfallsituationen gelegten i. o. Zugängen sind die Komplikationsraten bei pädiatrischen
Patienten gering [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8].
Verschiedene Systeme
Während im pädiatrischen Bereich lange Jahre nur manuelle Nadelsysteme verfügbar waren,
sind nun auch verschiedene semiautomatische Systeme auf dem Markt. Unzweifelhaft sind
die semiautomatischen i. o. Systeme in der außerklinischen Notfallsituation wesentlich
schneller und effektiver als die manuell einzubohrenden Nadeln und zeigen weniger
Komplikationen [15]. [Abb. 1] zeigt ein Beispiel eines semiautomatischen Systems, das in vielen Abteilungen eingesetzt
wird [16]. Bei einem weiteren semiautomatischen System schnellt eine Nadel mithilfe eines
Federwerks automatisch durch Haut und Knochen, wenn das System über dem Zielknochen
ausgelöst wird (Bone Injection Gun = B. I.G). Die Autoren bevorzugen die semiautomatische
Methode mittels Bohrer oder alternativ dazu besonders bei kleinsten Säuglingen < 3 kg/KG
die manuelle Methode mittels einer speziellen i. o. Kanüle. Der Vorteil liegt in einer
gefühlvolleren Punktion des weichen Knochens mit einer Art „loss of resistance“-Technik.
Abb. 1 a bis c Beispiel eines semiautomatischen Systems für die Anlage von i. o. Zugängen (EZ-IO®,
Teleflex Medical GmbH). (a) Aussehen der Tasche. (b, c) Inhalt der Tasche: Akkubohrer, i. o. Nadeln in verschiedenen Größen und i. o. Nadel-Stabilizer
(Pflaster).
Merke
Zugangswege für die i. o. Nadelanlage sind z. B. der distale Femur, die proximale
und distale Tibia, die Spina iliaca anterior superior und der proximale Humerus ([Abb. 2]).
Abb. 2 Punktionsorte für den i. o. Zugang.
Punktionsorte
[Tab. 2] listet die charakteristischen Merkmale der möglichen Punktionsorte auf. Die erste
Wahl stellt die proximale Tibia dar [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], da die flache Seite des Knochens einfach zu tasten ist und die Nadel stabil fixiert
werden kann. Die Einstichstelle ist 1–2 cm medial und distal der Tuberositas tibiae
([Abb. 2 b]). Der i. o. Zugang sollte nur 1-mal pro Knochen versucht werden.
Tab. 2 Punktionsorte für die intraossäre Anlage eines Gefäßzugangs bei Kindern.
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Einstichstelle
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Anmerkungen
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Femur distal
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Tibia proximal
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Tibia distal
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Spina iliaca anterior superior
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Humerus proximal
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Kontraindikationen
Als Kontraindikationen für i. o. Zugänge gelten Infektionen nahe der Einstichstelle
und der Verdacht auf eine Fraktur des zu punktierenden Knochens ([ ► Infobox: Kontraindikation für die i. o. Zugänge]). Die Punktion der Wachstumsfuge bei Kindern ist unbedingt zu vermeiden.
Kontraindikationen für die i. o. Zugänge
-
Infektionen oder starke Verschmutzung der Einstichstelle
-
mehrfache, frustrane Punktionsversuche
-
Fraktur oder Verdacht auf eine solche
Fallberichte
Es wurden Fälle berichtet, bei denen pädiatrischen Patienten mit Kompartmentsyndrom
und Osteomyolitis nach Anlage eines i. o. Zugangs der Unterschenkel amputiert werden
musste [8], [17], [18]. Nach einem weiteren Fallbericht wurde bei einem Säugling, trotz ordnungsgemäßer
Anwendung nach Herstellerangabe und korrekter Technik, die Hinterkante der Tibia perforiert,
wodurch Medikamente und Flüssigkeit subkutan infundierten. In diesem Fall war die
Nadel zu lang für den Patienten [17].
[Abb. 3] zeigt einen Fall nach Anlage eines i. o. Zugangs in die proximale Tibia unter Reanimation
bei einem Säugling mit angeborenem Herzfehler. Im Bereich der Einstichstelle entwickelte
sich eine schwere subkutane Nekrose mit nachfolgendem Kompartmentsyndrom im Unterschenkel.
Der Patient war zu diesem Zeitpunkt 30 Tage alt und zeigte eine stark reduzierte linksventrikuläre
Funktion bei hypertropher Kardiomyopathie mit multiplen Ventrikelseptumdefekten und
einem persistierenden Foramen ovale. Ein erfahrener Facharzt führte die i. o. Punktion
unter Herz-Druck-Massage durch und bestätigte die Lage der Kanüle nach gängigen Kriterien.
Über diesen Zugang wurden Ringerlösung und Medikamente inklusive Adrenalin infundiert.
Nach Stabilisierung der Vitalfunktionen und Transport auf die kardiochirurgische Intensivstation
legten die Ärzte einen zentralen Venenkatheter und entfernten die i. o. Nadel.
Abb. 3 Beispiel einer schweren subkutanen Nekrose und Kompartment Syndrom nach Anlage eines
i. o. Zuganges in die proximale Tibia unter Reanimationsbedingungen mit nachfolgender
ECMO Anlage.
Ein weiterer lesenswerter Fallbericht von Suominen et al. [17] weist zu Recht darauf hin, dass die zur Verfügung stehenden i. o. Nadeln der entsprechenden
semiautomatischen Systeme nach Altersgruppen ausgewählt werden sollen. Das bedeutet,
dass Kinder am oberen oder unteren Rand dieser Altersgruppen mit besonderer Sorgfalt
behandelt werden müssen, da die Knochendichte und -dicke deutlich je nach Alter variiert.
Die Autoren haben den durchschnittlichen Durchmesser des medullären Raums der proximalen
Tibia in verschiedenen Altersgruppen anhand von Röntgenaufnahmen vermessen und kamen
zu folgenden Ergebnissen ([Tab. 3]) [17]:
Tab. 3 Durchmesser des medullären Raums der proximalen Tibia in verschiedenen Altersgruppen.
Nach [17].
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Altersgruppe
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Durchmesser des medullären Raums der proximalen Tibia
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Neonaten
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7 mm
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1–12 Monate alte Kinder
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10 mm
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3–4 Jahre alte Kinder
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12 mm
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Dieser Fallbericht empfiehlt, dass die richtige Position der i. o. Nadeln mittels
Aspiration von Knochenmark und Bolusgabe kristalloider Lösung bestätigt werden soll.
Die Umgebung des Punktionsorts muss sorgfältig auf Zeichen der subkutanen Injektion
(Schwellung, Rötung) inspiziert werden. Bei der Indikation zur therapeutischen Hypothermie
sollte der i. o. Zugang wegen des möglichen Problems der peripheren Vasokonstriktion
mit Möglichkeit einer peripheren Minderperfusion rasch entfernt werden.
Merke
Für die außerklinische Notfallsituation wird empfohlen, den i. o. Zugang nach Stabilisierung
der Vitalfunktionen und Transport ins Krankenhaus durch einen entsprechenden peripheren
oder zentralen Venenkatheter zu ersetzen [17].
Limitationen der Landmarkentechnik
Limitationen der Landmarkentechnik
Traditionell werden zentralvenöse Zugänge mithilfe anatomischer Landmarken gelegt.
Im Fall der häufig praktizierten Punktion der V. jugularis interna versucht man, die
Halsmuskulatur zu identifizieren und anhand der Pulsation der A. carotis interna die
ungefähre Lage der V. jugularis interna zu bestimmen. Es ist jedoch beschrieben, dass
V. juguralis interna und A. carotis communis bei pädiatrischen Patienten in ca. 10 %
der Fälle nicht nebeneinander sondern hintereinander liegen [26]. Ähnliches wird über die Lagebeziehung bei V. femoralis und A. femoralis berichtet
[27]. Die Identifikation zentraler Venen kann weiter erschwert werden, wenn die Venen
durch Thrombose oder Hämatome komprimiert oder verlagert sind, was durch die Landmarkentechnik
oft nicht leicht ersichtlich ist. Bei Säuglingen oder kleinen pädiatrischen Patienten
kommt erschwerend hinzu, dass die Dimensionen um ein vielfaches kleiner sind im Vergleich
zu Erwachsenen. Das erklärt, warum die Erfolgsrate z. B. bei V.-juguralis-Punktion
mit Landmarkenmethode nur bei 70–90 % liegt [28], [29], [30], [31]. Es ist auch berichtet, dass bei pädiatrischen Patienten im Notfall in > 30 % der
Versuche mithilfe der Landmarkenmethode die V. femoralis mit der A. femoralis verwechselt
und falsch punktiert wurde [32].
Merke
Die Landmarkentechnik ist oftmals nicht eindeutig und sollte daher mithilfe der Sonografie
validiert werden.
Katheteranlagen mit Sonografie
Katheteranlagen mit Sonografie
Die Verwendung von Ultraschall zur Identifikation von Blutgefäßen und während der
Punktion ist weit verbreitet und in vielen Zentren zu Recht zum Standard für zentralvenöse
Katheteranlagen erhoben worden. Die Ultraschalltechnik kann jedoch nicht nur bei der
Punktion zentraler Gefäße hilfreich sein, sondern auch bei der Anlage von peripheren
Venenkathetern (PVK). Außerdem werden alternative „Beleuchtungssysteme“ kommerziell
angeboten, die mit Licht unterschiedlicher Wellenlängen und Farben helfen sollen,
oberflächliche Venen zu identifizieren.
Vergleich mit LED und Nahinfrarotlicht
Berichten zufolge verbessert sich die Erfolgsrate der Anlage von PVK beim 1. Versuch
durch die Nutzung eines LED-Transilluminators (z.B Veinlite® [Translite LLC], Wee
Sight™ [Phillips]; [Abb. 4]) bzw. die Punktionsgeschwindigkeit wird erhöht [19], [20]. Nach unserer Erfahrung scheitert diese Methode jedoch häufig, gerade bei schwierigen
Venenverhältnissen bei Säuglingen oder kleinen pädiatrischen Patienten mit prominentem
subkutanem Fett oder nach Hämatom durch frustrane Punktionsversuche. Es wurde ebenso
berichtet, dass die Anwendung von Nahinfrarotlicht für die PVK-Anlage hilfreich sein
kann. Besonders aber bei schwieriger Punktion sind die Erfolgsraten dieser Methode
nicht überzeugend [21]. Deutlich erfolgversprechender scheint die direkte Identifikation und Visualisierung
auch tieferer peripherer Venen mittels Sonografie zu sein [22], [23]. Eine Studie über pädiatrische Patienten in Notfallambulanzen berichtete, dass der
Versuch bei den schwierigen peripheren Venen durchschnittlich um 8 min verkürzt ist
und die Erfolgsrate mit dem 1. Versuch verbessert wird [24].
Abb. 4 Transillumination: Die „Durchleuchtung“ von der Unterseite der Hand aus kann kleinste
Venen und Arterien sichtbar machen, sofern kein Hämatom von Vorpunktionsversuchen
vorhanden ist.
Anwendungen der Sonografie
Für die Ultraschalltechnik dienen in 1. Linie die V. saphena magna oder die subkutanen
Venen in der Ellenbeuge als Zielgefäße, da ([Abb. 5]) [25]
Abb. 5 a bis c Darstellung der V. saphena magna mittels Ultraschall bei einem Neugeborenen (3,2 kg
KG). (a) Schallkopf auf V. saphena magna. (b) V. saphena magna in 3 mm Tiefe. (c) Vermessung der V. saphena magna (1 mm). Beachte: Der Außendurchmesser einer bei
Säuglingen üblichen Venenverweilkanüle ist 24 G = 0,7 mm bzw. 22 G = 0,9 mm.
-
diese Venen tiefer im Fettgewebe liegen,
-
bei der Punktion relativ gut fixiert werden können und
-
mittels Ultraschall darstellbar sind.
Häufig werden diese dünnen Venen durch die Punktionsnadel selbst komprimiert, sodass
ein Durchstechen des Gefäßes unter Sicht mit anschließendem Rückzug häufig erfolgversprechender
ist. Nach unserer Erfahrung kann die Ultraschalltechnik auch an anderen Körperstellen
wie dem Unterarm angewendet werden. Die Ultraschallfrequenz sollte so hoch wie möglich
gewählt werden. Wir empfehlen > 10 MHz, da die Zielgefäße sehr flach liegen ([Abb. 5]) und eine höhere Ultraschallfrequenz die Identifikation dieser Strukturen erleichtert.
Während bei zentralisierten oder instabilen pädiatrischen Patienten mitunter viel
Zeit vergehen kann, bis ein peripherer Gefäßzugang gelegt ist, kann die Punktion zentraler
Venen vom Geübten mittels Ultraschall wesentlich schneller erfolgen. Auch zum Wechsel
einer zuvor gelegten i. o. Nadel ist diese Anwendung sinnvoll.
Merke
Die Ultraschalltechnik ist sowohl bei der Anlage zentraler als auch peripherer Venenkatheter
hilfreich und vor allem bei pädiatrischen Patienten klinischer Standard.
Vorteile der Sonografie
Die Versuche, einen Gefäßzugang beim Kind zu schaffen, sollen so wenig invasiv und
schnell wie möglich sein. Für die zügige und sichere Punktion bietet sich gerade hier
die Anwendung des Ultraschalls als Hilfsmittel an und ist bereits im innerklinischen
Alltag nicht mehr zu ersetzen [33]. Der größte Verteil bei der Anwendung von Sonografie ist die direkte nicht invasive
Visualisierung der Zielgefäße. Lokalisation, Größe und Füllungszustand können ebenso
beurteilt werden wie die zu erwartende Punktionstiefe.
Methoden
Derzeit werden 2 Methoden beschrieben:
Bei der „Prescan-Ultrasound-guided-Methode“ wird das Zielgefäß vor der Punktion einmal
identifiziert und möglicherweise markiert. Die Punktion erfolgt dann ohne aufgesetzten
Ultraschallkopf. Im Unterschied dazu kann man mit der „real-time-Ultrasound-guided-Technik“
die Punktionskanüle und das Zielgefäß im kompletten Verlauf immer sehen. Es wird berichtet,
dass mit der „real-time-Ultrasound-guided-Technik“ die Dauer der Punktion deutlich
kürzer ist und weniger Versuche nötig sind als mit der „Prescan-Ultrasound-guided-Methode“
[34]. Ein linearer, möglichst kleiner Schallkopf mit hoher Frequenz (8–13 MHz) ist adäquat
bei pädiatrischen Patienten, da auch die großen, zentralen Venen relativ oberflächlich
verlaufen und durch hochfrequente Schallköpfe besser zu visualisieren sind.
Erfolgsraten
Die V. jugularis ist auch bei pädiatrischen Patienten der gebräuchlichste Punktionsort.
Es wird in einigen Publikationen betont [28], [29], [30], [31], dass die Erfolgsrate mit der „real-time-Ultrasound-guided-Technik“ deutlich verbessert
wird (ca. 80 % Erfolg mit Landmarkenmethode, nahezu 100 % mit „real-time-Ultrasound-guided-Technik“),
wenn die Anwender zuvor wenig Erfahrungen mit der traditionellen Landmarkenmethode
hatten [28], [29]. Einige Autoren konnten zeigen, dass sich die Erfolgsrate mit der „real-time-Ultrasound-guided-Technik“
verschlechtert (ca. 90 % Erfolgsrate mit Landmarkenmethode, ca. 75 % mit „real-time-Ultrasound-guided-Technik“),
wenn die Anästhesisten zuvor langjährig Erfahrungen mit der Landmarkenmethode erworben
hatten [30], [31]. Diese Autoren vermuteten, dass Vorerfahrung mit der traditionellen Methode hinderlich
beim Erlernen der neuen ultraschallgestützten Methode sei. In jedem Fall fordern sie
entsprechende theoretische und praktische Übungen.
Vorgehen
Die Verwendung der ultraschallgestützten Technik wird schon deshalb dringend empfohlen,
da die anatomische Lagebeziehung von V. jugularis interna und A. carotis communis
nicht unerheblich variiert [35], [36] und sich durch die Kopfposition der Patienten verändern kann [37]. Für den Erfolg ist die Lagerung des Patienten sehr wichtig. Eine Unterlage (z.B
eine Rolle oder ein Handtuch) werden unter die Schulter des Patienten gelegt, um den
Kopf des Patienten nach hinten beugen zu können. Durch diese Lagerung wird der Hals
des Patienten leicht gestreckt und exponiert die Halsgefäße entsprechend. Zudem ermöglicht
diese Lagerung einen flacheren Einstichwinkel, was die Erfolgsrate weiter verbessern
kann ([Abb. 6 a]). Ohne leichte Überstreckung des Kopfes
Abb. 6 a und b Optimale Kopflagerung des Patienten bei der zentralvenösen Punktion mittels Ultraschall.
(a) Falsche Lagerung des Kopfes. Die fehlende Überstreckung verhindert einen optimalen
Einstichwinkel. (b) Der Kopf des Patienten ist leicht überstreckt, sodass der Punktionswinkel flach
(ca. 45°) erfolgen kann.
Dadurch wird das nachfolgende Einführen des Seldinger-Drahts erschwert oder unmöglich
gemacht ([Abb. 6 b]). Die Kopfrotation nach links (bei rechtsseitiger Punktion) kann zudem den relativen
Durchmesser der V. jugularis interna vergrößern und die überlappend liegende V. jugularis
und A. carotis communis kommen eher nebeneinander zum liegen [38]. Um den Durchmesser der V. jugularis interna weiter zu vergrößern, kann man eine
Hilfsperson bitten, Druck auf die Leber auszuüben, da diese beim Säugling ein großes
Blutreservoir ist. Kopftieflage, die beim erwachsenen Patienten hilfreich sein kann,
bringt beim Kind keine Verbesserung und kann unterbleiben.
Kritik
Ein häufig geäußerter Kritikpunkt an der ultraschallgesteuerten Punktion ist, dass
man damit die „traditionelle“, an anatomischen Landmarken orientierte Technik verlernen
könnte. Die Anwendung eines bildgebenden Verfahrens bietet nach Meinung der Autoren
jedoch die einmalige Chance, die Lagebeziehung von Nerven und Gefäßen idealerweise
mit den zuvor identifizierten anatomischen Landmarken abzugleichen. Ein so strukturiertes
Ausbildungsprogramm bietet die Chance, dass sich der Lernende zuvor an anatomischen
Landmarken orientiert und die Anatomie der Gefäße oder Nerven imaginiert, bevor man
den Schallkopf auf den Patienten legt und anschließend seine Imagination und das Echobild
vergleicht. Dadurch kann man sowohl die Landmarkmethode als auch die ultraschallgestützte
Technik gleichzeitig erlernen und trainieren.
Limitationen der Sonografie
Nicht immer ist gewährleistet, dass besonders in Notfallsituationen passende, d. h.
transportable Geräte schnell verfügbar sind. Der Vorteil der ultraschallgesteuerten
Punktion ist nur dann gegeben, wenn die komplette Nadel (in-plane-Technik), oder die
Nadelspitze (out-of-plane-Technik) kontinuierlich dargestellt wird. Ansonsten nimmt
das Risiko von punktionsassoziierten Komplikationen analog zur traditionellen, an
anatomischen Landmarken orientierten Technik zu.
Merke
Bei der ultraschallgestützten Punktion müssen die Punktionskanüle und das Zielgefäß
kontinuierlich dargestellt werden. Hinreichende Übungen und Trainingsmöglichkeiten
müssen jedoch geboten sein, um sich an die Ultraschalltechnik zu gewöhnen.
Alternative Punktionsorte
Alternative Punktionsorte
Ein weiterer interessanter Punktionsort ist nicht nur im Notfall die V. femoralis
und wird für zentralvenöse Zugänge nicht selten ausgewählt. Die häufigsten Komplikationen
hierbei sind die versehentliche Punktion der A. femoralis (ca. 10 %) und die Hämatombildung
(ca. 5 %) [39], [40]. Thrombosen entstehen häufiger als an anderen Stellen. Als Grund dafür wird der
relativ kleine Gefäßdurchmesser, verbunden mit einer Abflussbehinderung gesehen, da
der zentralvenöse Katheter im Vergleich recht groß ist [41]. Zur Erleichterung der Punktion wird von manchen Autoren empfohlen, das Hüftgelenk
auf der Punktionsseite leicht zu abduzieren [42]. Ein Problem bei Säuglingen und Neugeborenen sind die Windeln: Die Punktion der
V. femoralis findet hier in einem potenziell feuchte und möglicherweise kontaminierten
Gebiet statt [41].
Traditionell wird besonders bei erwachsenen Patienten im Notfall gern die V. subclavia
punktiert, da diese selten kollaptisch ist und auch mithilfe traditioneller Techniken
schnell erreicht werden kann. Bei Kindern und Säuglingen erschwert häufig das ausgedehnte
subkutane Fettgewebe die Punktion. Gefürchtet sind auch Komplikationen wie die fälschliche
Punktion der A. subclavia oder Pleura mit nachfolgendem Pneumothorax [39], [40], [41], [43]. Ein Pneumothorax kann gerade bei instabilen Kindern oder Säuglingen rasch lebensbedrohlich
sein.
Supraklavikulärer Zugang als Alternative
Eine gute Alternative dazu ist der linksseitige supraklavikuläre Zugang, der allerdings
ausschließlich unter Zuhilfenahme des Ultraschalls mit direkter Visualisierung der
Nadel vorgenommen werden sollte [44], [45]. Bei dieser Methode wird ein zentralvenöser Katheter in die V. brachiocephalica
gelegt. Der Punktionsort ist gut zugänglich und der Katheter ist später sicher und
einfach zu fixieren. Wie [Abb. 7] zeigt, können die Pleura und der Aortenbogen mit Gefäßabgängen sowie das Zielgefäß,
die V. bachiocephalica, in einem Schnitt dargestellt werden ([Abb. 7 a] und [b]). Die Punktionskanüle lässt sich in der sog. „langen Achse“ (Long-Axis View = LAX)
in der kompletten Länge verfolgen ([Abb. 7 c] und [d]). Bei korrekter Visualisierung des Punktionsvorgangs ist die Verletzung der Pleura
oder die artifizielle arterielle Punktion ausgeschlossen. Nach eigenen Erfahrungen,
sollte der dafür infrage kommende zentralvenöse Katheter weniger als 1/3 des Durchmessers
des Zielgefäßes betragen, um einen ungehinderten venösen Blutfluss zu garantieren.
In unserer Abteilung hat sich folgende Faustformel zur Abschätzung der Kathetergröße
etabliert:
Abb. 7 a bis d „Real-time-Ultrasound-guided-Technik“ des linkseitigen supraklavikulären Zugangs.
(a, b) Sog. „lange Achse“-Blick (Long-Axis View, LAX) von V. brachiocephalica, Aortenbogen
und Pleura. (c) Schallkopf in Position der langen Achse auf der Fossa supraclaviculare mit dargestellter
Punktionskanüle (22 G). (d) Darstellung der Punktionskanüle in kompletter Länge. Die Spitze der Punktionskanüle
hat die V. brachiocephalica erreicht.
Abschätzung Kathetergrösse
Wähle den Durchmesser des zentralvenösen Katheters in French (Fr) so, dass er kleiner
als das Zielgefäß in mm ist (1 mm ≅ 3 Fr):
zentralvenöser Katheter (Fr) < Durchmesser Zielgefäß (mm)
Z. B. wenn das Zielgefäß im Ultraschall mit 4 mm bemessen wurde, sollte der zentralvenöse
Katheter < 4 Fr sein.
Schlussfolgerungen
Die rasche Etablierung eines Gefäßzugangs kann nicht nur beim pädiatrischen Patienten
lebensrettend sein. Besonders aber in dieser Patientengruppe ist die Anlage eines
Venenkatheters oft schwierig. Alternativ zu traditionellen Techniken, die sich an
anatomischen Strukturen orientieren, setzt sich die Anwendung von Ultraschall als
Standardverfahren immer mehr durch. Leichte, einfach zu transportierende und schnell
bedienbare Geräte sind bereits kommerziell verfügbar. Auch die Technik des i. o. Zugangs
muss erlernt und beherrscht werden, da diese schnell zu etablieren und auch bei Säuglingen
und kleinen Kindern leicht anwendbar ist. Unabhängig davon sollte der Anwender die
damit verbundenen Risiken und Komplikationen kennen.
Kernaussagen
-
In Notfallsituationen wird die periphere Verweilkanüle oder der intraossäre Gefäßzugang
empfohlen.
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Intraossär verabreichte Medikamente erreichen schnell den zentralen Kreislauf.
-
Die aktuelle Leitlinie des European Resuscitation Council empfiehlt einen i. o. Zugang,
sollte der i. v. Zugang nicht innerhalb von 2 min erfolgreich sein.
-
Es wird empfohlen, den i. o. Zugang nach Stabilisierung der Vitalfunktionen und Transport
ins Krankenhaus durch einen entsprechenden peripheren oder zentralen Venenkatheter
zu ersetzen.
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Die Sonografie kann die Anlage von peripheren Verweilkanülen sowie zentralvenösen
Kathetern beim pädiatrischen Patienten erheblich erleichtern und ist gerade in der
Pädiatrie inzwischen klinischer Standard.