Dialyse aktuell 2016; 20(03): 126
DOI: 10.1055/s-0042-105176
Journal-Club
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

SPRINT-Studie zum Bluthochdruck (2) – Was bringt die Blutdrucksenkung auf unter 120mmHg im Vergleich zu 140mmHg?

Contributor(s):
Gunter Wolf
SPRINT Research Group. Wright Jr JT, Williamson JD, Whelton PK et al.
A randomized trial of intensive versus standard blood-pressure control.

N Engl J Med 2015;
373: 2103-2016
Further Information

Publication History

Publication Date:
15 April 2016 (online)

 
 

Quelle: SPRINT Research Group, Wright JT Jr, Williamson JD, Whelton PK et al. A randomized trial of intensive versus standard blood-pressure control. N Engl J Med 2015; 373: 2103–2016

Thema: In der SPRINT-Studie ging es darum, Aussagen zu einer intensiveren Blutdrucksenkung auf unter 120mmHg im Vergleich zu den bisherigen Zielwerten von 140 mmHg bei fast 10 000 Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko ohne Diabetes zu machen. Dieser Beitrag zur Rubrik “Journal-Club“ betrachtet die SPRINT-Studie, die schon in Dialyse aktuell 2/2016 besprochen wurde, unter anderen Gesichtspunkten.

Projekt: Die Teilnehmer wurden auf 2 Gruppen randomisiert. In einer Gruppe wurde ein systolischer Blutdruck von weniger als 120 mmHg (intensive Behandlungsgruppe) angestrebt. In der anderen Gruppe sollte der systolische Blutdruck auf unter 140 mmHg (sogenannte Standardbehandlung) gesenkt werden, wie das bisher für die meisten Patienten von den Leitlinien empfohlen wurde. Der primäre Endpunkt war aus Myokardinfarkten und anderen akuten Koronarsyndromen, Schlaganfällen, Herzversagen oder Tod aus kardiovaskulärer Ursache zusammengesetzt.

Ergebnisse: Die Häufigkeit des zusammengesetzten Endpunktes wurde in der intensiven Blutdrucksenkungsgruppe signifikant gegenüber der Standardbehandlung gesenkt. Allerdings trat in der Gruppe mit der intensiven Blutdrucksenkung ein signifikant höherer Prozentsatz von akutem Nierenversagen im Vergleich zur Standardbehandlungsgruppe auf.

Fazit: Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung ist die Niere sowohl die Ursache als auch das Opfer des erhöhten Blutdrucks. Ohne Zweifel trägt ein erhöhter Blutdruck zur Progression von chronischen Nierenerkrankungen, insbesondere bei Diabetikern, bei [ 1 ]. Die Relevanz der Ergebnisse der SPRINT-Studie wird kontrovers diskutiert. Obwohl die Teilnehmer sicherlich ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hatten, weil sie bereits ein klinisches oder subklinisches Ereignis (außer Schlaganfall) erlitten hatten, an einer eingeschränkten Nierenfunktion litten (eGFR 20–59 ml/min/1,73 m²), im Framingham-Risk-Score mit einem 10-Jahres-Risiko von 13 % oder mehr anzeigten oder älter als 75 Jahre alt waren, wurden Patienten mit Diabetes, die sicherlich die Mehrheit der Patienten mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko, insbesondere Patienten mit Typ-2-Diabetes in Deutschland darstellen, ausgeschlossen. Vor allen Dingen sind für Patienten mit schon bestehenden chronischen Nierenerkrankungen potenziell akute Nierenschädigungen durch einen zu starken Blutdruckabfall von Bedeutung und sprechen zunächst einmal gegen diese Studie.

Da die Studie mit einem mittleren Follow-up von 3,26 Jahren relativ kurz war, ist unklar, ob es nicht zu späteren Nierenschädigungen kommt. Insbesondere weiß man aus anderen Studien [ 2 ], dass ein akutes Nierenversagen sich mittel- bis längerfristig auf eine Progression einer chronischen Nierenerkrankung negativ auswirken kann. Es dürfte sich auch ein Vergleich mit der ACCORD-Studie anbieten, die im Jahr 2010 publiziert wurde [ 3 ]. Hier zeigte sich bei fast 5000 Patienten mit Typ-2-Diabetes und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko, dass eine intensive Blutdrucksenkung die Rate von tödlichen oder nicht tödlichen kardiovaskulären Ereignissen nicht senkte, allerdings die Zahl der Komplikationen steigerte. Ein weiteres Problem der SPRINT-Studie ist, dass Patienten mit einem Schlaganfall in der Anamnese oder Patienten in Pflegeheimen ausgeschlossen wurden.

Schlüsselwörter: Bluthochdruck – SPRINT-Studie – Blutdrucksenkung – 120 mmHg vs. 140 mmHg

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(Bild: Fotolia)
Kommentar

Insgesamt erscheinen mir die Daten aus der SPRINT-Studie nicht evident genug, um neue Standards zu setzen. Ein Abwarten ist hier sicherlich besser, als zu schnell neue Zielwerte in die Blutdrucktherapie einzuführen.

Prof. Dr. Gunter Wolf, MHBA, Jena


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  • Literatur

  • 1 Rossignol P, Massy ZA, Azizi M et al. ERA-EDTA EURECA-m working group; Red de Investigación Renal (REDINREN) network; Cardiovascular and Renal Clinical Trialists (F-CRIN INI-CRCT) network. The double challenge of resistant hypertension and chronic kidney disease. Lancet 2015; 386: 1588-1598
  • 2 Findlay M, Donaldson K, Robertson S et al. Chronic kidney disease rather than illness severity predicts medium- to long-term mortality and renal outcome after acute kidney injury. Nephrol Dial Transplant 2015; 30: 594-598
  • 3 ACCORD Study Group. Cushman WC, Evans GW, Byington RP et al. Effects of intensive blood-pressure control in type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med 2010; 362: 1575-1585

  • Literatur

  • 1 Rossignol P, Massy ZA, Azizi M et al. ERA-EDTA EURECA-m working group; Red de Investigación Renal (REDINREN) network; Cardiovascular and Renal Clinical Trialists (F-CRIN INI-CRCT) network. The double challenge of resistant hypertension and chronic kidney disease. Lancet 2015; 386: 1588-1598
  • 2 Findlay M, Donaldson K, Robertson S et al. Chronic kidney disease rather than illness severity predicts medium- to long-term mortality and renal outcome after acute kidney injury. Nephrol Dial Transplant 2015; 30: 594-598
  • 3 ACCORD Study Group. Cushman WC, Evans GW, Byington RP et al. Effects of intensive blood-pressure control in type 2 diabetes mellitus. N Engl J Med 2010; 362: 1575-1585

 
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