Am 4. März 2016 feierte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin
im historischen Hörsaal des Bernhard-Nocht-Instituts „50 Jahre Schifffahrtsmedizin“
(Abb. [
1
]). Anlass dazu gab die Gründung der Abteilung Schiffahrtsmedizin als Teil des Bernhard-Nocht-Instituts
exakt 50 Jahre zuvor am 4. März 1966 während einer Tagung der Deutschen Gesellschaft
für Verkehrsmedizin genau an diesem Ort. Die Schifffahrtsmedizin ist heute als Arbeitsgruppe
fest verankert im Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) –
einer behördlichen Einrichtung, die über die Universitätsprofessur für Arbeitsmedizin
eng mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verbunden ist.
Abb. 1 Am 4. März 2016 feierte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin
im historischen Hörsaal des Bernhard-Nocht-Instituts „50 Jahre Schifffahrtsmedizin“.
(Quelle: Felizitas Tomrlin, UKE Hamburg)
Der festliche Rahmen des Symposiums wurde durch den historischen Gründungsort im Bernhard-Nocht-Institut
unterstrichen. In 3 Grußwortbeiträgen und mit 4 Vorträgen wurden Geschichte, Aufgaben
und Bedeutung der Schifffahrtsmedizin verdeutlicht. Der Shanty-Chor „De Jungs vun
de Logerhus“ der Hamburger Hafen- und Lagerhaus-AG sorgte für die musikalische Umrahmung.
Grußworte betonen große Bedeutung der Schifffahrtsmedizin in Hamburg
In dem Grußwort der Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks, Präses der Behörde für Gesundheit
und Verbraucherschutz, Hamburg, wurde hervorgehoben, dass Hamburg als Tor zur Welt
mit Stolz auf eine lange Tradition der Schifffahrtsmedizin zurückblicke (Abb. [
2
]). Hamburg sei als größter deutscher See- und zweitgrößter Containerhafen in Europa
der ideale Standort für ein Institut dieser Ausrichtung. Als zivile Forschungseinrichtung
im Bereich der Schifffahrtsmedizin sei das ZfAM in Deutschland einzigartig. Die Forschung
der Schifffahrtsmedizin liefere wichtige Ergebnisse, um gesundheitsgefährdende Faktoren
für die Beschäftigten an Bord zu erkennen und effektive Präventionsstrategien abzuleiten.
Abb. 2 Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks hob in ihrem Grußwort die lange Tradition der Schifffahrtsmedizin
in Hamburg hervor. (Quelle: Felizitas Tomrlin, UKE Hamburg)
In seinem Grußwort stellte Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der medizinischen
Fakultät des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), heraus, dass sich aus
der Vielfältigkeit des Seemannsberufs hohe Anforderungen an die Qualifikation eines
Schifffahrtsmediziners ergeben. Dieser müsse mit einem breit gefächerten, allgemeinmedizinischen
Hintergrund auch über arbeitsmedizinische und schifffahrtsbezogene Kenntnisse verfügen.
Der Dekan zeigte sich sehr erfreut, dass die Medizinstudierenden in Hamburg seit nunmehr
2 Jahren die Möglichkeit haben, im Wahlpflichtfach „Präventive Medizin“ des iMED-Studiengangs
Einblicke in das anspruchsvolle Tätigkeitsfeld der Schifffahrtsmedizin beziehungsweise
eines Schiffsarztes zu erhalten. So werden den angehenden Medizinern berufliche Alternativen
aufgezeigt und potenzieller Nachwuchs für diesen Bereich rekrutiert.
Prof. Dr. Rolf Horstmann, Vorstandsvorsitzender des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin
Hamburg, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass sich die Schifffahrtsmedizin zu
Zeiten Bernhard Nochts zunächst mit schweren bakteriellen Infektionskrankheiten beschäftigen
musste. Diese, wie zum Beispiel auch die Cholera, fanden in der Regel über verunreinigtes
Trinkwasser oder infizierte Nahrung an Bord Verbreitung. An 2, von Seeleuten aufgezeichneten
Fieberkurven von Besatzungsmitgliedern mit einer Malariaerkrankung aus dem Gründerjahr
der Abteilung Schiffahrtsmedizin 1966 verdeutlichte er die mehrwöchigen Krankheitsverläufe
und die Betreuung durch das medizinische Laienpersonal an Bord wie auch die Therapie
im Bernhard-Nocht-Institut.
Schifffahrtsmedizinische Forschung seit fast 125 Jahren
In seinem Festvortrag stellte Prof. Dr. Volker Harth, Direktor des Zentralinstituts
für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) Hamburg, dar, dass im Jahr 1892 eine
schwere Choleraepidemie in Hamburg ausbrach, die 8605 Tote forderte. Aus diesem Anlass
habe Robert Koch seinen Schüler, Marinearzt Bernhard Nocht, nach Hamburg entsandt
und mit der Bekämpfung der Cholera beauftragt. Mitte der 1890er Jahre habe Bernhard
Nocht als erster Hafenarzt Deutschlands eine kleine Forschungsstation im damals neu
gegründeten Hafenkrankenhaus in Hamburg eingerichtet. Somit blickt die schifffahrtsmedizinische
Forschung in Hamburg auf eine fast 125-jährige Geschichte zurück. Am 04.03.1966 wurde
dann unter Leitung von Prof. Dr. Hartmut Goethe die Abteilung für Schiffahrtsmedizin
gegründet, die damals dem Bernhard-Nocht-Institut angegliedert wurde.
Praxis und Theorie unter einem Dach
In seinem Festvortrag ging PD Dr. Marcus Oldenburg, Leiter der Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin
des ZfAM, zunächst auf die weitere Geschichte der Abteilung Schifffahrtsmedizin ein.
Nachdem mit dem Ausscheiden von Prof. Goethe 1989 die Frage einer Fortführung dieser
Abteilung im Raum stand, wurde der Anstoß zur Gründung der Deutschen Gesellschaft
für Maritime Medizin (DGMM) in Hamburg gegeben. Am 01.01.1990 wurde außerdem die Abteilung
Schiffahrtsmedizin als „Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin und Ergonomie“ in das ZfA
übernommen. Im Januar 1995 haben dann die Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen und
Schleswig-Holstein ein „Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Schifffahrtsmedizin“
zur Sicherung der Zukunft dieser Arbeitsgruppe geschlossen (im Jahr 2009 sind noch
die Länder Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern dem Abkommen beigetreten).
Im Jahr 1997 erfolgte – zunächst noch außerhalb des ZfA – ein Zusammenschluss der
Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin mit dem Hafenärztlichen Dienst zum Hamburg Port
Health Center (HPHC). Dem Konzept dieser Gemeinschaftseinrichtung lag die Idee zugrunde,
die Praxis des hafenärztlichen Dienstes mit der Theorie der Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin
unter einem Dach miteinander zu verbinden. Drei Jahre später wurde das Hamburg Port
Health Center an das Zen-tralinstitut für Arbeitsmedizin (ZfA) angegliedert.
Aktuelle Herausforderungen und Forschungsprojekte
Im weiteren Verlauf seines Vortrags stellte PD Dr. Oldenburg die aktuellen Herausforderungen
an die schifffahrtsmedizinische Forschung heraus. Das gegenwärtige Arbeitsumfeld auf
einem Schiff ist einmalig und kaum vergleichbar mit jenem an Land, wobei im Schiffsalltag
auf die Beschäftigten an Bord nach wie vor zahlreiche Gesundheitsgefahren und Gefährdungen
lauerten. Daher ist es eine vornehmliche Aufgabe der Schifffahrtsmedizin, das Arbeitsumfeld
an Bord zu untersuchen, Belastungen und Beanspruchungen zu objektivieren und auf der
Grundlage dieser Erkenntnisse gezielte Interventions- und Präventionsmaßnahmen abzuleiten.
So wird in Hamburg eine Verbindung von schifffahrtsmedizinischer Theorie und Praxis
in Kooperation mit den hafenärztlichen Diensten Deutschlands gelebt.
Die Forschungsprojekte der Arbeitsgruppe richten sich direkt an den aktuellen Fragestellungen
der Schifffahrt aus. Bedeutsame Belastungen, denen die Seeleute heutzutage ausgesetzt
sind, reichen von einem erhöhten Hautkrebsrisiko durch Sonneneinstrahlung über die
Ernährung bis hin zu psychischen Stressoren durch die lange Abwesenheit von Familien
und Angehörigen. Auch die Themenkomplexe psychophysische Belastungen, Fatigue (d.
h. eine chronische Übermüdung z. B. infolge des Wachsystems), die ergonomische Gestaltung
von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen sowie die umfangreichen physikalischen Einwirkungen
im Bordalltag zählen zu den wesentlichen Themen in der aktuellen Schifffahrtsmedizin.
Neben der Forschung und ihrer Umsetzung in die Praxis berät die Arbeitsgruppe Behörden
und Ämter zu schifffahrtsmedizinischen Fragestellungen in der Gremienarbeit und hält
mit ihrer schifffahrtsmedizinischen Bibliothek mit über 35 000 Artikeln eine der weltweit
größten maritimmedizinischen Präsenzdokumentationen vor.
Ältestes maritimmedizinisches Ausbildungszentrum für Schiffsoffiziere
Die Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin unterhält das bundesweit älteste maritime Ausbildungszentrum
für medizinische Wiederholungskurse für Schiffsoffiziere. Seit 1997 haben über 2000
Schiffsoffiziere das Ausbildungsangebot in Hamburg wahrgenommen. Dabei bleiben die
Lerninhalte stets auf dem neusten Stand. Neuerungen in der vorgeschriebenen medizinischen
Ausstattung an Bord und neue medizinisch-psychologische Probleme (z. B. Traumatisierungen
infolge von Piraterie oder bei der Flüchtlingsrettung auf hoher See) werden zeitnah
in den Unterrichtskatalog aufgenommen.
PD Dr. Alexandra Preisser, Leiterin der Arbeitsgruppe Klinische Arbeitsmedizin des
ZfAM, ging in ihrem Vortrag auf die Fragestellungen der Vorsorge und Eignung von
Offshorearbeitern ein. Dabei stellte sie die zunehmende Bedeutung der Offshorewindenergie
im nationalen und internationalen Kontext heraus. Die hohen psychischen wie auch physischen
Anforderungen im Offshorebereich setzen dabei eine hohe Leistungsfähigkeit der dort
Beschäftigten voraus. Infolge mehrjähriger intensiver Diskussionen wurde eine S1-Leitlinie
zu „Arbeitsmedizinischen Eignungsuntersuchungen für Arbeitnehmer auf Offshore-Windenergieanlagen
und anderen Offshore-Plattformen“ entwickelt, die schließlich über die Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. publiziert wurde.
Dr. Martin Dirksen-Fischer, Leiter des Hafen- und Flughafenärztlichen Dienstes des
Instituts für Hygiene und Umwelt in Hamburg, stellte in seinem Vortrag heraus, dass
die Zusammenlegung mit dem Impfzentrum sowie die enge inhaltliche Anbindung an den
im Institut befindlichen infektiologischen und hygienischen Sachverstand sich in der
Praxis sehr bewährt haben. Die weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem hafen-
und flughafenärztlichen Dienst und dem ZfAM werde durch einen engen fachlichen Austausch
gelebt. Gegenseitige personelle Unterstützungen und Beratungen sowie zahlreiche gemeinsame
Forschungsprojekte bilden die Grundpfeiler der sehr kooperativen und freundschaftlich
geprägten Zusammenarbeit.
Große Resonanz des Festsymposiums
Mit fast 100 Gästen erfreute sich das Festsymposium einer großen Resonanz. Die Vorträge
sowie die umfangreiche Festschrift zum Symposium haben die Vielschichtigkeit und Aktualität
der schifffahrtsmedizinischen Fragestellungen und Leistungen verdeutlicht und dabei
die große Bedeutung einer wissenschaftlichen, maritimmedizinisch spezialisierten Einrichtung
in der Hafenmetropole Hamburg hervorgehoben.
PD Dr. Marcus Oldenburg, Prof. Dr. Volker Harth; Hamburg