physiopraxis 2016; 14(06): 62
DOI: 10.1055/s-0042-106527
service
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Die Rechtsfrage: – Darf ich Kinder ohne Hausbesuchsverordnung im Kindergarten behandeln?

Karsten Bossow

Verantwortlicher Herausgeber dieser Rubrik:
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. Juni 2016 (online)

 

Karsten Bossow

Zoom Image

Karsten Bossow ist seit 1999 Rechtsanwalt. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht beantwortet seit 2012 Ihre Leserfragen.

„Ich arbeite einen Wochentag im Kindergarten. Auf der Verordnung der Kinder ist kein Hausbesuch angekreuzt. Über wen bin ich versichert, wenn in der Therapie etwas passiert? Und sind die Kinder über die Praxis oder über den Kindergarten versichert?”
Therapeutin aus Baden-Württemberg

Die Antwort unseres Experten

Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist Voraussetzung, um als Therapeutin eine Kassenzulassung zu erhalten, also um aufgrund einer Heilmittelverordnung tätig zu werden und die Leistung gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen zu können. Zudem dient der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung dem Schutz eigener Vermögensinteressen. Schon kleine Fehler können beim Patienten gravierende Folgen hervorrufen, die zu hohen Schadenssummen führen können. Wenn keine ausreichende Versicherung besteht, kann dies die berufliche sowie private Existenz gefährden.

Welche Risiken von der Versicherung erfasst sind, hängt vom Vertrag ab. In jedem Fall sollte die Deckungssumme ausreichen, um schwerwiegende Folgen abzusichern. Für Praxisinhaber empfiehlt es sich, die Versicherung angestellter Therapeuten sicherzustellen. Auch eine Leistungserbringung außerhalb der Praxisräume sollte mitversichert sein. Erfüllt die abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung des Inhabers diese Voraussetzungen, sichert sie Ihre Tätigkeit in der Therapie ab. Sonstige Unfälle der Kinder, etwa auf dem Weg zur Therapie, dürften im Risikobereich des Kindergartens liegen.

Grundsätzlich muss die Therapie im Rahmen eines Hausbesuchs, also außerhalb der Praxisräume, ausdrücklich verordnet sein. Dies ist nur zulässig, wenn der Klient aus medizinischen Gründen die Therapeutin nicht aufsuchen kann oder wenn der Hausbesuch aus medizinischen Gründen zwingend notwendig ist. Die Behandlung in einer Einrichtung allein ist keine ausreichende Begründung für die Verordnung. Nach § 11 Abs. 2 der Heilmittelrichtlinie können Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, gegebenenfalls auch bis zum Abschluss einer bereits begonnenen Schulausbildung, auch ohne Verordnung eines Hausbesuchs in der Einrichtung behandelt werden, wenn sie ganztägig in der auf ihre Förderung ausgerichteten Tageseinrichtung untergebracht sind.

Die Therapie in einem Kindergarten, der die Voraussetzungen nicht erfüllt, ist von dieser Ausnahme nicht erfasst. Auf der Verordnung müsste also „Hausbesuch“ vermerkt sein, sofern die Behandlung nicht als sogenannte „ausgelagerte Praxistätigkeit“ anzusehen ist. Für diese gelten die gleichen Haftungsgrundsätze wie für die Tätigkeit in der Praxis selbst. Ob Ihre Tätigkeit im Kindergarten als ausgelagerte Praxistätigkeit anzusehen ist, erfragen Sie am besten im Einzelfall bei der Krankenversicherung, da die Heilmittelrichtlinie und die Rahmenempfehlung hier nicht eindeutig sind.

Privat abgerechnete Therapien unterliegen nicht diesen Einschränkungen, können also ambulant oder im Kindergarten erfolgen.


#
#
Zoom Image