Lernziel
Die Leser sollen nach der Lektüre dieses CME-Artikels in der Lage sein, die grundsätzlichen
Fakten zur Pathophysiologie, Diagnostik und das verfügbare Therapiespektrum bei gestörter
Zwerchfellfunktion zu beherrschen.
Einleitung
Das Zwerchfell („Quer-Pelle“) stellt das Kernstück der Atempumpe dar und ist der wesentliche
Muskel, der verantwortlich für die aktive Inspiration ist. Das alt-griechische Wort
διάφραγμα (Diaphragma) setzt sich aus dem Präfix διά und dem Suffix φράγμα oder φραγμός
zusammen. Zwar weist auch die alt-griechische Wortbedeutung φρήν, welche sich in der
Namensgebung für den Zwerchfell-versorgenden Nerven (Nervus phrenicus) findet, auf
das Zwerchfell hin. In erster Linie benennt dieses Wort allerdings den Geist und die
Seele, was darauf hinweist, dass die alten Griechen in der Tat glaubten, dass als
körperliches Organ das Zwerchfell Sitz der Seele ist.
Alt-Griechisch:
διάφραγμα = Diaphragma
διά = durch, zwischen
φράγμα; φραγμός = Zaun, Mauer, Wand
φρήν = 1. Verstand, Geist; 2. Zwerchfell
Deutscher Ursprung:
zwerch = quer: alt-deutsch
Fel (Fell) = Haut, Pelle: (indo-)germanisch
Heute wird im allgemeinen Sprachgebrauch das anatomische Herz als Sitz von Gefühls-
und Seelenregungen bezeichnet. Man spricht von „Herzensangelegenheiten“, „sein Herz
ausschütten“, „Herzenswunsch“ und ähnlichem. Wie es zu dieser Kardiologisierung der
Seelenbeschreibungen kam, ist komplex und bleibt letztlich unklar. Es soll aber an
dieser Stelle die Urbedeutung des Wortes „Diaphragma“ deshalb Erwähnung finden, um
zu verdeutlichen, wie eng die mechanische Atmung einerseits mit dem Lebendigsein im
physiologischen Sinne, andererseits aber auch mit dem übergeordneten Anteil des Seins
verbunden ist. Der Zwerchfellfunktion wird damit eine fundamentale Funktion des menschlichen
Lebens zugeschrieben. Entsprechend sind diaphragmale Dysfunktionen von wesentlicher
klinischer Bedeutung. Allerdings wird eine Zwerchfelldysfunktion nicht immer erkannt,
und auch die weiterführende Diagnostik gestaltet sich oft schwierig. Auch die Therapie
ist mitunter komplex und ebenso wie die Diagnostik an technische Voraussetzungen geknüpft.
Der vorliegende Artikel beschäftigt sich daher mit den aktuellen diagnostischen und
therapeutischen Möglichkeiten einer gestörten Zwerchfellfunktion.
Physiologie des Zwerchfells
Physiologie des Zwerchfells
Für eine suffiziente Zwerchfellfunktion ist die bekannte kuppelförmige Konfiguration
des Zwerchfells essenziell. Hier stehen die Muskelfasern, die vom unteren Thorax zum
Centrum tendineum ziehen, in kranio-kaudaler Zugausrichtung. Dabei liegen die Muskelfasern
dem inneren Thorax eng an, was als Appositionszone (zone of apposition) bezeichnet
wird [1].
Wie jeder Muskel kann auch das Zwerchfell in Abhängigkeit vom punctum fixum und punctum
mobile zwei verschiedene, entgegengesetzte Muskelaktionen ausüben. Für die muskelaktive
Inspiration der Ruheatmung wird der untere Rippenbogen durch die kranio-kaudale Zugrichtung
der Muskelfasern nach oben gehoben, was durch die gelenkige Verwinkelung der Rippen
an der Brustwirbelsäule zu einer Volumenzunahme des Thorax in alle Richtungen führt
[2]. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bauchmuskulatur als Widerlager fungiert und
damit das Zwerchfell in seiner Kuppelform hält. Dies ist wiederum Voraussetzung dafür,
dass die Muskelfasern auch bei fortschreitender Inspiration in kranio-kaudaler Zugrichtung
ausgerichtet sind und damit den Thorax weiter heben können. Auch wenn das Zwerchfell
bei der Inspiration tiefer tritt, resultiert die Volumenzunahme des Thorax unter Ruheatmung
im Wesentlichen aus dem Heben des unteren Rippenbogens. Formal betreibt damit das
Zwerchfell keine Bauchatmung, sondern viel wesentlicher eine thorakale Atmung.
Pathophysiologie der gestörten Zwerchfellfunktion
Pathophysiologie der gestörten Zwerchfellfunktion
Einschränkungen einer suffizienten Zwerchfellfunktion sind vielschichtig und mitunter
komplex. Sie können durch Erkrankungen des Nervensystems sowie der Muskulatur bedingt
sein ([Tab. 1]). Muskuläre Einschränkungen können sowohl die Muskulatur selbst betreffen als auch
durch atemmechanische Störungen bedingt sein. Nicht selten können mehrere Probleme
gleichzeitig bei einem Krankheitsbild vorliegen. Als Beispiel sei die COPD genannt:
Zum einen bedingt hierbei die diaphragmale Abflachung im Zuge der pulmonalen Überblähung
ein Verstreichen der Appositionszone und damit die Unfähigkeit der diaphragmalen Muskelfasern,
den Thorax suffizient zu heben [3]. Zum anderen ist bei einer COPD bereits in frühen Krankheitsstadien auch eine Zwerchfellmyopathie
vorhanden [2].
Tab. 1
Ursachen einer diaphragmalen Dysfunktion.
|
ZNS
|
Apoplex
Multiple Sklerose
Arnold-Chiari-Malformation
|
|
PNS
1. Motoneuron
2. Motoneuron
HWS-Affektion
|
Amyotrophe Lateralsklerose
Quadriplegie
Poliomyelitis
Spinale Muskelatrophie
Syringomyelie
|
|
Nervus phrenicus
|
Trauma
Iatrogen (Kardiochirurgie, Ablation u. a.)
Tumorkompression
Guillain-Barré-Syndrom
Neurogene Schultermyatrophie
Charcot-Marie-Tooth
Critical Illness Polyneuropathie
Demyelisierende Polyneuropathie
Idiopathische Phrenicusparese
|
|
Neuromuskuläre
Endplatte
|
Myasthenia gravis
Lambert-Eaton-Syndrom
Botulismus
Medikamenten-toxisch
|
|
Atemmuskulatur
Zwerchfell
Muskulär
|
Muskeldystrophie
Myositis (infektiös, inflammatorisch, metabolisch)
Medikamentös (Glukokortikoide und andere)
Sepsis
Ventilator Induced Diaphragmatic Dysfunction
|
|
Atemmechanisch
|
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Thoraxdeformitäten, -Instabilität
Adipositas
Atemwegsobstruktionen
Atemmuskuläre Überlastung
|
ZNS = Zentrales Nervensystem; PNS = Peripheres Nervensystem
Ursachen einer Zwerchfellparese
Ursachen einer Zwerchfellparese
Eine Zwerchfellparese kann unilateral oder bilateral auftreten und insbesondere bei
beidseitiger Lähmung mit erheblichen Symptomen einhergehen, vor allen Dingen mit Luftnot
im Liegen [4]. Während die bilaterale Zwerchfellparese in der Regel im Rahmen neuromuskulärer
Erkrankungen auftritt, z. B. bei einem Guillain-Barré-Syndrom, ist die Genese der
unilateralen Zwerchfellparese vielschichtig. Wohl reflektierte und aus der Krankengeschichte
ersichtliche Gründe umfassen Paresen nach Trauma, iatrogene Bedingungen (z. B. nach
Herzoperationen) oder die Tumorkompression [1]. Demgegenüber bleiben viele unilaterale Zwerchfellparesen unerklärt und werden entsprechend
als idiopathisch klassifiziert. Dennoch sollte jede Zwerchfellparese konsequent abgeklärt
werden. Seltenere Gründe umfassen beispielsweise eine Syringomyelie im Halsmark oder
infektionsassoziierte Paresen ([Tab. 1]). So konnte eine einseitige Zwerchfellparese auch im Rahmen einer Borreliose oder
einer Echinokokkose nachgewiesen werden [5]
[6]. Schließlich umfasst die Differenzialdiagnose auch das Krankheitsbild der sogenannten
neuralgischen Schultermyatrophie (Parsonage-Turner-Syndrom), welche einseitig, aber
auch beidseitig auftreten kann [7]
[8]
[9]. Die neuralgische Schultermyatrophie ist eine Affektion der Nervenwurzeln der Schultermuskulatur
inflammatorischer Genese letztlich nicht geklärter Ätiologie, wobei der Nervus phrenicus
mitbetroffen sein kann [10].
Typischerweise kommt es zunächst zu heftigen Schmerzen im Bereich der Schulter, des
Nackens und des Arms. Konsekutiv folgt Stunden oder Tage später dann eine atrophe
Lähmung. Das Krankheitsbild kann sehr variabel sein und klinisch primär mit einer
Zwerchfellparese im Vordergrund stehen. Eine Abgrenzung von einer idiopathischen Zwerchfellparese
ist damit schwierig und mitunter unmöglich. Eine Restitutio (ad integrum) kann bei
einer neuralgischen Schultermyatrophie möglich sein, dauert aber zum Teil bis zu zwei
Jahre. Auch Paresen anderer Genesen können nach vielen Monaten Besserungen zeigen,
was bei der Therapieplanung zu berücksichtigen ist, insbesondere wenn eine operative
Therapie angezeigt ist [11].
Eine Zwerchfellparese kann unilateral oder bilateral auftreten und insbesondere bei
beidseitiger Lähmung mit erheblichen Symptomen einhergehen, vor allen Dingen mit Luftnot
im Liegen.
Diagnostik
Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei Erstdiagnose einer Zwerchfellparese eine
additive neurologische Abklärung durch einen entsprechenden Facharzt obligat ist,
um entsprechende neurologische Krankheitsbilder (z. B. zervikaler Bandscheibenvorfall,
neuromuskuläre Systemerkrankung, neuralgische Schulteramyotrophie, etc.) sicher ausschließen
bzw. gegebenenfalls adäquat behandeln zu können. Die im Folgenden beschriebene Diagnostik
beschränkt sich auf den Bereich der Pneumologie – ggf. weiterführende neurologische
Diagnostik (z. B. MRT, EMG, etc.) ist nicht Gegenstand dieses Artikels.
Anamnese/körperliche Untersuchung
Diagnostisch wegweisend sind zunächst die beklagten Symptome eines Patienten mit Zwerchfellparese:
Häufig leiden die Patienten unter Belastungsdyspnoe (teils erst bei stärkerer körperlicher
Belastung). Flaches Liegen wird häufig nicht gut toleriert. Geradezu typisch sind
Beschwerden beim senkrechten Eintauchen des Körpers in Wasser (sogenannter „Immersions-Test“)
[12]
[13]
[14]. Zu beobachten sind zudem nicht selten eine Tachypnoe, Zuhilfenahme der nicht diaphragmalen
inspiratorischen Atemmuskeln („Atemhilfsmuskulatur“) wie auch paradoxe Atemanstrengungen
inklusive einer Pendelatmung [12]. Im Falle des Auftretens einer respiratorischen Insuffizienz können hierfür typische
Symptome ebenfalls manifest werden (z. B. morgendliche Kopfschmerzen bei Hyperkapnie,
Zyanose bei Hypoxämie).
Blutgasanalyse
Diese ist in Form einer kapillären oder arteriellen Messung obligat. Bei Patienten
mit Zwerchfellparese finden sich teils Normalbefunde bis hin zum Vorliegen einer behandlungsbedürftigen
hypoxischen und/oder hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz.
Lungenfunktionsanalyse
Diese zeigt eine mehr oder minder stark ausgeprägte restriktive Ventilationsstörung.
Anzuraten ist zudem die Durchführung einer Spirometrie im Sitzen im Vergleich zum
Liegen (hier häufig deutliche Abnahme der Vitalkapazität).
Zwerchfellparese führt zu einer restriktiven Ventilationsstörung.
Atemmuskelfunktionsdiagnostik
Hier unterscheidet man mitarbeitsabhängige und -unabhängige Methoden, welche teils
kombiniert werden müssen, um eine konklusive Bewertung vornehmen zu können [15]. In der klinischen Praxis haben sich die zumeist weniger komplexen und nicht-invasiven
mitarbeitsabhängigen Verfahren durchgesetzt – gleichwohl muss betont werden, dass
ein sicherer Nachweis einer eingeschränkten Atemmuskelfunktion den Einsatz von nicht
mitarbeitsabhängigen Verfahren notwendig macht [16]
[17]
[18]
[19]. Für entsprechende Details bzgl. der einzelnen Verfahren sei an dieser Stelle auf
die Empfehlungen der Deutschen Atemwegsliga zur Messung der Atemmuskelfunktion verwiesen
[12]. Die wichtigsten Testverfahren bei Patienten mit Zwerchfellparese sind die Abschätzung
des zentralen Atemantriebs via Mundverschlussdruck 0,1 Sekunden nach Inspirationsbeginn
(P0.1), die Bestimmung der globalen inspiratorischen Atemmuskelkraft anhand des maximalen
inspiratorischer Mundverschlussdruckes (PImax) sowie die Messung des nasalen „Sniff“-Druckes
(SnPna) mit höherer Zwerchfellspezifität im Vergleich zum PImax [12].
Die wichtigsten Testverfahren bei Patienten mit Zwerchfellparese sind zum einen die
Abschätzung des zentralen Atemantriebs via Mundverschlussdruck 0,1 Sekunden nach Inspirationsbeginn
(P0.1), die Bestimmung der globalen inspiratorischen Atemmuskelkraft anhand des maximalen
inspiratorischer Mundverschlussdruckes (PImax) sowie die Messung des nasalen „Sniff“-Druckes
(SnPna) mit höherer Zwerchfellspezifität im Vergleich zum PImax.
Bildgebende Verfahren
Nicht selten wird der Verdacht auf eine mögliche Zwerchfellparese anhand einer konventionellen
Röntgenthoraxaufnahme geäußert. Problematisch hieran ist die Tatsache, dass hierbei
keinesfalls auf die funktionellen Einschränkungen des Patienten geschlossen werden
kann. So gibt es Patienten mit ausgeprägtem radiologischem „Zwerchfellhochstand“ und
teils fehlender klinischer Einschränkung. Andererseits können überraschend „unspektakuläre“
radiologische Befunde mit teils erheblichen klinischen Einschränkungen einhergehen.
Die Durchführung einer funktionellen Untersuchung in der Durchleuchtung („Hitzenberger-Schnupfversuch“:
ruckartige Inspiration durch die Nase bei geschlossenem Mund: Das gesunde Hemidiaphragma
tritt nach kaudal, das paretische nach kranial, kann heute aufgrund alternativer bildgebender
Verfahren ohne Strahlenbelastung (s. u.) und häufig ebenfalls geringer Korrelation
mit den klinischen Einschränkungen des Patienten nicht mehr empfohlen werden. Bei
klinischem Verdacht auf ein mögliches Malignom mit Schädigung des Nervus phrenicus
sollte einmalig eine Computertomografie des Thorax angefertigt werden.
Mit dem technischen Fortschritt gelangte in den letzten Jahren ein weiteres bildgebendes
Verfahren in den Fokus: die Ultraschalluntersuchung des Zwerchfells. Sie ist am Patientenbett
verfügbar, wenig komplex, nicht-invasiv, verwendet keine ionisierende Strahlung und
ist zudem kosteneffizient [12]. Im Wesentlichen können hiermit zwei wichtige Aufgaben vorgenommen werden: 1. Die
Auslenkung des Zwerchfells links und rechts lässt sich quantifizieren und „live“ beobachten
– Werte < 10 mm deuten auf eine Zwerchfelldysfunktion hin [20]. Die [Abb. 1] zeigt die sonografische Messung der Zwerchfellexkursion (gesunder Proband) [21].
Die Ultraschalluntersuchung des Zwerchfells ist am Patientenbett verfügbar, wenig
komplex, nicht-invasiv, hoch informativ, verwendet keine Strahlung und ist zudem kosteneffizient.
2. Darüber hinaus erlaubt die Zwerchfellsonografie die (seitengetrennte) Bestimmung
der Zwerchfelldicke; Werte < 2 mm end-inspiratorisch in der Appositionszone zeigen
eine Atrophie des Zwerchfells an [12]. Dieses Verfahren gewinnt auch im Follow-up zunehmend an Bedeutung; erlaubt es doch
z. B. bei einer akuten Zwerchfellparese im Verlauf zu beurteilen, ob es zu einer zunehmenden
Atrophie des Zwerchfells (schlechte Prognose bzgl. Spontanheilung) kommt [22]. In [Abb. 2] ist die sonografische Bestimmung der Zwerchfelldicke illustriert (gesunder Proband)
[21].
Abb. 1 Sonografisch ermittelte Zwerchfellbeweglichkeit. M-Mode während Ruheatmung im Liegen.
Die Zwerchfellexkursion (weiße Linie: diaphragmale Pleura) beträgt ≥ 10 mm (i. e.
kein Hinweis auf diaphragmale Dysfunktion). Anschallwinkel ≥ 70° unmittelbar unterhalb
des Xiphoids (Schallfenster: Leber) [21].
Abb. 2 Sonografisch ermittelte Zwerchfelldicke. Zweidimensionaler Echtzeitmodus mit end-exspiratorischer
Dicke des Zwerchfells rechts. Schallfenster: mittlere Axillarlinie auf Höhe der diaphragmalen
Appositionszone. Messpunkte: diaphragmale und peritoneale Pleuralinie. Stern-Markierung
(*): Recessus costodiaphragmaticus [21].
Nicht-operative Therapieoptionen
Nicht-operative Therapieoptionen
Im Folgenden wird auf „konservative“ (i. e. nicht operative) Therapieoptionen der
Zwerchfellparese eingegangen. An dieser Stelle muss zunächst festgehalten werden,
dass bei nicht wenigen Patienten mit der Diagnose einer Zwerchfellparese (insbesondere
einer „idiopathischen“) eine Spontanheilung auftreten kann. Zuverlässige Daten bzgl.
der Prognose existieren bis dato nicht; fest steht lediglich, dass mit zunehmender
Dauer einer Zwerchfellparese die Wahrscheinlichkeit einer Spontanheilung abnimmt.
Spezifisches Atemmuskeltraining
Es ist möglich, mittels spezifischer Verfahren ein inspiratorisches Atemmuskeltraining
(IMT) bei Patienten mit Zwerchfellparese durchzuführen. Essenziell ist vor Aufnahme
eines IMT die Aufklärung des Patienten, dass dieses Training nicht die Funktion des paretischen Zwerchfells verbessern kann, sondern über ein kompensatorisches
Training der verbleibenden inspiratorischen Atemmuskulatur eine funktionelle Verbesserung
für den Patienten herbeiführen kann (wichtig: hierzu rechnet bei einseitiger Zwerchfellparese
auch das kontralaterale Hemidiaphragma). Aktuell existieren leider noch keine großen
randomisierten Studien, welche die Wertigkeit von IMT bei Zwerchfellparese prospektiv
untersucht haben. Es gibt jedoch ermunternde Fallberichte sowie Hinweise darauf, dass
ein IMT z. B. bei Zwerchfellparese infolge einer operativen Schädigung des Nervus
phrenicus im Rahmen von herzchirurgischen Eingriffen eine Verbesserung der Atemmuskelfunktion
sowie eine Besserung einer respiratorischen Insuffizienz bedingen kann [23]
[24]. In Anbetracht der Tatsache, dass neben dem IMT die konservativen Therapieoptionen
bei Zwerchfellparese äußerst limitiert sind, erscheint es nach Auffassung der Autoren
gerechtfertigt, bei Einwilligung des Patienten ein IMT einzuleiten und bei klinischem
Erfolg fortzuführen. Von den verfügbaren Methoden des IMT bieten sich bei Patienten
mit Zwerchfellparese prinzipiell alle 3 anerkannten Methoden an: 1. Inspiratory Threshold
Loading, 2. Kontrollierte Stenoseatmung, 3. Normokapnische Hyperpnoe [12]
[25]. Aufgrund der erheblichen Problematik der Kostenerstattung der Trainingsgeräte seitens
der Kostenträger erscheint ein pragmatisches Vorgehen mit Einleitung eines Inspiratory
Treshold Loading mit kostengünstigen Trainingsgeräten am zielführendsten; hierbei
hat sich ein Protokoll, bestehend aus 7 × 2 Minuten Trainingseinheiten mit progressivem
Atemwegswiderstand, einmal pro Tag an 5 – 6 Tagen die Woche zunächst über 8 Wochen
bewährt [12]
[25]. Bei gutem klinischem Ansprechen kann das IMT nach dieser Zeit auf 3 Tage pro Woche
reduziert werden. Bezüglich weiterführender Informationen zum IMT wird an dieser Stelle
auf das entsprechende State-of-the-Art Review verwiesen [25].
Zwerchfellschrittmacher
Zentrale Atemregulationsstörungen oder Rückenmarksläsionen auf der Höhe C0 bis C3
können heute eine Indikation für eine elektrische Zwerchfellstimulation darstellen,
insbesondere wenn es darum geht, eine Beatmungstherapie zu umgehen. Voraussetzung
für das Therapieverfahren ist eine intakte Funktion sowohl der Nervi phrenici als
auch der Zwerchfellmuskulatur, sodass der Einsatzbereich insgesamt begrenzt bleibt.
Zwei verschiedene Möglichkeiten stehen zur Verfügung: die Phrenicus-Nerven-Stimulation
(PNS) nach mediastinaler Implantation der Elektroden in den dritten/vierten Intercostalraum
erfolgt über die geschlossene Haut. Im Gegensatz hierzu werden die Elektroden beim
direkten diaphragmalen Pacing (DP) laparoskopisch auf das Diaphragma angebracht und
mit Kabeln verbunden, welche durch die Bauchdecke nach außen zur Stimulation genutzt
werden [26]
[27].
Zentrale Atemregulationsstörungen oder Rückenmarksläsionen können eine Indikation
für eine elektrische Zwerchfellstimulation darstellen. Grundvoraussetzung hierbei
ist die intakte Funktion der Nn. phrenici – ansonsten muss bei hyperkapnischer respiratorischer
Insuffizienz auf die Beatmungstherapie zurückgegriffen werden.
Langzeitsauerstofftherapie
Bei Vorliegen einer hypoxämischen respiratorischen Insuffizienz (i. e. PaO2 in Ruhe bzw. bei Belastung < 55 mmHg) profitieren die Patienten gemäß den aktuellen
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) e. V.
von einer Langzeitsauerstofftherapie (LTOT = long-term oxygen treatment) mit Behandlungsziel
PaO2 > 60 mmHg, welche an mindestens 16 von 24 Stunden pro Tag genutzt werden sollte [28]. Allerdings sollte die Indikation bei Zwerchfellparese mit Vorsicht geschehen, da
das Problem einer Hypoventilation damit nicht verbessert werden und mitunter aggraviert
werden kann. Vor diesem Hintergrund sollte auch eine nächtliche Diagnostik erfolgen,
um insbesondere eine nächtliche Hypoventilation mit Hyperkapnie auszuschließen. Grundsätzlich
muss bei Vorliegen einer respiratorischen Insuffizienz immer die Therapieindikation
für eine nicht-invasive Beatmung überprüft werden.
Nicht-invasive Beatmungstherapie
Die nicht-invasive Beatmung (NIV) stellt die primäre Therapieoption bei Patienten
mit respiratorischer Insuffizienz im Rahmen einer gestörten Zwerchfellfunktion dar
[29]. Die Indikationsstellung erfolgt in Abhängigkeit von Symptomen und der Blutgasanalyse
sowohl am Tag also auch in der Nacht. Dabei sind die Indikationsparameter abhängig
von der zugrunde liegenden Erkrankung. Hier hat die DGP ebenfalls detaillierte Leitlinien
formuliert zur Indikation und Durchführung einer Langzeitbeatmung im außerklinischen
Setting [30]. Entsprechend sei hier zur weiteren Information auf die Ausführungen in der Leitlinie
verwiesen.
Wesentliche Symptome umfassen Luftnot und subjektive Einschränkungen, bedingt durch
die schlafbezogenen Atemstörungen wie Tagesmüdigkeit, Einschlafneigung, aber auch
psychische Veränderungen wie Ängste, Depression und Wesensveränderungen [31]. Zudem müssen die Symptome reflektiert werden, die durch die CO2-assoziierte Vasodilatation entstehen können, wie morgendliche Kopfschmerzen und Ödeme.
Patienten mit einer Zwerchfellparese gehören entsprechend der DGP-Leitlinie zu den
neuromuskulären Erkrankungen. Beispielhaft sei an dieser Stelle der Algorithmus zur
NIV-Indikation bei neuromuskulären Erkrankungen gezeigt [Abb. 3].
Die nicht-invasive Beatmung (NIV) stellt die primäre Therapieoption bei Patienten
mit hyperkapnischer respiratorischer Insuffizienz im Rahmen einer gestörten Zwerchfellfunktion
dar.
Abb. 3 Therapiealgorithmus zur Einleitung einer nicht-invasiven Beatmung bei neuromuskulären
Erkrankungen [30].
Operative Therapieoptionen
Operative Therapieoptionen
Durch die Lähmung der Muskulatur kommt es zur Atrophie und Ausdünnung des Zwerchfells
([Abb. 4]). Die daraus folgende Verlagerung der intra-abdominellen Organe nach intrathorakal
beeinträchtigt den Effekt der Inspiration durch Anhebung der Rippen und Absenkung
des gesunden Zwerchfells durch eine paradoxe Bewegung des gelähmten Zwerchfells ([Abb. 5]). Die Zwerchfelllähmung führt zu Luftnot bei Belastung, im Liegen und beim Beugen
vorneüber. Aus diesen Beschwerden, die besonders bei Patienten mit hohem BMI auftreten,
ergibt sich die Indikation zur Operation.
Abb. 4 Intraoperative Aufnahme: Atrophie des Zwerchfells, das makroskopisch lediglich wie
eine Faszie imponiert.
Abb. 5 CT-Thorax im Liegen, frontale Rekonstruktion: Zwerchfelllähmung links, beachte die
Verlagerung des Herzens und die Anhebung des mittleren Anteils des Zwerchfells.
Das Prinzip der Operation besteht darin, das gelähmte Zwerchfell in Inspirationsstellung
zu fixieren. Hierzu wird über eine Thorakotomie, eine chirurgische Thorakoskopie oder
transabdominell das Zwerchfell verkürzt. Aufgrund der subdiaphragmalen Adhäsionen
im Bereich der Pars affixa der Leber rechts und der Milz bzw. Kolonflexur links, halten
wir eine offene Verkürzung durch Thorakotomie für das optimale Vorgehen. Weiterhin
platzieren wir ein nicht resorbierbares Kunststoffnetz subdiaphragmal, um eine erneute
Dilatation des atrophen diaphragmalen Gewebes im Langzeitverlauf zu vermeiden ([Abb. 6]).
Abb. 6 Intraoperative Aufnahme: Platzierung eines nicht resorbierbaren Netzes subdiaphragmal.
Obwohl die Operation seit 1923 bekannt ist und die einseitige Zwerchfellparese regelmäßig
auftritt (ohne dass belastbare epidemiologische Daten vorliegen), berichten die thoraxchirurgischen
Kollegen selten über mehr als 20 Fälle. Die publizierten Studien ergeben durchgehend
gute Ergebnisse bei dem Vergleich der Messungen der Lungenfunktion und der Lebensqualität
vor und nach der Operation bei 90 % der Patienten (Literaturübersicht in [32]). Die chirurgische Behandlung weist eine geringe Morbidität auf [32].
Der klinische Effekt der Operation kann dadurch erklärt werden, dass die Verlagerung
des Mediastinums zur gesunden Seite hin aufgehoben wird. Gleichzeitig wird die paradoxe
Bewegung der kranken Seite während der Inspiration verhindert ([Abb. 7]). Der Effekt bleibt im Gegensatz zu funktionellen Eingriffen bei der COPD wie die
Volumenreduktion lebenslang bestehen.
Abb. 7 Röntgen-Thorax-Übersicht vor a und nach b Zwerchfellraffung.
Das Prinzip der operativen Zwerchfellraffung besteht darin, das gelähmte Zwerchfell
in Inspirationsstellung zu fixieren.