Diese Zeitschrift kennt und widmet sich der Phytotherapie, bislang aber nicht einer Phytoprävention. Das Wort selber ist im Übrigen derzeit unüblich, vielleicht Zeit es einzubürgern!
Praevenire heißt bekanntlich „vorher kommen“, auch „zuvorkommen“ - welch edle Aufgabe
für jedes medizinische Fachgebiet! Mit diesem Heft versuchen wir, Ihnen die präventiven
Möglichkeiten der Pflanzenheilkunde etwas näherzubringen.
Als ersichtlich wurde, dass Therapiekosten aus verschiedenen Gründen - insbesondere
zunehmender Lebenserwartung und höheren Ansprüchen an die Versorgung - die Gesundheitskosten
in allen westlichen Ländern ansteigen lassen, tauchte die Zauberformel der Prävention
auf. Die Medizin erlebte hier bereits vor ca. drei Dekaden einen konzeptionellen Ruck,
der aber nur sehr langsam praktische Maßnahmen nach sich zog. Trotz großer Bemühungen
waren etwa vor Einführung der Vorsorge-Koloskopie kaum messbare Erfolge aus medizinischen
Maßnahmen im engeren Sinne zu verzeichnen. Die größten durch Prävention erzielten
Gesundheitsgewinne der letzten Dekaden wurden allenfalls auf Anstöße aus der Medizin
in ganz anderen Bereichen verzeichnet, so der Reduktion von Gesundheitsschäden im
Erwerbsleben und durch Rauchen sowie der Zahl der Verkehrstoten.
Mit der Prävention scheint es in der praktischen Umsetzung in der tagtäglichen Medizin
trotz vieler einleuchtender Konzepte etwas schwieriger. Das Präventionsgesetz brauchte
knapp 10 Jahre, bis es nach Überarbeitung durch mehrere Bundesregierungen und ihre
entsprechenden Gesundheitsminister 2015 Realität wurde. Neben der Länge des Zeitraumes
ist bemerkenswert, dass hier von Anfang an durch eine Art Kollekte auf hohem Niveau
nach einem bemerkenswerten Konsensprozess der Kostenträger eine stattliche Geldmenge
zur Verfügung stand.
Was bleibt für die Pflanzenheilkunde zu tun? Die Ziele möglicher präventiver Wirkungen
reichen von dem sehr populären banalen Infekt bis zu bedrohlichen Erkrankungen wie
Makuladegeneration und Demenz (s. Übersichtsbeitrag Kraft S. 96). Trotz aller Diskussionen
über Rückenschmerzen und psychosomatische Erkrankungen bleiben Erkältungskrankheiten
nach wie vor der Hauptgrund für die Konsultation eines Hausarztes in Deutschland und
eine möglicherweise daraus resultierende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Wir versuchen,
etwas Licht in die seit Langem durch verschiedenste Daten gespeiste Diskussion über
die Reduktion des gesamten Impakts von Banalinfekten auf Lebensqualität wie sozialmedizinische
Folgen zu bringen. Auch hier steckt wie oft in der Phytotherapie der Teufel im Detail,
sprich der Auswahl der Pflanzenspezies und ihrer Teile sowie deren Aufbereitung. Hier
stehen exemplarisch Sonnenhut-Präparationen im Vordergrund (Beitrag Schapowal S. 100).
Ernährung - Gewürze - pflanzliche Heilmittel stellen ein gewisses Kontinuum dar. Dass
Pfeffer, Basilikum, Liebstöckel, Thymian, Curcuma, Ingwer, Zimt und wie sie alle heißen
mögen auch therapeutische Eigenschaften aufweisen, wurde auf diesen Seiten immer wieder
berichtet. Da der durchschnittliche Kostgänger bei uns, also in einem mit Gewürzen
eher sparsam umgehenden Land und seiner Küche, summiert immerhin gut 1 Gramm pro Tag
zu sich nimmt, lässt natürlich leicht an präventive wie therapeutische Möglichkeiten
denken. Anbaumöglichkeiten und Qualitätssicherung der Endprodukte sind elementare
Voraussetzungen, um Gewürze verstärkt auch präventiv nutzen zu können (s. Beiträge
S. 105 und 109).
Diese Entwicklungen sind an der Naturheilkunde generell und der Phytotherapie im speziellen
bislang etwas spurlos vorbeigegangen. Das kann und muss sich ändern! Wir hoffen, Ihnen
an dieser Stelle künftig regelmäßig von Fortschritten berichten zu können!
Mit dem jüngsten Supplement-Heft haben Sie wie üblich die Abstrakts des diesjährigen
Kongresses der Gesellschaft für Phytotherapie erhalten, der als trinationaler Kongress
mit den österreichischen und schweizerischen Gesellschaften erstmalig in Deutschland
unter dem Motto „Extraktentwicklung - Klinik - Versorgungsforschung“ stattfand. Damit
schließt sich der oben angedachte Kreis. Ein ausführlicher Kongress-Bericht folgt
im nächsten Heft. Wir freuen uns, dass dieser Kongress unter reger Beteiligung viele
bislang nicht publizierte Originaldaten präsentierte, die die Phytotherapie in jedem
Fall zur Sicherung ihrer gegenwärtigen Position, ganz zu schweigen von deren Erweiterung
dringend benötigt. Wir bitten Sie um kritische Lektüre des Supplements auch unter
dem Blickwinkel der Thematik des Ihnen nun vorliegenden Heftes!
Herzlichst
Ihr
Rainer Stange