Eins ist klar: Ohne Partner geht es nicht. Wie die Deutsche Röntgengesellschaft e. V.
(DRG) und die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V. (DEGRO) ihre Zusammenarbeit
pflegen und welche gemeinsamen Projekte in diesem Jahr noch anstehen, erklären Prof.
Dr. Frederik Wenz und Prof. Dr. Stefan O. Schönberg, beide vom Universitätsklinikum
Mannheim, im Interview.
Prof. Stefan Schönberg (DRG-Präsident ab 2017)
Prof. Frederik Wenz (Kongresspräsident der DEGRO-Jahrestagung 2016)
Herr Professor Wenz, Herr Professor Schönberg, seit wann gehen DRG und DEGRO schon
gemeinsame Wege?
Wenz: Historisch gesehen gibt es schon immer eine sehr enge partnerschaftliche Zusammenarbeit
zwischen den Fachärzten der Radiologie und den Strahlentherapeuten. Früher gab es
schon einmal eine gemeinsame Gesellschaft. Anfang der 1990 er Jahre hat man dann eine
internationale Entwicklung aufgegriffen und eine eigenständige Gesellschaft für Strahlentherapie,
also die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V. (DEGRO), gegründet. Die Zusammenarbeit
ist ganz logisch, denn die Strahlentherapie als nicht invasives Verfahren hängt ganz
entscheidend von den Informationen der Bildgebung ab. In den letzten zehn Jahren hatte
allerdings die bildgestützte Strahlentherapie einen echten Durchbruch. Dadurch hat
sich die Zusammenarbeit zwischen Radiologen und Strahlentherapeuten weiter intensiviert.
Nicht zuletzt arbeiten wir auch bei gemeinsamen Symposien eng zusammen, wie auf dem
Deutschen Röntgenkongress oder dem Deutschen Krebskongress. Mit der diesjährigen DEGRO-Jahrestagung
im Juni in Mannheim hat die erste eigene gemeinsame Veranstaltung unter dem Dach der
DEGRO stattgefunden.
Sie setzen sich also für ein Miteinander der beiden Disziplinen ein?
Wenz: Richtig. Im Grunde genommen seit dem Gründungsjahr der DEGRO, 1995.
Schönberg: Genau, letztes Jahr hatten wir ein Jubiläumsjahr! 20 Jahre DEGRO. Beide Fachgesellschaften
haben in dieser Zeit ihre Themen weiterentwickelt und dabei positive Parallelentwicklungen
durchlebt. Die Strahlentherapie hat bahnbrechende Entwicklungen in der Zielvolumen-Präzision
gemacht, sowohl dynamisch als auch statisch, das heißt jeden beliebigen Herd, jede
beliebige Geometrie zu bestrahlen. Gleichzeitig hat sich die Radiologie damit beschäftigt,
ein Zielvolumen immer präziser zu definieren und zwar nicht nur anatomisch, morphologisch,
sondern funktionell metabolisch. Und heute fügen wir diese beiden Entwicklungen partnerschaftlich
zusammen, weil wir damit einen hohen Mehrwehrt generieren, und weil diese gemeinsame
Entwicklung völlig neue Möglichkeiten in der individualisierten Tumortherapie eröffnet.
Das wird unterstützt durch Ingenieurs- und Robotikleistung und natürlich der MR-Physik,
sodass wir jetzt 2 starke Disziplinen sind, die gemeinschaftlich das Thema minimal-invasive
Tumortherapie auf eine ganz neue Ebene gebracht haben. Wir leben ein Miteinander,
weil sich beide Bereiche völlig neue Räume geschaffen haben. Und wo neue Räume entstehen,
ist ein Miteinander möglich, weil dadurch auch neue Energien freigesetzt werden. Manche
argumentieren dann: Ein Raum, den man durch 2 teilt, ist automatisch für jeden enger.
Wenn Sie aber neue Räume schaffen, die zusammen zu einem größeren Haus werden, dann
ist es immer ein Miteinander, und genau dieses wird insbesondere bei uns am Standort
gelebt, und so sehen wir die Partnerschaft mit der DEGRO.
Beziehen Sie die neuen Räume auch auf neue Wege in der Strahlentherapie?
Wenz: Ja. Es gibt neue Verfahren, einerseits die klassische bildgestützte Strahlentherapie
am Linearbeschleuniger. Darüber hinaus gibt es auch neue Gebiete, die zum Wohl der
Patienten gemeinsam erobert wurden, wie etwa brachytherapeutische Ansätze, die computertomografisch
oder Kombi CT-gestützt beziehungsweise künftig auch MR-gestützt sind.
Welche Rolle spielen technische Entwicklungen beim Zusammenwachsen der beiden Disziplinen?
Wenz: Vor 25 oder 30 Jahren fand Strahlentherapie im Wesentlichen in der Röntgensimulation
statt, das bedeutete im klinischen Alltag: wenig Kooperation. Dann hat sich aber die
Bildgebung weiterentwickelt: 3D-Verfahren, CT, MRT wurden entwickelt, die zunächst
der Diagnostik dienten, später aber auch der Therapieplanung. Dadurch sind Überschneidungen
entstanden, die zu keiner Konkurrenz, sondern zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit
führten, in der man die Expertisen aller nutzt.
Inzwischen kommen also Radiologie und Strahlentherapie gar nicht mehr aneinander vorbei.
Schönberg: Genau. Man sieht ja: Die bundesweiten Standorte, wo Kooperationen existieren, haben
sich am schnellsten weiterentwickelt, und das gilt für beide Fachgebiete. Wichtig
jedoch ist: Ein Hybridgerät macht noch keine perfekte Kooperation. Es ist nicht alleine
das Zusammenbringen von Gerätschaft und Disziplin, sondern es geht darum: „Prozesse
vor Geräte“. Das heißt: Die komplexen Prozesse stehen im Vordergrund, wie beispielsweise
die bildgestützte Strahlentherapie und der Behandlungsprozess. Hierbei lassen beide
Seiten sehr viel Input und technisches Knowhow einfließen, und man braucht einander
wirklich. Ein Beispiel: Zunehmend funktioniert die Strahlentherapie auf Basis von
Kernspintomografien. Und es ist eben nicht so, dass man einfach ein MRT nimmt und
dann bestrahlt. Da geht es um Dosismodulationen, um die Frage der Schwächungskorrektur
und um die Frage ‚Wie bringe ich alle funktionellen Informationen des MRT verzerrungsfrei
hinein?‘ Da sind wir als Radiologen extrem gefragt und werden als kompetenter, aufrichtiger
und seriöser Partner wahrgenommen. Aber diese Kompetenzen muss man auch haben, und
man muss sie anbieten. Man muss auf hohem Niveau arbeiten und innovativ bleiben.
Bei welchen Veranstaltungen in diesem Jahr werden Sie wieder zusammenarbeiten?
Schönberg: Der Deutsche Röntgenkongress ist grundsätzlich immer wichtig. 2017 steht das Thema
Onkologie sehr stark im Mittelpunkt. Das werden wir nutzen. Im Rahmen unserer beiden
Forschungscampus-Partnerschaftsinitiativen Mannheim und Magdeburg werden wir in Magdeburg
zusammen unsere gemeinschaftlichen Entwicklungen vorstellen.
Abschließend gefragt, Professor Schönberg, welche Pläne haben Sie für Ihre DRG-Präsidentschaft
ab 2017?
Schönberg: Ich möchte den Mehrwert der Radiologie drastisch erhöhen. Wir nutzen nur einen Bruchteil
der Daten, die wir haben, das möchte ich ändern. Dazu ein Stichwort: Radiomics. Das
ist eine durchgängige integrative Analyse von genomischen, klinischen und radiologischen
Daten, um im Bild einen Mehrwert zu generieren. Das sind multiparametrisierte Daten,
die aber einen direkten therapeutischen Effekt haben, und die in Zukunft für den Strahlentherapeuten
und die bildgestützte Therapie herangezogen werden können. Ein Thema, das Professor
Wenz und ich im Rahmen des Forschungscampus’ zum Beispiel intensiv bearbeiten, sind
oligometastasierte Erkrankungen. Wenn eine Läsion voranschreitet, weiß ich per se
nicht, ob es ein Progress ist, weil der Tumor nicht mehr auf die Chemotherapie oder
biologische Systemtherapie reagiert, oder weil er eine umprogrammierte genetische
Information hat und anders behandelt werden muss. Diese Mehrinformation im Bild schaffe
ich durch eine durchgängige Integration dieser großen Daten, und damit schaffe ich
uns beiden die Möglichkeit, ergänzend minimalinvasiv zu therapieren. Diese Radiomics-Initiative
haben wir jetzt initiiert und mit der Lehrstuhlinhaberkonferenz vereinbart, im Juni
erstmalig einen Workshop in der Deutschen Forschungsgemeinschaft abzuhalten. Mein
klares Ziel ist es, dieses Projekt weiter voran zu bringen!
Herr Professor Schönberg, Herr Professor Wenz, vielen Dank für das Gespräch!