Die Volkskrankheit Osteoporose ist eine häufige Ursache für Wirbelkörperbrüche, die
operativ behandelt werden müssen. Die Osteoporose
ist eine Erkrankung, die vor allem bei älteren Frauen nach der Menopause auftritt.
Aufgrund der Abnahme der Knochendichte des gesamten
Skeletts wird der Knochen insgesamt anfälliger für Brüche. Die häufigsten Knochenbrüche
infolge der Osteoporose, welche auch
gleichzeitig auftreten können, sind
-
hüftgelenksnahe Oberschenkelfrakturen (Schenkelhalsfraktur),
-
handgelenksnahe Frakturen (distale Radiusfraktur),
-
Oberarmkopfbruch (subcapitale Humerusfraktur),
-
Wirbelkörperfrakturen oder
-
Beckenbrüche.
In der Regel wird die Vertebroplastie oder die Kyphoplastie als operative Maßnahme
bei osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen
angewendet.
Die Vertebroplastie ist ein minimalinvasives chirurgisches Verfahren zur Therapie von Wirbelkörperfrakturen.
Vor zirka 30 Jahren
wurde mit dieser Therapie in Frankreich begonnen.
Üblicherweise wird unter Vollnarkose eine Jamshidinadel (Hohlnadel) über den Pedikel
(Bogenwurzel) in den Wirbelkörper eingebracht.
Anschließend wird Knochenzement in den Wirbelkörper gespritzt. Nachdem der Knochenzement
ausgehärtet ist, stützt das
Zement-Spongiosagebinde die Wirbelkörperstrukturen. Die meisten Patienten sind kurz
darauf beschwerdefrei.
Die Kyphoplastie ist die weiter entwickelte Therapieform der Vertebroplastie und ist mittlerweile
ein standardisiertes und
bewährtes minimalinvasives chirurgisches Verfahren bei der Versorgung von osteoporotischen
Kompressionsfrakturen der Wirbelkörper.
Anhand von Studien konnte eine hohe Sicherheit und Wirksamkeit dieser Therapie belegt
werden.
Das Ziel dieser Therapieform ist eine Wiederaufrichtung der Wirbelkompressionsfraktur
und die Wiederherstellung der vorherigen Krümmung
der Wirbelsäule (vorherige sagittale Ausrichtung) mithilfe eines Ballon-Katheters.
Über einen perkutanen Knochenzugang wird der Ballon
exakt positioniert und kontrolliert aufgedehnt. Die Ballon-Aufdehnung erfolgt über
eine Spritze – die vorher luftfrei mit
Kontrastmittel gefüllt wurde – und unter ständiger Röntgenkontrolle.
Die Aufdehnung des Ballons bewirkt so eine Zerquetschung (Kompaktierung) der Spongiosa
und gleichzeitig so weit wie möglich eine
Wiederaufrichtung der Wirbelkörperfraktur. In den Hohlraum wird anschließend Knochenzement
eingebracht.
Bei Patienten, die nicht auf diese Weise operativ versorgt werden, ist häufig ein
sogenannter Witwenbuckel zu sehen. Infolge des
Krankheitsverlaufs mit häufig nachfolgenden Wirbelkompressionsfrakturen, bei denen
sich die Wirbel wie ein Keil formen, kommt es zu
einer verstärkten Verkrümmung der Wirbelsäule nach vorne (Kyphosierung), die mit einem
Größenverlust des Patienten einhergeht [1].
Grundinstrumente (nicht abgebildet)
A Navigationsinstrumente und Einwegzubehör
Von links nach rechts:
-
1 stumpfe Tast- oder Zeigersonde (Pointer)
-
1 Wirbelsäulenklemme für Dornfortsatz
-
1 Schraubenzieher für Referenzrahmen und SureTrak®-II-System
-
1 Referenzrahmen
-
1 SureTrak®-II-System (ohne Einmal-Reflektormarker)
-
1 Klemmenhalterung für SureTrak®-II-System
-
13 Einweg-Reflektormarker (nicht abgebildet)
(Andreas Draxinger)
B Einweginstrumentarium und Einwegmaterial
Von links nach rechts oben:
-
2 Einweg-Jamshidinadeln (Hohlnadeln)
-
2 Kirschnerdrähte (stumpf)
-
2 Kirschnerdrähte (spitz)
-
1 Kyphon-Osteo-Introducer mit Vierkantspitze
-
2 Kyphon-Osteo-Introducer-Arbeitskanülen
-
1 Präzisionsbohrer
-
6 Zementapplikatoren
Von links nach rechts Mitte:
-
1 Knochenzementmixersystem
-
1 Luer-Spritze 10 ml mit Adapter zur Zementaufnahme
-
1 Luer-Spritze 30 ml
-
2 Kyphon-Xpander-Ballon-Katheter (15/3)
-
2 Kyphon-Xpander-Inflationsspritzen mit Druckmessung
Von links nach rechts unten:
-
1 Absaugschlauch für Dämpfe
-
1 Ampulle Knochenzementflüssigkeit
-
1 Pack Knochenzementpulver
-
1 Kanüle zum Aufziehen des Kontrastmittels
-
1 Schale für Kontrastmittelflüssigkeit (nicht abgebildet)
-
4 Ampullen Kontrastmittel (20 ml gesamt; nicht abgebildet)
(Andreas Draxinger)
(Andreas Draxinger)
OP-Planung und OP-Vorbereitung
Nach vorausgegangener Diagnostik stellte der Operateur bei der oben erwähnten 70-jährigen
Patientin folgende Diagnose: osteoporotische
Kompressionsfraktur BWK XII (AO: 52-A1.1.1). Beim OP-Aufklärungsgespräch empfahl der
Operateur, eine Kyphoplastie und/oder eine
Vertebroplastie, um Schmerzfreiheit zu erreichen beziehungsweise ein weiteres Einbrechen
des Wirbelkörpers zu verhindern. Die
Patientin willigte daraufhin in die vorgeschlagene Therapie ein.
Der Operateur entschied sich, keine konventionellen Röntgengeräte einzusetzen, weil
bei normalen Röntgenaufnahmen die
Wirbelsäulenstrukturen aufgrund der Osteoporose nicht ausreichend genug darstellbar
und abgrenzbar waren ([
Abb. 1
] und [
2
]). Stattdessen wählte das Operationsteam den Einsatz des
O-arm-Röntgenbildgebungssystems ([
Abb. 3
]), welches fluoroskopische 2-D- und 3-D-Bildaufnahmen
ermöglicht und das Navigationssystem Stealth Station S7 der Firma Medtronic ([
Abb. 4
]), um so die
höchste Sicherheit für die Patientin zu gewährleisten.
(Andreas Draxinger)
(Andreas Draxinger)
(Andreas Draxinger)
(Andreas Draxinger)
Nach der Narkoseeinleitung und Freigabe der Patientin durch den Anästhesisten erfolgte
die Lagerung standardisiert in Bauchlage auf
einem Carbon-OP-Tisch mit speziellen Bauchlagerungskissen. Erforderliche Instrumente
und OP-Einmalartikel wurden auf dem
Instrumentier- und Beistelltisch vorbereitet. Anschließend wurde röntgengestützt die
Region auf der Haut markiert, wo sich der
gebrochene Wirbelkörper befand und Röntgenpositionen für die fluoroskopischen 2-D-
und 3-D-Bildaufnahmen geplant beziehungsweise
gespeichert.
Der Vorteil beim O-arm ist, dass vier Röntgenpositionen und eine Parkposition ([
Abb. 5
]) mithilfe
einer Memory-Funktion abgespeichert werden können. In der Parkposition schwenkt der
O-arm nach kopfwärts, um für den Operateur und
weitere OP-Beteiligte Platz zu schaffen, wenn nötig. Auch das Navigationsgerät wurde
positioniert und die Kamera so ausgerichtet, dass
sie alle nötigen Navigationsinstrumente erfassen konnte ([
Abb. 6
]).
(Andreas Draxinger)
(Andreas Draxinger)
Nachdem die Neutralelektrode korrekt auf die Haut geklebt wurde und eine ausreichende
Hautdesinfektion des OP-Gebiets erfolgte, wurde
kontrolliert, ob die Patientin trocken auf der Patientenauflage lag. Dann wurde die
Abdeckung des OP-Gebiets und des O-arms mit
sterilen Tüchern und einem speziellen O-arm-Bezug durchgeführt. Anschließend folgte
das Anstecken des Chirurgiesaugers und des
Monopolarhandstücks sowie deren Funktionskontrolle. Vor Hautschnitt führte das OP-Team
das Team-Time-Out durch.
OP-Ablauf
Im ersten Schritt wurde mithilfe des Röntgens der erste Lendenwirbelkörper identifiziert
und über den Dornfortsatz ein kleiner
paramedianer Hautschnitt gesetzt. Es folgte die weitere Präparation bis auf den Knochen
unter Längsspaltung der Faszie bilateral des
Dornfortsatzes LWK1, das Verdrängen der autochthonen Rückenmuskulatur und das sichere
Anklemmen der Wirbelsäulenklemme beim
Dornfortsatz LWK1. Dann wurde die Wirbelsäulenklemme mit dem Referenzrahmen für die
Navigation verbunden ([
Abb. 7
]), der eine dynamische Bezugnahme zur Anatomie der Patientin herstellte.
(Andreas Draxinger)
Zur Vorbereitung des 3-D-Scans wurde nochmals der Wirbelsäulenbereich TH11-L1 in a. p.
und seitlicher Röntgenkontrolle mit den Blenden
(Kollimatoren) der Röntgenröhre eingegrenzt, um einen kollimierten Scan der Anatomie
erfassen zu können und gleichzeitig die
Streustrahlung im OP-Raum und die Strahlenbelastung für die Patientin zu reduzieren.
Im 3-D-Aufnahmemodus erstellte das O-arm®-IAS dann eine Reihe von gepulsten Röntgenaufnahmen
durch eine komplette Drehung des
Gantry-Rotors um 360 Grad. Das System speicherte diese Aufnahmen und verwendete einen
Rekonstruktionsalgorithmus, um daraus ein
3-D-Bild der Patientenanatomie zu entwickeln. Das Bild wurde dann auf dem MVS-Monitor
in Hochauflösung in drei Ebenen (axial, koronal
und sagittal) angezeigt. Gleichzeitig sendete das O-arm®-IAS Bilddaten an die Stealth-Station-S7-Navigationseinheit.
Dann mussten die zur Operation benötigten Navigationsinstrumente angemeldet (verifiziert)
und kalibriert werden. Das Verifizieren
beziehungsweise Kalibrieren ist bei jeder OP erforderlich. Dieser Vorgang erfolgt
immer nach den gleichen Arbeitsschritten, indem
bestimmte Instrumente wie eine navigierbare Tastsonde (Pointer) in die Vertiefung
des Referenzrahmens gehalten werden. Die Kamera der
Navigation erkennt dann bestimmte Instrumente anhand der Form, auf der jeweils vier
Einweg-Reflektormarker auf Sockel gesteckt
werden.
Bei korrekter Durchführung ertönt ein bestimmter Glockenton. Bei dieser Operation
verwendete der Operateur eine Jamshidinadel
(Hohlnadel), die nicht in der Navigationssoftware hinterlegt war. Um jedoch mit diesem
Instrument navigationsgestützt in den
Wirbelkörper Th12 eindringen zu können, musste diese erst in einem speziellen Verfahren
kalibriert werden.
Dazu wurde ein SureTrak®-II-System benötigt. Dieses System ist ein Metallrahmen, an
den auch Einweg-Reflektormarker gesteckt werden.
Dieses System kann mit jedem beliebigem Instrument verbunden werden.
Die Navigationssoftware ermöglicht, dass beispielsweise die Jamshidinadel mit einer
virtuellen Spitze verlängert werden kann, um so den
idealen Eintrittspunkt durch die Haut in den Wirbelkörper zu planen. Ferner kann auch
die Höhe oder Breite eines Wirbelkörpers
gemessen werden.
Aufgrund der Messungen am gebrochenen Th12 entschied der Operateur bei der linken
Hälfte des Wirbelkörpers eine Kyphoplastie und bei
der rechten Hälfte des Wirbelkörpers, wegen der begrenzten Platzverhältnisse bei torquiertem
und völlig deformiertem Th12, eine
Vertebroplastie durchzuführen.
Nach Lokalisation der Eintrittspunkte, zunächst des linken Pedikels Th12, erfolgte
eine kleine Hautinzision mit dem Skalpell. Dann
navigiertes ([
Abb. 8
]) und röntgenkontrolliertes Eingehen mit der Jamshidinadel in den linken
Th12-Pedikel. Über die Jamshidinadel wurde ein stumpfer Kirschnerdraht in den Wirbelkörper
geschoben, die Jamshidinadel entfernt und
ein Arbeitstrokar für die Kyphoplastie über den Kirschnerdraht in den Wirbelkörper
vorgeschoben. Das gleiche Vorgehen erfolgte auch
auf der rechten Seite des Th12.
(Andreas Draxinger)
Mit einem speziellen Präzisionsbohrer bohrte der Operateur einen Kanal für den 15
Millimeter langen Kyphoplastie-Ballonkatheter in die
Spongiosa des Wirbelkörpers.
Anschließend wurde die Arbeitstrokarlage in zwei Ebenen im 2-D-Modus kontrolliert.
Dann wurde der Kyphoplastieballon über den linken
Arbeitstrokar eingeführt und mit der Insufflation begonnen ([
Abb. 9
]). Links konnten 1,5
Milliliter bis zu einem Druck von 250 PSI insuffliert werden. Im Weiteren erfolgten
eine Desufflation des Ballons und die Entfernung
des Ballonkatheters aus dem Wirbelkörper.
(Andreas Draxinger)
Nun konnte der Knochenzement angemischt werden. Nachdem der Knochenzement die richtige
Konsistenz hatte, wurden links 2,5 Milliliter
und rechts 1,5 Milliliter mit Zementapplikatoren in den Wirbelkörper eingebracht.
Abschließend wurde ein kollimierter 3-D-Scan nur im Bereich des Th12 durchgeführt.
Zementaustritte nach intraspinal oder extravertebral
waren nicht nachweisbar ([
Abb. 10
]).
(Andreas Draxinger)
Zuletzt wurden noch die Arbeitstrokare und die Wirbelsäulenreferenzklemme entfernt,
die Röntgenkontrolle beziehungsweise
Röntgendokumentation in mehreren Ebenen ([
Abb. 11
], [
12
]), die
Wundspülung, die Hautdesinfektion und die Hautnaht sowie das Anlegen eines Pflasterverbands
und die Entlagerung der Patientin auf den
Rücken durchgeführt.
(Andreas Draxinger)
(Andreas Draxinger)
Auch im Nachhinein erwies sich die Entscheidung, eine hochauflösende 3-D-Rekonstruktion
der Anatomie in Verbindung mit der
Navigation zu nutzen, als die sicherste und erfolgreichste Methode. Es ist erleichternd
und zufriedenstellend, wenn Patienten in
schwierigen Situationen geholfen werden kann und technische Möglichkeiten beziehungsweise
innovative Medizingeräte vorhanden sind,
um Patienten mit einem geringstmöglichen Risiko therapieren zu können.