Pneumologie 2016; 70(10): 622-626
DOI: 10.1055/s-0042-117121
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kongressbericht 1. World Bronchiectasis Conference – „This is the age of bronchiectasis“

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Publication Date:
10 October 2016 (online)

 

Vom 7. bis 9 Juli 2016 trafen sich bei sommerlichen Temperaturen die weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Bronchiektasenforschung im malerischen Kongresszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover. Der erstmalig stattfindende Weltkongress wurde von der Arbeitsgruppe um Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL, Standort Hannover, BREATH) und dem deutschen Bronchiektasen-Register PROGNOSIS ausgerichtet.

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Der diesjährige Tagungsort: Schloss Herrenhausen in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. (© Tom Figiel)

Felix C. Ringshausen, Hannover, war zusammen mit James Chalmers, Schottland, Eva Polverino, Spanien, Stefano Aliberti, Italien und Timothy Aksamit aus den USA für das wissenschaftliche Programm verantwortlich, in dem der aktuelle Stand der Forschung neben Originalarbeiten in Form von Postern und Vorträgen diskutiert wurde. Die Veranstaltung fand in enger Kooperation mit dem europäischen Bronchiektasen-Register EMBARC statt.

In der Keynote Lecture zur Kongresseröffnung gab Robert Wilson aus London einen Rückblick auf das bisher erreichte. Die schon seit mehr als einem Jahrhundert als Krankheitsentität beschriebenen Bronchiektasen haben sich im letzten Jahrzehnt von einer Orphan Disease zu einem Hot Topic enwickelt. Neben Fortschritten in der Diagnostik (HRCT) und der Identifikation von behandelbaren Ursachen („treatable causes") bleiben aber noch viele Fragen offen – z. B., ob sich bei der sog. idiopathischen Bronchiektasie, bei der aktuell die Krankheitsursache noch nicht bekannt ist, zukünftig durch verbesserte diagnostische Verfahren doch Erkrankungsursachen identifizieren lassen. Auch das Verständnis der sog. Phänotypen wandelt sich und in der ohnehin heterogenen Patientengruppe lassen sich Cluster identifizieren [1].

In der Beschreibung des Status Quo (Keynote Lecture „The present: Bronchiectasis in 2016“) führte Anne O´Donnell aus den USA durch aktuelle Therapiestandards. Hier gibt es noch viele Herausforderungen, wie z. B. in der Etablierung allgemeingültiger Leitlinien und der Wahrnehmung des Krankheitsbildes in der Öffentlichkeit, aber auch innerhalb der Pneumologie. Weitere zentrale Fragen sind der Zusammenhang zwischen Bronchiektasen und der COPD oder die Häufigkeit von Infektionen durch nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM) bei Patienten mit Bronchiektasen.

Aus Sicht der Betroffenen

Ein zentraler Aspekt der Veranstaltung war es, auch die Sicht von Betroffenen zu berücksichtigen. In einem eindrucksvollen Statement kam die 32-jährige, an Primärer Ciliärer Dyskinesie (PCD) erkrankte Marta Amagro aus Barcelona zu Wort. Nach Erkrankungsbeginn in der frühen Kindheit dauerte es ganze 7 Jahre, bis ihre behandelnden Ärzte die richtige Diagnose stellten. Ihre Erkrankungsbiografie ist geprägt von zahlreichen Rückschlägen, Depression und Begleiterkrankungen. Marta formulierte 2 für sie persönlich zentrale Fragen an die anwesenden Behandler und Forscher: Warum war keine frühzeitigere Diagnose möglich? Wie sieht meine Prognose aus?

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Die Patientin Marta Almagro sprach auf der 1. World Bronchiectasis Conference über ihre Erkrankung (hier bei der Pressekonferenz). (© Niko Hektor)

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Antimikrobielle Therapie

Inhalierbare Antibiotika Alan Barker aus den USA stellte den aktuellen Forschungsstand zum Thema inhalative Antibiotika vor. Während diese bei der Therapie der Lungenmanifestation der Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF) mit chronischer Pseudomonas aeruginosa-Infektion ein inzwischen bestens etabliertes Therapieprinzip darstellen, sind die Ergebnisse aus Studien bei Bronchiektasen ohne zugrundeliegende CF nicht eindeutig. Gute Evidenz besteht hinsichtlich der Reduktion der Keimzahl im Sputum. Allerdings sind die Ergebnisse hinsichtlich der Reduktion von Exazerbationen und der Verbesserung der Lebensqualität nicht einheitlich. 2 ähnlich angelegte Studien unter Verwendung von inhalierbarem Aztreonam [2] (Air-BX 1 & 2) wiesen überraschenderweise diskrepante Ergebnisse hinsichtlich der Verbesserung der Lebensqualität auf. Dabei war bei beiden Untersuchungen eine deutliche Reduktion der Keimlast im Sputum nachweisbar. Der Einsatz von inhalierbarem Colistin verfehlte den primären Endpunkt der Reduktion von Exazerbationen [3]. Allerdings zeigte sich in dieser Studie ein positiver Effekt auf die Reduktion der Keimlast und die Zunahme der Lebensqualität. Ein aktueller systematischer Review zeigt, dass inhalierbare Antibiotika in der Lage sind, die Keimlast im Sputum zu reduzieren und einen positiven Effekt auf die Exazerbationshäufigkeit haben. Ein relevanter Effekt hinsichtlich der Lungenfunktion (FEV1-Abfall), Anzahl der stationären Aufenthalte und der Zunahme an Lebensqualität besteht [4].

David Griffith aus den USA stellte Daten zum Einsatz von inhalierbarem Amikacin bei der Behandlung von Patienten mit therapierefraktärer NTM-Lungenerkrankung vor. Amikacin kam in einer liposomalen Aufbereitung zum Einsatz. Während kein Einfluss auf die Lebenqualität in der behandelten Patientengruppe erreicht wurde, gelang doch die kulturelle Konversion bei 17 % der Patienten, von denen 89 % auch nach einem Jahr ohne Hinweise auf ein Rezidiv blieben.

Die Rolle von Makroliden Der Einsatz von Makroliden bei Bronchiektasen ist inzwischen weitgehend etabliert, wie Conroy Wong aus Neuseeland berichtete. 3 große, randomisierte und kontrollierte Studien (EMBRACE [6], BAT [7], BLESS [8]) zeigten eine Reduktion der Exazerbationsrate (minus 43 – 62 %), eine Zunahme der FEV1 (2,3 – 4,5 %) und Verbesserung der Lebensqualität (Abnahme SGRQ 2,9 – 8,1 Punkte). Problematisch bleibt die nicht zu vernachlässigende Nebenwirkungsrate (15– 35 %) sowie die Induktion von Antibiotikaresistenzen in 27 – 88 %. Studien zum kardiovaskulären Risikoprofil kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Während eine große US-amerikanische Studie ein erhöhtes kardiovarkuläres Risko insbesondere bei Patienten mit kardialer Komorbidität beschreibt [9], zeigen andere Untersuchungen keinen negativen Effekt [10, 11]. Das Risiko kardiovaskulärer Nebenwirkungen scheint substanzklassenabhängig zu sein (Erythromycin > Clarithromycin > Roxithromycin > Azithromycin) und mit der Applikationsroute zusammenzuhängen (i. v. Gabe > oral) [12].

Josie Altenburg aus den Niederlanden stellte eine Subanalyse der BAT-Studie [7] vor, bei der Sputum und Serumkonzentrationen von Azithromycin mit verschiedenen klinischen Endpukten korreliert wurden. Dabei zeigte sich, dass die Sputum-Azithromycin-Konzentrationen insgesamt deutlich höher sind als diejenigen im Serum (Sputum 7,6 µg/L [SD 9,5], Serum 0,11 [SD 0,09]), als Hinweis für die deutliche Anreicherung des Azithromycins in den Atemwegen. Höhere Sputumkonzentrationen von Azithromycin waren mit einem niedrigeren CRP-Wert korreliert. Andere Korrelationen (FEV1, SGRQ, Atemwegsinfektionen LRTI) zeigten sich nicht.

In der nachfolgenden Diskussion wies Alan Barker darauf hin, dass sich trotz fehlender, allgemeingültiger Empfehlungen 2 Indikationen zum Einsatz inhalierbarer Antibiotika herauskristallisieren: > 3 Exazerbationen im zurückliegenden Jahr und der wiederholte Nachweis von Pseudomonas aeruginosa im Sputum. Die angeregte Diskussion zeigte allerdings, dass noch viele Fragen unbeantwortet sind, wie z. B. die Kinetik der Bakterienreduktion nach Inhalation, der erkennbare Abfall der Effektivität über konsekutive Behandlungszyklen und die empfohlene Dauer der Zyklen. Laut Conroy Wong besteht eine Indikation zum Einsatz von Makroliden bei Patienten mit > 2 Exazerbationen im zurückliegenden Jahr, die einen Nachweis von P. aeruginosa haben, eine schlechte Lebensqualität aufweisen und möglichst < 65 Jahre alt sind. Die Therapie sollte über mind. 3 Monate erfolgen. Eine frequenzkorrigierte QT-Zeit (QTc) von > 450 – 470 msec gilt als Kontraindikation. Aber immer noch bleiben Fragen offen, wie z. B. die nach der optimalen Dosierung (1-mal 250 mg täglich, 3-mal 250 – 500 mg/Woche).

In seinem Vortrag „Lost in Translation“ stellte Lieven Dupont aus Belgien die therapeutischen Unterschiede in der Behandlug von CF und Bronchiektasen-Erkrankungen dar und diskutierte über den potenziellen Benefit für Patienten bei der Übertragung von CF-Therapien auf Bronchiektasen. Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass auf diesem Gebiet noch großer Forschungsbedarf herrscht, der in Zukunft hoffentlich durch die Auswertung der Daten des EMBARC-Registers und neuer randomisierter, klinischer Studien voranschreiten wird.


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Risikostratifizierung und Lebensqualität

Der überwiegende Teil der verfügbaren Fragebögen zur Risikostratifizierung hinsichtlich Morbidität und Mortalität bei Bronchiektasen-Patienten sind nicht speziell für das Krankheitsbild evaluiert. Ausnahmen sind Tools wie der Bronchiectasis Severity Index (BSI, www.bronchiectasisseverity.com) oder der FACED-Fragebogen. Häufig werden jedoch zur Erfassung der Lebensqualität im Rahmen von Studien noch Fragebögen wie der SGRQ und der Leicester Cough Questionnaire eingestezt. Hierbei ist problematisch, dass charakteristische Symptome der Bronchiektasen-Erkrankung hier nicht abgefragt werden (Sputum, Fatigue). Die FDA legt bei der Beurteilung von Studien in zunehmendem Maße Wert auf einen Nachweis eines Lebensqualitätsbenefits (FDA-Guidance on Patient-Reported Outcomes 2009 [13]). Die Arbeitsgruppe von Alexandra Quittner aus Miami ist dem Bedarf zur Entwicklung eines standardisierten, spezifischen Fragebogens für Patienten mit Bronchiektasen nachgekommen und stellte diesen in ihrem Vortrag vor (QOL-B). Der Fragebogen wurde unter Einbeziehung von Patientenmeinungen (psychometrische Analyse) entwickelt und enthält demnach die relevanten Items [14] (www.psy.miami.edu/qol_b/index.phtml).


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Mikrobiologie und chronische Infektion der Atemwege

Mikrobiom Michael Surette aus Kanada berichtete über die aktuelle Entwicklung zur Erforschung des Mikrobioms der Atemwege bei Bronchiektasen. Dabei ist ein sog.„Healthy Lung Microbiome” physiologisch (ein gesundes Mikrobiom der Lunge), welches erhebliche immunologische Implikationen hat. Bei chronischen Atemwegserkrankungen kommt es zu typischen Veränderungen, wie z. B. der Abnahme der Diversität der gefundenen Mikroorganismen. Dabei lassen sich Cluster identifizieren (Mikrobiom beim Asthma, CF), und dem Nachweis anaerober Bakterien scheint eine besondere Bedeutung zuzukommen. Die Abnahme der Diversität ist begleitet von einer Zunahme spezieller Mikroorganismen (P. aeruginosa, Haemophilus influenzae) [15].

Pseudomonas aeruginosa Durch molekularbiologische Verfahren gelingt es, die Taxonomie von P. aeruginosa zu verbessern. Der Arbeitsgruppe von Anthony De Soyza aus Newcastle ist es gelungen, mehrere Stämme von P. aeruginosa zu identifizieren, die ein und denselben Patienten kolonisieren. Dabei gelingt die Identifizierung der Subspezies und des Verbreitungsmusters mittels Techniken wie dem Whole Genome Sequencing und dem Multi Locus Sequence Typing sowie der SNP-Analyse. Hervorzuheben ist, dass sich die Stämme auch in der Expression ihrer Virulenzfaktoren unterscheiden [16].

Mikrobielle Ökologie Gerraint Rogers aus Australien präsentierte Daten zur Ökologie von Mikroorganismen der Atemwege. Dabei hob er hervor, dass Mikroorganismen meist, und so auch in der Lunge, in Kolonien vorkommen und es vielfältige Interaktionen gibt, die Einfluss auf die Virulenz von pathogenen Stämmen haben (z. B. P. aeruginosa). Dieses sensible Gleichgewicht der Flora wird durch antibiotische Therapien empfindlich gestört. Daten zeigen bspw., dass es durch die Makrolid-Therapie zu einer Suppression von H. influenzae kommt. Dies fördert im weiteren Verlauf die Ausbreitung von P. aeruginosa [17].

Diagnostik Stuart Elborn aus Belfast hob die Grenzen der traditionellen, mikrobiologischen Diagnostik mittels Kulturen und selektiver Nährböden hervor. Der Nachweis vieler Bakterien gelingt nur, wenn man speziell nach ihnen sucht. Neuere, diagnostische Verfahren unter Verwendung der Spektrometrie oder mittels Sequenzierung hingegen erlauben Rückschlüsse auf die Diversität von Mikroorganismen (Taxa richness). Aktuelle Daten zeigen, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Krankheitsbildern (Asthma, COPD, CF) hinsichtlich der Verteilung von Mikroorganismen in den Atemwegen gibt [18]. Als genereller Trend lässt sich feststellen, dass ein Patient umso gesünder ist, je höher die Diversität der Mikroorganismen in seinen Atemwegen ist. Ein weiterer, interessanter Aspekt molekularbiologischer Verfahren ist die Resistenzanalyse über den Nachweis sog. Resistenzgene. Hierbei ist von Vorteil, dass man die aufwendige, mikrobiologische Kultur mit anschließender Sensibilitätstestung umgehen kann und zeitnah ein Ergebnis vorliegt. Die Zukunft sind Biochip-Analysatoren, die direkt aus dem Atemwegsmaterial (Sputum, BAL) gleichzeitig und zeitnah eine Vielzahl von Mikroorganismen nachweisen können (Bakterien, Pilze, Viren, Resistenzgene).

Andres Floto aus Cambridge stellte Daten zur Infektiosität von NTM vor. In einem Experiment wurde die Infektiosität mittels Husten und Aerosoldetektoren simuliert. Demnach scheint die Infektion durch NTM auch innerhalb stationärer Einrichtungen relevant zu sein. Hinsichtlich des Managements der NTM-Lungenerkrankung zeigt sich eine erschreckend niedrige Akzeptanz der aktuell gültigen Leitlinie („Clinicians do not follow the guidelines“) [19].

Epidemiologie Jessica Rademacher, Hannover, stellte aktuelle Daten (2009–2014) zur Epidemiologie der NTM-Lungenerkrankung in Deutschland vor [20]. Im Vergleich zu anderen Kollektiven (USA) ist die Prävalenz der NTM-Lungenerkrankung in Deutschland scheinbar niedrig. Eine befriedigende Erklärung hierfür zu finden ist schwierig, wie die Diskussion im Anschluss an den Vortrag zeigte. In einer Zwischenfrage wurde hervorgehoben, dass es auch in den USA deutliche regionale Unterschiede gibt. Offenbar sind für die Epidemiologie auch Umweltfaktoren wie die Qualität des Leitungswassers oder spezielle klimatische und/oder geologische Bedingungen verantwortlich, die allerdings noch unzureichend verstanden sind.

Felix Ringshausen aus Hannover stellte aktuelle Daten zur Epidemiologie der CFTR-(Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) Dysfunktion bei Bronchiektase-Patienten vor. Dabei zeigte er, dass es eine große Spannbreite zwischen vollständigem Funktionsverlust und Ausbildung des klassischen Krankheitsbildes einer CF mit Pankreasinsuffizienz und leichteren, monosymptomatischen Verlaufsformen gibt, die bei Erwachsenen zu chronischer Bronchitis bzw. Bronchiektasen führen. Die bisherigen, diagnostischen Verfahren (Schweißtest, Genanalyse) sind nicht in der Lage, alle Patienten sicher zu identifizieren. Durch die Messung der nasalen transepithelialen Potenzialdifferenz (nPD) gelingt es aber, bei Patienten mit einer idiopathischen Bronchiektasen-Erkrankungen, Einschränkungen in der Funktion des Chloridkanals CFTR und seines „Gegenspielers“ ENaC, dem epithelialen Natriumkanal, zu identifizieren [21].

James Chalmers aus Dundee gab einen Überblick über die aktuellen Forschungsprioritäten und formulierte 3 zentrale Fragestellungen [22]:

  • Der Forschung muss es gelingen, genetische Determinanten, die zu Bronchiektasen führen, besser zu verstehen.

  • Eine frühere Diagnose der Erkrankung muss möglich sein.

  • Durch ein besseres Verständnis der Erkrankung müssen die Prognose und der Verlauf besser verstanden werden.

Mehrere Studien zeigen, dass es eine spezielle Suszeptibilität für Bronchiektasen gibt. Dabei zeigen Daten, dass manche Patienten ein höheres Risiko haben, durch NTM infiziert zu werden [23], und dass es Unterschiede in der HLA-Expression, Zielfunktion, Komplement Dysfunktionen und Metalloproteinase gibt. Die immunologische Reaktion, die überwiegend profilgetriggert ist, scheint bei manchen Patienten insuffizient zu sein. Trotz einer hohen Immunantwort und Inflammation sind diese nicht in der Lage, Bakterien aus ihrer Lunge zu eliminieren. Schwere Bronchiektasen-Erkrankungen zeichnen sich durch einen unkontrollierten Inflammationsprozess in den Atemwegen aus [24].

Gregory Tino aus den USA widmete sich der Frage, ob bei Bronchiektasen die Infektion oder die Inflammation im Vordergrund steht. Dabei steht außer Frage, dass die Keimlast bei Bronchiektasen direkt mit dem Ausmaß der Entzündung in den Atemwegen korreliert [25]. Insbesondere Mediatoren, die an die neue Profil-Entzündungsreaktion gekoppelt sind, führen laut Tino zu Inflammation (Elastase, MP, Oxygen Radicals). Neben Krankheitsbildern, bei denen die primäre Entzündung bspw. durch Immunerkrankungen wie Rheuma, CED oder Panbronchiolitis im Vordergrund steht, gibt es Krankheitsbilder, bei denen die Infektion das Krankheitsbild triggert (postinfektiöse Bronchiektasen-Erkrankung, NTM-Infektion). Durch die Identifikation von Clustern kann zukünftig eine spezifischere Therapie erfolgen. In einer kürzlich erschienen Arbeit konnte gezeigt werden, dass sich 4 Cluster identifizieren lassen [26]: chronische Pseudomonas-Infektion, chronische Infektion durch einen anderen Erreger, tägliche Sputum-Produktion ohne Erregernachweis und sog. „trockene“ Bronchiektasen.


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Bronchiektasen und obstruktive Atemwegserkrankungen

3 Vorträge widmeten sich den Überlappungssyndromen zwischen Bronchiektasen und obstruktiven Atemwegserkrankungen, wie Asthma und COPD. Eva Polverino aus Spanien berichtete, dass fast alle Serien ein Asthma bronchiale als mögliche Ursache einer Bronchiektasen-Erkrankung aufgreifen (0 – 10 %) [27].

Eine breite Überlappung existiert im Bereich der Aspergillus-assoziierten Erkrankungen (ABPA, Sensibiliserung durch Aspergillus) [28]. Konsekutiv zeigt sich anhand der vorgestellten Daten, dass Patienten mit Asthma und Bronchiektasen i. a. schwerer erkrankt sind (lungenfunktionelle Einschränkung, Notwendigkeit einer systemischen Steroidmedikation).

Die Überlappung von COPD und Bronchiektasen ist komplex, wie John Hurst aus London darstellte. Die Erkrankungen treten häufig gemeinsam auf (30 – 50 %). COPD-Patienten mit Bronchiektasen haben mehr Exazerbationen und eine höhere Mortalität. Dabei ist es wichtig zu differenzieren, dass COPD eine „physiologische“ Diagnose darstellt (eingeschränkte Lungenfunktion), Bronchiektasen dagegen eine „anatomische“ (HRCT-Kriterien für Bronchiektasen). Metaanalysen zeigen, dass meistens Männer mit einem relevanten Nikotinkonsum betroffen sind [29]. Der Vorschlag zur Etablierung einer Entität eines COPD-Bronchiektasen-Überlappungs-Syndroms [30] beinhaltet die Möglichkeit, das Krankheitsbild besser zu charakterisieren und spezifische Therapieoptionen zu entwickeln.

Im letzten Vortrag dieser Themenreihe diskutierte Menno van der Eerden aus den Niederlanden die Möglichkeiten zur Übertragung etablierter Therapien für COPD und Asthma bronchiale auf Bronchiektasen. Trotz einiger Hinweise gibt es bisher allerdings aufgrund des Fehlens von qualifizierten Studien keinen Beweis für einen Benefit von inhalativen oder oralen Steroiden für Erwachsene mit Bronchiektasen.

Das Zusammentreffen nahezu aller Bronchiektasen-Experten weltweit war im Vorfeld der Konferenz zu einer Klausurtagung genutzt worden. Die 26-köpfige Konsensus-Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Formulierung einer einheitlichen Definition einer akuten Exazerbation der Bronchiektasen-Erkrankung. Adam Hill aus Edinburgh stellte die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zum Ende der Konferenz allen Teilnehmern vor. Der Entscheidungsfindung liegt ein Delphiprozess zugrunde, mit dessen Hilfe Major- und Minor-Symptome definiert wurden. Mit der Veröffentlichung der Konsensusdefinition wird in Kürze gerechnet.

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Impressionen von der Postersession bei der 1. World Bronchiectasis Conference. (© Niko Hektor)

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Ausblick und Fazit

Im letzten Vortrag (Keynote Lecture „The future: what is next in bronchiectasis?“) gab Anthony De Soyza aus Newcastle noch einen Ausblick über die künftige Forschungsrichtung. Dieser war nicht nur für Wissenschaftler und Ärzte, sondern besonders auch für die anwesenden Patienten von hohem Interesse. Wie schon zu Beginn der Konferenz kamen diese zum Ende nochmals zu Wort. Gemeinsam mit der Patientin Marta Almagro gab Thomas Ruddy aus Tübingen eine Kongresszusammenfassung aus Sicht Betroffener. Positiv bewerteten sie die zunehmende Rolle von Patienten als Partner bei der Formulierung von Empfehlungen und Identifikation wissenschaftlicher Fragestellungen. Insbesondere die Vorträge von J. Chalmers und A. de Soyza, die Einblick über den in der verbleibenden Lebenszeit noch erreichbaren Fortschritt gaben, hoben sie für sich als besonders relevant hervor. Als Durchbruch wurde die Tatsache bezeichnet, dass erstmals ein Kongress stattfand, der sich ausschließlich der Bronchiektasen-Erkrankung widmet. Dies lasse hoffen, dass in naher Zukunft zugelassene Medikamente und Therapien den Leidensdruck der Patienten senken werden und bei Neuerkrankungen zeitnah die richtige Diagnose gestellt würde.

Final schloss Tobias Welte die Konferenz mit einem Dank an alle Sprecher, Patientenvertreter, Industriepartner und Organisatoren. Er brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass bis zur nächsten Welt-Bronchiektasen-Konferenz, die vom 6. bis 8. Juli 2017 in Mailand stattfinden wird, weitere wichtige Erkenntnisse zum Wohle der Patienten gewonnen werden können.

Dr. Andrés de Roux, Berlin, Thomas Ruddy, Tübingen, Dr. Annegret Zurawski und Dr. Felix C. Ringshausen, Hannover


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Literatur

  1. Aliberti S, Lonni S, Dore S et al. Clinical phenotypes in adult patients with bronchiectasis. Eur Respir J. 2016; 47: 1113–1122

  2. Barker AF, O'Donnell AE, Flume P et al. Aztreonam for inhalation solution in patients with non-cystic fibrosis bronchiectasis (AIR-BX1 and AIR-BX2): two randomised double-blind, placebo-controlled phase 3 trials. Lancet Respir Med 2014; 2: 738–749

  3. Haworth CS1, Foweraker JE, Wilkinson P et al. Inhaled colistin in patients with bronchiectasis and chronic Pseudomonas aeruginosa infection. Am J Respir Crit Care Med 2014; 189: 975–982

  4. Brodt AM, Stovold E, Zhang L. Inhaled antibiotics for stable non-cystic fibrosis bronchiectasis: a systematic review. Eur Respir J 2014 ; 44: 382–393

  5. Olivier KN, Griffith DE, Winthrop KL et al. 12-Month Follow-up Data From a Phase 2 Trial of Liposomal Amikacin for Inhalation (LAI) in Patients With Refractory Nontuberculous Mycobacterial (NTM) Lung Infection.Pneumologie 2016; 70: 656-672 (Abst. 8)

  6. Wong C, Jayaram L, Karalus N et al. Azithromycin for prevention of exacerbations in non-cystic fibrosis bronchiectasis (EMBRACE): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2012; 380: 660–667

  7. Altenburg J, de Graaff CS, Stienstra Y etal. Effect of azithromycin maintenance treatment on infectious exacerbations among patients with non-cystic fibrosis bronchiectasis: the BAT randomized controlled trial. JAMA. 2013; 309: 1251–1259

  8. Serisier DJ, Martin ML, McGuckin MA et al. Effect of long-term, low-dose erythromycin on pulmonary exacerbations among patients with non-cystic fibrosis bronchiectasis: the BLESS randomized controlled trial. JAMA. 2013 ; 309: 1260–1267

  9. Ray WA, Murray KT, Hall K et al. Azithromycin and the risk of cardiovascular death. N Engl J Med 2012; 366: 1881–1890

  10. Svanström H, Pasternak B, Hviid A. Cardiovascular risks with azithromycin. N Engl J Med. 2013 ; 369: 580–581

  11. Trac MH, McArthur E, Jandoc R et al. Macrolide antibiotics and the risk of ventricular arrhythmia in older adults. CMAJ 2016; 188: E120–129

  12. Albert RK, Schuller JL; COPD Clinical Research Network. Macrolide antibiotics and the risk of cardiac arrhythmias. Am J Respir Crit Care Med 2014; 189: 1173–1180

  13. www.fda.gov/downloads/Drugs/.../Guidances/UCM193282.pdf

  14. Quittner AL, O'Donnell AE, Salathe MA et al. Quality of Life Questionnaire-Bronchiectasis: final psychometric analyses and determination of minimal important difference scores. Thorax 2015; 70: 12–20

  15. Surette MG. The cystic fibrosis lung microbiome. Ann Am Thorac Soc 2014; Suppl 1: S61–65. DOI 10.1513/AnnalsATS.201306-159MG

  16. Cullen L, Weiser R, Olszak T et al. Phenotypic characterization of an international Pseudomonas aeruginosa reference panel: strains of cystic fibrosis (CF) origin show less in vivo virulence than non-CF strains. Microbiology 2015; 161: 1961–1977

  17. Rogers GB, Shaw D, Marsh RL et al. Respiratory microbiota: addressing clinical questions, informing clinical practice. Thorax 2015; 70: 74–81

  18. Einarsson GG, Comer DM, McIlreavey L et al. Community dynamics and the lower airway microbiota in stable chronic obstructive pulmonary disease, smokers and healthy non-smokers. Thorax 2016 ; 71: 795–803

  19. Adjemian J, Prevots DR, Gallagher J et al. Lack of adherence to evidence-based treatment guidelines for nontuberculous mycobacterial lung disease. Ann Am Thorac Soc 2014; 11: 9–16

  20. Ringshausen FC, Wagner D, de Roux A et al. Prevalence of Nontuberculous Mycobacterial Pulmonary Disease, Germany, 2009-2014. Emerg Infect Dis 2016; 22: 1102–1105

  21. Rademacher J, Schulz A, Hedtfeld S et al. Nasal potential difference of carriers of the W493R ENaC variant with non-cystic fibrosis bronchiectasis. Eur Respir J 2016 ; 47: 322–324

  22. Aliberti S, Masefield S, Polverino E et al. Research priorities in bronchiectasis: a consensus statement from the EMBARC Clinical Research Collaboration. Eur Respir J 2016; 48: 632–647

  23. Szymanski EP, Leung JM, Fowler CJ et al. Pulmonary Nontuberculous Mycobacterial Infection. A Multisystem, Multigenic Disease. Am J Respir Crit Care Med 2015; 192: 618–628

  24. Chalmers et al, Am J Respir Crit Care Med, in revision

  25. Chalmers JD, Smith MP, McHugh BJ et al. Short- and long-term antibiotic treatment reduces airway and systemic inflammation in non-cystic fibrosis bronchiectasis. Am J Respir Crit Care Med 2012; 186: 657–665

  26. Sotgiu G, Dore S, Chalmers JD et al. Clinical phenotypes in bronchiectasis: right on track to develop precision medicine in respiratory diseases. Int J Tuberc Lung Dis 2016 ; 20: 709

  27. Lonni S, Chalmers JD, Goeminne PC et al. Etiology of Non-Cystic Fibrosis Bronchiectasis in Adults and Its Correlation to Disease Severity. Ann Am Thorac Soc 2015; 12: 1764–1770

  28. Menzies D, Holmes L, McCumesky G et al. Aspergillus sensitization is associated with airflow limitation and bronchiectasis in severe asthma. Allergy 2011; 66: 679–685

  29. Ni Y, Shi G, Yu Y et al. Clinical characteristics of patients with chronic obstructive pulmonary disease with comorbid bronchiectasis: a systemic review and meta-analysis. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2015 28; 10: 1465–1475

  30. Hurst JR, Elborn JS, De Soyza A. COPD-bronchiectasis overlap syndrome. Eur Respir J 2015 ; 45: 310–313

Hinweis

Die Abstracts zur 1. World Bronchiectasis Conference vom 7. bis 9. Juli 2016 in Hannover finden Sie auf S. 660–676 in dieser Ausgabe.


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Der diesjährige Tagungsort: Schloss Herrenhausen in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. (© Tom Figiel)
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Die Patientin Marta Almagro sprach auf der 1. World Bronchiectasis Conference über ihre Erkrankung (hier bei der Pressekonferenz). (© Niko Hektor)
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