Wirkt sich auf Gesundheit und Arbeitsverhalten aus – Interprofessionelle Zusammenarbeit
In Kliniken arbeiten Ergotherapeuten häufig in interprofessionellen Teams. Diese Zusammenarbeit
kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und
das Arbeitsverhalten der Teammitglieder haben. Zu diesem Ergebnis kommt die Ergotherapiestudentin
Carolin Lüdeking in ihrer Diplomarbeit an der Hochschule Fresenius Idstein.
Die Studentin untersuchte Chancen und Risiken einer interprofessionellen Zusammenarbeit
in (teil-)stationären Kliniken in Deutschland. Mittels eines Fragebogens, den die
Teilnehmer anonym ausfüllten, befragte sie 115 Klinikangestellte aus unterschiedlichen
Berufsgruppen. Darunter waren Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal, Ergotherapeuten,
Logopäden, Physiotherapeuten und Sozialarbeiter, die an verschiedenen deutschen Kliniken
arbeiteten. Sie gaben Auskunft zu ihren Erfahrungen in der Zusammenarbeit. Anhand
fünfstufiger Skalen bewerteten sie ihr eigenes Verhalten im interprofessionellen Team
bezüglich Hilfsbereitschaft, Gewissenhaftigkeit, Unkompliziertheit, Eigeninitiative
und gefordertem Arbeitsverhalten. Außerdem erhob die Studentin Daten über den Gesundheitszustand
der Teilnehmer, ihre Fehltage und wie sie Effektivität und Produktivität der Teamarbeit
einschätzten.
Bei positiv bewerteter Zusammenarbeit ließ sich eine erhöhte Hilfsbereitschaft und
Gewissenhaftigkeit, mehr Unkompliziertheit und eine erhöhte Eigeninitiative nachweisen.
Bewerteten die Befragten die Zusammenarbeit negativ, erschienen die Teilnehmer trotz
Krankheit zur Arbeit und kamen zudem auf mehr Fehltage. Dies lässt auf einen insgesamt
schlechteren Gesundheitszustand schließen.
Das heißt, je besser die Zusammenarbeit im interprofessionellen Team funktioniert
und wahrgenommen wird, umso positiver der Effekt sowohl auf den Gesundheitszustand
als auch auf das Arbeitsverhalten – und umgekehrt. Die Forscherin empfiehlt daher,
die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen gut zu strukturieren und eine Kommunikationsbasis
zu schaffen, zum Beispiel auf Grundlage der ICF.
nk
ergoscience 2016; 11: 46–56
Erhöhtes Risiko für psychische Gesundheitsprobleme – Sensorische Modulationsstörungen
Menschen mit sensorischen Modulationsstörungen zeigen erhöhte psychische Belastungssymptome
und eine eingeschränkte Lebensqualität. Zu diesem Ergebnis kommen die Ergotherapeutinnen
Tami Bar-Shalita und Sharon A. Cermak an der Hebrew University of Jerusalem, Israel.
Die Forscherinnen untersuchten, ob psychische Stresssymptome charakteristisch für
Menschen mit Modulationsstörungen sind und ob sie sich hinsichtlich der Lebensqualität
im Vergleich zu Menschen ohne Modulationsstörungen sehr unterscheiden. Dazu erfragten
sie die Symptome psychischer Belastung bei 105 Männern und 99 Frauen im Alter von
23 bis 40 Jahren anhand des Selbsteinschätzungsbogens Brief Symptom Inventory (BSI).
Mittels Short Form (36) Health Survey Version 2 (SF-36) erhoben sie die Lebensqualität
in Bezug auf die körperliche und emotionale Gesundheit. Alle Teilnehmer füllten zudem
den Fragebogen Sensory Responsiveness Questionnaire – Intensity Scale (SRQ-IS) aus
und wurden anhand der Ergebnisse in zwei Gruppen unterteilt: Teilnehmer, die mehr
als zwei Standardabweichungen unter der Norm lagen, wurden der Modulationsgruppe zugeordnet
(13 Männer und 13 Frauen, davon 23 überempfindlich, 3 unterempfindlich). Die anderen
178 Teilnehmer bildeten die Kontrollgruppe.
Anhand der Daten aus den Fragebögen untersuchten die Forscherinnen, ob sich eine Korrelation
zwischen erhöhten Werten im sensorischen Bereich und psychischer Gesundheit zeigt.
Den Ergebnissen zufolge traten in der Modulationsgruppe deutlich höhere psychische
Belastungssymptome auf – hauptsächlich in Bezug auf paranoide Ideen und Sensibilität
im zwischenmenschlichen Kontakt. Hinsichtlich der Lebensqualität zeigte sich eine
deutlich eingeschränkte körperliche Gesundheit in Form von Schmerzsymptomen und einer
eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Defizite in der sensorischen Modulation und eine
verringerte Lebensqualität erwiesen sich damit als Prädikatoren für eine erhöhte psychische
Belastung. Sensorische Modulationsstörungen können also einen Risikofaktor für die
Entwicklung psychischer Gesundheitsprobleme darstellen.
Den Forscherinnen zufolge können Ergotherapeuten durch ihr Wissen über sensorische
Modulationsstörungen und deren Einfluss auf die psychische Gesundheit eine präventive
Rolle in der Gesundheitsförderung von Menschen mit sensorischen Modulationsstörungen
einnehmen.
evfi
Am J Occup Ther 2016; 70: 7004250010p1–7004250010p9
Pflegende Angehörige belastet – Frühe Demenzerkrankungen
Die Versorgung von Menschen mit „präseniler“ Demenz verändert bei pflegenden Angehörigen
die Betätigungsbereiche Arbeit, Freizeit und Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL).
Den Unterstützungsbedarf, den sie signalisieren, können Ergotherapeuten decken. Zu
diesem Ergebnis kommen die Ergotherapiestudentinnen Mareike Fischer, Carolin Happersberger
und Samira Wilters von der Zuyd Hogeschool in Heerlen, Niederlande.
In ihrer qualitativen Bachelorstudie untersuchten die Studentinnen, wie sich Betätigungen
und Rollen der Angehörigen durch die Pflegetätigkeit verändern. Dazu recherchierten
sie zunächst in Datenbanken wie CINAHL und PubMed nach dem theoretischen Hintergrund.
Dort fanden sie heraus, dass sich die Betätigungen und Rollen von pflegenden Angehörigen
negativ verändern. Sie verlieren die vormalige Beziehung zu dem Erkrankten, müssen
häufig ihre Berufstätigkeit reduzieren und ziehen sich aufgrund von Zeitmangel aus
ihrem sozialen Umfeld zurück. Daraus resultiert eine große Belastung für die Pflegenden,
auf die sie sich nicht vorbereitet fühlen.
Aus den Rechercheergebnissen leiteten die Ergotherapiestudentinnen relevante Themenbereiche
ab und erstellten einen Interviewleitfaden, den sie für Interviews mit acht Angehörigen
in deren privaten Umfeld nutzten. Dort erfragten sie beispielsweise, welche Unterstützung
die Angehörigen bräuchten, werteten die gewonnenen Daten mit der zusammenfassenden
Inhaltsanalyse nach Mayring aus und bildeten 13 übergeordnete Kategorien. Dazu zählten
zum Beispiel Aufklärung, Tagesgestaltung, Pflege, Therapie, Umgang mit der Situation,
Belastungen und Gesundheitssystem.
In allen 13 Kategorien äußerten die Befragten den Wunsch nach qualifizierter Unterstützung.
Sie wünschten sich insbesondere Informationen über das Krankheitsbild, Betreuungsmöglichkeiten,
Pflegedienste und Selbsthilfeangebote. Sie fühlten sich in ihrem Alltag erheblich
eingeschränkt, da sie zum Beispiel ihre Hobbys aufgeben mussten, ihre sozialen Kontakte
vernachlässigten und den Alltag rund um Pflege, Betreuung und Arztbesuche planen mussten.
0,1 % der 45- bis 64-jährigen Menschen in Deutschland sind an einer Alzheimer-Krankheit
mit frühem Beginn erkrankt.
Die Ursachen für die Problematik liegen den Bachelorstudentinnen zufolge im Bereich
der Betätigungen und Rollen. Die pflegenden Angehörigen wechseln von der Partnerin
oder Tochter zur Rolle der Pflegerin oder Betreuerin. Darauf sind sie nicht vorbereitet,
sodass sie auch mit weniger gravierenden Problemen wie dem Umgang mit Hilfsmitteln
überfordert sind. Ihr gesamtes Leben ändert sich und sie können ihren gewohnten Betätigungen
nicht mehr nachgehen bzw. gehen Betätigungen wie der Pflege oder Betreuung nach, die
sie nicht frei wählen konnten.
Hier können Ergotherapeuten ansetzen und Angehörige klientenzentriert unterstützen.
Dies gelingt zum Beispiel durch die Vermittlung von Wissen über die Krankheit und
den Umgang mit problematischen Verhaltensweisen. Zudem helfen den Angehörigen Interventionen,
in denen sie zum Beispiel ein verbessertes Zeitmanagement erarbeiten.
Die Studentinnen betonen, dass sie nicht alle Aspekte wie Auswirkungen auf das Familiensystem
erfasst haben. Dennoch decken sich ihre Ergebnisse mit der Empfehlung der S3-Leitlinie
„Demenzen“, welche Angehörigenarbeit als elementaren Aspekt der Therapie ansieht.
Lk
ergoscience 2016; 11: 57–67
Demenz – Verhaltensweisen
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90 % der Menschen mit einer Demenz leiden unter neuropsychiatrischen Symptomen wie
Angst, Aggressivität oder Apathie.
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Diese Symptome führen zu problematischen Verhaltensweisen, welche man als „Behavioural
and Psychological Symptoms of Dementia“ (BPSD) bezeichnet.
-
Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen und Angehörigen und sind häufig
der eigentliche Grund für eine Heimeinweisung.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Demenz. DEGAM–Leitlinie
Nr. 12; Stand: 2008
Definition – „Präsenile“ Demenz
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Eine frühe Demenzerkrankung liegt vor, wenn sie vor dem 65. Lebensjahr auftritt.
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Sie verläuft vergleichsweise rasch; deutliche und vielfältige Störungen der kortikalen
Funktionen treten frühzeitig auf.
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Die Bezeichnung „präsenil" ist missverständlich und soll nicht mehr verwendet werden.
Darum fällt diese Erkrankungsform in der ICD-10 unter die Codierung F00.0 „Demenz
bei Alzheimer-Krankheit mit frühem Beginn (Typ 2)“.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Demenz. DEGAM–Leitlinie
Nr. 12; Stand: 2008