ergopraxis 2017; 10(01): 14-16
DOI: 10.1055/s-0042-118139
Wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
07 January 2017 (online)

 

Wirkt sich auf Gesundheit und Arbeitsverhalten aus – Interprofessionelle Zusammenarbeit

In Kliniken arbeiten Ergotherapeuten häufig in interprofessionellen Teams. Diese Zusammenarbeit kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Gesundheitszustand und das Arbeitsverhalten der Teammitglieder haben. Zu diesem Ergebnis kommt die Ergotherapiestudentin Carolin Lüdeking in ihrer Diplomarbeit an der Hochschule Fresenius Idstein.

Die Studentin untersuchte Chancen und Risiken einer interprofessionellen Zusammenarbeit in (teil-)stationären Kliniken in Deutschland. Mittels eines Fragebogens, den die Teilnehmer anonym ausfüllten, befragte sie 115 Klinikangestellte aus unterschiedlichen Berufsgruppen. Darunter waren Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal, Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten und Sozialarbeiter, die an verschiedenen deutschen Kliniken arbeiteten. Sie gaben Auskunft zu ihren Erfahrungen in der Zusammenarbeit. Anhand fünfstufiger Skalen bewerteten sie ihr eigenes Verhalten im interprofessionellen Team bezüglich Hilfsbereitschaft, Gewissenhaftigkeit, Unkompliziertheit, Eigeninitiative und gefordertem Arbeitsverhalten. Außerdem erhob die Studentin Daten über den Gesundheitszustand der Teilnehmer, ihre Fehltage und wie sie Effektivität und Produktivität der Teamarbeit einschätzten.

Bei positiv bewerteter Zusammenarbeit ließ sich eine erhöhte Hilfsbereitschaft und Gewissenhaftigkeit, mehr Unkompliziertheit und eine erhöhte Eigeninitiative nachweisen. Bewerteten die Befragten die Zusammenarbeit negativ, erschienen die Teilnehmer trotz Krankheit zur Arbeit und kamen zudem auf mehr Fehltage. Dies lässt auf einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand schließen.

Das heißt, je besser die Zusammenarbeit im interprofessionellen Team funktioniert und wahrgenommen wird, umso positiver der Effekt sowohl auf den Gesundheitszustand als auch auf das Arbeitsverhalten – und umgekehrt. Die Forscherin empfiehlt daher, die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen gut zu strukturieren und eine Kommunikationsbasis zu schaffen, zum Beispiel auf Grundlage der ICF.

nk

ergoscience 2016; 11: 46–56


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Erhöhtes Risiko für psychische Gesundheitsprobleme – Sensorische Modulationsstörungen

Menschen mit sensorischen Modulationsstörungen zeigen erhöhte psychische Belastungssymptome und eine eingeschränkte Lebensqualität. Zu diesem Ergebnis kommen die Ergotherapeutinnen Tami Bar-Shalita und Sharon A. Cermak an der Hebrew University of Jerusalem, Israel.

Die Forscherinnen untersuchten, ob psychische Stresssymptome charakteristisch für Menschen mit Modulationsstörungen sind und ob sie sich hinsichtlich der Lebensqualität im Vergleich zu Menschen ohne Modulationsstörungen sehr unterscheiden. Dazu erfragten sie die Symptome psychischer Belastung bei 105 Männern und 99 Frauen im Alter von 23 bis 40 Jahren anhand des Selbsteinschätzungsbogens Brief Symptom Inventory (BSI). Mittels Short Form (36) Health Survey Version 2 (SF-36) erhoben sie die Lebensqualität in Bezug auf die körperliche und emotionale Gesundheit. Alle Teilnehmer füllten zudem den Fragebogen Sensory Responsiveness Questionnaire – Intensity Scale (SRQ-IS) aus und wurden anhand der Ergebnisse in zwei Gruppen unterteilt: Teilnehmer, die mehr als zwei Standardabweichungen unter der Norm lagen, wurden der Modulationsgruppe zugeordnet (13 Männer und 13 Frauen, davon 23 überempfindlich, 3 unterempfindlich). Die anderen 178 Teilnehmer bildeten die Kontrollgruppe.

Anhand der Daten aus den Fragebögen untersuchten die Forscherinnen, ob sich eine Korrelation zwischen erhöhten Werten im sensorischen Bereich und psychischer Gesundheit zeigt. Den Ergebnissen zufolge traten in der Modulationsgruppe deutlich höhere psychische Belastungssymptome auf – hauptsächlich in Bezug auf paranoide Ideen und Sensibilität im zwischenmenschlichen Kontakt. Hinsichtlich der Lebensqualität zeigte sich eine deutlich eingeschränkte körperliche Gesundheit in Form von Schmerzsymptomen und einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Defizite in der sensorischen Modulation und eine verringerte Lebensqualität erwiesen sich damit als Prädikatoren für eine erhöhte psychische Belastung. Sensorische Modulationsstörungen können also einen Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Gesundheitsprobleme darstellen.

Den Forscherinnen zufolge können Ergotherapeuten durch ihr Wissen über sensorische Modulationsstörungen und deren Einfluss auf die psychische Gesundheit eine präventive Rolle in der Gesundheitsförderung von Menschen mit sensorischen Modulationsstörungen einnehmen.

evfi

Am J Occup Ther 2016; 70: 7004250010p1–7004250010p9


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Pflegende Angehörige belastet – Frühe Demenzerkrankungen

Die Versorgung von Menschen mit „präseniler“ Demenz verändert bei pflegenden Angehörigen die Betätigungsbereiche Arbeit, Freizeit und Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL). Den Unterstützungsbedarf, den sie signalisieren, können Ergotherapeuten decken. Zu diesem Ergebnis kommen die Ergotherapiestudentinnen Mareike Fischer, Carolin Happersberger und Samira Wilters von der Zuyd Hogeschool in Heerlen, Niederlande.

In ihrer qualitativen Bachelorstudie untersuchten die Studentinnen, wie sich Betätigungen und Rollen der Angehörigen durch die Pflegetätigkeit verändern. Dazu recherchierten sie zunächst in Datenbanken wie CINAHL und PubMed nach dem theoretischen Hintergrund. Dort fanden sie heraus, dass sich die Betätigungen und Rollen von pflegenden Angehörigen negativ verändern. Sie verlieren die vormalige Beziehung zu dem Erkrankten, müssen häufig ihre Berufstätigkeit reduzieren und ziehen sich aufgrund von Zeitmangel aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Daraus resultiert eine große Belastung für die Pflegenden, auf die sie sich nicht vorbereitet fühlen.

Aus den Rechercheergebnissen leiteten die Ergotherapiestudentinnen relevante Themenbereiche ab und erstellten einen Interviewleitfaden, den sie für Interviews mit acht Angehörigen in deren privaten Umfeld nutzten. Dort erfragten sie beispielsweise, welche Unterstützung die Angehörigen bräuchten, werteten die gewonnenen Daten mit der zusammenfassenden Inhaltsanalyse nach Mayring aus und bildeten 13 übergeordnete Kategorien. Dazu zählten zum Beispiel Aufklärung, Tagesgestaltung, Pflege, Therapie, Umgang mit der Situation, Belastungen und Gesundheitssystem.

In allen 13 Kategorien äußerten die Befragten den Wunsch nach qualifizierter Unterstützung. Sie wünschten sich insbesondere Informationen über das Krankheitsbild, Betreuungsmöglichkeiten, Pflegedienste und Selbsthilfeangebote. Sie fühlten sich in ihrem Alltag erheblich eingeschränkt, da sie zum Beispiel ihre Hobbys aufgeben mussten, ihre sozialen Kontakte vernachlässigten und den Alltag rund um Pflege, Betreuung und Arztbesuche planen mussten.

0,1 % der 45- bis 64-jährigen Menschen in Deutschland sind an einer Alzheimer-Krankheit mit frühem Beginn erkrankt.

Die Ursachen für die Problematik liegen den Bachelorstudentinnen zufolge im Bereich der Betätigungen und Rollen. Die pflegenden Angehörigen wechseln von der Partnerin oder Tochter zur Rolle der Pflegerin oder Betreuerin. Darauf sind sie nicht vorbereitet, sodass sie auch mit weniger gravierenden Problemen wie dem Umgang mit Hilfsmitteln überfordert sind. Ihr gesamtes Leben ändert sich und sie können ihren gewohnten Betätigungen nicht mehr nachgehen bzw. gehen Betätigungen wie der Pflege oder Betreuung nach, die sie nicht frei wählen konnten.

Hier können Ergotherapeuten ansetzen und Angehörige klientenzentriert unterstützen. Dies gelingt zum Beispiel durch die Vermittlung von Wissen über die Krankheit und den Umgang mit problematischen Verhaltensweisen. Zudem helfen den Angehörigen Interventionen, in denen sie zum Beispiel ein verbessertes Zeitmanagement erarbeiten.

Die Studentinnen betonen, dass sie nicht alle Aspekte wie Auswirkungen auf das Familiensystem erfasst haben. Dennoch decken sich ihre Ergebnisse mit der Empfehlung der S3-Leitlinie „Demenzen“, welche Angehörigenarbeit als elementaren Aspekt der Therapie ansieht.

Lk

ergoscience 2016; 11: 57–67


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Demenz – Verhaltensweisen

  • 90 % der Menschen mit einer Demenz leiden unter neuropsychiatrischen Symptomen wie Angst, Aggressivität oder Apathie.

  • Diese Symptome führen zu problematischen Verhaltensweisen, welche man als „Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia“ (BPSD) bezeichnet.

  • Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen und Angehörigen und sind häufig der eigentliche Grund für eine Heimeinweisung.

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Demenz. DEGAM–Leitlinie Nr. 12; Stand: 2008


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Definition – „Präsenile“ Demenz

  • Eine frühe Demenzerkrankung liegt vor, wenn sie vor dem 65. Lebensjahr auftritt.

  • Sie verläuft vergleichsweise rasch; deutliche und vielfältige Störungen der kortikalen Funktionen treten frühzeitig auf.

  • Die Bezeichnung „präsenil" ist missverständlich und soll nicht mehr verwendet werden. Darum fällt diese Erkrankungsform in der ICD-10 unter die Codierung F00.0 „Demenz bei Alzheimer-Krankheit mit frühem Beginn (Typ 2)“.

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Demenz. DEGAM–Leitlinie Nr. 12; Stand: 2008


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