Honda H, Gotoh M, Kanazawa T et al. 
Effects of Lidocaine on Torn Rotator Cuff Tendons. 
J Orthop Res 2016; 
34: 1620-1627 
 
         
         
         Einleitung
            Insbesonders subakromiale Injektionen von Lidocain dienen zur Differenzialdiagnose
               von Schulterschmerzen und zur lokalen Schmerzbehandlung bei Läsionen der Rotatorenmanschette.
               Es ist seit längerem bekannt, dass andere Lokalanästhetika wie Bupivacain eine toxische
               Wirkung auf Sehnen und Tenozyten aufweisen, jedoch ist die Wirkung des weit verbreiteten
               Lokalanästhetikums Lidocain auf die Sehnen und Tenozyten nicht bekannt. In dieser
               Studie sollte der Einfluss von Lidocain auf die Läsion der Rotatorenmanschette untersucht
               werden.
         Material und Methoden
            Die Analyse für dieses Vorhaben erfolgte mit Hilfe eines In-vitro- und In-vivo-Modells.
               Beim In-vitro-Modell wurden Tenozyten von 9 Patienten mit einer Rotatorenmanschettenläsion
               isoliert und kultiviert. Die Biopsie zur Zellpräparation erfolgte im Rahmen einer
               geplanten arthroskopischen Operation zur Behandlung der Rotatorenmanschettenläsion.
               Die isolierten und kultivierten Tenozyten wurden mit aufsteigenden Konzentrationen
               von Lidocain bzw. Kontrolllösung über 24 h behandelt und anschließend wurden zellproliferative
               Untersuchungen (mittels Fluoreszenz-Intensitätsmessung) bzw. Zellviabilitäts-Untersuchungen
               (mittels FACS-Analyse) durchgeführt. Für die In-vivo-Untersuchungen wurden 33 Sprague-Dawley-Ratten
               verwendet und ein Defekt an der Supraspinatussehne in offener chirurgischer Technik
               gesetzt. Anschließend wurde der Defekt verschlossen und es erfolgte eine Injektion
               von Lidocain von 0,1 ml (1 % Lidocain)/Körpergewicht (g), Dosis, welche beim Menschen
               0,1 ml/1 % Lidocain/Körpergewicht (kg) entspricht bzw. PBS als Kontrolllösung in der
               Region der Rotatorenmanschettenläsion. Anschließende Untersuchungen erfolgten 24 h,
               2, 4 und 8 Wochen nach Induktion der Läsion. Biomechanische Untersuchungen der Rotatorenmanschette
               sowie histologische und elektronenmikroskopische Untersuchungen wurden ebenfalls ex
               vivo durchgeführt.
         Ergebnisse
            Die Autoren haben festgestellt, dass Lidocain in vitro das Überleben der Tenozyten
               als auch deren Proliferation signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe bei aufsteigender
               Lidocain-Konzentration reduziert. In vivo kommt es nach Lidocain-Behandlung bei der
               lädierten Rotatorenmanschette zu einem signifikanten Ausfall der Gewebebelastung und
               der Gewebesteifigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe. Histologisch lässt sich schon
               nach 24 h eine erhöhte Apoptose bei der Lidocain-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe
               feststellen. Lidocain behandelte Tiere weisen weiterhin eine signifikant geringere
               Kollagendeposition (2. und 4. Woche nach Induktion der Läsion) im Vergleich zu den
               Kontrolltieren auf.
         Diskussion
            Folgende Arbeit zeigt, dass eine Lidocain-Behandlung zu einer Degradation der Rotatorenmanschette
               führt im Sinne einer erhöhten Apoptose und reduzierten biomechanischen Gewebeeigenschaften.
               Die In-vivo-Ergebnisse werden von den In-vitro-Ergebnissen gestärkt. Die Autoren diskutieren
               Ihre Ergebnisse ausreichend und stellen die Limitationen der Studie im Paper auch
               gut dar. In der Diskussion wird auf die Toxizität von Lidocain eingegangen und es
               wird versucht ihre Wirkung auf pathophysiologischer Ebene zu erklären. Zusammenfassend
               ist diese experimentelle Arbeit sehr interessant, da ein Medikament untersucht wurde,
               welches alltäglich in der Klinik Gebrauch findet. Die Ergebnisse der Studie sind nicht
               neu, da bereits ähnliche Ergebnisse für Bupivacain an der Achillessehne publiziert
               wurden [1]. Ein weiterer Kritikpunkt an der Studie ist das gewählte In-vivo-Modell.
               Rotatorenmanschettenläsionen treten überwiegend im Rahmen von degenerativen Prozessen
               auf. Das hier verwendete In-vivo-Modell stellt eher ein akutes Modell der Rotatorenmanschettenläsion
               und Wiederherstellung dar [2]. Ein chronisches Modell bei welchem z. B. der Defekt
               zweizeitig nach 2 Wochen versorgt wird, würde die Pathophysiologie der chronischen
               Läsion bei Menschen mehr ähneln.
         Fazit
            Die lokale subakromiale Injektion von Lokalanästhetika zur Differenzialdiagnose eines
               subakromialen Impigements hat einen wissenschaftlichen und klinischen Stellenwert
               [3]. Die Indikation allerdings zur lokalen Injektion besonders nach einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion
               sollte eher restriktiv gestellt werden, da dies eine vermehrte Degeneration des bereits
               verletzten Gewebes induzieren kann.