Frau Schwarzlmüller, Sie haben 2016 Ihr Staatsexamen gemacht. Haben Sie einen Traum
bzw. ein großes Ziel, das Sie als Physiotherapeutin erreichen möchten?
Nein. Wie die meisten Berufsanfänger stehe ich vor dem Problem, dass es so viele interessante
Bereiche innerhalb der Physiotherapie gibt. Ich muss mich erst einmal orientieren.
Zum Beispiel möchte ich mich im Bereich der Neurologie spezialisieren und schaue gerade,
welche Fortbildungen ich besuchen werde. Aber auch Gruppentherapien am Abend anzubieten,
finde ich interessant. Mein Arbeitsalltag soll möglichst bunt gestaltet sein.
Was beschäftigt Sie und andere junge Kollgen, die frisch in den Beruf einsteigen?
Uns beschäftigt, dass wir davon ausgehen müssen, nicht genug zu verdienen. Wir suchen
deshalb frühzeitig nach einem zweiten Standbein. Immer mehr Kollegen gehen hier in
den Präventionsbereich. Andere schauen, ob sie über die Akademisierung mit einem Masteroder
Doktortitel in besser bezahlte Tätigkeiten kommen.
Wie ist die Stimmung unter den Berufseinsteigern, beispielsweise in Ihrer Abschlussklasse?
Motiviert und positiv. Der Fachkräftemangel wirkt sich auf die Berufseinsteiger positiv
aus, da wir unter vielen Stellen auswählen können. Es ist erfreulich, wenn man bei
seinem Wunscharbeitgeber anfangen kann. Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings die
Umstellung auf den 20-Minuten-Takt.
2015 haben Sie sich zur Landesjuniorensprecherin wählen lassen. Was hat Sie dazu bewogen,
sich im Verband aktiv zu engagieren?
Als meine damalige Direktorin Claudia Klose in Berufskunde den Berufsverband vorstellte,
hatte ich das Gefühl: Da passiert etwas. Da wird etwas dafür getan, dass das Berufsbild
und die Vergütung besser und unsere Kompetenzbereiche erweitert werden. Wir brauchen
Ausbildungsstandards für die Physiotherapie. Ich wollte Teil einer Gesellschaft sein,
die etwas voranbringt, und bin deshalb Mitglied bei Physio-Deutschland geworden.
Es fallen immer noch Kommentare wie, Physiotherapeuten sind Massagemäuse oder machen
ein bisschen Sport. Es ist wichtig, in die Öffentlichkeit zu tragen, was hinter Physiotherapie
steckt.
Wie erreicht der Verband das? Und wie wirken Sie dabei mit?
Unter anderem durch politische Lobbyarbeit und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Wir
Junioren haben beispielsweise zu der bundesweiten Physio-Deutschland-Kampagne „38,7%
mehr wert.“ einen Flashmob in der Münchner Innenstadt organisiert. Bei der Kampagne
ging es darum, auf unsere prekäre Einkommenssituation hinzuweisen.
Wie viel Zeit stecken Sie in die Juniorenarbeit?
Das kommt darauf an, wie viel Zeit ich investieren kann und möchte. Während des Examens
habe ich es natürlich heruntergefahren, momentan bin ich wieder sehr aktiv. Ich beantworte
E-Mails, halte Telefonkonferenzen und besuche vier bis fünf Verbandstreffen auf Landes-
und Bundesebene. Im Schnitt also etwa eine halbe bis zwei Stunden pro Woche.
Erhalten Sie eine Aufwandsentschädigung?
Das ist ein Ehrenamt. Der Verband erstattet uns aber die Fahrtkosten zu Verbandstreffen,
versorgt uns gut, sodass es uns an nichts fehlt, und bietet uns Vergünstigungen für
diverse Veranstaltungen.
Wir sind sechs aktive Mitglieder in einem Landesjuniorenrat. Wir unterstützen uns
gegenseitig und schauen, dass wir Aufgaben gerecht verteilen.
Was gehört denn alles zu Ihren Aufgaben?
Wir organisieren die Landesjuniorentreffen. 2015 fand das in Deggendorf statt, 2016
in Würzburg und 2017 wird es in Augsburg sein. Im Frühjahr gibt es immer ein Forum
für Schüler und Berufseinsteiger. Die Veranstaltungen sind für Mitglieder und Nichtmitglieder
gedacht. Zudem versuchen wir mit den Studierenden mehr in den Austausch zu kommen.
Welche Themen stehen bei Ihren Veranstaltungen auf dem Programm?
Das ist zum einen die Zukunftsgestaltung. Wie können wir bestimmte Bereiche der Physiotherapie
berufspolitisch verbessern? Aber auch fachliche Themen, die für die Arbeit am Patienten
wichtig sind, und natürlich die evidenzbasierte Physiotherapie. Wir wollen über die
Trefen den Horizont erweitern und Themen ansprechen, die so nicht im Lehrplan enthalten
sind. Wir wollen ein möglichst buntes Programm auf die Beine stellen.
Gibt es Dinge, die Sie als Juniorensprecherin besonders erfreuen?
Mir macht es jedes Mal Spaß, wenn ich sehe, dass nahezu hundert junge Physiotherapeuten
aus über 30 Schulen aus ganz Bayern zusammenkommen und wie ansteckend die Freude an
einem gemeinsamen Trefen sein kann. Unsere Arbeit findet Zuspruch, sonst hätten wir
die Mitglieder des Juniorenrates auch nicht von drei auf sechs erhöhen können.
Ich schätze es außerdem sehr, dass wir Junioren einen festen Platz im Landesverband
Bayern haben, regelmäßig zu den Vorstandssitzungen eingeladen sind und dort auch eine
Stimme haben. Es motiviert sehr, wenn man als junger Schüler ernst genommen wird.
Wir sechs Juniorensprecher wechseln uns ab, sodass jeder etwa zweimal im Jahr an einer
Vorstandssitzung teilnimmt.
Viele sind politikverdrossen. Warum sollten sich Therapeuten im Verband engagieren?
Ich erachte es als wichtig, dass sich möglichst viele im Berufsverband organisieren.
Je größer die Solidargemeinschaft, desto stärker die Schlagkraft. Skeptiker lade ich
herzlich ein, sich selbst ein Bild zu machen und zu einem der vielen angebotenen Trefen
zu kommen. Es gibt stetige Fortschritte, wenn es oft auch nur kleine Schritte sind.
Schüler und Berufseinsteiger sind bei den Junioren herzlich willkommen.
Das heißt, Sie werden noch eine Weile als Landesjuniorensprecherin aktiv sein?
Ja, ich darf noch vier Jahre tätig sein und davon profitieren, was ich inzwischen
gelernt habe.
Woher nehmen Sie dafür die Energie?
Das Gefühl, dass ich etwas verändern kann, motiviert mich sehr. Ebenso der gemeinsame
Austausch auf Landes- und Bundesebene. Das bereitet viel Spaß.
Und was kommt nach der Juniorensprecherin?
(lacht) Ich weiß, dass ich weiter im Verband bleiben werde. Wie aktiv ich das dann
gestalte, wird sich zeigen. Der Verband bietet unterschiedliche Möglichkeiten, wie
die ehemaligen aktiven Junioren sich weiterhin engagieren können, zum Beispiel in
Regionaltreffen, Arbeitsgemeinschaften oder im Vorstand.
Das Gespräch führte Elke Oldenburg.
Miriam Schwarzlmüller (23) machte im April 2016 an der staatlichen Berufsfachschule für Physiotherapie
am Münchner Uniklinikum ihr Examen. Inzwischen ist sie in einer Physiotherapiepraxis
in München tätig. Bereits während der Ausbildung trat sie in den Landesverband Bayern
von Physio-Deutschland ein, zunächst als passives Mitglied. Ihr liegt sehr daran,
dass der Stellenwert der Physiotherapeuten besser wird. Aus passiv wurde aktiv. 2015
wurde Miriam zur Landesjuniorensprecherin gewählt und ist das heute noch. Sie freut
sich über junge Physiotherapeuten, die sich engagieren möchten: ljrs@bay.physio-deutschland.de.
Abb.: sbh/Physio-Deutschland
Landesjunioren bei Physio-Deutschland – Online informieren
Schülern, Studierenden und Berufseinsteigern bietet Physio-Deutschland unterschiedliche
Foren, um mitzuarbeiten und sich unter ihresgleichen austauschen zu können. Jeder
Landesverband hat eine LandesJuniorenOrganisation, die sich um alle Fragen rund um
das Thema Ausbildung und Berufseinstieg kümmert. Der BundesJuniorenRat berät den Bundesvorstand
in Ausbildungsfragen. Infos zur Arbeit der Junioren und Bundesjunioren, auch für Studierende,
gibt es unter:
www.physio-deutschland.de/fachkreise/verbandsstruktur/bundesjuniorenrat.html.