Pneumologie 2016; 70(12): 775
DOI: 10.1055/s-0042-121023
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Migrationsmedizin – Lungenentzündung durch Trinken von Benzin

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Publication Date:
08 December 2016 (online)

 

    Menschen auf der Flucht sind zahlreichen Gefahren ausgesetzt. Wissenschaftler berichten nun erstmals über lebensbedrohliche und teilweise tödliche Lungenentzündungen, die wahrscheinlich durch das Trinken von Benzin während der Bootsflucht über das Mittelmeer verursacht wurden.

    Die Veröffentlichung (The Lancet 2016; 388: 2350 – 2351) soll Ärzte, die Flüchtlinge behandeln, für diese Erkrankung sensibilisieren. 2015 sind mehr als 1 Mio. Menschen vor Krieg und Vertreibung nach Europa geflüchtet. Auf der gefährlichen Reise über das Mittelmeer versterben jede Woche zahlreiche Flüchtlinge. Während das hohe Risiko bekannt ist, das die Überfahrt in Schlauchbooten mit sich bringt, wurde eine Gesundheitsgefahr für die Flüchtenden bisher nicht wahrgenommen: das Trinken von Benzin. Die Schleuser verabreichen den Menschen auf der Bootsüberfahrt teilweise Benzinmischungen, um sie ruhigzustellen. Das gesundheitliche Risiko ist hoch: Benzin besteht aus aromatischen Kohlenwasserstoffen und kann schwerste Entzündungen der Lunge und andere Vergiftungen verursachen. Besonders problematisch ist, dass die Symptome der Erkrankung wie Fieber und Luftnot zunächst einer „normalen“ bakteriellen Lungenentzündung ähneln. Daher werden sie bei der medizinischen Untersuchung nach der Flucht oft verkannt. Auch in Röntgen- und CT-Aufnahmen lässt sich kein Hinweis auf die Ursache und die Gefährlichkeit der Erkrankung feststellen. Außerdem treten die Symptome oft erst nach Wochen auf. Die Sprachbarriere zwischen Geflüchteten und Ärzten macht es zusätzlich schwierig, den direkten Zusammenhang herzustellen. Den Wissenschaftlern gelang es nach sorgsamer Befragung der Dolmetscher und Patienten sowie gemeinsamer Auswertung von 3 Patientenfällen, den mutmaßlichen Zusammenhang zwischen Benzinmischungen und Lungenentzündung bei Bootsflüchtlingen erstmals zu beschreiben. Einer der Fälle war dabei von einem ehemaligen Mitarbeiter des Klinikums in den USA erfasst worden. Ein Fall verlief tödlich.

    Nach einer Mitteilung des Klinikums rechts der Isar der TU München


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