Der zunehmende Einsatz der multiparametrischen MRT (mpMRT) in der Primärdiagnostik
des Prostatakarzinoms führt den Urologen in Klinik und Praxis vor neue Herausforderungen:
Nachdem der Nutzen einer Fusion der Informationen aus der mpMRT mit dem transrektalen
Ultraschall zur gezielten Navigation in Kombination mit einer systematischen Biopsie
vielfach belegt, und die Überlegenheit gegenüber der alleinigen systematischen ultraschallgesteuerten
Biopsie gezeigt werden konnte, ist bislang unklar welche Fusionstechnik verwendet
werden sollte.
Hierbei kommen auf der einen Seite eine hohe Präzision der Biopsie suspekter Läsionen
zur optimalen Tumordetektion und auf der anderen Seite ökonomische Faktoren zum tragen,
die insbesondere einen teils hohen Kosten- und Zeitaufwand sowie eine Lernkurve der
Biopsietechnik betreffen.
Die „in-bore“-Biopsie mit MRT-navigierter gezielter Biopsie suspekter Läsionen zeigt
in den Untersuchungen hohe Detektionsraten, findet aufgrund des hohen Kosten- und
Zeitaufwands jedoch keinen breiten klinischen Einsatz. Da zudem keine systematische
Biopsie durchgeführt werden kann, können bis zu 15 % klinisch signifikanter Karzinome
übersehen werden.
Von größerer Relevanz für den klinischen Einsatz sind daher die kognitive (visuelle)
Bildfusion und Software-basierte Fusionssysteme. Bei der kognitiven Bildfusion dienen
anatomische „Leistrukturen“ der Prostata als Orientierung, um die zuvor analysierten
Läsionen in der mpMRT im Ultraschall aufzufinden und gezielt zu biopsieren. Software-basierte
Fusionssysteme ermöglichen ein automatisiertes Übereinanderlegen von mpMRT und Live-Ultraschall
zur Echtzeit-Navigation. Die Bildmodalitäten können dabei plan (rigide) oder elastisch
unter Berücksichtigung der Deformierung der Prostata durch die Ultraschallsonde fusioniert
werden. Die Biopsieführung erfolgt entweder manuell freihändig oder durch robotische
Arme unterstützt.
Die kognitive Bildfusion ist hierbei kostengünstiger und potenziell schneller durchzuführen.
So ist diese Technik insbesondere im ambulanten Bereich ein attraktives Verfahren
und benötigt einen nur unwesentlich höheren Aufwand in der Vorbereitung und Durchführung
als die rein systematische ultraschallgesteuerte Biopsie.
Die Studie von Lee et al. geht daher der wesentlichen Frage nach, ob mit der kognitiven
Fusionsbiopsie Prostatakarzinome im Allgemeinen und speziell Hochrisiko-Tumore mit
gleicher Genauigkeit detektiert werden können. Als sekundäre Endpunkte werden der
Einfluss der Tumorlokalisation innerhalb der Prostata auf die Detektion sowie die
Tumorlänge im Stanzzylinder evaluiert.
Im Untersuchungszeitraum wurde dabei ein Kollektiv von 296 Patienten mit mindestens
einem auffälligen MRT-Areal biopsiert. Die Patienten hatten zu 65 % bereits einen
gesicherten Tumor, 26 % erhielten eine Primärbiopsie und 5,6 % wiesen mindestens eine
negative Vorbiopsie auf. Weitere 3,1 % erhielten eine Re-Biopsie nach primärer Therapie
eines Prostatakarzinoms. Die Biopsie wurde durch 2 Operateure durchgeführt, wobei
zunächst 2 Stanzzylinder kognitiv fusioniert und anschließend 2 weitere Stanzzylinder
aus dem gleichen suspekten Areal mit der Biopsieplattform Urostation (Koelis, Frankreich)
entnommen wurden.
Es konnten dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen kognitiv fusionierter und
Software-basierter Fusionsbiopsie festgestellt werden. Dies galt sowohl für alle Prostatakarzinome
als auch Hochrisiko-Tumore, die mit einem Gleason Score von ≥ 7 definiert wurden.
Weiterhin fand sich kein Unterschied in der maximalen Tumorinfiltration der Stanzzylinder.
Auffällig war jedoch, dass nur 52 % der gefunden Hochrisiko-Tumore durch die beiden
Biopsietechniken identisch waren. Zudem konnten durch die Software-basierte Fusionsbiopsie
15 % mehr Tumore in der Transitionalzone detektiert werden, während die kognitiv fusionierte
Biopsie 11 % mehr Hochrisiko-Tumore in basalen Prostataanteilen fand.
Die Ergebnisse der Studie sind kongruent mit denen zweier vorheriger Untersuchungen,
die ebenfalls keinen signifikanten Unterschied in der Tumordetektion zwischen beiden
Fusionstechniken zeigten [1, 2]. Durch die unmittelbar aufeinander folgenden Biopsie
mit beiden Techniken aus derselben Läsion innerhalb einer Biopsiesitzung wird ein
aussagekräftiger Vergleich möglich.
Die Software-basierte Technik zeigt dabei Vorteile in der Transitionalzone. Die Erklärung
der Autoren, hier schlechter visualisierbare Läsionen durch automatisierte Bildfusion
gezielter biopsieren zu können, erscheint plausibel. Insbesondere durch die inhomogene
Konfiguration der Transitionalzone bei zunehmender Prostatahyperplasie lassen sich
maligne Läsionen für den Urologen schwieriger auffinden. Dass basal gelegene Hochrisiko-Tumore
häufiger durch die kognitive Bildfusion entdeckt wurden, wird auf Limitationen der
automatisierten elastischen Bildfusion bei der Konturierung der Prostatagrenzen zurückgeführt.
Vor allem die Kompression der Prostatabasis durch die Biopsie führe möglicherweise
zu Abweichungen in der Fusion. Diese Annahmen konnten ebenso in einer anderen Arbeit
beim Vergleich verschiedener Software-basierter Fusionssysteme an Prostataphantomen
festgestellt werden [3]. Einschränkend ist in dieser Arbeit die Verwendung nur eines
Software-basierten Systems, da sich im ex vivo Vergleich verschiedener Systeme insbesondere
zwischen Technik der Bildfusion (rigide/elastisch) und Zugangsweg (transrektal/transperineal)
Unterschiede in der Genauigkeit zeigen [3].
Zu beachten ist, dass sich zwar in der Gesamtdetektion keine signifikanten Unterschiede
zwischen beiden Techniken zeigten, die gefundenen Tumore jedoch nur zur Hälfte übereinstimmten
(52 %). Da pathologische Auswertungen von Prostatektomiepräparaten als Referenz fehlen,
lässt sich hier nur schwer beurteilen, ob es sich um unterschiedliche Tumoren handelt,
oder Tumore durch eine jeweilige Technik beispielsweise nur in ihren Randbereichen
erreicht wurden. Der hohe Anteil an Re-Biopsien bei bekanntem Prostatakarzinom und
zur Rezidivdiagnostik nach primärer Therapie könnte die Diversität der Tumore bedingen.
Einige methodische Auffälligkeiten sollten bei der Bewertung der Ergebnisse Berücksichtigung
finden. Hervorzuheben ist hierbei, dass alle Biopsien nur durch zwei in der mpMRT-Interpretation
und Fusionsbiopsie erfahrene Operateure durchgeführt wurden. Es bleibt unklar, ob
jeweils ein Operateur eine Technik pro Biopsiesitzung durchführt oder ob durch denselben
Operateur beide Techniken angewandt werden. In jedem Fall ist nur Rückschluss auf
die Tumordetektion einer sehr kleinen Gruppe von Operateuren zu ziehen, womit ein
wesentliches Problem der kognitiven Fusion offenkundig wird. Die Technik erfordert
ein hohes Maß an Expertise in der transrektalen Sonographie der Prostata und MRT-Interpretation.
Hierbei ist eine relevante Lernkurve zu erwarten. Die Anwendung der Technik beschränkt
sich daher insbesondere in Zentren mit niedrigerer Fallzahl auf wenige Operateure.
Software-basierte Fusionssysteme bieten hier den Vorteil einer computerbasierten automatischen
Bildfusion und abhängig vom System unterstützten Biopsieführung. Eine breitere Anwendbarkeit
auch in verschiedenen Ausbildungsgraden ist daher anzunehmen.
Weiterhin wird durch die Autoren beschrieben, dass die Auswertung der mpMRT durch
6 verschiedene Radiologen mit uroradiologischer Erfahrung von 6 – 15 Jahren in der
Interpretation von Prostata-MRT`s erfolgte. Es wird jedoch nicht angegeben, ob die
Befundung hierbei nur durch einen Radiologen oder eine Reevaluation durch einen zweiten
Radiologen durchgeführt wurde. Das angewandte Bewertungssystem entspricht einem klinikinternen
Klassifikationssystem (Likert-Skala von 1 – 5), nicht jedoch der standardisierten
Auswertung nach PI-RADS. Alle Läsionen mit einem Score von mindestens 3 wurden zur
gezielten Biopsie herangezogen (75 % Grad 4 und Grad 5). Angaben zur Größe der suspekten
Läsionen fehlen jedoch ebenso wie Informationen darüber, durch wen die Areale in den
MR-Sequenzen markiert wurden. Studien konnten belegen, dass die Tumordetektionsrate
durch spezifisches Training des Uroradiologen deutlich gebessert werden kann [4].
Die PI-RADS Klassifikation wurde in Version 1 und 2 mehrfach validiert und wird zur
Anwendung von führenden Gesellschaften empfohlen [5 – 7]. Dass die Größe des Tumors
mit der Detektion in der mpMRT korreliert, konnte ebenfalls belegt werden [8]. Eine
Berücksichtigung dieser Faktoren im Vergleich der beiden Techniken findet sich in
der Arbeit von Lee et al. nicht.
Insgesamt zeigt die Studie von Lee et al. demnach, dass in der Gesamtdetektion von
Prostatakarzinomen keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen beiden Fusionstechniken
zu erwarten sind, wenn die Biopsie durch Experten durchgeführt wird und unterstützt
damit die Ergebnisse der bisher wenigen Vorarbeiten. Um die Verfahren als gleichwertig
betrachten und dementsprechend auch die kognitive Fusion für den breiten Einsatz empfehlen
zu können, bedarf es jedoch weiterer direkter Vergleiche unter Berücksichtigung aller
o. g. Einflussfaktoren und verschiedener Fusionsplattformen.
Die Autoren
Prof. Dr. Manuel Ritter, Urologische Klinik Universitätsklinikum Mannheim, Geschäftsführender Oberarzt
Dr. Niklas Westhoff, Urologische Klinik Universitätsklinikum Mannheim, Assistenzarzt
Literatur
[1] Wysock JS, Rosenkrantz AB, Huang WC, et al. A prospective, blinded comparison
of magnetic resonance (MR) imaging-ultrasound fusion and visual estimation in the
performance of MR-targeted prostate biopsy: the PROFUS trial. European urology. Aug
2014; 66: 343 – 351.
[2] Puech P, Rouviere O, Renard-Penna R, et al. Prostate cancer diagnosis: multiparametric
MR-targeted biopsy with cognitive and transrectal US-MR fusion guidance versus systematic
biopsy--prospective multicenter study. Radiology. Aug 2013; 268: 461 – 469.
[3] Westhoff N, Siegel FP, Hausmann D, et al. Precision of MRI/ultrasound-fusion biopsy
in prostate cancer diagnosis: an ex vivo comparison of alternative biopsy techniques
on prostate phantoms. World journal of urology. Nov 09 2016.
[4] Garcia-Reyes K, Passoni NM, Palmeri ML, et al. Detection of prostate cancer with
multiparametric MRI (mpMRI): effect of dedicated reader education on accuracy and
confidence of index and anterior cancer diagnosis. Abdominal imaging. Jan 2015; 40:
134 – 142
[5] Roethke MC, Kuru TH, Schultze S, et al. Evaluation of the ESUR PI-RADS scoring
system for multiparametric MRI of the prostate with targeted MR/TRUS fusion-guided
biopsy at 3.0 Tesla. European radiology. Feb 2014; 24: 344 – 352
[6] Renard-Penna R, Mozer P, Cornud F, et al. Prostate Imaging Reporting and Data
System and Likert Scoring System: Multiparametric MR Imaging Validation Study to Screen
Patients for Initial Biopsy. Radiology. May 2015; 275: 458 – 468
[7] Woo S, Suh CH, Kim SY, Cho JY, Kim SH. Diagnostic Performance of Prostate Imaging
Reporting and Data System Version 2 for Detection of Prostate Cancer: A Systematic
Review and Diagnostic Meta-analysis. European urology. Feb 11 2017
[8] Bratan F, Niaf E, Melodelima C, et al. Influence of imaging and histological factors
on prostate cancer detection and localisation on multiparametric MRI: a prospective
study. European radiology. Jul 2013;23: 2019 – 2029