Grundlagen
Atemwegssicherung unter notfallmedizinischen Bedingungen
Die schwierige Atemwegssicherung tritt in der Notfallmedizin wesentlich häufiger auf
als unter klinischen Bedingungen. Neuere Angaben zur Inzidenz liegen für die schwierige
Intubation bei 13,4 % und die unmögliche Intubation bei 1,4 % [1]. Das liegt zum einen an unzureichenden Rahmenbedingungen, wie schlechte Sichtverhältnisse,
erschwerter Zugang zum Patienten, Unmöglichkeit der Lagerungsoptimierung sowie Verletzungen
im Gesichts- und Halsbereich. Zum anderen fehlt die Möglichkeit, einen erfahreneren
Kollegen oder einen Kollegen einer chirurgischen Disziplin hinzu zu rufen. Außerdem
ist der Platz im Notarztwagen beschränkt, sodass nicht die gesamte Ausrüstung mitgenommen
werden kann. Das heißt, als Notarzt sollte man vom Ausbildungsstand und von den Fertigkeiten
her in der Lage sein, unter diesen Bedingungen einen schwierigen Atemweg zu managen.
Dass hier selbst erfahrene Kollegen schnell an ihre Grenzen kommen können, ist jedem
klar. Als Notarzt sollte man allerdings einen Plan B und vielleicht noch einen Plan
C haben, um einen Patienten mit einem schwierigen Atemweg transportfähig zu machen
und in die Klinik zur definitiven Atemwegssicherung und Unfallversorgung zu bringen.
Hierzu stehen in der Notfallmedizin verschiedene Hilfsmittel und Techniken zur Verfügung:
Gesichtsmaske mit Guedel- bzw. Wendl-Tubus, Larynx-Maske, Larynx-Tubus, Kombitubus,
Koniotomie oder auch nicht invasive Beatmung (NIV). Unter optimierten klinischen Bedingungen
kann dann in der Notaufnahme oder im Schockraum der schwierige Atemweg gesichert werden.
Ziel und Zweck
Der altbekannte Satz hat besonders in der Notfallmedizin große Bedeutung: Der Patient
benötigt primär Sauerstoff und keinen Tubus, denn Patienten sterben nicht daran, dass
sie nicht intubiert werden konnten, sondern daran, dass sie nicht oxygeniert wurden,
dass nicht aufgehört wurde, sie zu intubieren und dass eine Fehlintubation nicht erkannt
wurde. In der oben zitierten Arbeit von Breckwoldt et al. konnten alle Patienten mit
schwieriger und unmöglicher Intubation suffizient beatmet werden.
Die primäre fiberoptische Intubation des spontan atmenden Patienten gilt heute noch
immer als Goldstandard bei bekanntem schwierigen Atemweg [2]
[3]
[4]. Es sollen hier das praktische Vorgehen bei der fiberoptischen Intubation des spontan
atmenden Patienten vermittelt und Möglichkeiten des Einsatzes des Fiberendoskops zur
endotrachealen Intubation bei Patienten, deren Atemweg primär mit einem supraglottischen
Hilfsmittel gesichert wurde, beschrieben werden.
Indikationen
Die fiberoptische Intubation kann in der frühen innerklinischen Versorgung (Zentrale
Notaufnahme, OP, Intensivstation) zur Anwendung kommen. Indikationen für die primäre
fiberoptische Intubation sind alle Situationen, in denen eine Beatmung mit einer Gesichtsmaske,
die Anwendung des Laryngoskops und der Einsatz eines supraglottischen Hilfsmittels
unmöglich erscheinen [2]
[3]
[5]. Diese Situationen müssen bei Eintreffen des Patienten in der Klinik schnell erfasst
werden. In dringenden Situationen wird die Indikation eher großzügig gestellt werden,
um durch das rasche Anwenden des Verfahrens eine Hypoxie zu vermeiden. Auf den Einsatz
der Fiberoptik bei liegendem supraglottischen Atemweg wird weiter unten eingegangen.
Grenzen der fiberoptischen Intubation
Wie jedes invasive Verfahren hat auch die fiberoptische Intubation ihre Grenzen und
Einschränkungen.
Die Fiberoptik hat im Vergleich zu Videolaryngoskopie-Monitoren ein kleineres Sichtfeld,
bietet aber im Gegensatz zum retromolaren Intubationsfiberskop nach Bonfils bzw. dem
starren Intubationstracheoskop („Notrohr“) ein größeres Sichtfeld. Durch den kleinen
Absaugkanal (2,2 mm bei einem Fiberendoskop mit einem Außendurchmesser von 5 mm) kann
es schwierig bis unmöglich sein, Blut oder zähes Sekret abzusaugen, um freie Sicht
zu erhalten. Hier empfiehlt sich das Freispülen mit NaCl 0,9 % über den Arbeitskanal
des Fiberendoskops oder die zusätzliche Verwendung eines Absaugkatheters, der oral
eingeführt wird. Aufgrund der Flexibilität des Fiberendoskops ist es nicht möglich,
Tumoren im Glottisbereich zu überwinden. Die Anwendung des starren Intubationstracheoskops
(„Notrohr“) die Durchführung einer Koniotomie sind Alternativen. Daher ist es besonders
wichtig, sich vor Anwendung des Verfahrens Klarheit zu verschaffen, auf welcher Höhe
sich das Problem bei der Atemwegssicherung befindet. Bei Notwendigkeit extremer Abwinkelungen
mit dem Fiberendoskop zur Umgehung von Hindernissen kann das Vorschieben des Tubus
Probleme bereiten bzw. unmöglich sein.
Die Erfahrung des Durchführenden und die Kooperationsbereitschaft des Patienten sowie
eine erfahrene Assistenz beeinflussen den Erfolg der Technik. Die Vorbereitung des
Verfahrens und des Patienten sind zeitintensiv, daher ist die Technik der fiberoptischen
Intubation keine Maßnahme für vital bedrohte Patienten und für den Einsatz im Rettungsdienst
in der präklinischen Atemwegssicherung. In der Situation „cannot intubate, cannot
ventilate, cannot oxygenate“ muss eine Koniotomie durchgeführt werden.
Vor- und Nachteile
Als Vorteile der fiberoptischen Intubation unter Spontanatmung gelten:
-
schmerzloses, nicht traumatisierendes Verfahren,
-
keine Tubusfehllagen bei permanenter Sichtkontrolle,
-
Erhalt von Spontanatmung und Schutzreflexen,
-
Vermeidbarkeit von Muskelrelaxanzien und Anwendbarkeit in extremen Patientenpositionen,
die eine laryngoskopische Intubation nicht zulassen (z. B. bei Patienten mit Traumata
der Halswirbelsäule).
Als Nachteile sind zu erwähnen:
-
Limitierung bei starren Hindernissen und stenosierenden Prozessen,
-
Sichtbehinderung durch Blut und Sekret,
-
Möglichkeit von Abwehrreaktionen trotz ordnungsgemäßer Lokalanästhesie.
Die fiberoptische Intubation ist nach wie vor der Goldstandard bei bekanntem oder
vermutetem schwierigem Atemweg. Trotz neuer, videoassistierter Möglichkeiten (z. B.
C-Mac, Glidescope, Airtraq), mit deren Hilfe zahlreiche, schwierige Intubationen bewältigt
werden können, bietet die fiberoptische Intubation den größten Sicherheitsfaktor für
den Patienten, den Erhalt der Spontanatmung, und sie ist das einzige Verfahren für
das Management des tiefen Atemwegs, z. B. in der Thoraxanästhesie.
Die sorgfältig durchgeführte Lokalanästhesie und die Führung des Patienten sind entscheidend
für den Erfolg der fiberoptischen Intubation.
Wie für jede manuelle Tätigkeit sind eine fundierte Ausbildung und regelmäßiges Training
eine unabdingbare Voraussetzung. Ein klinikinterner Standard (Algorithmus zum Einsatz
der fiberoptischen Intubation, Vorbereitung des Materials und des Patienten, Kooperation
der beteiligten Berufsgruppen) erleichtert die Ausbildung und trägt zu einem reibungslosen
Ablauf der fiberoptischen Intubation besonders in Notfallsituationen in der Notaufnahme
oder im Schockraum bei.
Die Anwendung der fiberoptischen Intubation in der Präklinik erscheint nach Ansicht
der Autoren nicht sinnvoll und kann daher nicht empfohlen werden.
In der frühen innerklinischen Phase hat die fiberoptische Intubation nach strenger
Indikationsstellung und Beachtung der Limitationen der Methode durchaus einen Stellenwert.
Schritt für Schritt
Die fiberoptische Intubation umfasst folgende Arbeitsschritte
-
Vorbereiten der Technik
-
Vorbereiten des Patienten
-
Lokalanästhesie
-
Vorbereitung und Funktionskontrolle des benötigten Materials und der Technik
-
Konnektion der Lichtquelle und der Absaugung
-
Lubrifikation
-
Einführen des Fiberendoskops in den Endotrachealtubus
-
Auftragen von Antibeschlagmittel
-
Dioptrienkorrektur
-
Fiberoptische Intubation (nasotracheal)
-
Alternativ zur nasotrachealen fiberoptischen Intubation: orotracheale fiberoptische
Intubation oder fiberoptische Intubation bei liegendem supraglottischen Atemweg.
Schritt 1 Vorbereitung des Patienten
Schritt 1 Vorbereitung des Patienten
Wurde nach dem durchgeführten „Quick-Check“ (Vitalparameter, insbesondere Atemmechanik
und
Sauerstoffsättigung sowie eine orientierende morphologische Einschätzung des Gesichts
und des Halses, der Mundöffnung und des Verletzungsmusters) die Indikation zur fiberoptischen
Intubation gestellt, muss das Instrumentarium vorbereitet werden. Hier sind ein mit
dem Verfahren vertrautes Personal und die schnelle Verfügbarkeit des Instrumentariums
unabdingbar [6]
[7]. Idealerweise befindet sich das Zubehör zur fiberoptischen Intubation auf einer
mobilen fahrbaren Einheit ([Abb. 1]). Es hat sich als Vorteil erwiesen, Fiberendoskope mit Batterielichtquellen zu verwenden,
sodass das nicht benötigte Lichtleitkabel die Beweglichkeit des Intubierenden nicht
einschränkt.
Abb. 1 Fahrbare Notfalleinheit Atemwegsmanagement.
Es ist für die Patienten besonders wichtig zu wissen, dass das Verfahren der fiberoptischen
Intubation weder schmerzhaft noch risikoreich ist, und dass der Erhalt der Spontanatmung
den größten Sicherheitsfaktor darstellt.
Schritt 2 Lokalanästhesie
Schritt 2 Lokalanästhesie
Das Ziel der Lokalanästhesie (LA) ([Abb. 2]) ist die schmerz- und
stressfreie fiberoptische Intubation des Patienten durch Dämpfung der pharyngealen,
laryngealen und tracheobronchialen (protektiven Atemwegs-) Reflexe.
Abb. 2 Material für Lokalanästhesie und Lubrifikation zur fiberoptischen Intubation.
Material
Die Autoren verwenden Lidocain 2 % (Lokalanästhetikum vom Amid-Typ, geringe Toxizität,
schnelle Anschlagszeit, Maximaldosis 3–4 mg/kgKG) für die Lokalanästhesie. Die Anwendung
erfolgt off label.
Bei der nasotrachealen fiberoptischen Intubation besteht die Notwendigkeit der Lokalanästhesie
(LA) des Naso- und des Oropharynx sowie des Larynx und der oberen Trachea.
Lokalanästhesie des Nasopharynx
Nach Vorbereitung des Patienten (Monitoring, periphere Venenverweilkanüle) erfolgt
primär die
LA des Nasopharynx mit 3–5 ml Lidocain 2 % unter Verwendung des „Mucosal Atomization
Device“ (MAD, Hersteller LMA) ([Abb. 3]).
Abb. 3 Lokalanästhesie des Nasopharynx.
Eine zusätzliche topische Anästhesie mit einem Vasokonstriktorzusatz zur Abschwellung
der vulnerablen und gut durchbluteten Nasenschleimhaut wird empfohlen. In der Klinik
der Autoren wird eine Mischung aus Lidocain und Phenylephrin verwendet (Lidocain 0,3 % + Phenylephrin
0,25 %). Hiervon werden pro Nasenloch 0,5 ml appliziert. Der Patient wird hierbei
aufgefordert, durch die Nase zu atmen.
Lokalanästhesie des Oropharynx
Die LA des Oropharynx bei der orotrachealen Intubation erfolgt ebenfalls unter Verwendung
des
MAD ([Abb. 4]).
Abb. 4 Lokalanästhesie des Oropharynx.
Lokalanästhesie des Larynx und der oberen Trachea
Die LA des Larynx und der oberen Trachea wird durch Punktion der Membrana cricothyreoidea
und
der Injektion von 2 ml Lidocain 2% nach Aspiration von Luft erreicht ([Abb. 5]). Der ausgelöste Hustenreiz verteilt das Lokalanästhetikum in Richtung Stimmbänder.
Abb. 5 Punktion der Membrana cricothyreoidea zur Applikation des Lokalanästhetikums nach
Luftaspiration und unter Fixation des Kehlkopfs.
Die Ausführlichkeit der Durchführung der Lokalanästhesie ist in der Notfallsituation
natürlich abhängig von den Vitalparametern, ggf. muss darauf verzichtet werden.
Möglichkeit der Analgosedierung
Supportiv oder alternativ zur LA besteht die Möglichkeit der Analgosedierung. Dabei
sollte auf die Anwendung von Sedativa verzichten werden und lediglich Opiate zur Anwendung
kommen. Remifentanil ist wegen der guten Steuerbarkeit, dem schnellen Wirkungseintritt
(30–60 s) und der kurzen Wirkdauer (5 min) besonders geeignet und kann bei Bedarf
mit Naloxon antagonisiert werden. Wir empfehlen eine vorsichtige Titration des Opiats
unter Erhalt der Spontanatmung und der Schutzreflexe. Die Rückfallebene der Antagonisierung
der Opiatwirkung würde durch den gleichzeitigen Einsatz von Sedativa leichtfertig
verspielt. Bei Patienten mit bereits bestehender Atemnot ist eine Analgosedierung
kontraindiziert.
Schritt 3 Vorbereitung und Funktionskontrolle des benötigten Materials und der Technik
Schritt 3 Vorbereitung und Funktionskontrolle des benötigten Materials und der Technik
Technische Voraussetzungen
Zur Durchführung einer fiberoptischen Intubation sind einige technische Voraussetzungen
erforderlich. Es wird eine Lichtquelle benötigt (Xenon-Lichtquelle oder Batterie-Lichtquelle).
Bei Verwendung einer Xenon-Lichtquelle sind ein Stromanschluss und ein Lichtleitkabel
zwingend. Eine suffiziente Absaugvorrichtung, idealerweise ein Monitor und diverse
Einmalmaterialien werden benötigt. Ein schonender Umgang mit dem Fiberendoskop ist
unbedingt notwendig. Es sollte senkrecht hängend oder in einer geräumigen Schublade
aufbewahrt werden. Knickbildungen oder unsachgemäßer Umgang, wie z. B. Anschlagen
an scharfe Kanten von Notfalltragen oder OP-Tischen führen zu Faserbrüchen und zum
Funktionsausfall mit immensen Reparaturkosten oder zur konsekutiven Neubeschaffung
eines Geräts.
Konnektion der Lichtquelle und der Absaugung
Das Vorbereiten des Fiberendoskops erfolgt in der Regel unter sterilen Kautelen. Nach
der
Konnektion mit einer Lichtquelle und der Absaugvorrichtung ([Abb. 6]) muss der Funktionstest durchgeführt werden (Funktion der Absaugung, Beweglichkeit/Abwinkelbarkeit
der Spitze des Fiberendoskops, Optikkontrolle auf Faserbrüche).
Abb. 6 Konnektion der Lichtquelle und der Absaugung mit dem Fiberendoskop.
Lubrifikation
Die Lubrifikation des Endoskops kann mit Lubricano-Gel erfolgen, das mit einer sterilen
Kompresse aufgetragen wird ([Abb. 7]). Alternativ kann Silikonspray verwendet werden, das ebenfalls mit einer sterilen
Kompresse aufgetragen werden sollte. Ein direktes Besprühen des Arbeitsteils des Fiberendoskops
mit Silikonspray ist unbedingt zu vermeiden, da es durch die Verdunstungskälte zu
Rissen in der Ummantelung kommen kann.
Abb. 7 Lubrifikation des Fiberendoskops mit Lubricano-Gel auf einer sterilen Kompresse.
Einführen des Fiberendoskops in den Endotrachealtubus
Nach der Lubrifikation wird das Fiberendoskop in den Endotrachealtubus eingeführt.
Nach dem Dichtigkeitstest des Endotrachealtubus ist darauf zu achten, dass die Luft
komplett aus dem Cuff entfernt wird, damit es einerseits nicht zu Verletzungen in
der Nase, andererseits nicht zu Cuffbeschädigungen kommt. Für einen sicheren Halt
am Fiberendoskop erfolgt die Fixierung des Endotrachealtubus mit einem Pflasterstreifen
am Kontrollteil.
Auftragen von Antibeschlagmittel
Auf das distale Ende des Fiberendoskops wird ein Antibeschlagmittel aufgetragen ([Abb. 8]).
Abb. 8 Behandlung der Optik mit einem Antibeschlagmittel.
Dioptrienkorrektur
Es erfolgt die Fokussierung der Optik mit dem Dioptrienkorrekturring (Empfehlung:
Fokussierung der Aufschrift auf einer Kompressenverpackung oder einem Patientenetikett).
Auch das hier beschriebene Vorgehen muss im Notfall abgekürzt werden, was, um es nochmals
zu erwähnen, ein absolut eingespieltes Team und die Vertrautheit mit diesem Verfahren
voraussetzt.
Der begleitende Notarzt muss vor dem Transport die Zielklinik über den schwierigen
Atemweg informieren, um Zeit für die Vorbereitung des Instrumentariums zu haben und
ggf. einen Kollegen einer operativen Disziplin (z. B. HNO, Kieferchirurgie) für die
Durchführung einer chirurgischen Atemwegssicherung in den Schockraum zu bitten.
Schritt 4 Fiberoptische Intubation
Schritt 4 Fiberoptische Intubation
Fiberoptische nasotracheale Intubation
Einführen des Fiberendoskops in den unteren Nasengang
Das Fiberendoskop sollte so gehalten werden, dass Lichtkabel (wenn keine Batterielichtquelle
vorhanden ist) und Absaugschlauch nicht die Sicht behindern. Die führende Hand steuert
das Einführungsteil.
Die Position des Intubierenden kann sowohl am Kopfende des Patienten als auch seitlich
vom Patienten eingenommen werden. Bei der Position am Kopfende ist die Orientierung
an den anatomischen Strukturen einfacher. Die seitliche Position empfiehlt sich z. B.
bei Patienten mit ausgeprägter Kyphoskoliose, die nur in sitzender Position intubiert
werden können. Allerdings ist in dieser Position ein Umdenken erforderlich, da sowohl
die anatomischen Strukturen „auf dem Kopf stehen“, als auch die Steuerung des distalen
Endes des Fiberendoskops Orientierungschwierigkeiten bereiten kann. Es kann hilfreich
sein, sich auf eine Stufe zu stellen, da ein gestrecktes Halten des Fiberendoskops
die Orientierung bei axialen Bewegungen erleichtert und eine Abwinkelung des Einführungsteils
außerhalb des Patienten so vermieden wird.
Die Identifikation des größeren unteren Nasengangs erfolgt unter direkter fiberoptischer
Sicht. Ebenfalls unter ständiger direkter Sicht erfolgt das vorsichtige Einführen
des Fiberendoskops in den unteren Nasengang und das weitere Vorschieben ([Abb. 9]). Hierbei kann ein behutsames Abstützen auf dem Jochbogen des Patienten mit dem
4. und 5. Finger der führenden Hand zur ruhigeren Führung des Instruments hilfreich
sein.
Abb. 9 Einführen des Fiberendoskops unter Sicht in den unteren Nasengang. Die weißen ringförmigen
Markierungen am Fiberendoskop erlauben eine Kontrolle über die Einführtiefe.
Passage der Stimmbänder
Die Leitstruktur bei der fiberoptischen Intubation ist die Epiglottis ([Abb. 10]). Die Passage der Stimmbänder und das weitere Vorschieben in die Trachea sollten
möglichst mittig im Lumen erfolgen, um Schleimhautkontakt mit Sichtbehinderung und
eventuell auftretende Abwehrreaktionen zu vermeiden. Bei Bedarf können vor der Stimmbandpassage
zusätzlich 2–3 ml Lidocain 2 % durch den Arbeitskanal appliziert werden. Die Einführtiefe
des Fiberendoskops in den Kehlkopf und die Trachea sollte mindestens 5 cm ab der Passage
der Stimmbandebene betragen (Orientierung an den ringförmigen Markierungen am Einführteil,
die im Abstand von 5 cm angebracht sind). Somit kann die „Luxation“ des Fiberendoskops
aus dem Kehlkopf beim Vorschieben des Tubus, das sog. „Peitschenhieb-Phänomen“, vermieden
werden. Eine sichere Identifizierung der Trachea anhand der anatomischen Merkmale
(ventrale Trachealspangen, dorsale Pars membranacea) ist zwingend.
Abb. 10 Blick durch die Fiberoptik auf die Epiglottis und die Stimmbandebene (Mit freundlicher
Genehmigung von: Professor Ch. Sittel, Klinikum Stuttgart).
Einführen des Tubus
Das Vorschieben des Tubus über das Fiberendoskop als Leitschiene sollte behutsam erfolgen,
um Verletzungen in der Nase zu vermeiden ([Abb. 11]). Axiale Drehbewegungen des Tubus sind zu vermeiden, da es hierbei zu einer Verletzung/Abscherung
der Nasenmuschel kommen kann. Stattdessen ist ein mäßiger Druck hilfreich. Bei einem
Widerstand beim Vorschieben des Tubus wird ein Zurückziehen des Tubus um 2–3 cm und
ein Drehen um 90° empfohlen.
Abb. 11 Vorsichtiges Einführen des Tubus in die Trachea über das Fiberendoskop als Leitschiene.
Platzieren des Tubus und Narkoseeinleitung
Nach der sicheren endotrachealen Lage des Tubus ([Abb. 12]) (Identifikation der Trachealspangen, Abstand Carina/Tubusspitze und Kapnografiesignal
des spontan atmenden Patienten) erfolgt die Narkoseeinleitung.
Abb. 12 Blick durch die Fiberoptik auf die Carina mit Tubusspitze im linken und unteren Bildrand
(Mit freundlicher Genehmigung von: Professor Ch. Sittel, Klinikum Stuttgart).
Die Blockung des Cuffs sollte äußerst behutsam oder, wenn möglich, erst nach Einleitung
der Allgemeinanästhesie erfolgen, um Abwehrreaktionen zu vermeiden. Der Tubus muss
bis zur Fixation durch eine Person vor einer akzidentellen Extubation geschützt werden.
Fiberoptische orotracheale Intubation
Ist die beschriebene nasaotracheale Intubation aus anatomischen Gründen oder aufgrund
des Verletzungsmusters nicht möglich oder kontraindiziert, kann die orotracheale fiberoptische
Intubation gewählt werden. Dieser Zugangsweg ist technisch etwas schwieriger, da es
einen nahezu rechten Winkel im Bereich des Zungengrunds zu überwinden gilt. Hier kann
die Mitarbeit des Patienten, soweit dies möglich ist, durch Aufforderung, die Zunge
herauszustrecken, hilfreich sein.
In Allgemeinanästhesie kann der Esmarch-Handgriff oder der Einsatz eines geschlitzten
Guedel-Tubus Verbesserung bringen ([Abb. 13]).
Abb. 13 Guedel-Tubus. Verwendung des geschlitzten Guedel-Tubus zur fiberoptischen Intubation
(a). Dieser kann bei endotrachealer Lage des Fiberendoskops (b) vor dem Verschieben des Tubus problemlos entfernt werden (c).
Es sollte bei der orotrachealen Intubation immer ein Beißschutz verwendet werden,
um Beschädigungen des Endoskops durch die Zähne des Patienten zu vermeiden. Bei Verwendung
eines Beißschutzes muss vor der Fixation des Tubus auf dem Fiberendoskop der Tubuskonnektor
entfernt werden. Bei Verwendung von Tuben, bei denen der Konnektor verschweißt ist,
muss die Passage des Konnektors durch den Beißschutz überprüft werden ([Abb. 14]).
Abb. 14 Beißschutz. Mögliche (a) und nicht mögliche (b) Passage des Tubuskonnektors durch einen Beißschutz.
Fiberoptische Intubation bei liegendem supraglottischen Atemweg
Im präklinischen Atemwegsmanagement haben bei Problemen der Atemwegssicherung supraglottische
Hilfsmittel einen festen Stellenwert. Hierzu zählen der Larynx-Tubus, die Larynx-Maske
und der Kombitubus [8]
[9]
[10]
[11].
Ist eine endotracheale Intubation erforderlich, kann diese mithilfe des Fiberendoskops
innerklinisch erfolgen. Es gibt wohl keinen Notarztstandort in Deutschland, der dieses
Verfahren für die Präklinik vorhält. Der Schulungsaufwand ist enorm, die Technik ist
extrem störanfällig und Schäden können extrem teuer sein. Nach unserer Meinung ist
dies auch nicht sinnvoll, denn supraglottische Atemwegshilfsmittel sind eine Alternative
bei unmöglicher laryngoskopischer Intubation und Maskenbeatmung. Studien müssen zeigen,
ob Videolaryngoskopie-Systeme eine ebenfalls sinnvolle Alternative für die Präklinik
darstellen, bevor hierzu allgemeingültige Empfehlungen gegeben werden können.
Die endotracheale Intubation bei liegender Larynx-Maske oder liegendem Larynx-Tubus
kann mithilfe eines Aintree-Katheters (Cook Medical USA, Innendurchmesser 4,7 mm,
Außendurchmesser 7 mm, Länge 56 cm) durchgeführt werden ([Abb. 15]). Dieser wird auf ein Fiberendoskop mit einem Außendurchmesser von 3,5 mm fixiert.
Es erfolgt die fiberoptisch kontrollierte Platzierung des Aintree-Katheters über die
Larynx-Maske bzw. den Larynx-Tubus als Leitschiene in der Trachea. Nach der Entfernung
des supraglottischen Hilfsmittels kann ein Endotrachealtubus (ab Innendurchmesser
7,5 mm) über den Aintree-Katheter vorgeschoben werden ([Abb. 16]). Ist die Platzierung eines Endotrachealtubus mit einem kleineren Innendurchmesser
erforderlich, kann über den Aintree-Katheter ein EndoGuide T (Rüsch, Teleflex Medical
GmbH, Deutschland) mit einem Innendurchmesser von 1,4 mm, einem Außendurchmesser von
2,6 mm und einer Länge von 700 mm eingeführt werden. Nach der Entfernung des Aintree-Katheters
kann die Platzierung des Endotrachealtubus über den EndoGuide T als Leitschiene erfolgen.
Über den Aintree-Katheter ist mithilfe verschiedener Adapter (Luer-Lock, Normkonnektor
15 mm) eine Oxygenierung des Patienten möglich.
Abb. 15 Larynx-Maske und Larynx-Tubus. a Larynx-Maske mit liegendem Aintree-Katheter und Fiberendoskop. b Larynx-Tubus mit liegendem Aintree-Katheter und Fiberendoskop.
Abb. 16 Entfernung der Larynx-Maske und Einführen des Endotrachealtubus. a Entfernung der Larynx-Maske bei liegendem Aintree-Katheter. b Einführen des Endotrachealtubus über den Aintree-Katheter als Leitschiene.
Bei liegendem Kombitubus ist der Einsatz des Fiberendoskops wenig hilfreich. Konstruktionsbedingt
ist keine intraluminale Passage durch den Kombitubus möglich. Die transorale Passage
des Fiberendoskops ist bei entlüftetem oropharyngealem Cuff aufgrund der Flexibilität
des Fiberendoskops erschwert. Mit dem starren retrograden Intubationsfiberskop nach
Bonfils ist die Lateralisierung des oropharyngealen Cuffs möglich, sodass sich dieses
Instrument für die Intubation bei liegendem Kombitubus am ehesten eignet.
Erstveröffentlichung
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in: M. Bernhard und J.-T. Gräsner. Notfalltechniken
Schritt für Schritt. Stuttgart: Thieme; 2016: 88–106