Zeitschrift für Phytotherapie 2017; 38(01): 1-2
DOI: 10.1055/s-0043-100480
Editorial
© Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

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Publication Date:
09 May 2017 (online)

 

    Der Begriff „Monografie“ geht auf die beiden altgriechischen Wörter monos=„alleine, einer“ und „graphein“=„schreiben“ zurück und bedeutet somit „Einzelschrift“, also eine in sich geschlossene Abhandlung zu einem Thema. Monografien zu Heilpflanzen haben eine jahrtausendalte Tradition und für die Gesamtmedizin (!) eine im Allgemeinen vergessene hohe Bedeutung – denn ohne die Heilpflanzenkunde hätte sich die Medizin nicht zu dem entwickeln können, was sie heute darstellt, zumal erst mit der Iso­lation bzw. Synthese chemischer Einzelstoffe im 19. Jahrhundert ein neuer Zweig der Medizin beschritten wird, der heute – über die Begrifflichkeit mag man streiten – als Schulmedizin bezeichnet wird.


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    Frühere Monografien umfassten zwei Aspekte: zum einen die Art der Zubereitung bzw. Herstellung (z. T. auch die Identifikation der Pflanze an sich) und zum anderen die medizinische An- bzw. Verwendung. Aus dem ersten Aspekt leitete sich die Entwicklung der Pharmakognosie und damit der Arzneibuch-Monografien ab (die in diesem Heft nicht Gegenstand der Betrachtungen sind). Der zweite Aspekt, der sich früher ausnahmslos an Ärzte bzw. Therapeuten, Apotheker und auch Kranke richtete, führte über die auf den Erfahrungen der Anwender beruhenden Beschreibung von erfolgversprechenden Einsatzmöglichkeiten pflanzlicher Zubereitungen zu heute eher eng gefassten, präzisierten Indikationen in Monografien mit zunehmend regulatorischen Charakter.

    Die Beiträge in dieser Ausgabe widmen sich dem Thema „Monografie“ in der historischen Entwicklung und ihrer Bedeutung als wesentlicher Baustein der heu­tigen Anwendung pflanzlicher Arzneimittel:

    Frau Prof. Dr. Sabine Anagnostou stellt in ihrem Beitrag den historischen Werdegang, die Bedeutung von Monogra­fien von der Antike bis in die heutige Zeit und die wichtigsten Werke dar. Hieraus erschließt sich die Bedeutung der Heilpflanzenmonografien für die Entwicklung der Medizin bzw. der Phytotherapie bis heute.

    Herr Prof. Dr. Werner Knöss und Frau Dr. Jacqueline Wiesner, beide langjährige Delegierte des BfArM für das HMPC und Herr Prof. Dr. Knöss sechs Jahre lang dessen Vorsitzender, erläutern die ­Arbeitsweise dieses Ausschusses und die Inhalte und Funk­tionen der HMPC-Monografien.

    Frau Dr. Barbara Steinhoff vergleicht und beschreibt in ihrem Beitrag Funktion und Inhalt der Monografien der Kommission E, die auch heute nach wie vor noch weltweit große Beachtung finden, sowie die wissenschaft­lichen Ausarbeitungen der ESCOP und der WHO, die den HMPC-Monografien zeitlich vorausgingen. Kritisch wird ebenfalls das Thema der Abgrenzung pflanzlicher Arzneimittel zu anderen Produktkategorien (z.B. Nahrungs­ergänzungsmittel) betrachtet.

    Herr Dr. Hartwig Sievers widmet sich dem Thema Weiterentwicklung und Innovation pflanzlicher Arzneimittel unter Beachtung der Grenzen und Möglichkeiten, die mit den Monogra­fien des HMPC regulatorisch gegeben sind.

    Interviewpartner von Herstellerfirmen sowie Apotheken standen Herrn Dr. Tankred Wegener für Fragen zur Bedeutung von Monografien für Zulassung, Forschung und Entwicklung sowie für die tägliche Beratungspraxis von Pa­tienten bzw. Kunden zur Verfügung.

    Neben der unterschiedlichen regulatorischen Bedeutung ist allen Systemen heutiger Monografien gemeinsam, dass sie basierend auf der Bewertung durch ein Expertengremium einen zum Zeitpunkt der Publikation aktuellen Erkenntnisstand als Allgemeingut repräsentieren. Dies darf sicherlich als Vorteil für die Mehrheit der Anwender bzw. Hersteller betrachtet werden.

    Jedoch weisen die Zukunftsperspektiven durchaus auch kritische Aspekte auf:

    Innovative Konzepte – vor allem hinsichtlich neuerer bzw. erweiterter Indi­kationen – können systembedingt erschwert sein: Werden die Ergebnisse publizierter klinischer Studien für eine bestimmte Zubereitung Bestandteil einer (revidierten) Monografie und damit Allgemeingut, sind diese Ergebnisse und damit die zuerkannten Aussagen zu den Anwendungsgebieten „generisch“ verwendbar, ein angestrebtes Alleinstellungsmerkmal des „Innovator“-Produktes wäre so gefährdet. Zu klären wäre hier die Frage des Unterlagenschutzes.

    Auch sollten derzeitige Bestrebungen auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Bewertung von Health Claims für pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel kritisch beachtet werden, die mangels eigener Daten allzu gerne auf Studiendaten und Erkenntnismaterial zu pflanzlichen Arzneimitteln zurückgreifen würden. Hier gilt es, den Status pflanzlicher Arzneimittel mit ihren medizinischen Anwendungen im europäischen Markt durch die Abgrenzung von den Produktaussagen von Nahrungsergänzungsmitteln zu erhalten und zu festigen.

    Wir bedanken uns bei den Herausgebern und der Redaktion der ZPT für die Einladung als Gast-Editoren für diese Ausgabe zu einem solchen spannenden, vielschichtigen und zukunftsorientierten Thema.

    Dr. Barbara Steinhoff

    Dr. Tankred Wegener


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    No conflict of interest has been declared by the author(s).

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