Frühere Monografien umfassten zwei Aspekte: zum einen die Art der Zubereitung bzw.
Herstellung (z. T. auch die Identifikation der Pflanze an sich) und zum anderen die
medizinische An- bzw. Verwendung. Aus dem ersten Aspekt leitete sich die Entwicklung
der Pharmakognosie und damit der Arzneibuch-Monografien ab (die in diesem Heft nicht
Gegenstand der Betrachtungen sind). Der zweite Aspekt, der sich früher ausnahmslos
an Ärzte bzw. Therapeuten, Apotheker und auch Kranke richtete, führte über die auf
den Erfahrungen der Anwender beruhenden Beschreibung von erfolgversprechenden Einsatzmöglichkeiten
pflanzlicher Zubereitungen zu heute eher eng gefassten, präzisierten Indikationen
in Monografien mit zunehmend regulatorischen Charakter.
Die Beiträge in dieser Ausgabe widmen sich dem Thema „Monografie“ in der historischen
Entwicklung und ihrer Bedeutung als wesentlicher Baustein der heutigen Anwendung
pflanzlicher Arzneimittel:
Frau Prof. Dr. Sabine Anagnostou stellt in ihrem Beitrag den historischen Werdegang,
die Bedeutung von Monografien von der Antike bis in die heutige Zeit und die wichtigsten
Werke dar. Hieraus erschließt sich die Bedeutung der Heilpflanzenmonografien für die
Entwicklung der Medizin bzw. der Phytotherapie bis heute.
Herr Prof. Dr. Werner Knöss und Frau Dr. Jacqueline Wiesner, beide langjährige Delegierte
des BfArM für das HMPC und Herr Prof. Dr. Knöss sechs Jahre lang dessen Vorsitzender,
erläutern die Arbeitsweise dieses Ausschusses und die Inhalte und Funktionen der
HMPC-Monografien.
Frau Dr. Barbara Steinhoff vergleicht und beschreibt in ihrem Beitrag Funktion und
Inhalt der Monografien der Kommission E, die auch heute nach wie vor noch weltweit
große Beachtung finden, sowie die wissenschaftlichen Ausarbeitungen der ESCOP und
der WHO, die den HMPC-Monografien zeitlich vorausgingen. Kritisch wird ebenfalls das
Thema der Abgrenzung pflanzlicher Arzneimittel zu anderen Produktkategorien (z.B.
Nahrungsergänzungsmittel) betrachtet.
Herr Dr. Hartwig Sievers widmet sich dem Thema Weiterentwicklung und Innovation pflanzlicher
Arzneimittel unter Beachtung der Grenzen und Möglichkeiten, die mit den Monografien
des HMPC regulatorisch gegeben sind.
Interviewpartner von Herstellerfirmen sowie Apotheken standen Herrn Dr. Tankred Wegener
für Fragen zur Bedeutung von Monografien für Zulassung, Forschung und Entwicklung
sowie für die tägliche Beratungspraxis von Patienten bzw. Kunden zur Verfügung.
Neben der unterschiedlichen regulatorischen Bedeutung ist allen Systemen heutiger
Monografien gemeinsam, dass sie basierend auf der Bewertung durch ein Expertengremium
einen zum Zeitpunkt der Publikation aktuellen Erkenntnisstand als Allgemeingut repräsentieren.
Dies darf sicherlich als Vorteil für die Mehrheit der Anwender bzw. Hersteller betrachtet
werden.
Jedoch weisen die Zukunftsperspektiven durchaus auch kritische Aspekte auf:
Innovative Konzepte – vor allem hinsichtlich neuerer bzw. erweiterter Indikationen
– können systembedingt erschwert sein: Werden die Ergebnisse publizierter klinischer
Studien für eine bestimmte Zubereitung Bestandteil einer (revidierten) Monografie
und damit Allgemeingut, sind diese Ergebnisse und damit die zuerkannten Aussagen zu
den Anwendungsgebieten „generisch“ verwendbar, ein angestrebtes Alleinstellungsmerkmal
des „Innovator“-Produktes wäre so gefährdet. Zu klären wäre hier die Frage des Unterlagenschutzes.
Auch sollten derzeitige Bestrebungen auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Bewertung
von Health Claims für pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel kritisch beachtet werden,
die mangels eigener Daten allzu gerne auf Studiendaten und Erkenntnismaterial zu pflanzlichen
Arzneimitteln zurückgreifen würden. Hier gilt es, den Status pflanzlicher Arzneimittel
mit ihren medizinischen Anwendungen im europäischen Markt durch die Abgrenzung von
den Produktaussagen von Nahrungsergänzungsmitteln zu erhalten und zu festigen.
Wir bedanken uns bei den Herausgebern und der Redaktion der ZPT für die Einladung
als Gast-Editoren für diese Ausgabe zu einem solchen spannenden, vielschichtigen und
zukunftsorientierten Thema.
Dr. Barbara Steinhoff
Dr. Tankred Wegener