physiopraxis 2017; 15(05): 60
DOI: 10.1055/s-0043-101765
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Die Rechtsfrage: Kann ich einer Patientin mit Kleptomanie nach Diebstahl in meiner Praxis ein Hausverbot erteilen?

Andreas Pitz

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Publication Date:
19 May 2017 (online)

 

„Eine unserer Patientinnen ist Kleptomanin. Bisher beaufsichtigten wir sie bei ihren Terminen. Nun kam sie eine Stunde früher und bestahl eine andere Patientin im Wartebereich. Es wurde Anzeige erstattet und die Polizei alarmiert. Darf ich der Patientin ein Hausverbot aussprechen – das Haus gehört mir –, oder muss ich sie weiter behandeln?”

Michael Schiewack aus Kamenz


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Prof. Dr. Andreas Pitz

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Prof. Dr. Andreas Pitz ist Professor für Medizin- und Sozialrecht an der Hochschule RheinMain sowie Richter am Sozialgericht.

Die Antwort unseres Experten

Ihre Frage zur Behandlungspflicht von Patienten mit Kleptomanie muss ich für Privatpatienten und für gesetzlich Krankenversicherte unterschiedlich beantworten.

Bei Privatpatienten können Therapeuten selbst entscheiden, ob sie einen Behandlungsvertrag mit dem Patienten abschließen möchten (Privatautonomie). Eine Ausnahme bildet hier lediglich der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB. Er ist aber auf Notfälle beschränkt, die im Rahmen einer physio- oder ergotherapeutischen Behandlung kaum vorstellbar sind.

Bei gesetzlich Krankenversicherten gibt es aufgrund der öffentlich-rechtlichen Grundlage der Zulassung zur Heilmittelerbringung engere Grenzen, einen Patienten abzulehnen. Therapeuten können eine Behandlung jedoch verweigern, wenn das Vertrauensverhältnis zum Patienten nachhaltig gestört ist. In diese Kategorie fällt der von Ihnen geschilderte Fall. Denkbar wären auch Fälle, in denen Patienten Therapeuten beleidigen oder sich gegenüber Dritten beschweren. Als besonderes Erschwernis für die Weiterbehandlung Ihrer Patientin kommt hinzu, dass sie eine andere Patientin in Mitleidenschaft gezogen hat. Eine Ablehnung der Behandlung ist daher gerechtfertigt. Wollen Sie die Behandlung dennoch fortsetzen, könnten Sie das – in Absprache mit dem Arzt – im Rahmen eines Hausbesuchs tun.

Der geschilderte Fall bietet auch Anlass, auf die Frage einzugehen, ob und welche Informationen Therapeuten an die Polizei weitergeben dürfen, ohne die Schweigepflicht zu verletzen. Die Rechtsprechung besagt, dass schon der Patientenname unter die Schweigepflicht fällt. Therapeuten dürfen den Namen ihrer Patienten nur dann der Polizei mitteilen, wenn sie die Interessen Dritter, hier der bestohlenen Patientin, wahren müssen. In jedem Fall unterliegt aber die bei der tatverdächtigen Patientin gestellte Diagnose einer Kleptomanie der Schweigepflicht. Sie dürfen diese in keinem Fall offenbaren.

Andreas Pitz

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