kleintier konkret 2017; 20(01): 37-39
DOI: 10.1055/s-0043-102345
labor
endokrinologie
Enke Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Die Schilddrüse der alten Katze – Was gibt es Neues in der Diagnostik?

Ruth Klein
Laboklin GmbH
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Dr. Ruth Klein
Laboklin GmbH
Steubenstr. 4
97688 Bad Kissingen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
24. Februar 2017 (online)

 

Die Zeit der Bremer Stadtmusikanten ist vorbei, man trennt sich heutzutage nicht mehr von Hund und Katze, nur, weil sie nutzlos geworden sind. So können Katzen bei uns alt werden. Mit zunehmendem Alter wechseln bisher subklinische Erkrankungen der Organsysteme zum klinisch erkennbaren Stadium. Zu den typischen Problemen der alten Katze gehört neben renalen und kardialen Erkrankungen und dem Diabetes mellitus auch die Hyperthyreose. Dies war Anlass für die American Association of Feline Practitioners 2016 die „Guidelines for the Management of Feline Hyperthyroidism“ heraus zu geben, um dem Praktiker eine Hilfestellung in der Diagnose und Therapie zu geben [[1]]. Aber welche Auswirkung hat ein nicht dem Bedarf entsprechendes Überangebot der Schilddrüsenhormone auf die Organsysteme, die altersbedingt aus anderen Gründen bereits vorgeschädigt sein können und wie kann ein Laborbefund hilfreich sein?


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Pathogenese

Pathohistologisch sind gutartige Neoplasien (Adenom) und adenomatöse Hyperplasien sowie bei ca. 2 % der Katzen mit Schilddrüsenüberfunktion ein Karzinom zu finden [[8]]. Bei der felinen Hyperthyreose ist aber bis jetzt keine ursächliche Noxe beschrieben.

Häufig werden die veränderten Lebensumstände der Katze diskutiert v. a. die Fütterung mit kommerziellem Futter in Verbindung mit erhöhter Jodaufnahme, aber auch die Aufnahme von PCBs (polychlorierten Biphenylen).


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Häufigkeit

Die Auswertung der bei Laboklin gemessenen T4-Konzentrationen eines 1/2 Jahres zeigen, dass der Prozentsatz älterer Katzen mit erhöhten Werten im 2-stelligen Prozentbereich liegt ( Abb. [ 1 ] ).

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Abb. 1 Auswertung der gemessenen T4-Konzentrationen bei Katzen (n = 1803): der Prozentsatz an Tieren mit erhöhten Schilddrüsenwerten liegt bei Katzen > 10 Jahren im 2-stelligen Prozentbereich. (© Laboklin)

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Symptomatik und Veränderung der Laborwerte

T4 und T3

90 % der sezernierten Schilddrüsenhormone ist T4. T4 ist primär eine proteingebundene zirkulierende Reserve der Schilddrüsenhormone im Blut. In Leber, Nieren, Herz und Hypothalamus wird T4 zu T3 deiodiniert und so in die aktive Form transformiert.

T3 ist für die Schilddrüsenhormonwirkung verantwortlich.

Physiologisch erhöhen die Schilddrüsenhormone den Grundumsatz. Dies zeigt sich in:

  • erhöhtem Sauerstoffverbrauch,

  • erhöhtem Substratumsatz

  • gesteigerter Energiegewinnung

  • erhöhter Thermogenese


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Stoffwechselwirkung

T3 aktiviert im Fettstoffwechsel die Lipolyse, den Auf- und Abbau von Cholesterin und beschleunigt die Freisetzung von Glycerin und freien Fettsäuren. Im Kohlenhydratstoffwechsel stimuliert T3 die hepatische Glukoneogenese, den Glykogenabbau und fördert intestinal die Glukoseresorption. Gleichzeitig hemmt T3 die Speicherung von Kohlenhydraten. Katzen sind aufgrund ihrer Nahrungszusammensetzung mit einem geringen Kohlenhydratanteil enzymatisch auf einen ausgeprägten Proteinumsatz ausgelegt, hier spielen die Schilddrüsenhormone im Kohlenhydratstoffwechsel eine entscheidende Rolle.

Bei steigenden Hormonkonzentrationen zeigen viele Katzen Polyphagie. Eine Hypermoltilität des Darms – T3 stimuliert die Darmmotilität durch Aktivierung der glatten Muskulatur – zeigt sich in frequenterem Kotabsatz mit breiiger Konsistenz. Zusammen mit der Wirkung auf den Glukose- und Fettstoffwechsel ist ein Abmagern trotz gesteigerter Futteraufnahme die Folge. Es kommt aber nicht nur zum Abbau der Fettdepots. Bei der Hyperthyreose ist die Schilddrüsenhormonwirkung im Protein- und Muskelstoffwechsel über die gesteigerte Gluconeogenese aus glukoplastischen Aminosäuren katabol [[4]], es kommt zur Reduktion der Muskelmasse, die Tiere wirken mager. Aufgrund der glukoplastischen Wirkung bleibt die Glukosekonzentration trotz erhöhten Bedarfs im Normbereich. Durch den erhöhten Proteinumsatz sinken auch die Fruktosamin- [[3], [5]] und Albuminkonzentrationen ab. Eine Beurteilung des Langzeitblutzuckerspiegels ist bei diesen Patienten somit nicht möglich.

Die Kreislaufwirkung von T3 ist vielfältig, kardial vor allem positiv inotrop und chronotrop. Peripher sinkt der Gefäßwiderstand. Bei der Hyperthyreose erscheinen die Katzen häufig aktiver und munterer, was von den Besitzern eher positiv gesehen wird. Viele Patienten sind aber unruhig, hyperaktiv, auskultatorisch tachykard und zeigen Hypervokalisation. Der systolische Blutdruck steigt bei sinkendem diastolischem Blutdruck. Diese Dauerbelastung des Myokards führt zu einem Anstieg der cTroponin-I- und pro-BNP-Konzentration [[2], [6]]. cTroponin-I ist bei erhöhten Blutkonzentrationen ein sensibler Marker für die kardiale Schädigung.

Polyurie und Polydypsie sind häufige Symptome der Hyperthyreose. Mit steigendem Blutdruck kommt es renal zur Hyperfiltration mit steigender glomerulärer Filtrationsrate bei sinkender tubulärer Rückresorption. Der Laborbefund ist gekennzeichnet durch unauffällige Harnstoff- und Kreatininkonzentrationen [[7]]. Bei folgender Schädigung der Glomerula kommt es zur Proteinurie. Steigende BNP-Konzentrationen führen zur forcierten Natriurese.

Viele Katzen wirken struppig, da sie sich nicht mehr pflegen, aber auch, weil der Haarzyklus beschleunigt ist. Die Haare werden dünner und das Haarkleid wirkt licht.

Über den direkten Einfluss der Schilddrüse auf die Thermoregulation steigt die Körpertemperatur subfebril.

Ein hoher Prozentsatz der Katzen > 9 Jahre leidet an einer Organvorschädigung, wie z. B. einer reduzierten Leberleistung. Vorgeschädigte Organe reagieren nicht immer adäquat. So ist Polyphagie nicht das Kardinalsymptom bei allen Katzen, nicht alle sind hyperaktiv oder zeigen PU/PD.


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Differenzialdiagnosen und Folgeerkrankungen

Klassische Differenzialdiagnosen sind je nach Symptomatik Pankreasinsuffizienz, Diabetes mellitus, Kardiomyopathien, Enteropathien, Nephropathie und Tumorosen.

Die Hyperthyreose kann massive Schäden an den Organen verursachen. Kardiomyopathien, Nierenschädigung, Pankreatitiden und Hepatopathien sind häufige Folgeerkrankungen. Erstere sind zumeist durch den erhöhten Blutdruck bedingt, letztere durch die forcierte Stoffwechselleistung der Leber.

.konkret

Einige hyperthyreote Katzen sind anorektisch, auffallend ruhig und zeigen ein normales Harn- und Kotabsatzverhalten – trotz Fehlens der typischen Symptomatik kann eine Hyperthyreose vorliegen.


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Labordiagnostik

Neben der Klinik gibt der Laborbefund erste Hinweise oder sichert über die Bestimmung der Schilddrüsenhormone T4, TSH und bei grenzwertigen Ergebnissen auch fT4, die Diagnose. Die Bestimmung der T3-Konzentration ist möglich, aber eine moderate Erhöhung kann ebenso durch den Transport und die Aufregung bedingt sein.

Labordiagnostisch sollte aufgrund der gravierenden Auswirkungen der Hyperthyreose auf die Organsysteme ein klinisch-chemisches Screening durchgeführt werden. Mit den Ergebnissen können mögliche Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden. ProBNP, cTroponin-I sowie Harnstoff und Kreatinin dienen nicht der Diagnose selbst, sind aber wichtige Parameter in der Beurteilung der Schwere der Erkrankung und den Spätfolgen trotz Therapie.


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Therapie

Mit der Therapie sollte umgehend nach der Diagnosestellung begonnen werden, um weitere Schäden an den Organen zu verhindern. Welche Art der Medikation – Thyreostatika, Radiojodtherapie oder jodfreies Futter – gewählt wird, ist abhängig vom Patienten, dem Alter, dem Erkrankungsstadium und der Compliance der Besitzer. Letztendlich ist es auch immer eine finanzielle Entscheidung.


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Therapiekontrolle – und was bleibt übrig?

Die erste Therapiekontrolle sollte nach 2–4 Wochen erfolgen und neben der klinischen Untersuchung und der Messung der Schilddrüsenhormone auch immer eine Messung der bereits erwähnten Parameter beinhalten. Dies ermöglicht eine objektive Beurteilung der Organsituation. Normalisieren sich unter der Therapie die vorher veränderten Parameter nicht, besteht erweiterter Therapiebedarf.

Anders bei den Nierenparametern: steigen die Werte unter Therapie deutlich an oder überschreiten den Referenzbereich, liegt eine durch die Hyperthyreose kaschierte Niereninsuffizienz vor, die entsprechend therapiert werden muss.

.konkret

Bei einer durch die Hyperthyreose kaschierten Niereninsuffizienz ist es keine Option, die Schilddrüsentherapie zu reduzieren, um die Nierenwerte wieder in die Norm zu bekommen.

Eine weitere Schädigung der Niere mit Ausfall weiterer Glomerula wäre die Folge und es droht auf Dauer ein Nierenversagen. Die spezifische Nierentherapie ist daher unumgänglich.

Tab. 1

Bei einem Verdacht auf eine Hyperthyreose zu bestimmende Blutparameter inklusive möglicher Veränderungen und Differenzialdiagnosen.

Organsystem

Parameter

Veränderungen bei Hyperthyreose

Differenzialdiagnose

Schilddrüse

T4

TSH

T3

fT4

erhöht

erniedrigt

erhöht oder normal

erhöht

Leber

ALT, GLDH, AP,

Gesamteiweiß und Albumin

erhöht

erniedrigt

Nieren

Harnstoff, Kreatinin, SDMA (symetrisches Dimethylarginin),

Na, K, Ca und PO4

niedrig normal

Kontrolle

erhöht bei Niereninsuffizienz

Herz/Kreislauf

pro-BNP und cTroponin I

erhöht

Pankreas

pankreatische Lipase,

TLI

erhöht


TLI: erniedrigt bei Pankreasinsuffizienz

Kohlenhydratstoffwechsel

Fruktosamin, Glukose

erniedrigt

erhöht bei Diabetes


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Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Dr. Ruth Klein
Laboklin GmbH
Steubenstr. 4
97688 Bad Kissingen


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Abb. 1 Auswertung der gemessenen T4-Konzentrationen bei Katzen (n = 1803): der Prozentsatz an Tieren mit erhöhten Schilddrüsenwerten liegt bei Katzen > 10 Jahren im 2-stelligen Prozentbereich. (© Laboklin)