Im Rahmen eines rezenten respiratorischen Infekts wurde ein Thoraxröntgen zum Ausschluss
einer Pneumonie durchgeführt, aufgrund eines pathologischen Befundes in weiterer Folge
eine Thorax-CT veranlasst. Dabei zeigte sich eine große paratracheale, teils flüssigkeitsisodense
Raumforderung ([Abb.1]). Im Rahmen einer bronchoskopischen Abklärung mit transbronchialer Nadelaspiration
wurden 300 ml seröse Flüssigkeit aspiriert. Die mikrobiologische Aufarbeitung des
Materials inkl. einer Abklärung im Hinblick auf eine Tuberkulose blieb ohne Ergebnis.
Abb. 1 Thorax-CT September 2014.
Laborchemisch zeigten sich keine relevanten Auffälligkeiten, keine erhöhten Entzündungsparameter,
eine leichtgradige Einschränkung der errechneten Kreatininclearance (GFR 65 ml/min).
Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose?
Auflösung
Beschreibung und Diskussion des Falls
Das zytologische Zellbild sowie die Radiologie waren kompatibel mit der Verdachtsdiagnose
einer bronchogenen Zyste. Der Patient entschied sich zunächst gegen eine operative Sanierung und wurde angehalten,
bei radiologischer Progredienz wieder vorstellig zu werden. Nach 2 Jahren zeigte sich
eine deutliche Größenzunahme der Zyste (siehe [Abb. 2]), schließlich wurde der Patient von der Notwendigkeit einer thoraxchirurgischen
Sanierung, mittels Video-Assistierter Thorakoskopie (VATS) zur Zystenresektion, überzeugt.
Der pathologische Befund der in toto entfernten Zyste bestätigte den Verdacht einer
bronchogenen Zyste mit Fettbindegewebe, einer von einem schmalen bis kubischen Epithel
gesäumten Zystenwand mit zartem Flimmerbesatz. Darüber hinaus fanden sich vereinzelt
Muskelfasern sowie im Bindegewebsanteil herdförmig mäßig dicht Lymphozyten und Plasmazellen
gelagert.
Der postoperative Verlauf war komplikationslos, der Patient wurde in gutem Allgemeinzustand
und voll mobilisiert nach Hause entlassen.
Abb. 2 Thorax-CT August 2016.
Der gesamte Magen-Darm-Trakt wird während der Entwicklung des Embryos in verschiedenen
Entwicklungsschritten angelegt. Zunächst entsteht ein „primitives“ Darmrohr, dessen
erster Abschnitt „Vorderdarm“ genannt wird. Aus diesem Vorderdarm entstehen der Rachen,
Kehlkopf, Speiseröhre und Magen. Durch Aussprossung aus dem Vorderdarm entstehen aber
auch die Atemwege und die Lungen. Nimmt diese Aussprossung einen abnormen Verlauf,
kann im ventralen Teil des Vorderdarms eine Zyste entstehen. Dabei handelt es sich
um eine bronchogene Zyste.
Bronchogene Zysten sind meist singulär, einkammerig, rechts häufiger als links, und
haben eine Größe von 2 – 10 cm. Bronchogene Zysten entstehen in der frühen Embryonalphase
und finden sich häufig im Mediastinum, entweder im Karinabereich, paratracheal, hiliär
oder paraösophageal, sie kommunizieren nur selten mit dem Tracheobronchialsystem.
Intrapulmonale bronchogene Zysten hingegen entstehen entwicklungsgeschichtlich nach
den mediastinalen bronchogenen Zysten und liegen innerhalb des Lungenparenchyms, in
der Regel im Unterlappenbereich, und kommunizieren häufig mit dem Tracheobronchialsystem.
Bronchogene Zysten werden im Erwachsenenalter am häufigsten in der 2. Lebensdekade
detektiert. In vielen Fällen handelt es sich um einen radiologischen Zufallsbefund
aufgrund unspezifischer Symptomatik. Bei Größenzunahme kann es auch zu einer Verdrängung
benachbarter Strukturen mit Kompressionssymptomatik (Stridor, Dysphagie, Hämoptysen
bei intrapulmonaler Lage) kommen, die eine weitere Abklärung veranlassen.
Radiologisch finden sich meist rundliche, scharf begrenzte „Raumforderungen“, entweder
paratracheal, karinanahe oder im hinteren Mediastinum mit evtl. Kompression des Ösophagus.
Infizierte Zysten zeigen manchmal einen Luft-/Flüssigkeitsspiegel. Wie bei allen mediastinalen
oder unklaren intrapulmonalen Raumforderungen ist nach der Entdeckung des suspekten
Befundes im Thoraxübersichtsbild eine Computertomografie erforderlich. Dort zeigt
sich in bis zu 50 % der Fälle eine wasseräquivalente Dichte. Bei erhöhter Dichte empfiehlt
sich ein Kontrastmittelbolus zur Differenzierung von solidem Tumorgewebe. Auch die
Magnetresonanztomografie weist eine hohe diagnostische Sicherheit zur Diagnose einer
bronchogenen Zyste auf.
Die Therapie der Wahl ist eine Resektion (Verhinderung der Verdrängung und Kompression
der Nachbarorgane, Infektionsprophylaxe, Vermeidung einer eventuell malignen Entartung).
In asymptomatischen Fällen ist auch eine radiologische Observanz zu verantworten.
Histologisch zeigt sich, wie auch in dem gegenwärtigen Fall, häufig zilientragendes
Epithel und glatte Muskulatur, aber auch Knorpelgewebe und Bronchialdrüsen, jedoch
kein alveoläres Gewebe.