Einleitung
Bei Patienten auf Intensivstationen liegt durchschnittlich an ca. 66% der Patiententage
ein zentraler Venenkatheter. Dabei beträgt die Inzidenzrate einer ZVK-assoziierten
Infektion 1 Infektion/1000 Kathetertage [1]. Auf Normalstationen ist nur an ca. 7,5% der Patiententage ein ZVK vorhanden, allerdings
liegt die Inzidenzrate der ZVK-assoziierten Sepsis hier bei ca. 2 Infektionen/1000
Kathetertage [2]. Diese Zahlen des Nationalen Referenzzentrums für nosokomiale Infektionen zeigen,
dass es sich bei der Anlage und Pflege von ZVKs um Tätigkeiten handelt, die nicht
nur auf Intensiv-, sondern in zunehmendem Maße auch auf Normalpflegestationen durchgeführt
werden. Da die Inzidenz von ZVK-assoziierten Bakteriämien bei richtiger Handhabung
reduziert werden kann (teilweise um bis zu 70% [3]), ist es wichtig, den Umgang mit diesem häufigen „device“ auch auf den „peripheren“
Stationen des Hauses zu kommunizieren und zu trainieren. Das Erstellen einer hauseigenen,
einheitlichen SOP kann bei der Implementierung und Schulung von Hygienemaßnahmen eine
Hilfe sein.
Diese SOP beschränkt sich auf die hygienischen Aspekte, die bei der Anlage und bei
der Pflege eines ZVK zu beachten sind. Dabei werden im Text die Schritte des Algorithmus
zur Katheteranlage ([Abb. 1]) sowie wichtige Punkte zur Katheterpflege ([Tab. 1]) einzeln erklärt und diskutiert. Genaue technische Abläufe der Punktion werden hier
nicht behandelt.
Abb. 1 Anlage eines ZVK. Algorithmus zur Anlage eines ZVK – infektionspräventive Aspekte.
Tab. 1 Umgang mit zentralen Venenkathetern.
Verbandswechsel
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hygienische Händedesinfektion vor Verbandswechsel (aseptische Tätigkeit)
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Einmalhandschuhe (Eigenschutz)
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Non-Touch-Technik (keine Berührung der Einstichstelle und der sterilen Anteile des
Verbands)
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ggf. Reinigung mit steriler Kochsalzlösung
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beim Verbandswechsel routinemäßiges Besprühen der Kathetereinstichstelle mit einem
alkoholhaltigen Hautdesinfektionsmittel (Cave: Materialverträglichkeit!)
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keine antimikrobiellen Salben
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Verbandswechsel immer, wenn dieser feucht, lose oder verschmutzt
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nicht transparenter Pflasterverband:
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tägliche Palpation bei bewusstseinsklaren Patienten (Aussage zur Schmerzhaftigkeit);
Verbandswechsel mind. alle 3 Tage
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tägliche Inspektion der Einstichstelle + Verbandswechsel, wenn keine klare Aussage
zur Schmerzhaftigkeit (Kinder, Bewusstseinstrübung etc.)
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transparenter Folienverband
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transparenter Folienverband mit Chlorhexidin
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Katheterwechsel
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kein routinemäßiger ZVK-Wechsel!
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Spüllösung
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falls notwendig, zur Spülung sterile, frisch aufgezogene 0,9% NaCI-Lösung verwenden
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keine Spülung mit Heparinlösung
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Konnektion/Diskonnektion
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Konnektionen/Diskonnektionen möglichst vermeiden
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vor Konnektion/Diskonnektion hygienische Händedesinfektion
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vor Manipulation an Zuspritzstellen und Rekonnektion: Sprühdesinfektion der Anschlüsse
mit einem alkoholhaltigen Hautdesinfektionsmittel (Cave: Materialverträglichkeit!),
anschließend Ausschütteln des Desinfektionsmittels
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Algorithmus zur Katheteranlage
Algorithmus zur Katheteranlage
Vorüberlegung
Strenge Indikation/tägliche Indikationsprüfung
Merke
Eine wichtige Maßnahme zur Vermeidung einer ZVK-assoziierten Infektion ist die strenge
Indikationsstellung!
Vor der Anlage sollte hinterfragt werden, ob der Patient überhaupt einen solchen Katheter
benötigt oder ob die erforderliche Therapie z. B. auch mithilfe eines peripheren Venenkatheters
durchgeführt werden kann. Dies ist eine wichtige Überlegung, da bei peripheren Venenverweilkanülen
ein geringeres Infektionsrisiko besteht [4]. Bei der Beantwortung dieser Frage sollte die Patientensicherheit und nicht andere
Faktoren (z. B. Ausbildungszwecke) im Vordergrund stehen.
Genauso wichtig wie die strenge Indikationsstellung vor dem Legen eines ZVK ist die
tägliche Indikationsprüfung. Diese kann z. B. im Rahmen der täglichen Visite erfolgen.
Die Indikationsprüfung sollte in der Patientenakte mit Handzeichen dokumentiert werden.
Anlage durch geschultes Personal
Das Legen eines ZVKs sollte in der Praxis nur durch geschultes Personal erfolgen.
Dabei sollte die Schulung anhand der hauseigenen Standards möglichst in kleinen Gruppen
von erfahrenem Personal durchgeführt werden. Erfahrene Vorgesetzte müssen sich davon
überzeugen (und dies möglichst auch dokumentieren), dass die Fertigkeit „Legen eines
ZVK“ beherrscht wird, bevor diese eigenverantwortlich vorgenommen werden darf.
Vorbereitung/Auswahl der Punktionsstelle
Die Anlage eines ZVKs durch 2 Personen wird durch eine gute Vorbereitung erleichtert.
Dazu empfiehlt es sich, die sterilen Materialien auf einer ausreichend großen, vorher
wischdesinfizierten Arbeitsfläche (z. B. einem Instrumentiertisch) vorzubereiten.
Bewährt haben sich dazu sog. „ZVK-Sets“, die neben dem Gefäßkatheter auch alle anderen
benötigten Materialien – z. B. Tupfer, Kompressen, Führungsdraht etc. – enthalten.
Merke
Die Vorbereitung des sterilen Materials ist eine aseptische Tätigkeit und erfordert
daher unmittelbar vorher eine hygienische Händedesinfektion.
Dabei beginnt die aseptische Tätigkeit mit dem Öffnen von Sterilverpackungen, z. B.
des „ZVK-Sets“.
In der neuen Empfehlung gibt die KRINKO keine Empfehlung mehr bez. der besten Punktionsstelle
[5]. Bei Patienten mit einem Tracheostoma sollte die Anlage in der V. jugularis allerdings
vermieden werden. Sehr wichtig, unabhängig von der Punktionsstelle, sind die adäquate
Hautdesinfektion vor der Punktion und das aseptische Vorgehen bei der Punktion.
Katheteranlage
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Die Katheteranlage ist eine aseptische Tätigkeit, sodass unmittelbar vorher eine hygienische
Händedesinfektion erfolgen muss.
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Die Haut der Punktionsstelle wird großflächig mit einem Kombinationspräparat aus Alkohol
(schneller Wirkeintritt) und einem Desinfektionsmittel mit Remanenzwirkung (z. B.
Octenidin 0,1% oder Chlorhexidin 2%) desinfiziert. Wichtig ist, die Einwirkzeiten
des Desinfektionsmittels (Herstellerangaben) abzuwarten.
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Nach der Abtrocknung des Hautdesinfektionsmittels wird die Punktionsstelle mit einem
ausreichend großen Lochtuch (gesamter Aktionsradius des Führungsdrahts) abgedeckt.
Merke
Die Wahrscheinlichkeit einer Erregerübertragung durch das Personal wird durch max.
Barrierevorkehrungen so weit wie möglich ausgeschlossen (siehe Infokasten „Maximale
Barrierevorkehrungen Personal“).
Zusatzinfo
Maximale Barrierevorkehrungen Personal
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Der Katheter sollte steril fixiert werden (steriles Pflaster oder steriles Annähen)
und die Einstichstelle anschließend steril abgedeckt werden. In der Nähe der Punktionsstelle
dürfen keine unsterilen Pflasterstreifen verwendet werden.
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Wird die Anlage unter Ultraschallkontrolle durchgeführt, so ist ein steriler Überzug
für den Ultraschallkopf zu verwenden. Das Ultraschallgel sollte ebenfalls steril sein,
alternativ kann (zwischen Überzug und Haut) ein Hautdesinfektionsmittel benutzt werden.
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Die Anlage eines ZVK sollte von dem anlegenden Arzt mit Datum und Handzeichen in der
Patientenakte dokumentiert werden.
Verband
Die Punktionsstelle kann entweder mit einem nicht transparenten Pflasterverband, einem
transparenten Folienverband oder einem transparenten Folienverband mit antimikrobieller
Substanz (Chlorhexidin-Patch/Gel) verbunden werden. Bei richtiger Handhabung gibt
es aus hygienischer Sicht keinen Unterschied in dem nicht transparenten und dem transparenten
Folienverband (ohne Chlorhexidin).
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Nicht transparenter Pflasterverband: Der nicht transparente Pflasterverband hat v. a.
direkt nach der Anlage den Vorteil, evtl. noch aus der Punktionsstelle austretendes
Blut/Wundsekret gut aufzusaugen. Nachteilig ist, dass die Punktionsstelle nicht sichtbar
ist.
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Der transparente Folienverband mit/ohne Chlorhexidin: Der transparente Folienverband
erlaubt eine Kontrolle der Einstichstelle ohne Entfernen des Verbands.
Katheterpflege
Verbandswechsel
Wichtig ist, dass die Einstichstelle täglich auf evtl. Veränderungen, die auf eine
Entzündung hindeuten (wie Schwellung, Rötung, Druckschmerzhaftigkeit etc.), untersucht
wird.
Merke
Die tägliche Kontrolle der Einstichstelle sollte in der Patientenakte dokumentiert
werden.
Die Methode, mit der die Einstichstelle beurteilt werden sollte (z. B. Inspektion,
Palpation), richtet sich dabei nach dem verwendeten Verbandsmaterial und dem Bewusstseinszustand
des Patienten.
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Vor dem Verbandswechsel erfolgt eine hygienische Händedesinfektion (aseptische Tätigkeit),
bevor unsterile Einmalhandschuhe zum Eigenschutz angelegt werden.
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Der Verband wird in Non-Touch-Technik – d. h. ohne Berührung der Einstichstelle und
der sterilen Anteile des Verbands – gewechselt. Wenn erforderlich, können Blutreste
an der Einstichstelle mit steriler Kochsalzlösung entfernt werden. Nach der KRINKO-Empfehlung
(und auch der Empfehlung der amerikanischen Society for Healthcare Epidemiology of
America; SHEA [6]) soll die Einstichstelle beim Verbandswechsel mit einem Kombinationspräparat aus
Alkohol und einem Desinfektionsmittel mit Remanenz (z. B. Octenidin) desinfiziert
werden. Dieser Empfehlung kann in der Praxis das Problem entgegenstehen, dass der
Hersteller der ZVKs entweder keine Materialbeständigkeit für dieses Desinfektionsmittel
(v. a. die Alkoholkomponente) bescheinigt oder solche Daten überhaupt nicht vorliegen.
Bevor man diese Empfehlung im eigenen Haus umsetzt, ist es also erforderlich, die
Herstellerangaben zu prüfen.
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Es sollten routinemäßig keine antibiotischen Salben an der Einstichstelle verwendet
werden.
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Ein Verbandswechsel muss immer dann durchgeführt werden, wenn der Verband lose, feucht
oder verschmutzt ist. Ansonsten richtet sich das Wechselintervall nach der Art des
verwendeten Verbands.
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Nicht transparenter Pflasterverband: Die Einstichstelle ist bei diesem Verband nicht
einsehbar, dennoch muss sie täglich beurteilt werden. Dazu reicht bei einem bewusstseinsklaren
Patienten die Palpation; ein Verbandswechsel ist nur alle 3 Tage erforderlich. Ist
die Aussage des Patienten nur bedingt zuverlässig (Kinder, bewusstseinsveränderte
Patienten), muss die Einstichstelle täglich inspiziert und der Verband dabei gewechselt
werden.
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Transparenter Folienverband mit/ohne Chlorhexidin: Die Einstichstelle ist hier direkt
beurteilbar, eine Rötung oder Schwellung wird sofort gesehen. Ein Wechsel ist daher
in der Regel erst nach 7 Tagen erforderlich (Herstellerangaben beachten). Für ein
besonders vulnerables Patientenkollektiv (Intensivstation, Immunsupprimierte) gibt
es den transparenten Folienverband auch mit einem Chlorhexidin-haltigen Patch bzw.
Gel. Durch die kontinuierliche Freigabe des Antiseptikums an der Einstichstelle kann
die Rate an ZVK-assoziierten Infektionen z. B. bei Dialysepatienten verringert werden
[7]. Hier richtet sich das Wechselintervall nach den Herstellerangaben.
Konnektion/Diskonnektion des ZVK
Grundsätzlich gilt, dass Konnektionen/Diskonnektionen des geschlossenen Systems möglichst
vermieden werden sollen. Sind sie notwendig, z. B. zum Anhängen eines neuen Medikaments,
handelt es sich dabei um eine aseptische Tätigkeit, vor der die Hände desinfiziert
werden müssen. Handschuhe müssen nur dann zum Eigenschutz angelegt werden, wenn ein
Kontakt mit Blut möglich ist.
Merke
Das Tragen von unsterilen Untersuchungshandschuhen erhöht im Vergleich zu desinfizierten
Händen nicht die hygienische Sicherheit für den Patienten.
Die deutschen [5], englischen [8] und amerikanischen [6] Leitlinien empfehlen bei Diskonnektion eine Desinfektion der Anschlüsse (z. B. Hubs
oder Dreiwegehähne) mit einem alkoholischen Desinfektionsmittel (± Mittel mit Remanenzwirkung).
In der Praxis stellt sich allerdings (wie beim Verbandswechsel) das Problem der Materialverträglichkeit.
Die oben genannte Empfehlung kann für das individuelle Haus nur ausgesprochen werden,
wenn eine Materialverträglichkeit der verwendeten Leitungen, Dreiwegehähne etc. gewährleistet
werden kann.
Selbstverständlich sollte allerdings sein, dass die Zuspritzstellen nicht berührt
werden oder im offenen Zustand Kontakt mit der Patientenumgebung haben. Das System
sollte mit einem neuen sterilen Verschlussstopfen verschlossen werden, sofern keine
neue Infusion angehängt wird.
Bundles
Zur Umsetzung oft komplexer Leitlinien und Vorgaben in die praktische Infektionsprävention
hat sich der Einsatz von Präventionsbündeln (sog. „bundles“) bewährt. Unter einem
Bundle versteht man ein Maßnahmenbündel von ca. 3 – 6 Komponenten. Dabei sollten die
ausgewählten Komponenten einen hohen Evidenzgrad für die Prävention und im Haus eine
niedrige Compliance-Rate haben, da nur dann eine Verbesserung der Compliance erzielt
werden kann.
Ein Präventionsbündel für die Prävention der ZVK-Blutstrominfektion könnte z. B. sein:
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Händehygiene vor Kontakt
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maximale Barrieremaßnahmen bei Anlage
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Anlage nur durch geschultes Personal
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tägliche Kontrolle der Einstichstelle
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tägliche Indikationsprüfung
Fazit
Das Legen und die Versorgung eines zentralen Venenkatheters gehört zu den ärztlichen
und pflegerischen Routinetätigkeiten nicht nur auf Intensivstationen. Umso wichtiger
ist es, für jedes Haus eine SOP unter Berücksichtigung der hygienischen Aspekte zu
erstellen, um die Rate der katheterassoziierten Blutstrominfektionen und lokalen Infektionen
möglichst zu reduzieren und damit die Patientensicherheit zu erhöhen. Die vorliegende
SOP kann als Beispiel verstanden werden und kann mit keinen/geringen Modifikationen
auch für getunnelte ZVK (z. B. Hickmann) angewendet werden.