Einleitung
Das Ecthyma contagiosum Orf ist eine Zooanthroponose, die durch Kontaktinfektion mit
Parapoxviren hervorgerufen wird und bei der es im Verlauf zum Auftreten umschriebener
entzündlicher Knoten und Ulzerationen an der Haut kommen kann.
Erreger ist das Parapoxvirus ovis, früher Orf-Virus genannt. Es ist weltweit verbreitet
und hoch infektiös. Erregerreservoir sind Hautkrusten und Borken betroffener Tiere,
v. a. von Schafen und Ziegen. Das Virus haftet an geschädigten Hautstellen und vermehrt
sich vorwiegend lokal.
Bei Schafen und Rindern kann sich die Erkrankung in Form pustulöser Hautveränderungen
an Lippen, Nase, Ohren (labiale Form, „Maulgrind“), an Kronrand und Klauen (podale
Form, „Fußgrind“), an Euter und Scham (genitale Form) und durch Erregervermehrung
auch in den inneren Organen (maligne Form) manifestieren.
Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch direkten Hautkontakt mit dem erkrankten
Tier, Kadavern oder infektiösen Abfällen.
Kasuistik
Ein 53 Jahre alter Patient stellte sich erstmals Ende Mai 2016 mit einem Ulkus am
rechten Fuß in unserer Klinik vor. Anamnestisch berichtete er, dass es im April 2016
zunächst zu leichtem Juckreiz und im Verlauf zur Ausbildung einer „Blase“ mit Umgebungsrötung
und nachfolgender Erosion an der medialen Fußkante rechts gekommen sei. Bei Persistenz
suchte er seinen Hausarzt auf, der lokaltherapeutisch mit Betaisadona Salbe und oral
mit Doxycyclin 100 mg 1 × täglich per os behandelte. Hierunter sei es jedoch zu keiner
Besserung gekommen, sondern zur Größenprogredienz des Befundes mit Auflagerung einer
gelblich-schwarzen Kruste. Es erfolgte die Vorstellung bei einem chirurgischen Kollegen,
der die Kruste kürettierte und ein darunter befindliches Ulkus freilegte, mit welchem
der Patient zu uns überwiesen wurde. Bis auf den leichten Juckreiz wurden keine weiteren
Begleitsymptome angegeben. Vorbestehende Gefäßerkrankungen, immunsuppressive Erkrankungen
und Medikamente oder ein Diabetes mellitus wurden verneint. Mögliche Auslöser, wie
Traumata, vorangegangene Infekte, Auslandsaufenthalte oder neu eingenommene Medikamente
seien nicht erinnerlich. Auf genaue Nachfrage gab der Patient jedoch an, im Frühjahr
mehrfach mit offenen Schuhen über die Schafswiese des Nachbarn gelaufen zu sein. Zudem
hätten die Schafe wohl eine „Fuß“-Erkrankung gehabt mit offenen Stellen und Madenbefall
(„Fußgrind“).
Bei Vorstellung in unserer Klinik zeigte sich an der rechten medialen Fußkante ein
ca. 3 × 3 cm großes, 2 mm tiefes, rundliches, derb-palpables, schmierig-gelblich belegtes
Ulkus mit blass-gräulichem Randwall und Umgebungserythem ([Abb. 1]). Ein Routinelabor stellte sich unauffällig dar. Im mikrobiologischen Abstrich ließ
sich Streptococcus gordonii nachweisen. Eine von uns durchgeführte Probeexzision im
Randbereich des Ulkus zeigte gefäßreiches Granulationsgewebe, eine ballonierende Degeneration
von Keratinozyten in der Epidermis sowie eine multilokuläre Bläschenbildung.
Abb. 1 Ulkus an der rechten medialen Fußkante.
In Zusammenschau aller Befunde und der Anamnese stellten wir die Diagnose eines Ecthyma
contagiosum Orf. Bei bakterieller Superinfektion des Ulkus und V. a. beginnendes Erysipel
leiteten wir eine Therapie mit Unacid 3 g 3 × täglich intravenös ein, die wir insgesamt
7 Tage fortführten und im Verlauf antibiogrammgerecht um Clindamycin 300 mg 4 × täglich
per os für insgesamt 10 Tage ergänzten. Lokaltherapeutisch behandelten wir zudem antiseptisch
mit Prontosan Gel® und Mepitel® 1 × täglich.
Bei einem Telefonat im November 2016 gab der Patient an, dass das Ulkus bereits im
Juli 2016 abgeheilt gewesen sei und man aktuell nur noch eine leichte Hyperpigmentierung
der Haut im Bereich der rechten medialen Fußkante sehen würde.
Diskussion
Das Ecthyma contagiosum (Orf) ist eine virale Hauterkrankung, die beim Menschen erstmals
1934 von Newson und Cross beschrieben wurde [1]. Sie tritt endemisch bei Schafen und Ziegen auf und kann durch Kontakt auf den Menschen
übertragen werden.
Erreger ist das Parapoxvirus ovis, ein quaderförmiges, doppelsträngiges DNA-Virus,
welches zur Gruppe der Pockenviren zählt [2]. Das Virus ist äußerst widerstandsfähig und kann in den Wintermonaten an Zäunen,
in Futtertrögen und in Scheunen überleben [3]. Schafe und Ziegen infizieren sich durch direkten Kontakt und können pustulöse Hautveränderungen
an Maul, Klauen und Genitalien entwickeln [4]. Gerade Jungtiere sind besonders anfällig, sodass eine Häufung des Ecthyma contagiosum
beim Menschen vor allem im Frühjahr auftritt, wie auch im hier vorliegenden Fall geschehen.
Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch direkten Hautkontakt mit erkrankten
Tieren oder infektiösen Tierprodukten, sodass beruflich exponierte Personen, wie
Viehpfleger, Tierärzte und Landwirte, häufig betroffen sind [5]
[6].
Die Hauterscheinungen treten im Bereich der Kontaktstelle, also meist an den Händen,
seltener im Gesicht oder an anderen Lokalisationen, nach einer Inkubationszeit von
ca. 3 – 10 Tagen auf.
Die Infektion durchläuft sechs jeweils einwöchige Stadien [5]
[6]
[7]:
-
Zunächst entstehen einzelne oder mehrere, derbe, bis 2 – 3 cm große livid-erythematöse
Knoten (makulopapulöses Stadium).
-
Im Verlauf entwickelt sich eine zentrale Rötung, mit umgebendem weißen, eleviertem
Ring und erythematösem Hof (Kokardenstadium).
-
Nachfolgend kommt es zu einer seröser Exsudation und
-
Ausbildung einer mit gelb-schwarzer Kruste bedeckten Papel,
-
deren Oberfläche sich papillomatös umwandelt.
-
Ab der 6. Woche bildet sich die Papel in der Regel zurück, die Kruste wird abgestoßen
und es findet eine narbenlose Abheilung statt.
Bis auf eine mögliche regionäre Lymphadenopathie treten meist keine Begleitsymptome
auf.
Die Diagnose lässt sich oft bereits anhand der typischen Klinik in Kombination mit
einer entsprechenden Expositionsanamnese stellen. Bei der dermatohistologischen Untersuchung
des erkrankten Gewebes zeigt sich gefäßreiches Granulationsgewebe und in der Epidermis
eine ballonierende Degeneration von Keratinozyten sowie eine multilokuläre Bläschenbildung
[8]. Zur Bestätigung der Diagnose kann ein Antigen- und elektronenmikroskopischer Nachweis
des Virus aus Effloreszenzmaterial erfolgen sowie ein ELISA im Serum [9].
Da das Ecthyma contagiosum eine selbstlimitierende Erkrankung ist, die in der Regel
nach 5 – 6 Wochen narbenlos abheilt, werden therapeutische Maßnahmen vor allem zu
Vermeidung einer Sekundärinfektion angewendet. Dies erfolgt zumeist mit lokal desinfizierenden
Substanzen. Kryochirurgie, oberflächliche Abtragung und die Anwendung von Imiquimod
lokal können den Heilungsverlauf beschleunigen [10]
[11].
Vorbeugenden Maßnahmen ist eine wichtige Bedeutung beizumessen. Infizierte Tiere sollten
umgehend isoliert werden. Ferner empfiehlt sich eine gute Handhygiene bei Menschen,
die Umgang mit potenziell infizierten Tieren haben und die Verwendung von Schutzhandschuhen.
In dem hier beschriebenen Fall haben wir jedoch die Verwendung von festem, geschlossenem
Schuhwerk beim nächsten geplanten Spaziergang über eine Schafswiese empfohlen.
Was sich in dieser Kasuistik (wieder einmal) deutlich zeigt, ist der nicht zu unterschätzende
Stellenwert einer sorgfältigen Anamnese – in diesem Fall bezüglich eines Tierkontaktes.
Bei klinisch klassischem Bild eines Ecthyma conatgiosum sollte man nicht aufhören
nach einer möglichen Infektionsquelle zu suchen, da die positive Expositionsanamnese
erheblich zur Diagnosestellung beiträgt.