Einflüsse berücksichtigen und Strategien entwickeln - Klientenzentrierung und Handlungsorientierung
Einflüsse berücksichtigen und Strategien entwickeln - Klientenzentrierung und Handlungsorientierung
Zwei zentrale Leitgedanken der Ergotherapie sind Klientenzentrierung und Handlungsorientierung.
Mit der Forderung nach mehr Patientensouveränität und dem Wunsch nach betätigungsorientierten
Behandlungsansätzen stellt sich die Frage, ob Ergotherapeuten die theoretischen Konstrukte
praktisch umsetzen. Linda Schulte, Oliver Sturmhöfel und Lena Andres von der Zuyd
Hogeschool in Heerlen, NL, fanden in ihrer Bachelorarbeit Folgendes heraus: Ob und
wie stark Ergotherapeuten die Leitgedanken umsetzen, ist von Praxiskontext, Gesundheitssystem
und Klienten abhängig. Ergotherapeuten müssen sich dieser Einflüsse bewusst sein,
um Strategien entwickeln zu können, die es ermöglichen, die Leitgedanken umzusetzen.
Die Studenten untersuchten bezogen auf die stationäre neurologische Rehabilitation,
ob und wie Ergotherapeuten die Leitgedanken der Ergotherapie umsetzen. Dazu führten
sie eine Literaturrecherche in Datenbanken wie CINAHL durch, um den theoretischen
Hintergrund aufzuarbeiten. Mit ihren Erkenntnissen entwickelten sie einen Leitfaden
für Experteninterviews. Dafür rekrutierten sie acht Ergotherapeuten. Als Einschlusskriterien
mussten die Teilnehmer in der stationären Neurologie in den Reha-Phasen B, C oder
D arbeiten und sich mit den Definitionen von Handlungsorientierung und Klientenzentrierung
identifizieren können. Alle Teilnehmer hatten Ergotherapie studiert und sich intensiv
mit den Leitgedanken auseinandergesetzt. Die Interviews dauerten zwischen 50 und 90
Minuten und fanden am Arbeitsplatz der Teilnehmer statt.
Die Auswertung zeigt, dass die befragten Experten die Leitgedanken vor dem Hintergrund
des Professionellen Reasonings umsetzen. Sie wenden alle Reasoning-Formen in unterschiedlicher
Ausprägung an. Beispielsweise nutzen sie das Prozedurale Reasoning, um sich auf Grundlage
der Diagnose und der Wünsche des Klienten für einen Behandlungsansatz zu entscheiden.
Zusätzlich beeinflussen drei weitere Faktoren die Umsetzung der Leitgedanken:
-
Klienten: Gesundheitliche Beeinträchtigungen und die damit einhergehende Aufenthaltsdauer bestimmen
die Therapie.
-
Praxiskontext: Fehlende zeitliche und personelle Ressourcen beeinträchtigen die Umsetzung.
-
Gesundheitssystem: Vorgaben der Kranken- und Rentenversicherungen beeinflussen die Umsetzung, zum Beispiel
durch eine immer kürzere Aufenthaltsdauer.
Zusammengefasst bewirken die Einflussfaktoren eine Diskrepanz zwischen dem theoretischen
Verständnis der Leitgedanken und ihrer praktischer Umsetzung. Die Forscher fordern
ergotherapeutische Ausbildungseinrichtungen dazu auf, sich mit den Leitgedanken zu
beschäftigen und diese an ihre Schüler weiterzugeben. Damit können Ergotherapeuten
ihre Kernkompetenzen hervorheben und zur Professionalisierung des Berufes beitragen.
lk
ergoscience 2017; 12: 3–10
TAB.
Professional Reasoning ist das Zusammenspiel kontextabhängiger Prozesse der Informationsaufnahme,
des Denkens und des Entscheidens. Es umfasst alle Reasoning-Formen.
Reasoning-Form
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Erläuterung
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Procedural Reasoning
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Interactive Reasoning
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Conditional Reasoning
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Narrative Reasoning
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Pragmatic Reasoning
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ergoscience 2017; 12: 3–10
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Professional Reasoning
Clinical Reasoning bezeichnet Denk- und Entscheidungsprozesse, die als die wichtigsten
Elemente therapeutischen Handelns gelten. Denn Ergotherapeuten müssen ihr Vorgehen
immer individuell auf einen Klienten abstimmen, um die passende Intervention zu finden
und diese auch verantworten zu können. Dabei ersetzt die internationale Literatur
„Clinical Reasoning“ zunehmend durch „Professional Reasoning“. Dieser Begriff ist
nicht mehr an das klinische Setting gebunden. Er berücksichtigt auch weitere Arbeitsfelder
von Ergotherapeuten wie Kindergärten, Schulen oder die Betriebliche Gesundheitsförderung.
ergopraxis 2015; 4: 18–23
Kognitive Leistungen nach Schlaganfall steigern - Neurofeedback
Kognitive Leistungen nach Schlaganfall steigern - Neurofeedback
Haben Menschen nach einem Schlaganfall kognitive Einschränkungen, können Sie von Neurofeedback
profitieren. Zu diesem Ergebnis kam ein interdisziplinäres Forschungsteam um Dr. Jane
Topolovec-Vranic vom Fachbereich für Ergotherapie und Occupational Science der Universität
Toronto, Kanada.
In ihrer systematischen Übersichtsarbeit werteten die Forscher acht Studien aus, welche
die Wirkung von Neurofeedback auf die kognitiven Leistungen von Klienten nach Schlaganfall
untersuchten. Die Arbeiten hatten sie in gängigen Datenbanken wie OVID oder Medline
recherchiert. Laut Ergebnissen untersuchten bisher nur wenige Studien, wie sich das
Neurofeedback auf die kognitiven Leistungen von Klienten nach Schlaganfall auswirkt:
Eine RCT-Studie, zwei kontrollierte Interventionsstudien und fünf Fallstudien ließen
sich hierzu finden. Die meisten Studien kamen zu positiven Ergebnissen. Demnach steigern
sich die kognitiven Leistungen der Betroffenen infolge der Neurofeedback-Behandlung
mäßig. Dabei können die Klienten ihre Gedächtnisleistungen, Konzentrations-, Lese-
und Sprachfähigkeit verbessern. Ebenso kann sich die Behandlung positiv auf ihre Stimmung,
Motivation und Energie auswirken.
Aus Sicht der Forscher liefert ihre Arbeit erste Belege dafür, dass Neurofeedback
eine evidenzbasierte Intervention für die kognitive Rehabilitation von Klienten nach
Schlaganfall darstellt. Da viele der einbezogenen Studien methodische Schwächen und
ein niedriges Evidenzlevel besitzen, sollten Ergotherapeuten die dargestellten Ergebnisse
allerdings mit Vorsicht interpretieren. Die Forscher sehen Bedarf an Studien mit hoher
methodischer Qualität, um die Ergebnisse weiter zu untermauern und die Langzeiteffekte
des Neurofeedbacks zu untersuchen.
fk
PLoS One 2017; 12: e0177290
Seitliches Gehtraining verbessert Gangbild und Asymmetrie - Hemiplegie nach Schlaganfall
Seitliches Gehtraining verbessert Gangbild und Asymmetrie - Hemiplegie nach Schlaganfall
Welchen Einfluss hat es, wenn man seitliches Gehen oder Rückwärtsgehen in die Therapie
von Menschen mit Hemiplegie nach Schlaganfall einbaut? Um das zu testen, untersuchten
koreanische Forscher 51 Patienten. Diese verteilten sie gleichmäßig auf drei Gruppen:
17 in eine Trainingsgruppe mit Rückwärtslaufen, 17 in eine Trainingsgruppe mit seitlichem
Gehen und 17 in eine Kontrollgruppe. Um die Gangparameter zu messen, nutzten die Wissenschaftler
den 10-Meter-Gehtest sowie den GAITRite, ein System, bei dem der Proband über einen
Teppich geht und das Programm Informationen zu Ganggeschwindigkeit, -ablauf, Schrittweite,
-länge und Schwankungen liefert.
Die Resultate der seitlichen Gehtrainingsgruppe zeigten im Vergleich zu den anderen
beiden Gruppen signifikante Verbesserungen der Gehgeschwindigkeit und der Schrittlänge
sowie verringerte Werte beim 10-Meter-Gehtest und in der Zweibeinstandphase.
Zusätzlich war das Gangbild deutlich symmetrischer. Demnach sollten Therapeuten bei
Patienten mit Hemiplegie nach Schlaganfall ein zusätzliches Gangtraining mit seitlichem
Aspekt in die Behandlung aufnehmen.
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Am J Phys Med Rehabil 2017; 96: 61–67
Neurofeedback
Neurofeedback stellt eine besondere Form des Biofeedbacks dar. Der Nutzer erhält über
das Elektroenzephalogramm (EEG) eine visuelle oder auditive Rückmeldung zu seiner
Gehirnaktivität. Dieses Feedback kann er nutzen, um seine Gehirnaktivität zu beeinflussen
und an verschiedene Trainingsziele anzupassen. Auf diese Weise kann er auch der stark
verlangsamten Aktivität der Theta- oder Alphawellen entgegenwirken, die typischerweise
nach einem Schlaganfall auftritt.
PLoS One 2017; 12: e0177290
4,5 Stunden
bleiben nach einem Schlaganfall, um mittels Lysetherapie eine bis zu 26 Prozent höhere
Chance zu erhalten, den Apoplex ohne schwere Behinderungen zu überleben. Wer innerhalb
von drei Stunden behandelt wird, erhöht seine Chance auf bis zu 75 Prozent.
Lancet 2014; 384: 1929–1935