Die Zuordnung erfolgte unter Hinzuziehung von Leitlinien, Cochrane Reviews, IQWiG-Analysen,
Entscheidungen des G-BA, der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und
des Arzneimitteltelegramms. Die Liste soll für die Allgemeinärzte eine Hilfe zur richtigen
und wirtschaftlichen Verordnung von Medikamenten geben und nach Integration in den
Praxiscomputer die bisherige Richtgrößenprüfung für die Wirtschaftlichkeit ablösen.
Die Standardmedikamente sollten bevorzugt verordnet werden.
Obwohl die Zuordnung der Asthma- und COPD-Medikamente nicht willkürlich ist, sondern
evidenzbasiert erfolgte, wurden für die Behandlung der Patienten wesentliche, ebenfalls
mit Evidenz belegte therapeutische Praktiken und Prinzipien – vor allem eine Schweregrad
orientierte Stufentherapie – nicht hinreichend berücksichtigt.
Nach den weltweit am häufigsten genutzten Empfehlungen zur Behandlung von Asthma (GINA)
(www.ginasthma.org) und COPD (GOLD) (www.goldcopd.org) wird der Einsatz der Medikamente zur Symptomkontrolle und zur Reduktion des Exazerbationsrisikos
individuell, sozusagen „maßgeschneidert“ empfohlen, wobei die Auswahl der Medikation
auch von dem jeweils vorliegenden Phänotyp des Patienten abhängt. Eine starre Einteilung
nach Standardmedikation (für alle Patienten mit Asthma bzw. für alle Patienten mit
COPD) ist nicht vereinbar mit diesem Anspruch.
Es gibt mehrere phänotypische Therapien für Asthma und COPD, die für die betroffenen
Patienten Standard darstellen, aber in der Liste unter „nachrangig“ aufgeführt werden.
Lang wirksame Beta-2-Adrenergika (LABA) wie Formoterol und Salmeterol gehören ohne
Zweifel zur Standardmedikation des Asthma (wenn auch nicht auf der ersten Therapiestufe).
Sie dürfen aber nicht ohne inhalative Kortikosteroide als Monotherapie verordnet werden.
Es gibt keine Asthma-Leitlinie, die eine LABA-Monotherapie befürworten würde. Zwar
sind Beclometason und Budesonid als inhalative Kortikosteroide (ICS) ebenfalls als
Standardmedikation für das Asthma vorgesehen und könnten theoretisch zusammen mit
Formoterol als zweitem Inhalator verschrieben werden. Die Adhärenz zu Inhalatoren
mit ICS-Monotherapie ist aber schlecht. Eine solche Verordnung senkt drastisch – wie
zahlreiche Studien zeigen – die Adhärenz zu der antientzündlichen Therapie und lässt
die Asthmamortalität ansteigen. Daher gehören ICS/LABA-Fixkombinationen für alle Patienten
ab GINA Therapiestufe 3 zur Standardtherapie und nicht zur Reserve.
Auch bei der COPD wird in der aktuellen GOLD-Empfehlung (2017) für Patienten, die
mit einem Bronchodilatator (LAMA oder LABA) nicht hinreichend eingestellt werden können,
die Kombination LAMA/LABA als Standard empfohlen, während die Einstufung als fixe
Kombination in dem Medikationskatalog als „Reserve“ oder „nachrangig“ erfolgt ist.
Die GOLD- bzw. GINA-Empfehlungen bzw. die nationalen Leitlinien unterstützen nicht
die Unterscheidung für die verschiedenen fixen LABA/ICS- oder LABA/LAMA-Kombinationen
als „Reserve“ oder „nachrangig“; dort werden nur Wirkstoffgruppen, keine einzelnen
Wirkstoffe empfohlen. Der wesentliche Grund hierfür dürfte darin liegen, dass keine
direkten Vergleichsstudien („head-to-head comparison“) vorliegen. Damit ist ein evidenzbasierter
direkter Vergleich der einzelnen Kombinationspräparate – wie im Medikationskatalog
der KBV erfolgte – nicht sicher möglich.
Die Notwendigkeit einer individuellen Auswahl der Therapeutika gilt auch für die Inhalationssysteme.
Es gibt unbestritten Patienten, die das eine oder andere Inhalationsgerät nicht einsetzen
können, weil sie z. B. den erforderlichen inspiratorischen Fluss nicht aufbringen.
Hier hilft auch keine Schulung. Daher wird von GINA (2016) ausdrücklich empfohlen,
die Auswahl des Inhalationsgerätes individuell zu treffen und mit dem Patienten gemeinsam
zu entscheiden.
Die Deutsche Atemwegsliga e.V. ist daher besorgt, dass eine starre Zuordnung von Asthma-
und COPD-Medikamenten – mit Verknüpfung der Wirtschaftlichkeitsprüfung der verschreibenden
Ärzte – die Versorgung der Asthma- und COPD-Patienten wesentlich verschlechtern wird.
Es könnte ein wirtschaftlicher Druck auf die Ärzteschaft entstehen – ausgerechnet
in der Ära der personalisierten Medizin – für alle Patienten möglichst nur Standard
zu verschreiben.
Dies widerspricht auch den Intentionen der Disease Management Programme für Patienten
mit Asthma und COPD, die eine effiziente, der Schwere der Erkrankung individuell angepasste
Behandlung befürworten.
Prof. Heinrich Worth, Dr. Peter Kardos und Prof. Carl-Peter Criée für die Deutsche
Atemwegsliga e.V.