Diabetes aktuell 2017; 15(03): 98
DOI: 10.1055/s-0043-111080
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Ökonomisierung in der Medizin

Fällt die gute Versorgung von Menschen mit Diabetes dem Rotstift zum Opfer?
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Publication Date:
18 July 2017 (online)

 

Noch sind Menschen mit Diabetes in Deutschland vergleichsweise gut versorgt. Doch wie lange noch? Im Zuge des AMNOG-Prozesses haben einige pharmazeutische Unternehmen neue Arzneimittel vom deutschen Markt genommen oder erst gar nicht eingeführt. Und in den Kliniken führt der hohe ökonomische Druck zur Schließung „unrentabler“ Abteilungen mit einem hohen Anteil an „sprechender Medizin“. Dabei sind gerade Menschen mit Diabetes eine stetig wachsende Patientengruppe, deren Versorgung auch künftig gesichert sein muss.


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Das deutsche Gesundheitssystem bietet eine hohe Versorgungsqualität ausgerichtet am neuesten medizinischen Standard. Doch diese Qualität und das Wohl der Patienten sind bedroht, wenn durch im Rahmen des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) bewertete Therapiestrategien, die von wissenschaftlichen Fachgesellschaften als „medizinischer Standard“ empfohlen werden, nicht zur Verfügung stehen oder aufgrund ihres Preises nicht umgesetzt werden.

„Die DDG unterstützt die sinnvolle Notwendigkeit und das Konzept des AMNOG zur Kostenbegrenzung grundsätzlich“, erläutert Prof. Dirk Müller-Wieland, Vizepräsident und Mediensprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und ergänzt: „Allerdings sehen wir in mehreren Punkten Verbesserungspotenzial“.

So solle der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die wissenschaftlichen Fachgesellschaften bei der Definierung des „medizinischen Standards“ mit einbeziehen. Auch die Patientenrelevanz sollte durch die strukturierte und stimmberechtigte Einbindung von Betroffenen bei der Bewertung und Entscheidung deutlicher wahrgenommen werden. Als sinnvoll erachtet die DDG auch einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat unter anderem zur medizinischen Plausibilitätskontrolle der AMNOG-Ergebnisse.

Weniger Klinikabteilungen für mehr Patienten?

Zudem stehen durch den ökonomischen Wettbewerb in Kliniken insbesondere Abteilungen mit einem hohen Anteil an „sprechender Medizin“ auf dem wirtschaftlichen Prüfstand. Diese gelten schnell als unrentabel: Bereits mehrere internistische, diabetologische und endokrinologische Klinikabteilungen wurden aus diesem Grund schon geschlossen. Dabei muss gerade die Versorgung der Menschen mit Diabetes als eine stetig wachsende Patientengruppe auch künftig gesichert sein.


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Zudem stehen durch den ökonomischen Wettbewerb in Kliniken insbesondere Abteilungen mit einem hohen Anteil an „sprechender Medizin“ auf dem wirtschaftlichen Prüfstand. Diese gelten schnell als unrentabel: Bereits mehrere internistische, diabetologische und endokrinologische Klinikabteilungen wurden aus diesem Grund schon geschlossen. Dabei muss gerade die Versorgung der Menschen mit Diabetes als eine stetig wachsende Patientengruppe auch künftig gesichert sein.

So ist die Diabetologie immer weniger in den Kliniken vertreten, sodass sie auch im Rahmen der Aus- und Weiterbildung nicht mehr angemessen vermittelt werden kann. „Deshalb müssen die Bundesländer und der Bund dafür sorgen, dass die Zahl der diabetologischen Lehrstühle wieder steigt. Außerdem muss die Diabetologie an großen Versorgungskrankenhäusern erhalten bleiben und essenzieller Teil der Weiterbildung sein“, betont Gallwitz.

Derzeit werden in Deutschland Menschen mit Diabetes von circa 60 000 Hausärzten und etwa 1100 Schwerpunktpraxen mit Diabetologen ambulant betreut. Die stationäre spezialisierte Betreuung erfolgt in etwa 165 zertifizierten Einrichtungen in Krankenhäusern. Schon jetzt zeichnet sich ein Nachwuchsproblem ab: „Fast ein Drittel der Ärzte ist älter als 50 Jahre, fast ein Fünftel sogar älter als 60“, erklärt DDG-Präsident Prof. Baptist Gallwitz, Tübingen, „Diese Entwicklung hängt nicht zuletzt mit der ständig sinkenden Zahl an klinischen Lehrstühlen für Diabetesologie und Stoffwechsel und Ausbildungsmöglichkeiten in Krankenhäusern zusammen.“

Quelle: Pressemitteilung „Weniger Medikamente, Klinikabteilungen und Ärzte für immer mehr Menschen mit Diabetes?“ vom 15.03.2017, herausgegeben von der Deutschen Diabetes Gesellschaft


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