655 repräsentativ ausgewählte dänische Seeleute nahmen im Rahmen ihrer verpflichtenden
Seediensttauglichkeitsuntersuchung an dieser Querschnitterhebung teil. Die erhobenen
Parameter wurden denen der dänischen Bevölkerung als Referenzpopulation gegenübergestellt.
Die Ergebnisse der Untersuchungen von 629 Seeleuten wurden altersstratifiziert statistisch
ausgewertet.
Bei 281 Personen (44,7 %) wurde Bluthochdruck festgestellt. 263 (41,7 %) der Seeleute
stuften die Autoren als prähypertensiv ein. Sie beobachteten einen großen Unterschied
zu der Prävalenz von Bluthochdruck in der dänischen Bevölkerung (12,6 %). Sowohl in
der Kohorte als auch in der Referenzpopulation nahmen die Prävalenzen mit dem Alter
zu. Nur 15 % der an Hypertonie leidenden dänischen Seeleute wurden Selbstauskünften
zufolge wegen ihres Bluthochdrucks behandelt. Im Gegensatz dazu erhielten 59 % der
Hypertoniker in der Referenzpopulation Medikamente gegen die Erkrankung.
Die Autoren beobachteten für jede Altersstufe ein im Vergleich zur Referenzpopulation
höheres kardiovaskuläres Risiko hinsichtlich Prävalenz von Bluthochdruck, fehlender
antihypertensiver Therapie und erhöhtem Body-Mass-Index (BMI). Die Unterschiede waren
besonders prominent bei jüngeren Seeleuten. Obwohl die Autoren bei 28,6 beziehungsweise
33,3 % (< 20 und bis 29 Jahre) und bei 44,3 % (40 – 49 Jahre) eine Hypertonie diagnostizierten,
erhielt keine Person der beiden erstgenannten Gruppen Medikamente gegen Bluthochdruck.
Auch bei den Seeleuten zwischen 40 und 50 Jahren stieg die Behandlungsprävalenz nur
auf 4,9 % an. Seeleute, deren Arbeit dem Maschinenraum zugeordnet wurde, wiesen die
höchste Hypertonieprävalenz auf (49,6 %). Neben Zigaretten- und Alkoholkonsum wurden
auch berufliche Risikofaktoren für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und Bluthochdruck
im maritimen Setting von den Autoren benannt (Verpflegung, sitzende Tätigkeiten, Schichtarbeit
und Lärm).
Kommentar
Die hohe, mit dem Alter noch zunehmende Prävalenz von Bluthochdruck und seinen Vorstufen
gepaart mit einer beobachteten alarmierenden Unterbehandlung der Seeleute weist auf
eine Versorgungslücke hin, die geschlossen werden muss. Hierfür ist es notwendig,
bei der Seediensttauglichkeitsprüfung eindringlich auf Abklärungs- und Behandlungsbedarf
von auffälligen Befunden hinzuweisen. Zudem sollte zukünftig ein „betriebliches“ Gesundheitsmanagement
überall dort, wo Seeleute ihre Ausbildung erhalten und arbeiten, darauf abzielen,
dass das Verständnis für die Notwendigkeit einer Intervention bei Seeleuten wächst
und präventiv Risikofaktoren für die Entwicklung von Bluthochdruck vermindert werden.
Die Autoren weisen zu Recht auch auf die Institutionsverantwortung in diesem Zusammenhang
hin. Dies lässt sich gut am Beispiel der Ernährung bei Vollverpflegung auf hoher See
verdeutlichen. Bereits junge Menschen, die sich für eine Ausbildung in maritimen Berufen
entscheiden, leiden eher an Übergewicht als ihre Altersgenossen [1]. Diese Tendenz setzt sich im Laufe der Berufstätigkeit fort [2], sodass Seeleute unter Umständen nicht mehr ausreichend fit für ihren anspruchsvollen
Beruf sind [3] und/oder dadurch die Arbeitssicherheit gefährdet werden kann [4]. Daher sind sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventive Ansätze zur frühzeitigen
Intervention zur Vermeidung von Übergewicht erforderlich. Gute Ansätze hierfür sollten
im maritimen Setting erprobt und evaluiert werden, um dann überzeugend für ihren Einsatz
werben zu können.
Die Autoren beobachten eine gegenüber der Referenzpopulation deutlich erhöhte Prävalenz
von Bluthochdruck in allen Altersgruppen ihrer Kohorte dänischer Seeleute. Sie bestätigen
damit zitierte Studien aus anderen europäischen Ländern, die ebenfalls zu dem Schluss
kommen, dass das maritime Setting ein hohes Risiko birgt, an Bluthochdruck zu erkranken.
Die Situation der Seeleute der vorliegenden Studie wird durch eine nicht vorhandene
bis sehr geringe antihypertensive Behandlung in jungen Jahren zusätzlich aggraviert.
Schwerwiegende Folgen können auch dadurch entstehen, dass stark erhöhte Blutdruckwerte
an Bord eher zurückhaltend als medizinischer Notfall gewertet werden. Die Seediensttauglichkeitsprüfung
sollte unbedingt auch dazu genutzt werden, über Auffälligkeiten zu informieren, um
die notwendige Abklärung eines erhöhten Blutdrucks und damit die Behandlungschancen
an Land und auf hoher See zu verbessern.