Pneumologie 2018; 72(02): 127-131
DOI: 10.1055/s-0043-117786
Standpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Weg zum Atmungstherapeuten in Deutschland – Status quo und Entwicklungsperspektiven

How to become a Respiratory Therapist in Germany – Status quo and Development Prospects
O. Karg
DGP Fortbildungsakademie, Berlin
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O. Karg
DGP Fortbildungsakademie
Robert-Koch-Platz 9, 10115 Berlin

Publication History

Publication Date:
05 October 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Das Berufsbild des Atmungstherapeuten hat sich 10 Jahre nach seiner Einführung in Deutschland gut etabliert. 600 Teilnehmer haben die berufsbegleitenden Weiterbildungskurse absolviert. Unsere Ziele sind eine hochwertige interprofessionelle Zusammenarbeit und Unterstützung der Ärzte durch besonders qualifizierte Mitarbeiter einschließlich Delegation ursprünglich ärztlicher Aufgaben. Vergleichbar hierzu ist das Berufsbild des chirurgisch-technischen Assistenten. Für diesen gibt es unterschiedliche Qualifizierungswege: von der grundständigen Ausbildung über Weiterbildungslehrgänge bis hin zum Bachelor-Studium des Physician Assistant. Die Bundesärztekammer hat in den letzten Jahren Rahmenvorgaben für ein Delegationsmodell Physician Assistant zur Arztentlastung und -unterstützung erarbeitet und auf dem diesjährigen 120. Deutschen Ärztetag verabschiedet. Es ist zu erwarten, dass nunmehr die Zahl der Physician Assistants deutlich steigt. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin hält einen Physician Assistant mit Spezialfach Atmungstherapie für grundsätzlich vorstellbar. Ob allerdings die bisherigen Weiterbildungslehrgänge dadurch vollständig ersetzt werden, erscheint fraglich. Zumindest vorübergehend werden evtl. Weiterbildungskonzepte auf unterschiedlichem Niveau nebeneinander existieren. Hinzu kommt, dass zwischenzeitlich in einem Bundesland eine staatlich anerkannte Pflegefachweiterbildung Atmungstherapie eingeführt wurde. Zukünftige Interessenten haben die Qual der Wahl.


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Abstract

The profession respiratory therapist is well established in Germany 10 years after the introduction. 600 participants have successfully graduated from the training facilities.

Our goals are high quality interprofessional teamwork and medical assistance inclusive delegation of formerly physician activities. The duties are comparable to the work pattern of Technical Assistants in surgery. For this profession different ways of qualification are possible: primary training, advanced training and academic studies Physician Assistance. The Geman Medical Association worked up standards for a delegation model to physician assistants and relief and assictance for physicians. These standards were finalised in 2017 during the 120th german physician convention. After this decision we can estimate that the number of physician assistants will be growing up. The german respiratory society can imagine physician assistants with special knowledge in respiratory care. But we are not sure wether our previous educational courses will be completely substituted by academic studies. Temporary there will coexist different educational concepts on different levels. In one german country it is also possible for nurses to pass federal certified advanced training in respiratory care. This is why it will be hard to make a choice on this matter in the future.


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Ausgangssituation

In den Vereinigten Staaten und in asiatischen Ländern gibt es seit über 50 Jahren den Ausbildungsberuf „Respiratory Therapist“, in Europa existiert dieser grundständige Ausbildungsberuf nicht. In einigen Ländern gibt es „respiratory nurses“, dem entspricht eine mehrjährige Berufserfahrung in der Pneumologie, keine spezifische Aus- oder Weiterbildung.

2004 hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) den Beschluss gefasst, das Berufsbild Respiratory Therapist unter dem deutschen Namen Atmungstherapeut in Form einer qualifizierenden Weiterbildung einzuführen und die Begründung hierzu sowie das Weiterbildungscurriculum beschrieben [1]. Der Lehrgang steht Pflegekräften und Physiotherapeuten offen, Einzelheiten zum Weiterbildungscurriculum finden sich auf der Homepage DGP [2], die Zertifizierung erfolgt ebenfalls durch die DGP. Der erste Lehrgang startete im Herbst 2005 mit 22 Teilnehmern und wurde im Frühjahr 2007 abgeschlossen, über die ersten Erfahrungen haben wir damals berichtet [3]. 10 Jahre später, im Frühjahr 2017, haben wir in 26 abgeschlossenen Kursen an sieben Kursorten 600 Atmungstherapeuten zertifiziert. Über 100 weitere Teilnehmer nehmen derzeit an den Kursen teil, die Anmeldeliste übersteigt bei Weitem unsere Weiterbildungskapazitäten, was zu langen Wartezeiten führt. Die Kurse werden von pneumologischen Abteilungen in Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken durchgeführt, von ärztlichen Kollegen geleitet. Zwischenzeitlich gibt es von Mitbewerbern eine Weiterbildung gleichen Namens, aber mit dem Lernziel klinische und außerklinische Beatmungspflege, nicht Pneumologie als Gesamtfach [4], sowie in einem Bundesland eine staatliche Weiterbildungs- und Prüfungsverordnung für Pflegefachkräfte in Atmungstherapie [5]. Circa 300 Atmungstherapeuten sind Mitglieder in unserer Fachgesellschaft, beteiligen sich an den Kursen, der Kongressgestaltung, in WeanNet und führen ihre eigene jährliche Herbsttagung durch. Auch in der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) gibt es in der Sektion Intensivpflege und Physiotherapie eine eigene Gruppe von Atmungstherapeuten.

Diese rasante Entwicklung hatten wir nicht vorausgesehen. Sie zeigt, dass wir damals die richtige Entscheidung getroffen haben. Allen Kollegen, die sich an der Mitgestaltung beteiligt haben, ob an der Kursorganisation, als Lehrer in Theorie und Praxis, Prüfer oder Autor für das Lehrbuch, sei an dieser Stelle herzlichst gedankt. Ohne ihren Einsatz wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. In vielen Kliniken haben Atmungstherapeuten neu gestaltete Arbeitsplätze bekommen, die Wertschätzung ist im Allgemeinen sehr hoch. Dies ist aber noch nicht durchgehend der Fall und nur wenige Atmungstherapeuten werden besser honoriert. Hier müssen vor allem die Abteilungsleiter durch Druck auf die Geschäftsführungen kontinuierlich gegensteuern, damit die Motivation zur Weiterbildung nicht sinkt. Der Erfolg darf uns auch nicht dazu verleiten, alles zu lassen wie es ist. Es ändert sich momentan in den Gesundheitsfachberufen sehr viel. Wir müssen die Entwicklung aufmerksam verfolgen und weiterhin aktiv mitgestalten. In diesem Beitrag sollen mögliche Enwicklungen dargestellt werden.


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Delegation ärztlicher Tätigkeit

Das Thema „Delegation“ wird nach wie vor kontrovers diskutiert [6] [7]. Angeheizt wurde diese Diskussion vor allem durch das Gutachten 2007 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen „Kooperation und Verantwortung – Voraussetzungen einer zielorientierten Gesundheitsversorgung“. Darin wurde eine Neuordnung der Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe gefordert [8]. In dem Sondergutachten 2009 „Koordination und Integration –  Gesundheitsversorgung in einer Gesellschaft längeren Lebens“ wird die Erprobung neuer Formen der Kooperation von ärztlichen und nichtärztlichen Berufsgruppen ausdrücklich begrüßt [9]. Ein Konzept in der Behandlung chronisch und mehrfach erkrankter Patienten könnte sein, dass ein Arzt ein Team von Gesundheitsprofessionals leitet, welches als Gesamtheit für die Behandlung verantwortlich ist. Somit eröffnen sich für die Fachberufe auch außerhalb von Kliniken zunehmend berufliche Chancen.

Die zunehmende Komplexität von Versorgungsprozessen erfordert unseres Erachtens eine zunehmend hohe Fachkompetenz auch der Mitarbeiter aus anderen Gesundheitsberufen. Wir wollen die Versorgungsqualität stärken unter anderem durch eine verbesserte interprofessionelle Zusammenarbeit mit berufsgruppenübergreifender Patientenversorgung, zum Beispiel im Weaning [10]. Das beinhaltet auch die Delegation ursprünglich von Ärzten ausgeführter Tätigkeiten: Ärzte sollen von Routinetätigkeiten entlastet werden und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Zudem üben Ärzte in Weiterbildung verschiedene Tätigkeiten nur vorübergehend während ihrer Weiterbildung aus, um sie dann zugunsten anderer Tätigkeiten wieder aufzugeben. Mitarbeiter der Assistenzberufe erreichen dagegen eine hohe Prozessroutine, die hohe Kontinuität in definierten Assistenzleistungen ermöglicht eine hohe Behandlungsqualität [11]. Daraus ergibt sich, dass der medizinische Abteilungsleiter, nicht die Pflegedienstleitung Atmungstherapeuten weisungsbefugt sein muss. Letzteres ist aber nicht überall umgesetzt. Unser Ziel war und ist eine Unterstützung der Ärzte durch besonders qualifizierte Mitarbeiter, nicht der Ersatz von Ärzten durch Atmungstherapeuten [12].


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Andere Gesundheitsfachberufe mit vergleichbarem Tätigkeitsprofil

In etwa vergleichbar mit der Stellung von Atmungstherapeuten sind in chirurgischen Fächern nicht-ärztliche Assistenzberufe wie chirurgisch-technischer Assistent (CTA) oder chirurgischer Operationsassistent (COA), die etwa zur gleichen Zeit wie die Atmungstherapie eingeführt wurden. Für dieses Berufsbilder gibt es jedoch sehr unterschiedliche Qualifizierungswege: grundständige Ausbildung, qualifizierende Weiterbildung oder Bachelor-Studium zum Physician Assistant [13] [14].

  • Eine dreijährige grundständige Berufsausbildung wurde erstmals von der Kaiserswerther Diakonie 2006 angeboten, andere Bildungsträger folgten.

  • Eine Weiterbildung zum Chirurgieassistenten war erstmals an der Katholischen Bildungsstätte Osnabrück möglich, es folgten das Asklepios Gesundheitszentrum Wiesbaden und andere. Die Weiterbildungsgänge sind jedoch recht unterschiedlich: 80 versus 720 Stunden theoretischer Unterricht plus 200 Operationsassistenzen in 6 Monaten versus 1900 Stunden Praxis innerhalb von 18 Monaten.

  • Ein Bachelor-Studium „Physician Assistance“ wurde im Herbst 2005 an der Steinbeis Hochschule Berlin eingeführt. Die Akademisierung wurde vor allem mit Blick auf internationale Vorbilder und den Anforderungen im Einsatzbereich legitimiert [13].

Ende 2011 – 2012 hat das Deutsche Krankenhausinstitut bei den Absolventen der bis dahin durchgeführten chirurgischen Aus-/Weiterbildungsmaßnahmen eine Umfrage durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt gab es fünf Einrichtungen, die in den beschriebenen unterschiedlichen Formen eine Qualifizierung für die nicht-ärztliche Chirurgie-Assistenz anboten und die im Oktober 2011 194 Teilnehmer abgeschlossen hatten [11]:

  • 89 % der Teilnehmer gaben an, nach der Qualifizierung als CTA/COA gearbeitet zu haben, vor allem in größeren Krankenhäusern. 15 % hatten Probleme, eine entsprechende Stelle zu finden.

  • 50 % gaben an, dass es eine entsprechende Stellenbeschreibung für ihre Funktion gäbe. Konzeptionell ist das Tätigkeitsprofil eindeutig zum Operations-Pflegedienst unterscheidbar, meist war das auch in der Praxis der Fall. Eine Minderheit gab jedoch eine Mischform in ihrer Tätigkeit an.

  • Fachlich waren sie meist dem ärztlichen Dienst (Leitender Arzt, Oberarzt) oder dem Op-Manager unterstellt. Dienstrechtlich waren sie jedoch in 21 % dem Pflegedienstleiter unterstellt.

  • Die Zusammenarbeit über alle Dienste, Hierarchiestufen und Berufsgruppen bezeichneten 75 – 90 % der Absolventen als gut oder sehr gut. Aus ihrer Warte fiel die Akzeptanz des Berufsbildes der nicht-ärztlichen Chirurgie-Assistenz überwiegend positiv aus. Einige Absolventen hoben hervor, dass ihr Status und ihr Einsatzbereich in sehr hohem Maße von der Akzeptanz der leitenden Ärzte abhingen.

  • Die Karriere- und Verdienstmöglichkeiten wurden dagegen eher skeptisch eingeschätzt. Durch bessere Etablierung des Berufes werden zwar bessere Aufstiegsmöglichkeiten erwartet, die Meinung über damit verbundene bessere Bezahlung war jedoch geteilt. Zur Etablierung des Berufsbildes forderten einige Absolventen eine staatliche Anerkennung bzw. tarifliche Eingruppierung.

  • Circa die Hälfte der Chirurgie-Assistenten gab einen jährlichen Brutto-Verdienst unter bzw. über 40000 € an. Diese Angabe ist nur begrenzt aussagekräftig, da Arbeitszeit, Bereitschaftsdienste und Altersstruktur sehr unterschiedlich in das Arbeitsentgelt eingehen.

Nähere Informationen zum Berufsbild und Angaben zu den Weiterbildungsstätten sind auf der Homepage des Netzwerkes Chirurgie-Assistenten einsehbar [15].

Wir haben bei den Atmungstherapeuten nach Abschluss des ersten Kurses eine Umfrage durchgeführt: Trotz damals noch geringem Bekanntheitsgrad haben 68 % der Teilnehmer nach der Weiterbildung höherwertige Arbeitsplätze bekommen [2]. Eine bessere Entlohnung erfolgte jedoch selten. Inzwischen dürfte es kaum noch eine pneumologische Fachabteilung ohne Einsatz von Atmungstherapeuten geben.


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Akademisierung – Studium Physician Assistance

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat erstmals am 111. Ärztetag 2008 in Ulm zur Arbeitsteilung zwischen Ärzten und anderen Gesundheitsberufen im sogenannten Ulmer Papier [16] Stellung genommen und eigene Vorschläge entwickelt [17]. Dabei wurde die ärztliche Letztverantwortung für Diagnostik und Therapie sowie der Rechtsanspruch der Patienten auf Facharztstandard ausdrücklich betont. Grenzen der Delegation sind Leistungen, die der Arzt wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen unter Einsatz seiner spezifischen Fachkenntnis und Erfahrung höchstpersönlich erbringen muss. Eine Substitution ärztlicher Leistungen und Aufgaben an nicht-ärztliche Gesundheitsberufe wurde und wird weiterhin abgelehnt. Auf dem Ärztetag 2012 hat sich die BÄK ebenfalls für multiprofessionelle Teams und berufsübergreifende Versorgungskonzepte ausgesprochen [18]. In der Weiterentwicklung dieses Konzepts wurde von BÄK und Kassenärztlicher Bundesvereinigung eine Rahmenvorgabe für die Ausbildung und Tätigkeit für das Berufsbild Physician Assistant erarbeitet und ein Delegationsmodell erstellt. 2017 hat der Deutsche Ärztetag dieses Delegationsmodell zur Arztentlastung und -unterstützung befürwortet [19]. Das Modell soll nun in allen Landesärztekammern, in denen entsprechende Studiengänge existieren oder eingerichtet werden, als Grundlage für die Zusammenarbeit mit den Hochschulen dienen [20].

Der Physician Assistant (Arztassistent) ist ein medizinischer Assistenzberuf, der seit vielen Jahren in den USA und anderen angloamerikanischen Ländern, seit ca. 15 Jahren auch in den Niederlanden etabliert ist. Es handelt sich um ein Bachelor-Studium an einer Fachhochschule nach abgeschlossener medizinischer Berufsausbildung, das mit dem Bachelor of Science abschließt. In Deutschland wurde das Studium primär von chirurgischen Fächern initiiert (siehe Chirurgie-Assistenz). Der erste Studiengang an der Steinbeis Hochschule in Berlin wurde in Kooperation mit der chirurgischen Abteilung des Deutschen Herzzentrums Berlin durchgeführt. Die staatliche Duale Hochschule Baden-Württemberg bietet seit 2010 in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie in Karlsruhe einen Studiengang an, der als Wahlfach eine spezielle Qualifizierung in diesem Gebiet vorsieht. Zudem ist eine Gebiets-Spezialisierung Urologie neben dem Physician Assistant ohne Spezialisierung möglich. Weitere Hochschulen mit Angebot eines Studiengangs „Physician Assistance“ sind zum Beispiel die praxisHochschule in Köln, die staatliche Berufsakademie Sachsen in Plauen sowie die Carl Remigius Medical School (Teil der Hochschule Fresenius) mit mehreren Standorten in Deutschland. An letzterer ist das Studium mit oder ohne vorhergehender Berufsausbildung möglich (ohne Berufsausbildung 8 Semester mit nachfolgender 1-jähriger Praxisphase). Letzteres entspricht allerdings nicht der Vorstellung der BÄK. Im Zuge einer Standardisierung soll das Studium 140 European Credit Transfer System (ECTS)-credits in der Basisausbildung ohne Fachspezialisierung umfassen. 40 ECTS-credits stünden zur freien Auswahl für Wahl- oder Vertiefungsfächer, hier unterscheiden sich nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants (DGPA) die Studiengänge [21]. Auf Stunden umgerechnet wären das circa 900 Arbeitsstunden pro Semester beziehungsweise 5400 Stunden für das gesamte Studium. Von der Fresenius Hochschule werden 240 ECTS-credits angegeben. Die Bundesärztekammer empfiehlt in ihrer Rahmenvorgabe mindestens 140 ECTS [19]. Praxiszeiten sollen mindestens 20 % des Gesamtumfangs ausmachen.

An Physician Assistants delegierbare Aufgabenbereiche sind zum Beispiel allgemeines Prozessmanagement, ärztliches Prozess- und Dokumentationsmanagement sowie patientenbezogene Tätigkeiten. Der Tätigkeitsrahmen umfasst:

  • Mitwirkung bei der Erstellung des Diagnose- und des Behandlungsplans

  • Mitwirkung bei komplexen Untersuchungen sowie Durchführung von medizinisch-technischen Tätigkeiten, soweit diese nicht speziellen Berufsgruppen vorbehalten sind

  • Mitwirkung bei der Ausführung eines Behandlungsplans

  • Mitwirkung bei Eingriffen

  • Mitwirkung bei Notfallbehandlungen

  • Adressatengerechte Kommunikation und Informationsweitergabe

  • Prozessmanagement und Teamkoordination

  • Unterstützung bei der Dokumentation [19]

Von 2005 bis 2017 haben circa 300 Teilnehmer das Studium absolviert [20]. Das ist eine sehr geringe Zahl. Aktuell seien jedoch 260 Studierende eingeschrieben, das heißt der Zulauf hat sich deutlich verstärkt. Die Zahl der Hochschulen mit entsprechenden Studienangeboten steigt ebenfalls kontinuierlich.

Warum haben bisher nur wenige Teilnehmer das Studium absolviert? Eine mögliche Antwort dürfte der enorme zeitliche und finanzielle Aufwand sein: Es müssen über 5000 Stunden und circa 18000 € Studiengebühren zumindest an den privaten Hochschulen aufgebracht werden. Im Vergleich hierzu beträgt der Gesamtumfang der Weiterbildung zum Atmungstherapeuten 720 Stunden innerhalb von zwei Jahren, die Kursgebühr beträgt 6545 €. Die Einstiegschwelle ist somit deutlich niedriger, das bewirkt wohl die deutlich höheren Teilnehmerzahlen. Ausschlaggebend für die niedrige Zahl von Studienabsolventen könnte jedoch sein, dass selbst nach dem Studium der Einsatz in der Klinik und die Entlohnung noch nicht geregelt sind. Nachfragen ergaben, dass derzeit das Interesse der Absolventen der Atmungstherapeutenkurse an einem entsprechendem Studiengang nicht sehr hoch ist.


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Wie könnte nun der Weg zum Atmungstherapeuten in Zukunft aussehen?

  • Weiterbildungslehrgänge für Mitarbeiter aus verschiedenen Gesundheitsfachberufen: Hierbei handelt es sich um das aktuell realisierte Modell der DGP. Dieser Weg ist relativ pragmatisch und kostengünstig. Bei den Absolventen handelt es sich meist um bereits erfahrene und sachkundige Mitarbeiter. Derzeit lassen wir für die Weiterbildung zum Atmungstherapeuten Kranken- bzw. Gesundheitspfleger und Physiotherapeuten zu. Prinzipiell ließe sich dies durchaus auf andere Berufe wie Logopäden, Ergotherapeuten oder medizinisch-technische Assistenten ausweiten. Unsere praktische Erfahrung aus den Kursen spricht jedoch wegen des doch recht unterschiedlichen Basiswissens dagegen. Wir müssten den zeitlichen Umfang an Unterrichtsstunden für die Integration unterschiedlicher Berufsgruppen deutlich erhöhen. Eine Erhöhung der Stundenzahl in Theorie und Praxis wird in Zukunft jedoch prinzipiell erforderlich sein, um den komplexen Anforderungen an eine Arzt-Assistenz besser gerecht zu werden. Als Fachgesellschaft können wir das Curriculum schnell an aktuelle Bedürfnisse anpassen.

  • Fachweiterbildung für Pflegepersonal: Dieser Weg wird in Mecklenburg-Vorpommern eingeschlagen, seit 2015 wird die staatlich anerkannte Fachweiterbildung Atmungstherapie angeboten. Die Weiterbildung umfasst 420 Stunden Unterricht und mindestens 840 Stunden praktische Weiterbildung. Es gibt aber noch keine Absolventen. Die weitergebildeten Pflegekräfte bleiben in der Berufsgruppe Pflege, eine Tätigkeit als Arzt-Assistent ist nicht vorgesehen. Dies ist neben den Eingangsbedingungen ein wesentlicher Unterschied zum Konzept der DGP. Von Seiten der Fachgesellschaft begrüßen wir jeden qualifizierten Pflegemitarbeiter und freuen uns darüber, dass die Atmungstherapie auch in der Pflege an Bedeutung gewinnt. Wir gehen davon aus, dass das Modell in Zukunft von anderen Bundesländern übernommen wird. Wir wollen diese Mitarbeiter auch nicht der Pflege entziehen, sie können in Zukunft selbst entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen.

  • Grundständige Berufsausbildung: Hierfür könnte sprechen, dass diese sehr gezielt qualifiziert, orientiert zum Beispiel am amerikanischen Vorbild. In den Vereinigten Staaten ist eine Ausbildung zum Respiratory Therapist auch auf unterschiedlichem Level möglich: Nach Angaben der American Association for Respiratory Care (AARC) ist das niedrigste Niveau der „Associate Degree“, eine zweijährige Collegeausbildung. Diese wird aber in Hinblick auf die zunehmenden Anforderungen langsam verlassen zugunsten des vierjährigen „Baccalaureate Degree“. Das bestandene Examen führt zur Bezeichnung Certified Respiratory Therapist, ein weiteres Examen erlaubt die Bezeichnung Registered Respiratory Therapist. Ein Studium führt zum „Masters Degree“, ermöglicht auch Hochschulkarrieren [22]. Als Nachteil für eine grundständige Berufsausbildung erscheint, dass die Auszubildenden keinerlei Vorerfahrungen haben. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass in Deutschland in absehbarer Zeit ein Ausbildungsberuf Atmungstherapeut geschaffen wird.

  • Studium Physician Assistance: Vor allem im Hinblick auf die Befürwortung durch die BÄK wird dieser Weg der akademischen Professionalisierung erheblich an Bedeutung gewinnen, vielleicht auch die anderen Weiterbildungsmaßnahmen verdrängen. Ein Problem bilden jedoch die hohen Kosten. Wie ließe sich die Atmungstherapie integrieren? 40 ECTS-credits als Wahlfach böten durchaus die Chance zum Physician Assistant mit Spezialisierung in Atmungstherapie, ähnlich wie es ihn jetzt bereits für die Orthopädie und Urologie gibt. Weitere Spezialisierungen in anderen Fächern werden folgen. Da z. B. Anatomie und Physiologie oder die Grundlagen der Intensivmedizin im Pflichtteil gelehrt werden, könnte man sich im Wahlfach ganz auf die Pneumologie einschließlich Beatmungsmedizin konzentrieren. Wir sollten in absehbarer Zeit mit Hochschulen in Kontakt treten und gemeinsam entsprechende Studienkonzepte erarbeiten.


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Perspektive

Die Weiterbildung zum Atmungstherapeuten ist für die DGP ein Erfolgsmodell. Doch wir müssen zukünftige Entwicklungen möglichst vorhersehen und proaktiv gestalten.

  • Das Berufsbild wird sich weiter stabilisieren. Die bereits jetzt erfreulich hohe Wertschätzung von Atmungstherapeuten wird weiter steigen, vor allem dann, wenn diese sich weiterhin engagiert mit ihrer Fachkompetenz in die interprofessionelle Zusammenarbeit bei der Patientenversorgung einbringen.

  • Es ist nicht davon auszugehen, dass es in Deutschland einen Atmungstherapeuten als Ausbildungsberuf geben wird.

  • Die Pflegefachweiterbildung in Atmungstherapie wird wahrscheinlich auch von anderen Bundesländern übernommen.

  • Zumindest in den nächsten Jahren wird das Weiterbildungskonzept berufsbegleitender Lehrgänge weiter bestehen, evtl. im Rahmen weiterer Spezialisierung mit höherer Stundenzahl. Die Zahl von professionellen Mitbewerbern mit ähnlichem Kursangebot wird zunehmen.

  • Derzeit ist noch nicht absehbar, wie gut sich das neue Berufsbild Physician Assistant etablieren wird. Bisher wurde das Angebot eher zögerlich angenommen. Vor allem auch im Hinblick auf die Befürwortung durch die BÄK müssen wir davon ausgehen, dass die Zahl der Studierenden für Arzt-Assistenzberufe deutlich zunehmen wird. Die DGP verfolgt die laufenden Entwicklungen und wird Konzepte vorbereiten, die bei Bedarf in das Curriculum zum Physician Assistant integrierbar sind.

  • Zumindest vorübergehend wird es verschiedene Weiterbildungswege auf unterschiedlichem Level geben. Welches Modell sich dann letztendlich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

O. Karg
DGP Fortbildungsakademie
Robert-Koch-Platz 9, 10115 Berlin