Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2018; 13(04): 343-356
DOI: 10.1055/s-0043-118309
Grundlagen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Unfallchirurgisch-geriatrisches Co-Management in der Alterstraumatologie

Benjamin Bücking
,
Ulrich Liener
,
Christopher Bliemel
,
Steffen Ruchholtz
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Benjamin Bücking
Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Standort Marburg
Baldingerstraße
35033 Marburg

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. Juli 2018 (online)

 

Viele orthopädische und unfallchirurgische Krankheitsbilder erfordern ein interdisziplinäres, interprofessionelles Management, und besonders in der Alterstraumatologie hat das interdisziplinäre und interprofessionelle Management aufgrund der besonderen Multimorbidität/Vulnerabilität geriatrischer Patienten eine herausragende Bedeutung.


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Abkürzungen

AO: Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese
AUC: Akademie der Unfallchirurgie
DGU: Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie
DOAK: direkte orale Antikoagulanzien
FKDS: farbcodierte Doppler-Sonografie
GFK: geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
IMC: Intermediate Care
OPS-Code: Operationen- und Prozedurenschlüssel
pAVK: periphere arterielle Verschlusskrankheit
SGB: Sozialgesetzbuch
SOP: Standard Operating Procedure
 

Einleitung

Bei vielen orthopädischen und unfallchirurgischen Krankheitsbildern ist ein interdisziplinäres und auch interprofessionelles Management notwendig. Beispiele sind Erkrankungen mit Systemcharakter wie muskuloskelettale Tumorerkrankungen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Dies gilt auch in der Schwerstverletztenversorgung, insbesondere in der frühen klinischen Phase.

Zusätzlich besitzt in der Alterstraumatologie das interdisziplinäre und interprofessionelle Management der Patienten eine herausragende Bedeutung. Die typischen geriatrischen Verletzungen sind zwar zumeist Einzelverletzungen, deren chirurgische Behandlung in der Orthopädie und Unfallchirurgie erfolgt. Aufgrund der häufigen Alterserkrankungen und der besonderen Multimorbidität/Vulnerabilität geriatrischer Patienten stellen das (perioperative) Management und die Rehabilitation aber eine Herausforderung dar, die nur gemeinsam mit den verschiedenen medizinischen Fachrichtungen und weiteren Berufsgruppen gemeistert werden kann.

Am Beispiel der Alterstraumatologie soll im Folgenden die Bedeutung der (gemeinsamen) Behandlung verschiedener Fachrichtungen und auch verschiedener Berufsgruppen für die optimale Behandlung in unserem Fachgebiet illustriert werden.


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Begriffsbestimmung

Die Behandlung geriatrischer Patienten nimmt in der Orthopädie und Unfallchirurgie eine zunehmend große Rolle ein. Es liegt keine strikte allgemeingültige Definition für geriatrische Patienten vor. Gemäß der Definition der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie werden Patienten mit einem höheren Lebensalter (in der Regel 70 Jahre oder älter) und einer „geriatrietypischen Multimorbidität“ als geriatrische Patienten definiert [1]. Die „geriatrietypische Multimorbidität“ beinhaltet die in der Übersicht aufgeführten Merkmale, von denen mindestens 2 erfüllt sein sollten.

Übersicht

Merkmale der „geriatrietypischen Multimorbidität“

Eine geriatrietypische Multimorbidität ist gegeben, wenn mindestens 2 der folgenden Befunde vorliegen:

  • Immobilität

  • Sturzneigung/Schwindel

  • kognitive Defizite

  • Inkontinenz

  • Dekubitus

  • Fehl-/Mangelernährung

  • Flüssigkeits-/Elektrolythaushaltsstörung

  • Depression/Angststörung

  • Schmerz

  • Sensibilitätsstörung

  • herabgesetzte Belastbarkeit/Gebrechlichkeit

  • Seh-/Hörstörung

  • Medikationsproblem

  • hohes Komplikationsrisiko

  • verzögerte Rekonvaleszenz

Merke

Geriatrische Patienten sind durch ihr hohes Alter und die „geriatrietypische Multimorbidität“ gekennzeichnet.

In einigen Kliniken beträgt der Anteil der über 70-jährigen Patienten, von denen der Großteil per Definition geriatrische Patienten sind, in der Orthopädie-Unfallchirurgie schon heute bis zu 50%. Das unterstreicht die immense Bedeutung der Alterstraumatologie für unser Fachgebiet.


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Epidemiologie

Merke

Die nach wie vor bedeutendsten Frakturen sind die proximalen Femurfrakturen.

Die proximalen Femurfrakturen zählen mit ca. 140 000/Jahr in Deutschland bei den über 65-Jährigen zu den 10 häufigsten Hauptdiagnosen im Krankenhaus [2]. Trotz leicht gefallener altersadjustierter Inzidenz ist die Gesamtzahl der proximalen Femurfrakturen in Deutschland in den letzten Jahren angestiegen. Darüber hinaus haben die anderen Frakturen im Alter (s. [Übersicht]) deutlich zugenommen. Exakte epidemiologische Daten liegen nicht vor.

Übersicht

Typische altersassoziierte Frakturlokalisationen

  • proximale Femurfrakturen

  • Wirbelkörperfrakturen

  • proximale Humerusfrakturen

  • distale Radiusfrakturen

  • Beckenfrakturen

  • periprothetische Frakturen

Gemäß einer Hochrechnung aus dem Jahr 2011 war von 720 000 Frakturen pro Jahr in Deutschland auszugehen [3]. Zu den Patienten mit Frakturen kommen viele Patienten, die mit einem Schädel-Hirn-Trauma, z. B. aufgrund von Antikoagulanzieneinnahme, stationär überwacht werden müssen und bei denen aufgrund der Multimorbidität nicht selten ebenfalls ein interdisziplinärer Behandlungsbedarf besteht.

Der demografische Wandel wird in Zukunft zu einem weiteren zahlenmäßigen Anstieg älterer Menschen führen. Besonders der Anteil der Hochaltrigen über 80 Jahre wird sich von 6% im Jahr 2015 auf voraussichtlich 11% im Jahr 2040 annähernd verdoppeln [4]. Daher wird voraussichtlich in den kommenden Jahren die Zahl der alterstraumatologischen Patienten weiter spürbar zunehmen. Es ist zusätzlich davon auszugehen, dass der Anteil der multimorbiden Patienten – also geriatrischen Patienten – in der Gruppe der älteren Patienten weiter ansteigt.

Fazit

Aufgrund des demografischen Wandels wird sich der Anteil der geriatrischen Patienten in der Orthopädie-Unfallchirurgie weiter erhöhen.


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Interdisziplinäres Management – Geriatrie

Gemeinsam mit der Unfallchirurgie ist die Geriatrie die zentrale Fachdisziplin in der Alterstraumatologie. Geriater sind gemäß Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer Fachärzte, die die 18-monatige Zusatzweiterbildung Geriatrie bei einem Weiterbildungsbefugten absolviert haben [5]. Auch wenn die Zusatzweiterbildung je nach Weiterbildungsordnung der jeweiligen Landesärztekammer Fachärzten verschiedener Fachrichtungen – also auch Orthopäden und Unfallchirurgen – möglich ist, sind die klinisch tätigen Geriater zumeist Internisten oder Neurologen.

Merke

Geriater sind zumeist Fachärzte für Innere Medizin oder Neurologie, die sich durch die Zusatzweiterbildung Geriatrie auf die Behandlung älterer Patienten spezialisiert haben.

Internistische und neurologische Kenntnisse sind aufgrund der häufigen internistischen und neurodegenerativen Alterserkrankungen, die mitursächlich für die geriatrietypische Multimorbidität sind, in der Behandlung geriatrischer Patienten essenziell. Die geriatrische (Mit-)Behandlung hat zum Ziel, nicht nur die geriatrietypische Multimorbidität zu behandeln, sondern auch die ursächlichen Grunderkrankungen zu berücksichtigt bzw. zu therapieren.

Für die Alterstraumatologie bedeutet das einen Paradigmenwechsel in der Behandlung der Patienten, weg von der Betrachtung und Behandlung einer unfallchirurgischen Monoverletzung hin zu der Sichtweise eines orthogeriatrischen Syndroms.

Merke

In der Alterstraumatologie darf nicht nur die Fraktur therapiert werden, sondern es muss auch die Multimorbidität/Komorbidität mitbehandelt werden.

Durch das akute Trauma in Verbindung mit den Vorerkrankungen bzw. der Multimorbidität ist die Selbsthilfefähigkeit der Patienten, die vor dem Unfall häufig noch gegeben war, gefährdet.

Fazit

Hauptziel der gesamten Therapie ist damit der Erhalt bzw. die Wiedererlangung der Selbsthilfefähigkeit der Patienten nach dem Unfall unter Vermeidung eines komplizierten protrahierten Verlaufs im Kontext der Multimorbidität.

Um dieses Ziel besser erreichen zu können, wurden in Großbritannien bereits in den 1950er-Jahren eine erste interdisziplinäre unfallchirurgisch-geriatrische Behandlungseinheit etabliert [6]. In den folgenden Jahrzehnten wurden weltweit bis heute viele verschiedene unfallchirurgisch-geriatrische Kooperationsmodelle für die Akutbehandlung in der Alterstraumatologie entwickelt. Nach Kammerlander werden 4 Grundtypen der gemeinsamen unfallchirurgisch-geriatrischen Behandlung beschrieben (s. [Übersicht]). Die verschiedenen Behandlungsmodelle schließen die Zusammenarbeit mit anderen ärztlichen Fachdisziplinen (wie z. B. der Anästhesie) sowie weiteren Berufsgruppen im Krankenhaus mit ein. Auf diese Zusammenarbeit wird im Verlauf des Artikels konkreter eingegangen.

Übersicht

Bisher in Deutschland etablierte Kooperationsmodelle in der Alterstraumatologie

  • Behandlung in der Unfallchirurgie mit Konsultationsmöglichkeit durch einen Geriater

  • Behandlung in der Unfallchirurgie mit täglichen geriatrischen Visiten

  • Behandlung in der Geriatrie mit unfallchirurgischen Visiten/Konsilen

  • Gemeinsame unfallchirurgisch-geriatrische Behandlung

nach Kammerlander et al. [7]

Fazit

Im Zentrum der interdisziplinären Behandlung in der Alterstraumatologie stehen die Unfallchirurgie-Orthopädie und die Geriatrie, aber auch andere Fachdisziplinen wie die Anästhesie und andere Berufsgruppen wie die Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie und der Sozialdienst sind elementar in die Behandlung involviert.

Es ist zu vermuten, dass die Patienten am meisten von der gemeinsamen Behandlung profitieren, wenn eine möglichst intensive Kooperation von Beginn der stationären Behandlung an besteht. Im Idealfall findet die Behandlung integrativ auf einer gemeinsam – unfallchirurgisch-geriatrisch – geführten Station statt, die auf die Behandlung alterstraumatologischer Patienten spezialisiert ist.

Die Umsetzung der gemeinsamen Behandlung wird in Deutschland durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Zum einen haben die unterschiedlichen Geriatriekonzepte in den verschiedenen Bundesländern, in denen der Schwerpunkt der Weiterbehandlung entweder auf das Akutkrankenhaus (§ 108/109 SGB V), eine weiterführende Rehabilitationseinrichtung (§ 111 SGB V) oder eine Mischung aus beidem gelegt wird, unmittelbaren Einfluss auf die Vergütung der Behandlung und damit auch auf die verschiedenen Kooperationsformen [8]. Zum anderen bestimmen die lokalen Gegebenheiten und die begrenzte Verfügbarkeit von Geriatern in den einzelnen Kliniken die konkrete Umsetzung der interdisziplinären Behandlung. Teilweise befinden sich z. B. die Kliniken für Unfallchirurgie und Geriatrie an verschiedenen Standorten.

Gemessen an den Behandlungsergebnissen von Patienten mit proximaler Femurfraktur führt die gemeinsame Behandlung dieser Frakturen durch Unfallchirurgen und Geriater durchweg zu positiven Ergebnissen. Je nach Studie konnten eine Reduktion der Mortalität und der Komplikationen und eine Verbesserung funktioneller Parameter verglichen mit der Standardtherapie erzielt werden [9], [10]. In Zentren ist die integrative unfallchirurgisch-geriatrische Behandlung proximaler Femurfrakturen daher auch kosteneffektiver und wirtschaftlicher als die Standardbehandlung durch eine Disziplin allein [10], [11]. Auch wenn die bisherigen Studien alle zu proximalen Femurfrakturen durchgeführt wurden, ist zu vermuten, dass auch geriatrische Patienten mit anderen Verletzungen von einer unfallchirurgisch-geriatrischen Zusammenarbeit profitieren.

Merke

Für Patienten mit proximaler Femurfraktur ist mittlerweile erwiesen, dass die interdisziplinäre Behandlung zu besseren Behandlungsergebnissen führt und kosteneffektiver ist als die Standardbehandlung.

In Anbetracht der Überlegenheit des unfallchirurgisch-geriatrischen Managements und der deutlichen Zunahme an Fragilitätsfrakturen in Industrienationen entstehen in England und Amerika zunehmend sogenannte Hip-Fracture-Center und in Deutschland Zentren für Alterstraumatologie. Seit 2014 können sich Zentren für Alterstraumatologie als AltersTraumaZentrum DGU® zertifizieren lassen. Bei der Zertifizierung – herausgegeben von der DGU und umgesetzt von der AUC (Akademie der Unfallchirurgie) GmbH – werden, mit dem Ziel der Verbesserung der Behandlungsqualität und Behandlungssicherheit, verschiedene Kriterien überprüft [12].

Merke

Zentren für Alterstraumatologie können sich als AltersTraumaZentrum DGU® zertifizieren lassen.

Grundsätze in der Behandlung alterstraumatologischer Patienten nach Mendelsohn

Die Grundsätze in der Behandlung alterstraumatologischer Patienten wurden von Mendelsohn und Mitarbeitern in 5 Prinzipien zusammengefasst, an denen sich die Behandlung orientieren sollte ([Tab. 1]) [13].

Tab. 1 Die gemeinsame orthogeriatrische Behandlung folgt nach Mendelsohn et al. 5 Prinzipien [13].

Prinzip

1

Die Patienten profitieren von der chirurgischen Stabilisation der Fraktur.

2

Je früher die Operation stattfindet, desto geringer die Zahl und Schwere der Komplikationen.

3

Regelmäßige und strukturierte interdisziplinäre/interprofessionelle Kommunikation vermeidet Komplikationen.

4

Die Behandlung erfolgt nach standardisierten Protokollen.

5

Die Entlassplanung beginnt mit der Aufnahme.

Prinzip 1: Patienten profitieren von der chirurgischen Stabilisation der Fraktur

Die Frakturen geriatrischer Patienten müssen größtenteils operativ versorgt werden.

  • Nach operativer Stabilisierung erreichen die Patienten in der Regel schneller ein höheres Funktionsniveau und eine schnellere Schmerzfreiheit verglichen mit der konservativen Therapie. Dies gilt auch für die Behandlung von distalen Radius- und proximalen Humerusfrakturen sowie osteoporotischen Wirbelfrakturen, bei denen eine konservative Therapie diskutiert wird.

  • Eine Ruhigstellung der Extremität kann bei Patienten, deren Selbsthilfefähigkeit von der Funktionstüchtigkeit aller Extremitäten abhängt, zu einem Verlust der Selbstständigkeit führen und ist daher zu vermeiden.

  • Die Entwicklung der Implantate (z. B. polyaxial winkelstabile Implantate oder Zementaugmentationen) und der zunehmende Einsatz von Frakturprothesen haben zudem zu einer deutlichen Verbesserung der technischen Versorgungsmöglichkeiten von osteoporotischen Frakturen und Minimierung von Komplikationen – selbst bei sehr schlechter Knochenqualität – geführt.

  • Zusätzlich reduziert der zunehmende Einsatz von regionalen Anästhesieverfahren das Operationsrisiko und erlaubt perioperativ eine deutliche Reduktion von Schmerzmittel mit der damit verbundenen Verminderung an Nebenwirkungen (s. u.).

In einigen Behandlungssituationen (z. B. bei sehr hohem Operationsrisiko oder besonderen Konstellationen des Patienten) ist es sinnvoll, interdisziplinär mit Geriatern und Anästhesisten unter Einbeziehung des Patienten und ggf. dessen Angehörigen das Therapiekonzept (operativ vs. konservativ) abzustimmen.

Unmittelbar mit der Behandlung der Fraktur geriatrischer Patienten ist die Abklärung bzw. die Therapie der zumeist zugrunde liegenden Osteoporose zur Prophylaxe weiterer Frakturen essenziell. Ein interdisziplinäres und auch intersektorales Netzwerk mit Osteologen, also Internisten, Gynäkologen und Orthopäden-Unfallchirurgen kann helfen, den Anteil der Patienten, die eine adäquate Osteoporosetherapie erhalten, zu erhöhen [14].

Cave

Die Abklärung der mutmaßlich der Fraktur zugrunde liegenden Osteoporose darf nicht vergessen werden.


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Prinzip 2: Je früher die Operation stattfindet, desto geringer die Zahl und Schwere der Komplikationen

Ein verlängerter präoperativer Aufenthalt über 48 Stunden ist mit einer Erhöhung der Mortalität und Komplikationsrate assoziiert [15].

Merke

Patienten sollten innerhalb der ersten 24 Stunden – spätestens allerdings nach 48 Stunden – nach Aufnahme versorgt werden.

Um die präoperative Verweildauer zu minimieren, müssen gemeinsam mit den beteiligten Fachabteilungen Konzepte für die präoperative Vorbereitung der Patienten geschaffen werden. Diese beinhalten neben dem standardisierten Management von Antikoagulanzien (s. u.) z. B. auch den präoperativen Ausgleich von Störungen des Flüssigkeitshaushalts und der Elektrolyte. Präoperative Zusatzuntersuchungen wie z. B. Echokardiografien sind nur in Ausnahmefällen individuell angezeigt, um das perioperative Management bei kardialer und nephrogener Insuffizienz zu verbessern.


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Prinzip 3: Regelmäßige und strukturierte interdisziplinäre/interprofessionelle Kommunikation vermeidet Komplikationen

Prinzip

Interdisziplinarität

Interdisziplinarität bedeutet gemeinsame Verantwortung für den Patienten während des gesamten stationären Aufenthalts mit gemeinsamen Visiten.

Im Gegensatz zu einer multidisziplinären Behandlung erfolgt bei einer interdisziplinären Behandlung nicht die isolierte Optimierung einzelner Organsysteme, sondern die gemeinsame, patientenzentrierte Therapie mit dem Ziel, ein gemeinsam für und mit dem Patienten definiertes Ergebnis zu erreichen. Es werden die Entscheidungen gemeinsam getroffen und nicht an Mittelsmänner delegiert. Darüber hinaus erfolgt eine enge interprofessionelle Kommunikation mit der Pflege, Physiotherapie und dem Sozialdienst in regelmäßigen Teambesprechungen, die zu einer deutlichen Verringerung des Informationsverlustes führt (s. u.).


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Prinzip 4: Die Behandlung erfolgt nach standardisierten Protokollen/SOPs

Die Behandlung der häufigen Frakturen (proximale Femurfrakturen, proximale Humerusfrakturen, distale Radiusfrakturen, Wirbelkörperfrakturen, Beckenfrakturen, periprothetische Frakturen) sollte nach standardisierten Protokollen (sogenannten SOPs = Standard Operation Procedures) erfolgen. Ebenso sollten SOPs für das Management häufiger Behandlungskonstellationen bzw. Problemstellungen (z. B. Schmerzen, Osteoporose, Antikoagulation, Mangelernährung) bestehen. Diese müssen auf den geriatrischen Patienten ausgerichtet sein und interdisziplinär/interprofessionell abgestimmt werden.

Durch die SOPs wird die Behandlungssicherheit/Behandlungsqualität erhöht, und es werden ungewollte Abweichungen von der optimalen Therapie reduziert. Wenn von den SOPs abgewichen wird, dann muss diese Abweichung spezifisch und individuell indiziert sein. Die für die Zertifizierung zum AltersTraumaZentrum DGU notwendigen unfallchirurgischen und geriatrischen Protokolle sind in einem Kriterienkatalog niedergelegt [16].


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Prinzip 5: Entlassplanung beginnt bei der Aufnahme

Erleiden geriatrische Patienten eine Fraktur, führt dies häufig zu einem anhaltenden signifikanten Einschnitt in der Mobilität und der Selbsthilfefähigkeit. Der überwiegende Teil der Patienten kann daher nicht ohne Weiteres nach der Akutbehandlung nach Hause entlassen werden. Aufgrund des z. T. langen zeitlichen Vorlaufs für die Organisation einer möglichen Weiterbehandlung (z. B. einer Rehabilitation), von Hilfsmitteln für zu Hause oder eines (Übergangs-)Pflegeplatzes muss bereits möglichst frühzeitig mit der Planung der Entlassung begonnen werden (s. u.).

In den folgenden Abschnitten wird anhand von Fallbeispielen die Zusammenarbeit mit weiteren Fachdisziplinen neben der Unfallchirurgie und Geriatrie in der Alterstraumatologie erläutert.


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Interdisziplinäres Management – Anästhesie

Eine perioperative Zusammenarbeit mit der Anästhesie ist in chirurgischen Fächern selbstverständlich. Bei geriatrischen Patienten kommt dieser Zusammenarbeit aufgrund der Vulnerabilität der Patienten eine besondere Bedeutung zu. Zum einen sind die operativen Verfahren und auch die Anästhesieverfahren mit einem erhöhten Risiko verbunden, sodass auch die Anwendung regionaler Anästhesieverfahren in Erwägung zu ziehen ist.

Merke

In der Alterstraumatologie sollte – wenn möglich – der Einsatz regionaler Anästhesieverfahren erwogen werden.

Zum anderen müssen die Operationen dringlich, d. h. also ohne eine mehrtägige Vorbereitung des Patienten, durchgeführt werden. Zusätzlich müssen die Patienten nicht selten nach einer Operation auf einer IMC-Station oder sogar auf einer Intensivstation überwacht werden. Zuletzt ist die postoperative Schmerztherapie für die Patienten von großer Bedeutung. Aufgrund der Nebenwirkungen systemischer Analgetika sollte auch der Einsatz von regionalen analgetischen Verfahren erwogen werden. So können z. B. bei Eingriffen im Schulterbereich interskalenäre Blockaden bei der operativen Versorgung und für die postoperative Schmerztherapie angewendet werden ([Fallbeispiel 1]).

Fallbeispiel 1

Eine 82-jährige Patientin zog sich bei einem Sturz aufgrund einer Synkope eine 3-Teile-Fraktur des proximalen Humerus zu ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Dislozierte 3-Teile-Fraktur des proximalen Humerus bei einer 83-jährigen Patientin.

Anamnestisch bestanden eine eingeschränkte Belastbarkeit und Schwindel bei Belastung. Daraufhin wurde eine Echokardiografie durchgeführt und präoperativ eine Aortenklappenstenose mit einer Öffnungsfläche von 1,0 cm diagnostiziert. Aufgrund des erhöhten Narkoserisikos erfolgte nach Indikationsstellung zur Plattenosteosynthese die Durchführung des Eingriffs in Regionalanästhesie. Zusätzlich wurde ein Schmerzkatheter zur postoperativen Analgesie angelegt ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Beispielbild: interskalenäre Plexusblockade. Am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus wird auf Höhe der Incisura thyroidea superior nach kaudal Richtung Klavikulamitte punktiert. Dabei ist die V. jugularis externa (blau eingezeichnet) zu schonen. Nach 3 – 4 cm wird der Truncus superior des Plexus brachialis erreicht – erkennbar an einer Kontraktion des M. biceps brachii durch den Nervenstimulator.(Quelle: Meier G, Büttner J, Hrsg. Atlas der peripheren Regionalanästhesie. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2013: 57)

[Abb. 3] zeigt das postoperative radiologische Ergebnis.

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Abb. 3 Postoperatives Röntgenbild nach polyaxial winkelstabiler Plattenosteosynthese.

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Interdisziplinäres Management – Gerinnungsphysiologie

Über die Hälfte der geriatrischen Patienten nimmt Antiaggreganzien (z. B. Azetylsalizylsäure oder Clopidogrel) oder Antikoagulanzien wie Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon) oder zunehmend auch die sogenannten direkten oralen Antikoagulanzien (z. B. Rivaroxaban oder Abixaban) ein. Während die Antiaggreganzien zumeist perioperativ weitergegeben werden sollten, müssen die Antikoagulanzien in Abhängigkeit vom Blutungs- und Thrombembolierisiko zumeist pausiert und z. T. antagonisiert und überbrückt werden.

Merke

Antiaggreganzien werden perioperativ zumeist weitergegeben. Antikoagulanzien werden in der Regel pausiert, antagonisiert und/oder überbrückt.

Insbesondere die Behandlung von Patienten mit den neueren direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) sollte in Abstimmung mit einem Gerinnungsspezialisten erfolgen (Fallbeispiel 2).

Praxistipp

Es ist sehr hilfreich, gemeinsam mit dem Kollegen für die verschiedenen Medikamente SOPs zu erstellen, um eine Sicherheit im perioperativen Umgang mit den verschiedenen Medikamenten erlangen.

[Tab. 2] nach Maegele et al. gibt Empfehlungen zu den DOAK (direkte orale Antikoagulanzien), wann welche operativen Eingriffe durchgeführt werden können [17]. Die DOAK werden im Regelfall pausiert und nicht überbrückt. Die Medikamenteneinnahme kann ca. 24 – 36 Stunden nach der Operation wieder aufgenommen werden.

Tab. 2 Empfehlungen zum Zeitintervall zwischen letztmaliger DOAK-Einnahme und Eingriff unter Berücksichtigung von Blutungsrisiko und Nierenfunktion (nach [17]).

Nierenfunktion CrCl (ml/min)

Apixaban/Edoxaban/Rivaroxaban

Dabigatran

RelBltg –

RelBltg +

RelBltg –

RelBltg +

CrCl = Kreatininclearance; DOAK = direkte orale Antikoagulanzien; RelBltg = Blutungsrisiko im Rahmen des Eingriffs

≥ 80

≥ 24 h

≥ 48 h

≥ 24 h

≥ 48 (− 72) h

50 – 79

≥ 24 h

≥ 48 (− 72) h

≥ 36 h

≥ 72 (− 96) h

30 – 49

≥ 24 h

≥ 48 (≥ 72 – 96) h

≥ 48 h

≥ 96 h

15 – 29

≥ 36 h

≥ 48 (≥ 96) h

keine Indikation für DOAK

< 15

keine Indikation für DOAK

Fallbeispiel

Fall 2


Eine 87-jährige Patientin wurde nach einem Sturz morgens um 6 Uhr in die Klinik eingeliefert. Einnahme von Abixaban bei Vorhofflimmern (5 mg 1 – 0 – 1) zuletzt am Vorabend um 18 Uhr. Die Diagnostik zeigte eine pertrochantäre Femurfraktur rechts (A2 nach AO) ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Pertrochantäre Femurfraktur rechts bei einer 87-jährigen Patientin.

Die Nierenfunktion war normal. Gemäß klinikinterner Leitlinie wurde Abixaban pausiert und die Operation am Abend des Unfalls um 20 Uhr mit einem Marknagel durchgeführt ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Postoperatives Röntgenbild nach Marknagelosteosynthese.

Postoperativ wurde Abixaban ab dem 2. postoperativen Tag wieder eingenommen. Es zeigte sich zwar ein diffuses Hämatom als Einblutung durch die Fraktur, es bestand aber kein operativer Interventionsbedarf ([Abb. 6]).

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Abb. 6 Ausbildung eines flächigen – nicht interventionsbedürftigen – Hämatoms postoperativ.

Eine thrombembolische Komplikation trat nicht auf.


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Interdisziplinäres Management – Angiologie/interventionelle Radiologie/Gefäßchirurgie

Die häufige Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten deutet auf kardiovaskuläre Erkrankungen hin. Bei etwa 20% der Patienten besteht auch eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), die z. T. nicht bekannt ist [18].

Praxistipp

Bei geriatrischen Patienten mit Verletzungen der unteren Extremität (insbesondere bei Frakturen des Sprunggelenks) kommt dem optimalen Weichteilmanagement zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen und Infektionen eine große Bedeutung zu. Daher sollte neben einer möglichst weichteilschonenden Operationstechnik präoperativ der Gefäßstatus abgeklärt werden.

Bei klinisch unklarem Pulsstatus sollte mittels FKDS (farbcodierte Doppler-Sonografie) und/oder CT-Angiografie eine relevante pAVK ausgeschlossen werden. In einigen Fällen kann durch Stentimplantation bzw. perkutane transluminale Angioplastie mittels Katheterintervention oder ggf. auch durch Anlage eines Bypasses durch die Gefäßchirurgie die periphere Durchblutung verbessert werden. Damit kann möglichen Wundheilungsstörungen vorgebeugt werden (s. [Fallspiel 3]).

Fazit

Zur Prophylaxe von Weichteilkomplikationen sollte bei Frakturen des Sprunggelenks präoperativ eine Gefäßabklärung erfolgen.

Fallbeispiel

Fall 3


Eine 79-jährige Patientin erlitt eine bimalleolare Sprunggelenkfraktur. Bei der klinischen Untersuchung waren keine Fußpulse tastbar. Notfallmäßig wurde die Fraktur geschlossen reponiert und ein Fixateur externe angelegt ([Abb. 7]).

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Abb. 7 Bimalleolarfraktur einer 79-jährigen Patientin nach geschlossener Reposition und Fixateur-Anlage.

Die Patientin wurde in der Angiologie vorgestellt und dort mittels Duplexsonografie der V. a. einer pAVK gestellt. Die CT-Angiografie bestätigte den Verdacht mit mehreren Stenosen der A. tibialis anterior (Pfeile, [Abb. 8 a]). Eine perkutane transluminale Angioplastie führte zu einer deutlich verbesserten Durchblutung ([Abb. 8 b]).

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Abb. 8 Angiografie mit Stenosen der A. tibialis anterior. a Stenosen der A. tibialis anterior. b Verbesserte Durchblutung nach perkutaner transluminaler Angioplastie.

Anschließend erfolgte mittels perkutaner Schraubenosteosynthese und eingeschobener minimalinvasiver Plattenosteosynthese die operative Versorgung ([Abb. 9]). Postoperativ heilten die Wunden primär ohne Komplikationen aus.

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Abb. 9 Postoperatives Röntgenbild nach perkutaner Schraubenosteosynthese und eingeschobener polyaxial winkelstabiler Plattenosteosynthese.

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Interprofessionelles Management – Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen

Eine vertrauensvolle und enge interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den behandelnden Ärzten und den anderen Berufsgruppen im Krankenhaus wie Pflegekräften, Therapeuten und den Mitarbeitern des Sozialdienstes ist gerade in der Alterstraumatologie essenziell.

Durch regelmäßige Teamsitzungen, an denen neben den Ärzten auch die anderen genannten Berufsgruppen teilnehmen, und die tägliche gemeinsame Arbeit auf der Station wird eine optimale Kommunikation sichergestellt. Es können gemeinsam (realistische) Behandlungsziele definiert und geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um diese Ziele zu erreichen. Während des gesamten Behandlungsprozesses muss ein regelhafter Austausch über die Fortschritte in der Behandlung, aber auch über mögliche Probleme oder Komplikationen sichergestellt und die Therapie ggf. angepasst werden.

Merke

Bei der interdisziplinären Behandlung muss eine engmaschige Kommunikation zwischen den verschiedenen Disziplinen und Berufsgruppen z. B. durch Teamsitzungen 1 – 2 × wöchentlich hergestellt werden.

Pflege

Die Pflegekräfte haben den meisten Kontakt zu den Patienten. Die Pflege sollte aktivierend-therapeutisch durch geriatrisch geschultes Pflegepersonal erfolgen. Gerade im Hinblick auf die Entstehung bzw. Prophylaxe eines Delirs kommt den Pflegekräften eine entscheidende Rolle zu. Zum einen stellt eine möglichst große Kontinuität in der Pflege einen prophylaktischen Faktor im Hinblick auf die Entstehung eines Delirs dar. Zum anderen sind die Pflegekräfte auch für reorientierende Maßnahmen bei den Patienten, mit denen ein Delir wirkungsvoll vermieden werden kann, zuständig. Zusätzlich können Symptome eines Delirs am frühzeitigsten durch geschultes Pflegepersonal erkannt werden.

Merke

Um ein Delir frühzeitig zu erkennen, sollten durch die Pflegekräfte regelmäßig Screening-Tools zum Einsatz kommen.

Bei auffälligem Ergebnis sollten gemeinsam mit den behandelnden Ärzten entsprechende diagnostische und therapeutische Maßnahmen ergriffen werden [19].


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Therapiebereiche

In der (frühen) postoperativen Phase kommt den Therapeuten eine große Bedeutung zu. Neben der klassischen Physiotherapie sollen in der Alterstraumatologie zusätzlich auch Ergotherapie, Logopädie und psychologische Interventionen eingesetzt werden. Wird in einem Krankenhaus die sogenannte Geriatrische Frührehabilitative Komplexbehandlung (GFK) durchgeführt, müssen mindestens 2 der 4 zuvor genannten Therapiebereiche teamintegriert zum Einsatz kommen [20]. Nur mithilfe intensiver und auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten ausgerichteter Therapie aus den verschiedenen Bereichen kann es gelingen, die Patienten wieder mobil zu machen und zu helfen, langfristig die Selbstständigkeit wiederzuerlangen bzw. zu erhalten.


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Sozialdienst

Gemäß den Behandlungsprinzipien in der Alterstraumatologie beginnt die Entlassplanung bereits bei der Aufnahme. Auch im OPS-Code der GFK ist das Soziale Assessment als Mindestmerkmal fest verankert. Dabei wird der Status der Patienten in 5 Bereichen erhoben (s. [Übersicht]) [20].

Übersicht

OPS-Code der GFK ist das Soziale Assessment der Geriatrischen Frührehabilitativen Komplexbehandlung (GFK)

  • soziales Umfeld

  • Wohnumfeld

  • häusliche/außerhäusliche Aktivitäten

  • Pflege-/Hilfsmittelbedarf

  • rechtliche Verfügungen

In der frühen Phase ist zunächst die Erfassung rechtlicher Verfügungen wie Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten und gesetzlicher Betreuung bedeutend.

Praxistipps

Erfahrungsgemäß liegt bei über 50% der Patienten eine rechtliche Verfügung vor, aus der sich nicht selten perioperativ therapeutische Konsequenzen ergeben können [21].

Im umgekehrten Fall kann auch aufgrund eines komplizierten Verlaufs z. B. die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung notwendig sein. Dafür ist die initiale Erfassung des sozialen Umfeldes sehr hilfreich.

Möglichst früh wird durch den Sozialdienst je nach Behandlungssituation ein geeigneter Weiterbehandlungsplatz für die Patienten organisiert. Ist eine Entlassung nach Hause vorgesehen, steht die – interprofessionell abgestimmte – Versorgung mit ggf. notwendigen Hilfsmitteln für das häusliche Umfeld im Vordergrund. Zusätzlich muss die Koordination bereits bestehender Unterstützung durch soziale Dienste und die Kommunikation mit der Familie des Patienten erfolgen. In einigen Fällen muss auch ein Platz in der Übergangspflege oder ein dauerhafter Pflegeplatz organisiert werden.

Eine unzureichende bzw. zeitverzögerte Planung der Entlassung führt nicht selten zu einem (unnötig) verlängerten Krankenhausaufenthalt, welcher im Sinne der Patienten, aber auch der Kostenträger vermieden werden sollte.

Cave

Wird zu spät mit der Entlassplanung der Patienten begonnen, kann dies zu Verzögerungen im Behandlungsablauf führen.


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Kernaussagen
  • In der Alterstraumatologie kommt aufgrund der Multimorbidität der Patienten dem interdisziplinären und interprofessionellen Management eine besondere Bedeutung zu.

  • Im Zentrum der interdisziplinären Behandlung stehen die Unfallchirurgie-Orthopädie und die Geriatrie; aber auch andere Fachdisziplinen wie die Anästhesie und andere Berufsgruppen wie die Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie und der Sozialdienst sind elementar in die Behandlung involviert.

  • Idealerweise werden alterstraumatologische Patienten während des gesamten stationären Aufenthalts auf einer gemeinsamen Station interdisziplinär und multiprofessionell behandelt.

  • Die – frühzeitig durchgeführte – operativen Frakturstabilisierung führt bei geriatrischen Patienten in der Regel schneller zu einem höheren Funktionsniveau und einer schnelleren Schmerzfreiheit verglichen mit der konservativen Therapie.

  • Neben der Frakturversorgung müssen auch die Abklärung und ggf. Therapie der mutmaßlich bestehenden Osteoporose bedacht werden.

  • Für häufige Behandlungskonstellationen und Frakturentitäten sollten SOPs (Standard Operating Procedures) erstellt werden, da die Behandlung gemäß SOPs in der Alterstraumatologie die Behandlungssicherheit und Behandlungsqualität erhöht.

  • Durch Optimierung der Durchblutung kann bei geriatrischen Patienten mit Sprunggelenkfrakturen und pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit) Wundheilungsstörungen vorgebeugt werden.

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Benjamin Bücking, Marburg.


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Autorinnen/Autoren

Benjamin Bücking

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Prof. Dr. med., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Zusatzbezeichnung spezielle Unfallchirurgie, Handchirurgie und Notfallmedizin; ATLS-Instruktor; Leitender Oberarzt am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg,Standort Marburg; Stellv. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie.

Ulrich Liener

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Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, Facharzt für spezielle Unfallchirurgie sowie Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Seit 2009 Leiter der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Marienhospitals Stuttgart und des Alterstraumazentrums am Marienhopital. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie.

Christopher Bliemel

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Prof. Dr. med., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Zusatzbezeichnung Handchirurgie, spezielle Unfallchirurgie und Notfallmedizin, Oberarzt am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg,Standort Marburg.

Steffen Ruchholz

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Univ.-Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, Facharzt für spezielle Unfallchirurgie sowie Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und verfügt über die Weiterbildungsbezeichnung „Handchirurgie“. Geschätsführender Direktor des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg,Standort Marburg.

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Benjamin Bücking
Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Standort Marburg
Baldingerstraße
35033 Marburg


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Abb. 1 Dislozierte 3-Teile-Fraktur des proximalen Humerus bei einer 83-jährigen Patientin.
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Abb. 2 Beispielbild: interskalenäre Plexusblockade. Am Hinterrand des M. sternocleidomastoideus wird auf Höhe der Incisura thyroidea superior nach kaudal Richtung Klavikulamitte punktiert. Dabei ist die V. jugularis externa (blau eingezeichnet) zu schonen. Nach 3 – 4 cm wird der Truncus superior des Plexus brachialis erreicht – erkennbar an einer Kontraktion des M. biceps brachii durch den Nervenstimulator.(Quelle: Meier G, Büttner J, Hrsg. Atlas der peripheren Regionalanästhesie. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2013: 57)
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Abb. 3 Postoperatives Röntgenbild nach polyaxial winkelstabiler Plattenosteosynthese.
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Abb. 4 Pertrochantäre Femurfraktur rechts bei einer 87-jährigen Patientin.
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Abb. 5 Postoperatives Röntgenbild nach Marknagelosteosynthese.
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Abb. 6 Ausbildung eines flächigen – nicht interventionsbedürftigen – Hämatoms postoperativ.
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Abb. 7 Bimalleolarfraktur einer 79-jährigen Patientin nach geschlossener Reposition und Fixateur-Anlage.
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Abb. 8 Angiografie mit Stenosen der A. tibialis anterior. a Stenosen der A. tibialis anterior. b Verbesserte Durchblutung nach perkutaner transluminaler Angioplastie.
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Abb. 9 Postoperatives Röntgenbild nach perkutaner Schraubenosteosynthese und eingeschobener polyaxial winkelstabiler Plattenosteosynthese.