Einleitung
Beim Management infektiöser Lungenerkrankungen spielen Biomarker für die Diagnostik,
Differenzialdiagnostik, Prognosebeurteilung und Therapiesteuerung eine wichtige Rolle.
Etablierte und in der Erprobung befindliche Biomarker werden im Folgenden dargestellt.
Besonders berücksichtigt wird ihre Rolle in der Fallfindung der ambulant erworbenen
Pneumonie (CAP = community acquired pneumonia) und in der Abgrenzung anderer (infektiöser)
Lungenerkrankungen sowie in der Schweregradbeurteilung, Prognoseabschätzung und in
der (antibiotischen) Therapiesteuerung.
Methodik
Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in MEDLINE per PubMed; berücksichtigt
wurden Übersichtsarbeiten und Originalarbeiten von 1966 bis Mai 2017. Suchbegriffe
waren die einzelnen im Text genannten Biomarker und Laborwerte sowie „CAP“ bzw. „pneumonia“
und „pulmonary infections“, dies sowohl als einzelne Suchtermini als auch in Form
von MeSH (Medical Subject Headings). Weiterhin wurden die aktuelle Leitlinie zur CAP
und die Erfahrungen der Autoren berücksichtigt.
C-reaktives Protein (CRP)
C-reaktives Protein (CRP)
Das C-reaktive Protein wurde 1930 entdeckt als ein Protein, das mit dem C-Polysaccharid
von Pneumokokken präzipitiert. Die Bildung des zur Gruppe der Akute-Phase-Proteine
zählenden Proteins in der Leber wird u. a. Interleukin (IL6)-vermittelt und insbesondere
durch bakterielle Stimulation angeregt, wenngleich das CRP selbst ein unspezifischer
Entzündungsparameter ist. Der CRP-Anstieg im Blut erfolgt mit einer Verzögerung von
12 – 24 Stunden auf den inflammatorischen Reiz und erreicht seinen Höhepunkt nach
48 bis 72 Stunden. Dabei korreliert die Höhe des CRP meist mit dem Ausmaß der Entzündung.
Das CRP wird als Opsonin u. a. über das Komplementsystem gegen die bakterielle Zellmembran
aktiv. Da Viren intrazelluläre Erreger in der menschlichen Wirtszelle sind, stimulieren
sie den CRP-Anstieg weitaus weniger.
Das CRP ist zur Unterscheidung der CAP von nicht-pneumonischen tiefen Atemwegsinfekten
weder sensitiv noch spezifisch genug (positiver und negativer Vorhersagewert je ca.
75 %) und damit zur Fallfindung einer CAP im ambulanten Bereich nur eingeschränkt
hilfreich [1]
[2]
[3].
Im ambulanten Rahmen scheint eine Kombination aus Symptomen und klinischen Zeichen
mit dem CRP spezifischer und sensitiver. Sie erhöht die Wahrscheinlichkeit für das
Vorliegen eines pneumonischen Infiltrates und kann daher zur Eingrenzung jener ambulanter
Patienten genutzt werden, die ein Röntgenbild zur Diagnosesicherung erhalten sollten.
Symptome und Befunde sind Dyspnoe, Rasselgeräusche, verminderte Atemgeräusche, Tachykardie
und Fieber [4].
Die Bestimmung des CRP ist bei stationär behandelten CAP-Patienten wegen einer anderen
Patientenklientel und eines damit verbundenen höheren prädiktiven Wertes der Biomarker
durch eine höhere Prätestwahrscheinlichkeit für schwerere (pneumonische) Atemwegsinfekte
aussagekräftiger, jedoch ebenfalls nicht hinreichend gut [5]
[6]. Daher sollten alle stationär behandelten Patienten mit dem Verdacht auf eine CAP
ein Röntgenbild des Thorax erhalten.
Die Indikation einer antibiotischen Therapie von Atemwegsinfekten, ohne deren Entität
genau klären zu müssen, ist eine weitere dringende Frage in der Primärversorgung.
Metaanalysen zeigten, dass ein gefahrloser Verzicht auf ein Antibiotikum möglich ist,
wenn das CRP niedrig ist. In den Studien wird „niedrig“ meist als < 10 – 20 mg/l definiert,
während ein hohes CRP als > 50 – 100 mg/l angesehen wird [7]
[8].
Nach Empfehlung der aktuellen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der CAP sollen
CRP oder PCT als Parameter zusätzlich zur klinischen Re-Evaluation zur Verlaufsbeurteilung
der Therapie der CAP und zur Evaluation eines Therapieversagens verwendet werden [9]. Empfohlen ist neben den klinischen Stabilitätskriterien die Bestimmung von CRP
oder PCT zu Therapiebeginn sowie 3 bis 4 Tage später. Die externe Qualitätssicherung
zur CAP fordert ebenfalls die Bestimmung von CRP oder PCT im Verlauf. In der Beurteilung
des Therapieverlaufs spricht ein Abfall des CRP um mehr als die Hälfte nach dem vierten
Therapietag für einen Therapieerfolg bzw. eine günstige Prognose [10]. Ein CRP-Abfall von höchstens 25 – 50 % nach drei Tagen weist auf ein Therapieversagen
hin [11]
[12].
Auch zur Unterscheidung zwischen einem unkomplizierten Pleuraerguss und einem Empyem
kann das in der Pleuraflüssigkeit gemessene CRP hilfreich sein [13], besonders in kombinierter Beurteilung mit der LDH [14]. Etabliert für Managemententscheidungen und leitliniengerechter Standard sind nach
wie vor jedoch die Bestimmung des pH-Wertes und die Anfertigung einer Gramfärbung [9].
Procalcitonin (PCT)
Das physiologisch in der Schilddrüse gebildete Prohormon des Calcitonins wird im Falle
von Entzündungen in allen Organen, v. a. in Leber- und Fettzellen, gebildet. Besonderes
Interesse hat das Protein für die Beurteilung der Sepsis erlangt. Der klinische Nutzen
ist, auch angesichts der gegenüber anderen Biomarkern höheren Kosten, Gegenstand der
Diskussion und Forschung.
PCT scheint schneller zu reagieren als das CRP; es wird 2 bis 6 Stunden nach dem Stimulus
gesteigert produziert und erreicht seinen Spitzenspiegel nach 24 bis 48 Stunden [8].
Ähnlich wie das CRP ist auch das PCT zur Differenzialdiagnose zwischen CAP und anderen
tiefen Atemwegsinfektes kaum hilfreich. In mehreren Studien wies etwa ein Drittel
der CAP-Patienten am ersten Tag ein negatives PCT auf [5]. Das mediane PCT bei CAP-Patienten mit einem CRB-65-Score von 0 oder 1 war in den
Daten der CAPNETZ-Studie kleiner als 0,15 ng/ml, was ebenfalls als negativ angesehen
wurde [15].
Das PCT scheint Bakteriämien bei CAP-Patienten im Krankenhaus besser als das CRP oder
andere Parameter vorhersagen zu können [16]. Ebenfalls ist das PCT dem CRP und der Leukozytenzahl zur Beurteilung der Schwere
der CAP überlegen [15]
[17].
PCT ist insgesamt jedoch kein besonders guter prognostischer Parameter; eine Überlegenheit
gegenüber etablierten klinischen Scores konnte nicht gezeigt werden. Aus einer einmaligen
Bestimmung kann keine klinisch verwertbare prognostische Aussage getroffen werden
[18]. Eine Metaanalyse für die CAP und die Beatmungs/Tubus-assoziierte Pneumonie (VAP = ventilator
associated pneumonia) zeigte, dass bei einem Wert von < 0,1 ng/ml eine brauchbare
prognostische Aussage möglich ist, für Werte von > 0,5 ng/ml jedoch nicht [19].
Die Frage nach der Indikation einer antibiotischen Therapie von Atemwegsinfekten im
ambulanten Bereich kann das PCT wahrscheinlich besser beantworten als das CRP. In
einer Studie konnte unter PCT-Steuerung eine Reduktion der Antibiotika-Verschreibung
um 40 % erreicht werden, ohne das klinische Ergebnis zu beeinflussen [20]
[21].
In der Praxis ist es für ambulante Patienten ein probates Vorgehen, wie bei der Verwendung
des CRP auch mit der Bestimmung des PCT dem Patienten ein Antibiotika-Rezept mitzugeben,
das im Falle eines erhöhten Wertes eingelöst werden kann. Jedoch ist die PCT-Bestimmung
aus Kostengründen im ambulanten Rahmen nicht sehr verbreitet.
Das PCT eignet sich zur Steuerung der Therapiedauer von Pneumonien. Studien zeigten
für Pneumonien verschiedener Schweregrade einschließlich septischer Verläufe, dass
ein Abfall des PCT die Beendigung der Antibiotika-Gabe vorgeben kann. Dies, ohne das
klinische Outcome zu verändern – ein entscheidendes Kriterium in solchen Studien [22]
[23]
[24]. Dies konnte auch eine Cochrane-Metaanalyse bestätigen [21]. Allerdings sind die Ergebnisse der meisten Studien wegen qualitativer Mängel eingeschränkt
valide, u. a. da in den Vergleichsarmen unüblich lange Therapiedauern gewählt wurden.
Für septische Verläufe konnte eine neuere multizentrische Studie mit einer adäquaten
Therapiedauer im Vergleichsarm unter der Verwendung eines Protokolls einen Mortalitätsvorteil
zeigen. Dabei konnte im PCT-Arm die antibiotische Therapie beendet werden, sobald
das PCT um 80 % vom Ausgangswert oder unter 0,5 ng/ml gefallen war, während in der
Vergleichsgruppe nach üblichem Standard behandelt wurde [25]. Insgesamt scheint die PCT-Bestimmung dann sinnvoll zu sein, wenn ein Protokoll
wie z. B. das oben genannte zur Therapiesteuerung verwendet wurde.
Überhaupt sind klinische Kriterien gut zur Steuerung der Antibiotikatherapie geeignet,
sodass sich die Therapiezeit nach Erreichen einer klinischen Stabilität gefahrlos
auf 5 Tage verringern lässt [26].
Ähnlich wie das CRP kann und soll auch das PCT zur Verlaufsbeurteilung, insbesondere
im Sinne einer Evaluation eines möglichen Therapieversagens der CAP verwendet werden
[9]. Ein Abfall nach 3 bis 4 Therapietagen spricht für ein klinisches Ansprechen, ein
Anstieg für ein Therapieversagen und ist mit erhöhter Letalität verbunden [27]
[28]
[29].
Mid Range Pro-Adrenomedullin (MR-pro-ADM)
Mid Range Pro-Adrenomedullin (MR-pro-ADM)
Das Protein Adrenomedullin (ADM) wird neben dem Ort seiner Namensgebung im Nebennierenmark
in vielen anderen Organen, z. B. auch in der Lunge, im Herz und in der Niere gebildet.
Es hat eine vasodilatatorische Wirkung, die beim septischen Schock eine Rolle zu spielen
scheint und beeinflusst u. a. die pulmonale und kardiale Funktion. Daher wird es auch
als kardiovaskulärer Marker bezeichnet.
Gemessen wird das physiologisch wenig relevante Vorgängerprotein MR-pro-ADM, dessen
Spiegel sich proportional zu dem des ADM verhält und mit einer Halbwertszeit von wenigen
Stunden ein besseres kinetisches Biomarker-Profil als CRP und PCT hat. Auch die Prognoseabschätzung
der Sepsis gelingt mit MR-pro-ADM besser. Der Biomarker scheint weniger mit dem Agens
der Entzündung als mit ihrer Schwere zu korrelieren [30]
.
Vielversprechend scheint MR-pro-ADM bei der Risikoabschätzung der CAP zu sein. Die
Aussagen, ob der Biomarker anderen in seiner Aussagekraft überlegen ist, sind nicht
eindeutig [18]. MR-pro-ADM scheint in Kombination mit dem CRB-65-Score die Sterblichkeit an der
CAP am besten vorhersagen zu können [31], wie auch eine Metaanalyse zeigen konnte [32].
Auch zur Abschätzung der Notwendigkeit einer ambulanten oder stationären therapeutischen
Versorgung der CAP könnte MR-pro-ADM hilfreich sein, besonders in Verbindung mit einem
klinischen Scoring [33]. Jedoch gibt es bisher keine Interventionsstudien, die eine tatsächliche Überlegenheit
eines solchen Vorgehens gezeigt haben [34].
Zurzeit ist das MR-pro-ADM in erster Linie vielversprechender Forschungsgegenstand,
der aber noch nicht Einzug in Klinik und ambulante Praxis gehalten hat.
Leukozyten
Die Leukozytenzahl, hier insbesondere eine Leukozytopenie von < 4000/µl, ist für die
Beurteilung der CAP-Prognose hilfreich, jedoch dem CRP und dem PCT unterlegen [29]
[35]. Dies gilt auch für die Prädiktion von Bakteriämien bei hospitalisierten CAP-Patienten
[16].
Die Vorteile der Leukozytenzählung sind die breite Verfügbarkeit sowie die einfache
und kostengünstige Bestimmung.
Weitere Biomarker
Zur Frage der Prognose der CAP, speziell der Prädiktion der Letalität, gibt es eine
Vielzahl von Studien zu verschiedenen Laborparametern [36]
[37]. Sowohl die bei fast jedem dritten CAP-Patienten bestehende Hyponatriämie als auch
die seltene Hypernatriämie können prognostisch ungünstig sein [38], ebenso wie erniedrigte [39] und erhöhte Blutzuckerwerte bei der stationären Aufnahme [40] sowie ein erhöhtes Cortisol [41].
Weiterhin spielt das breit verfügbare und einfach zu bestimmende Laktat eine zunehmende
Rolle in der Beurteilung entzündlicher Lungenerkrankungen. Zur Beurteilung der Sepsis
ist das Laktat empfohlen und in der neuen Definition des septischen Schocks enthalten
[42]. Für die Prognoseeinschätzung der Sepsis gibt es bereits Interventionsstudien, und
bei der CAP zumindest erste Daten, dies wiederum in Verbindung mit klinischen Scores
[43]
[44]
[45].
Für die Prognosebeurteilung sollten die üblichen Routine-Biomarker der akuten Organdysfunktion
wie die o. g. Leukozytopenie < 4000/µl, eine Thrombozytopenie < 100 000/µl sowie eine
Erhöhung von Kreatinin und Harnstoff stets klinisch mitberücksichtigt werden. Sie
sind Teil der Minorkriterien, die zur Beurteilung der CAP explizit empfohlen werden
[9]
[35].
Auch die im klinischen Alltag nicht regelhaft verwendeten Biomarker Pro-ANP (atriales
natriuretisches Peptid) und Copeptin können als Prognoseparameter gesehen werden,
wenngleich nicht mit besseren Ergebnissen als die etablierteren Werte CRP und PCT
[31].
Erwähnenswert sind auch die Laborparameter BNP (brain natriuretic peptide) oder NT-Pro-BNP
und Troponin. Wenngleich sie nicht direkt eine inflammatorische Reaktion anzeigen,
sind sie zur Beurteilung von Differenzialdiagnosen wie z. B. der Herzinsuffizienz
und kardialer Komplikationen einer CAP essenziell. Eine erhöhtes Troponin ist ein
zuverlässiger Mortalitätsprädiktor, wie eine Studie an 295 stationär behandelten CAP-Patienten
zeigen konnte [46].
Das neue Konzept der Verwendung transkriptionaler, molekulargenetischer Biomarker,
wie sie auch in der Progress-CAP-Studie in Deutschland derzeit untersucht werden,
können in der Zukunft eine vielversprechende Bereicherung des Biomarker-Panels werden
[47]
[48].
Zusätzliche Aspekte
In der ambulanten Primärversorgung sind PCT und CRP zur Diagnose der CAP zurzeit von
eingeschränkter praktischer Relevanz. Allerdings nimmt die Verwendung von Point-of-care-Testungen
(POCT) für CRP zu, was sinnvoll ist, denn im Fall von Atemwegsinfekten mit negativem
CRP-Test ist ein Antibiotikum verzichtbar. Für die Messung des PCT gibt es keinen
POCT; die MR-pro-ADM-Bestimmung ist nicht alltagstauglich verfügbar.
Ohne POCT ist es ein in der ambulanten Praxis gängiges und sinnvolles Vorgehen, dem
Patienten vorbehaltlich ein Antibiotikarezept auszustellen, das er ggf. nach Erhalt
des CRP-Laborergebnisses oder des Röntgenbildes einlösen kann.
Der CRP-POCT-Schnelltest ist für 2 bis 5 € erhältlich, eine CRP-Bestimmung kostet
im Labor nach EBM 4,90 € (Ziffer 32460) und nach GOÄ 11,66 € (Ziffer 3741, einfacher
Satz). Die PCT-Bestimmung ist mit EBM 8,90 € (Ziffer 32455) und GOÄ 43,72 € (Ziffer
4069, einfacher Satz) deutlich teurer [49].
Zur Kosteneffizienz der verwendeten Biomarker und Untersuchungsraster gibt es keine
aussagekräftigen Studien [21].
Wie für alle Laborwerte gilt auch für die o. g. Biomarker, dass sie stets im Kontext
klinischer, bildgebender und anderer Parameter bewertet werden müssen [37].
Tab. 1
Synopse der Anwendungsbereiche und anderer Aspekte von Biomarkern für infektiöse Lungenerkrankungen,
insbesondere für die CAP.
|
CRP
|
PCT
|
ADM
|
Laktat
|
Leukozyten
|
Diagnose/Fallfindung/DD der CAP
|
(+) mit Klinik
|
(-)
|
?
|
?
|
?
|
Verzicht auf AB
|
+
|
+ +
|
?
|
?
|
?
|
Therapiesteuerung der CAP
|
+
|
+
|
?
|
?
|
?
|
Erkennung von Therapieversagen
|
+
|
+
|
?
|
?
|
?
|
Prognose der CAP
|
+
|
(+)
|
(+)
|
+ mit klin. Scores
|
(+)
|
praktische Aspekte
|
+
|
-
|
--
|
+
|
+ +
|
+ + sehr guter, + guter, (+) eher guter, (-) eher schlechter, - schlechter, -- sehr
schlechter Nutzen/Anwendbarkeit im klinischen Alltag, ? es liegen keine ausreichenden
Daten und Erfahrungen vor, CAP ambulant erworbene Pneumonie, DD Differenzialdiagnose,
AB Antibiotikum.