Suchttherapie 2017; 18(04): 213
DOI: 10.1055/s-0043-120625
Mitteilungen aus den Gesellschaften
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Anstieg der Drogentoten

Further Information

Publication History

Publication Date:
16 November 2017 (online)

Wieder ist die Zahl der Drogentoten in Deutschland angestiegen. Hat dies was zu bedeuten, ist es Zufall, gibt es Zusammenhänge, fundierte Kausalitäten oder sind die vorgebrachten Argumente jeweils nur gerade passend für die vorbestehende Meinung? Wo auch immer auf der Welt man hinsieht: Dort, wo die Repression groß ist, sterben verhältnismäßig mehr Menschen an einer Überdosis oder den Folgen der Drogeneinnahme. In der Welt fallen zwei gegensätzliche Haltungen auf: In den USA, dem Land das den Krieg – der längst verloren ist – gegen die Drogen begonnen hat und weiter anführt, ist die Zahl der Drogentoten mit am höchsten. Es wird versucht, durch Gesetze und Strafverfolgung vor allem auch der Konsumenten, das Drogenproblem zu lösen. Erfolglos, wie eindeutig zu sehen ist. Dafür sind die Gefängnisse mit Konsumenten voll. In Portugal ist seit der Entkriminalisierung die Zahl der Konsumenten von 100000 auf 25000 zurückgegangen, die Zahl der Drogentoten ist weltweit die niedrigste. Hier wird die Aufgabe, das Drogenproblem zu lösen, in die Hände der Medizin gelegt: Behandlung, Betreuung und Begleitung anstatt Verfolgung und Bestrafung. Deutschland hat sich in einem ersten Schritt auf diese medizinische Haltung bewegt: Am 2. Oktober ist die neue Betäubungsmittelverschreibungsverordnung (BtMVV) in Kraft getreten. Erstmals werden ärztliche, die Therapie betreffende Inhalte in die Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer überführt. Dies lässt hoffen, dass die Strafverfolgung gegen Ärzte abnimmt. Ob dies zu einem Haltungswechsel weg von der Repression hin zur medizinischen Hilfe führt, bleibt offen. Immer noch werden Patientinnen und Patienten vor den Substitutionspraxen von der Polizei festgehalten und auf Substitutionsmittel untersucht, die sie vielleicht verbotenerweise nicht in der Praxis eingenommen haben. Die deutschen Gefängnisse sind voll von suchtkranken Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung im Sinne des Gesetzes straffällig geworden sind. Dort laufen sie Gefahr, sich mit HI-Viren und Hepatitis-C-Viren zu infizieren. Anstatt zu behandeln, wird bestraft. Selbst wenn die jetzt wiederholten Forderungen nach Konsumräumen, Spritzenautomaten und Substitutionsbehandlung in den Gefängnissen erfüllt werden, sich aber die Haltung in Deutschland nicht ändert, wird die Zahl der Drogentoten hoch bleiben. Das Ziel der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin ist eine Entkriminalisierung der Konsumenten bis hin zur Liberalisierung der Drogen unter Beibehaltung möglicher Regulierungen wie es auch bei Alkohol und Tabak geschehen ist.

Markus Backmund, München