intensiv 2018; 26(01): 6-7
DOI: 10.1055/s-0043-120855
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tschüs, 2017!

Heidi Günther
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Publication Date:
05 January 2018 (online)

Eins zwei drei, im Sauseschritt
Läuft die Zeit; wir laufen mit.

(Wilhelm Busch (1832–1908), deutscher humoristischer Dichter und Zeichner)

Wo ist nur die Zeit geblieben?

Heute ist der 3. Oktober 2017. Nationalfeiertag.

Ich musste erst mal kurz nachrechnen: der 27. Tag der deutschen Einheit. Dabei ist die deutsche Einheit das historische Ereignis der jüngsten Vergangenheit und wahrscheinlich das größte, das unsere Generation live miterleben durfte und später in den Geschichtsbüchern verewigt sein wird. Selbstverständlich sehr nahe gefolgt von der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten oder, gerade jetzt ganz aktuell, dem Gebaren der Herren Putin, Erdoğan und Kim. Wobei, wenn man den Unterhaltungswert bemessen will, ist Herr Trump ganz weit vorn. Leider ist das alles nur begrenzt komisch und hat mit der deutschen Einheit gerade mal den Eintrag in den Geschichtsbüchern gemein.

Trotzdem frage ich mich, wo ist nur dieses Jahr hin?

Gestern erst war das Attentat in Las Vegas mit 56 Toten und mehreren Hundert Verletzten. Jetzt, wo diese Kolumne erscheint, wurde dieses schreckliche Ereignis wahrscheinlich schon wieder von einem noch schlimmeren getoppt und viele fragen sich, ob das tatsächlich erst gut drei Monate her ist. Wie soll jemand da noch den Überblick behalten? Allein in 2017 fanden – Stand 3. Oktober – 15 Attentate statt, die weltpolitisch Erwähnungen fanden. Und wenn am 11. September 2001 die Welt noch den Atem angehalten halt, als die beiden Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers geflogen sind, nimmt man es heute gerade mal noch so zur Kenntnis und denkt, ach Gott, schon wieder.

Ich weiß nicht, ob es an meinem Alter liegt oder ich immer noch die Sprüche meiner Großmutter im Kopf habe, die stur behauptete, dass, je älter man wird, scheinbar die Zeit schneller vergeht. Jedenfalls habe ich Mühe, mich jetzt im Oktober an Ereignisse vom Jahresbeginn zu erinnern. Abgesehen davon, dass ich ständig erwähnen muss, dass wir schon Oktober haben und in der nächsten Woche in der Teamsitzung der Weihnachtsdienstplan besprochen wird.

2017 war für alle das Reformationsjahr (500 Jahre) und das der Bundestagswahl, der nach lahmem Wahlkampf ein peinliches Ergebnis folgte. Es war das Jahr der Ehe für alle und der Eröffnung der Elbphilharmonie. Die Ehe für alle war ja längst überfällig, und bei der „Elphie“ lagen nach nur sieben Jahren Verspätung Bauzeit und Kosten offensichtlich immer noch im grünen Bereich – was uns allen Hoffnung für den Berliner Flughafen gibt.

Es war das Jahr der Waldbrände, der Lawinen, der Erdbeben und Hurrikans. Dieses Mal waren es Irma und Maria, und vielleicht sollten alle Katastrophen, um ihnen den Schrecken zu nehmen, irgendwelche neckischen Namen bekommen. Das hat dann etwas weniger Verstörendes, wenn der Waldbrand Maik oder Chantalle vor der Stadt wütet. Bei den Waldbränden frage ich mich übrigens jedes Jahr, wie viel Wald eigentlich noch brennen kann.

Viele bekannte Menschen sind gestorben. Das war immer ein bisschen traurig, aber am schlimmsten war für unsere Familie der Tod unseres Vaters im Januar 2017.

Auf Station haben wir auch alle Höhen und Tiefen, die ein Stationsleben zu bieten hat, mitgenommen. Von Überbelegung bis zur temporären Stationsschließung wegen Personalmangels. Die Stimmung im Team reichte von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Wir haben einige neue Kollegen eingestellt, dafür aber auch Kollegen durch Elternzeit, Kündigung und Versetzungen verloren.

Aber eine Besonderheit gab es doch. Eine Kollegin hatte im Sommer gekündigt. Sie wollte berufliche Veränderung, eine neue Aufgabe und Herausforderung suchen. Sie hatte sich für eine Intensivstation in einem Haus der Maximalversorgung hier in München entschieden. Mit großer Vorfreude und Enthusiasmus ist sie am 1. Juli 2017 dort angetreten. Drei Monate später ist sie, um eine Erfahrung reicher und mit geknicktem Selbstbewusstsein, wieder zurück zu uns gekommen. Für uns natürlich ein großes Glück, aber ein Armutszeugnis für die andere Station.

Apropos Armutszeugnis: die Gesundheitspolitik 2017! Seit dem 1.1.2017 gilt ja das Pflegestärkungsgesetz mit seinen fünf Pflegegraden. Gut. Dann wurde am 10.3. Cannabis als Schmerzmedikament gesetzlich freigegeben. Dieses sollte in Blüten oder als Extrakt für Schwerstkranke zur Verfügung stehen. Aber halt, nicht zu früh gefreut. Schon im Juli 2017 wurde ein Lieferengpass für medizinisches Cannabis gemeldet, gefolgt von einer Mahnung des Herrn Gröhe, dass er, ob der Verschreibung der schmerzlindernden Pflanze, darauf achten wird, dass das auch so abläuft, wie der Gesetzgeber sich das einst mal dachte.

Übrigens, Hermann Gröhe ist gerade jetzt noch der für uns zuständige Minister. Wer das bis jetzt noch nicht wusste – macht nichts, mit der neuen Regierung soll es ja einen neuen geben. Ansonsten fällt mir nicht viel in Sachen Verbesserungen im Gesundheitswesen ein. Aber im Endspurt des Wahlkampfs und als die Prognosen schon bergab gingen hat ja der gemeine Politiker versucht, sein Heil in der Pflege zu suchen. Zu spät, und selbst der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hatte erkannt, dass mit den Themen Gesundheit und Pflege keine Wahlen gewonnen werden können. Wer hätte das gedacht!

Das Jahr 2017 war auch das Jahr der Pleiten. Von Air Berlin bis Boris Becker. Das Jahr der Skandale. Von Diesel bis Fipronil. Das Jahr der Trennungen. Da fällt mir gerade nur Heidi Klum ein. Und, skandalös: Birgit Schrowange hat graue Haare.

Alles in allem kann ich nur hoffen, dass es 2018 besser wird. An mir soll es nicht liegen. Besonders optimistisch bin ich da für meinen Hund Lotte, ist es doch nach dem chinesischen Horoskop das Jahr des Hundes.

Nun hoffe ich, dass wir alle frohe Weihnachtstage verbracht haben und gut in ein gesundes, glückliches und erfolgreiches neues Jahr gestartet sind. Das wird schon!

Ihre
Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de