physiopraxis 2018; 16(03): 58
DOI: 10.1055/s-0043-121850
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Die Rechtsfrage: Können Eltern mir verbieten, mich mit dem verordnenden Arzt auszutauschen?

Karsten Bossow

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Publication Date:
16 March 2018 (online)

 

Die Mutter eines Therapiekindes hat mir abends um 20 Uhr per SMS mitgeteilt, dass ich meinen physiotherapeutischen Befund auf keinen Fall dem behandelnden Arzt schicken soll. Am nächsten Tag hat sie – wieder per SMS – die Therapie abgebrochen. Ein anschließendes Telefongespräch konnte die Situation nicht klären. Was kann, darf und muss ich denn nun dem Arzt mitteilen?
Therapeutin via Facebook


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Karsten Bossow ist seit 1999 Rechtsanwalt. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht beantwortet seit 2012 Ihre Leserfragen.

Die Antwort unseres Experten

Physiotherapeuten sind „Angehörige eines sonstigen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert“. Damit sind sie Geheimnisträger und machen sich strafbar, wenn sie ein Geheimnis offenbaren, das ihnen in dieser Funktion anvertraut oder sonst bekannt wurde.

Ein Geheimnis ist eine Tatsache, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt ist und an deren Geheimhaltung der Patient (!) ein sachlich begründetes Interesse hat. Insbesondere sind die Intim- und Privatsphäre geschützt. Damit ist zunächst jede Information und jeder Befund, der dem Therapeuten bekannt wird, ein Geheimnis – wenn die Information dem Therapeuten in Zusammenhang mit seiner Berufsausübung bekannt wird.

„Offenbart“ ist das Geheimnis, wenn es dem Empfänger unbekannt ist. Dabei ist es unwichtig, ob der Empfänger, etwa als Arzt, selbst der Schweigepflicht unterliegt. Andererseits soll der Therapeut dem zuweisenden Arzt über Behandlung und Ergebnisse berichten. Hier kann grundsätzlich von einem Einverständnis des Patienten mit der Informationsweitergabe ausgegangen werden.

Bei Kindern und Jugendlichen kommt es für das wirksame Einverständnis auf die Einsichtsfähigkeit an. Kinder haben diese in der Regel nicht, sodass das Einverständnis der Sorgeberechtigten eingeholt werden muss. Ab 14 Jahren besteht möglicherweise, bei 16-Jährigen in der Regel die notwendige Einsichtsfähigkeit, hier ist also das Einverständnis des Jugendlichen ausschlaggebend. Ob Einsichtsfähigkeit besteht, muss der Therapeut abwägen.

Untersagt der Patient dem Therapeuten ausdrücklich die Informationsweitergabe an den zuweisenden Arzt, muss dieser das Verbot beachten – trotz § 7 des Rahmenvertrags. Hier wird der Arzt einen Bericht über den Patienten bzw. dessen Eltern anfordern müssen.

Durchbrochen wird die Schweigepflicht, wenn sich der Therapeut strafbar machen würde, weil er etwa geplante Straftaten nicht anzeigt oder wenn ihm Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt werden. Dann soll er mit dem Patienten und den Sorgeberechtigten die Situation erörtern und im Zweifel das Jugendamt informieren. Dort kann er sich auch beraten lassen. Solch ein Fall könnte vorliegen, wenn die Therapeutin vermutet, dass die Eltern das Kind überfordern und so das Kindeswohl gefährden.


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