Schlüsselwörter
Radiomics - Biomarker - Kopf-Hals-Karzinome
1. Einleitung
Die „Präzisionsmedizin“ zielt darauf ab, Erkrankungen näher zu präzisieren, um Therapien
personalisiert und individuell auszurichten. Dies soll die Heilungschancen verbessern
und/oder ein reduziertes Nebenwirkungsspektrum ermöglichen. Vormals primär klinisch
definierte Erkrankungen werden dabei durch histologische, molekulare oder ein erweitertes
Spektrum klinischer Biomarker genauer definiert. Hierdurch erlangen Biomarker und
zunehmend auch Biomarkersignaturen, bestehend aus einem typischen Muster verschiedene
Merkmale immer mehr Einfluss im klinischen Alltag. Ihre prognostische und diagnostische
Aussagekraft kann jedoch in ihrer Spezifität und Sensitivität stark variieren. Eine
Beeinflussung findet durch die Definition der betreffenden Patientengruppe, der Analysemethode
und deren Streuung sowie durch die Definition der jeweiligen Korrelation statt. Eine
weitere Auswirkung hat der Grad der Standardisierung auf allen Ebenen: der Methode
der Datengewinnung, der Art der Datenasservierung, der Datenverarbeitung sowie der
Datenauswertung. Breite Screening-Methoden, die enorme Datenmengen produzieren, finden
vermehrt ihren Einsatz. Sie ermöglichen die gleichzeitige Messung vieler Parameter
und deren Vergleich in Bezug auf die Verwendbarkeit als Biomarker und eröffnen die
Option unterschiedliche Biomarker-Kombinationen für unterschiedliche Patientengruppen
zu definieren.
Dabei entstehen sehr große Datenmengen, die es erforderlich machen, entsprechend große
Speicherkapazitäten vorzuhalten und geeignete Software zur validen Analyse zu entwickeln.
Von Vorteil ist zudem eine sichere Möglichkeit diese Daten auch interdisziplinär und
überregional auszutauschen. Die Extraktion der für die jeweilige Fragestellung entscheidenden
Parameter kann nur durch IT-gestützte Datenanalyse, Statistik und Modelling durchgeführt
werden. Das breite Erfassen der Daten birgt die Möglichkeit, den Datenpool mit verschiedenen
Fragestellungen und in verschiedene Richtungen hin zu analysieren. Für aussagekräftige
Biomarkerdefinitionen sind allerdings auch meistens große Datenpools mit ausreichend
umfangreichen Kohorten notwendig. Die Datenanalyse an sich kann dabei durchaus eine
Herausforderung sein, die komplexer als die eigentliche Analyse des Untersuchungsmaterials
ist und die ebenso mit multiplen potentiellen Fehlerquellen einhergeht.
In den letzten Jahren fanden diese Screeninguntersuchungen unter dem Oberbegriff „Omics“
vermehrten Einzug in die Biomarker-Analyse. Hierbei werden jeweils eine Gesamtheit
verschiedener Parameter desselben Ursprungs und derselben Datenquelle und Analyseebene
erhoben. Definitionsgemäß ist die Primäranalyse der Gesamtheit primär relativ unselektiv.
Die Endung „Omics“ charakterisiert unterschiedliche Quellen großer Datenmengen, wobei
dieser Endung das Ursprungsmaterial der Datengewinnung zu Definition vorangestellt
wird. Das führt dann z. B. bei einer breitflächigen genetischen Expressionsanalyse
zur Darstellung der „Genomics“, oder auf RNA-Ebene zu „Transcriptomics“, bei Proteinanalysen
zu „Proteomics“ oder auch „Metabolomics“, wenn das Metabolom analysiert wird. In Analogie
finden die vergleichsweise neu definierten „Radiomics“ nun ihren Weg in die klinische
Forschung und auch immer mehr in den klinischen Alltag.
Definierte Charakteristika der Erkrankung beinhalten eine prognostische und diagnostische
Aussagekraft in Bezug auf den Status, das Outcome und die therapeutische Ansprechrate.
Diese Variablen werden im Kontext mit klinischen Daten und dem Krankheitsverlauf analysiert,
während die klinischen Daten selbst weiterhin als diagnostische und prognostische
Parameter dienen.
Valide Biomarker sollten gut zugänglich, messbar und reproduzierbar sein. Sie sollten
deshalb auf ihre Stabilität bei der Messung überprüft werden. Die Definition sollte
in einer repräsentativen, möglichst großen und standardisierten Kohorte stattfinden,
in der gut definierte Parameter suffizient erfasst werden. Nach Definition der Biomarkersignatur
sollte diese in einer zweiten Kohorte – am besten in einer unabhängigen zweiten Institution-reevaluiert
werden. Eine weitere prospektive Validierung ist sinnvoll, um die Zuverlässigkeit
zu bestätigen.
Biomarker sind für die personalisierte Therapie eine essentielle Voraussetzung. Für
einige Erkrankungen (z. B. Brustkrebs, Prostata-Karzinom) gelingt es, einzelne Biomarker
mit hoher Aussagekraft zu definieren, doch aufgrund der Komplexität der Pathogenese
werden auch hier vermehrt Biomarkermatrices verwendet.
Diese können einer oder mehreren Datenquellen entspringen. Klinische, genomische,
histopathologische und andere Marker können kombiniert werden. Diese Kombinationen
werden idealerweise mithilfe von Software analysiert, die eine Quantifizierung, Konfiguration
und Visualisierung ermöglicht. So erlauben die großen Datenmengen vielfältige Möglichkeiten
für die Definition von passenden Markern oder Markermustern in unterschiedlichen Stadien
der Erkrankung, auf unterschiedlichen Stufen der Analyse und aus verschiedensten Materialien
und Datenquellen. Leider aber auch zu genauso vielen Möglichkeiten der Fehlinterpretation,
Analysebias, methodischen und statistischen Fehlerquellen, die aufgrund der Komplexität
eher schwieriger zu identifizieren und aufzudecken sind.
Bisher ist es für die Analysen meistens notwendig, Material aus einem soliden Tumor
– etwa eine Gewebebiopsie – zu gewinnen. Hieran werden dann „Genomics“, „Proteomics“
oder „Metabolomics“ mittels breiter Analysemethoden durchgeführt (z. B. Next Generation
Sequencing) und tausende von Daten gewonnen. Die „Radiomics“ als relativer Neuling
der Biomarker-Szene hat demgegenüber den großen Vorteil, dass keine invasive Probengewinnung
notwendig ist.
Durch mathematische Algorithmen wird eine quantitative Hochdurchsatzextraktion von
radiologischen Merkmalen auf Basis der Metadatensätze (DICOM-Format) durchgeführt,
die oftmals bei der menschlichen Betrachtung der entsprechenden Bilder nicht wahrgenommen
werden können und insofern einer nur IT-assistierten Betrachtungsweise zugänglich
sind [1]
. Historisch gesehen leiten sich Radiomics von den Computer-unterstüzten Diagnose-
und Detektions-Systemen („computer-aided diagnosis and detection systems (CAD)“) der
80er und 90er Jahre ab [2]
[3]. Unterschiedlich ist jedoch die extrahierte Datenmasse und die Art der Kombination
mit klinischen, histologischen oder genomischen Datenmengen. Während CAD-Systeme nur
einzelne Fragestellungen in der Krankheitsdiagnostik und Detektion beantworten, erlauben
Radiomics die Generierung großer quantitativer Datenmengen aus Bildgebungen, wie typischerweise
der Computertomografie (CT), der Magnetresonanztomografie (MRT) oder der Positronenemissionenstomografie
(PET). Nichtsdestotrotz gibt es ältere Untersuchungen, die in gewissem Maß bereits
dem Anspruch der Radiomics genügen, ohne dass die Begrifflichkeit zum Untersuchungszeitpunkt
existierte und sie deshalb nicht so definiert worden sind. Bei einer PubMed-Recherche
ist das erste Auftreten des Begriffs „Radiomics” auf das Jahr 2012 datiert. Die Arbeitsgruppe
um Lambin et al. veröffentlichte einen Artikel mit dem Titel: „Radiomics: extracting more information from medical images using advanced feature
analysis“ [4]. Im Prinzip beinhaltet der Titel selbst die Definition dieses neuen Begriffs, nämlich
– frei übersetzt: „Radiomics: Extraktion von mehr Informationen aus medizinischen
Bildern durch fortschrittliche Analyse von Merkmalen“.
1.1 Prinzip von Radiomics
Die verwendete Bildgebung ist erfreulicherweise in der Regel eine routinemäßig durchgeführte,
die allgemein zugänglich ist und idealerweise bereits im Zuge der Diagnostik verwendet
wird. Allerdings müssen die Basisdaten der Bildgebung zur Bearbeitung umfänglich zur
Verfügung stehen und die Bildgebung nach herkömmlichen Standards digital mit adäquater
Genauigkeit möglichst Artefakt-frei durchgeführt worden sein [Abb. 1]. Um dies hinreichend zu gewährleisten, haben Innovationen und eine zunehmende Standardisierung
der medizinischen Bildgebung dazu beigetragen, diese neuen Methoden überhaupt zu ermöglichen.
Nur hierdurch stehen an einzelnen Institutionen ausreichend große Datenpools zur Verfügung,
um Radiomics-Signaturen zu etablieren. Außerdem sind die moderne Hardware, der Gebrauch
von vergleichbaren Kontrastmittel und die Standardisierung der Bildgebungsprotokolle
wichtige Faktoren, um eine quantitative Analyse zu ermöglichen und spezifische Software
hierfür einzusetzen.
Abb. 1 Schematisierter, vereinfachter Workflow zur Erstellung einer Radiomics-Signatur.
Die Standardisierung der Bildgebungsprotokolle und der Einsatz moderner Software in
der Routine ist essentiell für reproduzierbare, auch multizentrisch vergleichbare,
aus Radiomics gewonnene Biomarkersignaturen. Nur hierdurch wird die breite, quantitative
Analyse überhaupt ermöglicht [4]. Dadurch können die Routine-Bildgebungen des klinischen Alltags als gigantische
Quelle für die Datenanalyse verwendet werden. Um das Ausmaß der potentiell zur Verfügung
stehenden Daten zu erfassen, sollte man sich vor Augen führen, dass jede dieser Datenquellen
– egal ob 2- oder 3-dimensional gefahren – jedes einzelnen Patienten Millionen Voxels
und hunderte von Merkmalen, die der Radiomics-Technik zugänglich sind, bereits beinhalten
[5]. Die Daten stehen zur Analyse bereit, existieren und werden automatisch täglich
neu generiert. Zusätzliche Materialgewinnung wie etwa Biopsien und potentiell kostspielige
Analysen des gewonnenen Gewebes werden dazu nicht benötigt.
Radiomics-Daten können auch durch eine Kombination unterschiedlicher Bildgebungen
z. B. CT/PET, „dual-source/dual-energy“ CT sowie den Einsatz von radiologischen Markern
erweitert werden. Hierdurch werden das Gewebe an sich, Erkrankungs-spezifische Marker
sowie zunehmend auch biologische Prozesse immer besser visualisiert. Dies wiederum
erlaubt die Generierung von differenten und zusätzlichen Merkmalen aus den gewonnenen
Bildern.
Eine weitere Spielart der Radiomics sind die Radiogenomics. Radiomics basieren auf
der interessanten Hypothese, dass zelluläre und phänotypische Gewebecharakteristika
spezifischen Radiomics-Merkmalen entsprechen und in der Bildgebung mit dargestellt
werden, da radiologische Bilder an sich nichts anderes als Gewebedarstellungen sind
[4]. Je differenzierter und feiner eine Untersuchungsmethoden wird umso genauer und
spezifischer ist diese Darstellung möglich und umso mehr Erkenntnisse kann sie liefern.
Gewebe kann makroskopisch, mikroskopisch-histologisch, immunhistologisch, elektronenmikroskopisch
und molekular von Ebene zu Ebene immer genauer spezifiziert werden [Abb. 2]. Das Prinzip der Radiogenomics führt diesen Gedankengang weiter aus und geht von
der Hypothese aus, dass selbst proteogenomische Zell- und Gewebecharakteristika –
sei es direkt oder indirekt – in der Bildgebung visualisiert werden. Dabei besteht
die Vorstellung nicht darin, einzelne Mutationen z. B. im CT direkt sichtbar zu machen,
sondern eher Gewebecharakteristika, die durch bestimmte proteogenomische Konstellation
ausgelöst werden. So könnte z. B. eine vermehrte Regulierung von Zellzyklusgenen eine
heterogenere Gewebestruktur hervorrufen. Der Gedanke, dass proteogenomische und zelluläre
Charakteristika und somit auch lokale und individuelle Unterschiede in der Bildgebung
Äquivalente haben und die Basisdaten bislang unerkannte Mehrinformationen liefern
können, die mit den richtigen Algorithmen, also „Methoden“ bearbeitet und adäquat
korreliert und in den Kontext gebracht werden können, ist sicherlich ein reizvoller.
Nichtsdestotrotz, muss man dem entgegenhalten, dass auch ein mikroskopisches Bild
ohne Zusatzhilfsmittel wie z. B. Immunhistochemie nur begrenzt Erkenntnisse liefern
kann. Da auch Bildgebungen eine Visualisierung von Gewebe darstellen, ist auch ihr
Informationsgehalt bestimmten Grenzen unterworfen.
Abb. 2 a Darstellung einer zervikalen Lymphknotenmetastase nach Einlesen der Bildgebung in
die Segmentierungssoftware (durch Prof. S. Wesarg des Fraunhofer-Instituts Darmstadt
zur Verfügung gestellt).
Abb. 2 b Darstellung einer zervikalen Lymphknotenmetastase nach semi-automatischer Segmentierung
(in rot hervorgehoben).
In einigen Studien konnte bereits dargestellt werden, dass Radiomics-Analysen in der
Lage waren, Äquivalente zu zellulären, genetischen oder phänotypischen Charakteristika
aus klassischen Bildgebungen zu extrahieren und korrelieren [1]. Eine zusätzliche Herausforderung ist, dass „Radiogenomics“ nun zwei „Omics“ miteinander
vereinen, die „Radiomics“ und „Genomics“. Dies führt zu einem sehr umfangreichen Datenpool,
dessen suffiziente Bearbeitung und Nutzung nur professionell und IT-basiert möglich
ist. Einzeln betrachtet haben sowohl die Genomics-Daten als auch die Radiomics-Daten
unterschiedliche Vorteile deren Zusammenführung potentiell eine sinnvolle Mehrinformation
generieren kann. Über Genomics gelingt es, ein sehr detailliertes genetisches Muster
und so einen Ausschnitt von molekularen Prozessen auf zellulärer Ebene zu geben –
heruntergebrochen auf die DNA oder RNA. Dies beschränkt sich allerdings auf spezifische,
recht kleine Areale oder Zelltypen bzw. Gewebe- oder Tumoranteile.
Aus der Analyse müssen die für die Fragestellung essentiellen Biomarker definiert
werden. Dies ist bereits an sich eine Herausforderung. Sicherlich ist es nicht realistisch,
eine eins zu eins Korrelation einer Genomics-Untersuchung mit Radiomics anzustreben.
Gelingt es aber, die für eine Problematik relevanten genomischen Daten adäquat zu
korrelieren und auf radiologischer Ebene für diese eine genetische/molekulare Subtypisierung
vorzunehmen, wäre dies von großem Nutzen. Mit Radiogenomics könnte dann z. B. ein
Tumor ganzheitlicher charakterisiert werden, da im radiologischen Bild nicht nur einzelne
Areale, sondern das gesamte betroffene Gewebe erfasst wird. Eine Kombination beider
Methoden würde dann eine erhebliche Mehrinformation auch auf molekularbiologische
Ebene bergen. Wenn die Radiogenomics wichtige molekulare Phänomene äquivalent zu labordiagnostischen
Methoden erfassen könnten, wäre durch sie sogar eine Vermeidung von molekularer Gewebediagnostik
denkbar. Dies könnte dann potentiell zur Vermeidung invasiver Biopsien, geringeren
Kosten und weniger personellem und materiellen Aufwand führen sowie den Patientenkomfort
verbessern.
Derzeit werden Radiomics v. a. in der Onkologie zur alternativen Charakterisierung
von soliden Karzinomen verwendet. Sie haben jedoch das Potenzial, auch gutartigen
Erkrankungen mit einem oder mehreren klassifizierbaren Korrelaten in der Bildgebung
als Biomarker zu dienen – z. B. beim M. Menière [6] oder bei Funktionsstörungen der Gl. Parotis nach Radiatio [7].
Im Folgenden soll beispielhaft auf einige Radiomics-Anwendungen im Bereich der Onkologie
eingegangen und der Stand der Dinge im Bereich der Kopf-Hals-Onkologie dargestellt
werden. Zum besseren Verständnis der Methodik und deren Problematik werden außerdem
der Radiomics-Workflow beschrieben und seine potentiellen Variations- und Fehlerquellen
diskutiert.
2. Radiomics und Tumoren
Gerade in der Onkologie finden Radiomics sehr großen Anklang. Hier werden das Outcome,
die Histologie, Subtypisierungen oder auch Therapieansprechen mit Bildgebungsmerkmalen
korreliert. Es gibt bereits einige ältere Untersuchungen, die bis in die 70er Jahre
zurückreichen, die – obwohl damals noch nicht unter dem Stichwort „Radiomics“ definiert
– doch an demselben Prinzip anlehnen. Sicherlich ist hier die Abgrenzung der Begrifflichkeiten
unscharf. Allerdings sind die Arbeiten aufgrund der damals noch nicht im selben Maße
verfügbaren Datenspeicherungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten in ihrer Analysebreite
meist deutlich limitierter. An Bildgebungen werden das CT, MRT, PET/CT aber auch konventionelle
Röntgenaufnahmen, Mammografie oder Ultraschall verwendet.
Die Anzahl an Veröffentlichungen ist limitiert, wenn sie auch gerade in den letzten
Jahren mit Definition des Radiomics-Begriffes und eines hiermit verbundenen Workflows
sowie einer zukunftsgerichteten Erwartungshaltung sprunghaft ansteigt. Sehr unterschiedlich
sind die Größen der Patientenkohorten und der Studienaufbau. Tendenziell lässt sich
sagen, dass ältere Studien eher kleinere Kohorten enthalten und neuere größere – nicht
zuletzt geschuldet der Kapazitäten und Datenverarbeitungs- und Speichermöglichkeiten.
Obwohl die meisten Studien auf retrospektiven Datensets beruhen, besteht eine Tendenz
zur Validierung radiologischer Signaturen in zweiten oder auch prospektiven Datensets,
die wünschenswert ist.
Es fällt auf, dass einzelne Tumorentitäten eine deutlich höhere Präsenz in diesem
Feld zeigen als andere. So gibt es z. B. zu Lungenkarzinomen und Brustkrebs relativ
viele Arbeiten, wohingegen andere durchaus häufige Karzinome wie das Zervixkarzinom
oder Lymphome vergleichsweise unterrepräsentiert sind. Deshalb soll beispielhaft auf
einige Arbeiten der gut untersuchten Tumoren wie Lungen- und Mammakarzinome eingegangen
werden und andere, weniger dominante Entitäten dieses Feldes an dieser Stelle nicht
dargestellt werden.
2.1 Lungenkarzinome
Bereits vor dem „Omics“-Zeitalter wurden Strukturanalysen in Röntgenaufnahmen der
Lunge in den 70er Jahren durch Sutton und Hall mit unterschiedlichen Pathologien korreliert.
Ziel war es, hierdurch die Machbarkeit einer Automatisierung der Diagnostik von Röntgen-Thorax-Untersuchungen
zu evaluieren. Der Datensatz war jedoch im Vergleich zu heutigen Möglichkeiten sehr
limitiert, denn es gab noch keine IT-gestützte Analyse, wie wir sie heutzutage kennen.
Insofern könnte man die Arbeit eher als Vorläufer, denn als Beispiel für moderne Radiomics
bezeichnen [8].
Al-Kadi und Watson unterschieden 2008 in CT-Bildern aggressive Lungenkarzinome von
nicht-aggressiven anhand von Struktur-basierten Merkmalen bei 15 Patienten [9].
Kontinuierlich seit 2010 beschäftigte sich die Arbeitsgruppe um Ganeshan et al. mit
Radiomics in Lungenkarzinomen. Sie veröffentlichte 2010 eine Pilotstudie, die 18 Patienten
mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen umfasste, bei der statistisch aufgearbeitete
Bildgebungsmerkmale (mittlere Grauintensität, Entropie, Uniformität) mit dem Tumorstadium
und seinem Glukosemetabolismus korreliert werden konnten [10]. In einer Folgestudie konnte die Tumoruniformität mit dem Patientenüberleben bei
54 Individuen korreliert werden. Weitere Untersuchungen zeigten, dass sich die Strukturmerkmale
neben den klinischen auch mit histopathologischen Merkmalen abgleichen ließen [11]. Durch die Anwendung zusätzlicher statistischer Auswertmethoden konnten weitere
histopathologische Merkmale in der Strukturanalyse der CT-Bilder abgeglichen werden
[12].
Weitere Arbeiten im Bereich der nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome lieferten Aerts
et al. [13]. Sie untersuchte 440 Radiomics-Merkmale bei nicht-kleinzelligen Lungen- und Kopf-Hals-Karzinomen.
Hierauf wird deshalb im Zuge der Ausführungen über Kopf-Hals-Karzinome noch weiter
eingegangen werden. Diese Arbeitsgruppe konnte bei den Lungenkarzinomen eine prädiktive
Signatur für das Überleben, die Histologie und das Tumorstadium etablieren. Erst kürzlich
wurde diese für das Überleben in einer weiteren Kohorte bestätigt und ihre Übertragbarkeit
auf die Modalitäten der Planungs-CT und auf die DVT (Digitale Volumen Tomografie)-Technik
verifiziert. Dies impliziert, dass Radiomics-Signaturen potentiell in unterschiedlichen
Modalitäten anwendbar sind, was von hohem klinischen praktischen Nutzen sein kann
[14].
Dieselbe Arbeitsgruppe konnte anhand einer Kohorte von 182 Patienten mit Adenokarzinomen
der Lunge zeigen, dass eine Radiomics-Signatur mit 33 Markern eine Metastasierung
und eine weitere 12 Merkmale umfassende Signatur das Patientenüberleben prognostizieren
konnten [15]. Die Analyse weiterer Merkmale der Komplexität der Tumorform und der Tumorheterogenität
konnte in einer Patientenkohorte mit dem Gesamtüberleben korreliert und in einer zusätzlichen
Kohorte bestätigt werden [16].
Ebenfalls in Lungenadenokarzinomen (n=431) verglichen Yuan et al. 20 selektierte Radiomics
Biomarker in CTs mit einer volumetrischen Analyse, um unterschiedliche Phänotypen
(Ca in situ vs. minimal invasives Ca vs. invasives Ca) darzustellen. Hierbei war die Radiomics
Signatur (Genauigkeit: 80,5%) der volumetrischen Analyse (Genauigkeit: 69,5%) überlegen
[17]. Der Methodenvergleich wurde damit zugunsten der Radiomics entschieden.
Zhang et al. optimierten ihre Radiomics-Signatur für die Vorhersage von Rezidiven,
Tod und rezidivfreies Überleben bei nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen, indem sie
unterschiedliche Methoden zur Merkmalsauswahl und -klassifikation variierten [18]. Hiermit zeigten sie, dass die angewandten statistischen Methoden einen erheblichen
Einfluss auf die Definition und Aussagekraft radiologischer Biomarker haben. Außerdem
sind die Modalitäten innerhalb einer Bildgebungsvariante entscheidend. Eine unterschiedliche
Datenqualität und Aussagekraft wurde von Huynh et al. bezüglich der Vorhersage für
Rezidive von Lungenkarzinomen beim Vergleich unterschiedlicher CT-Modalitäten (statisch
vs. respiratorisch-adaptiert) festgestellt [19].
Auch Radiogenomics wurden in Lungenkarzinomen bereits untersucht. Eine hohe Korrelation
zu aus einer Gen-Anreicherungs-Analyse (Gene-Set Enrichment Analysis (GSEA)) gewonnenen,
genomischen Daten mit Radiomics Merkmalen konnten Aerts et al. bei Patienten mit nicht-kleinzelligen
Lungenkarzinomen darstellen. Zwei radiomische Heterogenitätsmerkmale konnten mit Zellzyklusgenen,
die zur Ausbildung heterogener Tumore und einer verstärkten Proliferation führen,
korreliert werden [13]. Sie untermauerten so die Hypothese, dass proteogenomische Phänomene in den Bilddaten
direkt und indirekt darstellbar sind.
Weiterhin stellte erst kürzlich dieselbe Arbeitsgruppe bei Lungenadenokarzinomen dar,
dass eine CT-basierte Radiomics-Signatur (Heterogenitäts-basiert) bei 353 Patienten
den EGFR (Epidermal Growth Factor Receptor)-Status prognostizieren konnte. Diese Signatur
wurde an einer zweiten Kohorte mit 352 Patienten validiert. Eine Kombination mit einem
klinischen Datenmodel verbesserte die Präzision weiter. Eine Signatur, die KRAS-positiven
von KRAS-negativen Tumoren in denselben Kohorten unterscheiden sollte, war zwar auch
signifikant, doch mit einer deutlich schlechteren Genauigkeit als die EGFR-assoziierte
Signatur [20]. In diffusionsgewichteten MRTs konnten auch Yuan et al. den EGFR-Mutationsstatus
von Lungenadenokarzinomen nachvollziehen [21].
Nicht nur Outcome-Parameter und biologische Gewebetypisierung können durch Radiomics
dargestellt werden. Praktischen klinischen Wert haben Entscheidungshilfen zur Therapieplanung.
Bei nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen konnte mittels Radiomics-Biomarkern eine
Korrelation zum Ansprechen auf Radiotherapie oder Radiochemotherapie sowie dem Gesamtüberleben
im PET und PET-CT dargestellt werden [22]
[23]. Einen Mehrwert und sogar eine teils bessere Performance als die Bildgebungsmerkmale
des Primarius (n=85) erbrachte die Analyse von Bildgebungsmerkmalen von Lymphknotenmetastasen
(n=178) von Stadium II-III nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen für die Vorhersage
auf das Ansprechen einer neoadjuvanten Radiochemotherapie [24].
Die Vielseitigkeit bildgebungsbasierter Biomarker spiegelt sich in den Radiomics-basierten
Studien zu Lungenkarzinomen sehr gut wider. Insgesamt dominieren in den Untersuchungen
der Lungenkarzinomen die CT-basierten Studien und zunehmend auch das PET-CT. Die Ergebnisse
sind vielversprechend und umfassen die Abgrenzung maligner von benignen Läsionen,
die Darstellung genetischer und histologischer Grundlagen sowie klinisch orientierte
Vorhersagen von Outcome und Therapieansprechen.
2.2 Mammakarzinome
Brustkrebs wurde bereits früh hinsichtlich der Aussagekraft von Bildgebungen untersucht,
da das Mammogramm seit Jahrzehnten als Screeninguntersuchungen dient. Eine schnelle
und präzise Unterscheidung von gut- und bösartigen Läsionen anhand von Strukturmerkmalen
als Endpunkt sowie die Möglichkeit einer Implementierung eines automatisierten Screenings
werden deshalb schon lange evaluiert. Strukturanalysen in Mammogrammen reichen bis
in die 80er Jahre zurück und wurden in den 90er und 2000er Jahren fortgeführt. [25]
[26]
[27]
[28]
[29]
[30]
[31]. Seit den 90er Jahren wurde auch die Strukturanalyse bei der Ultraschalldiagnostik
zur Abgrenzung von Brustkrebs erfolgreich implementiert [32]
[33]
[34]. Garra et al. erreichte bereits 1993 bei seinen Untersuchungen an 80 Patientinnen
eine Sensitivität von 100% und eine Spezifität von 80% bei der Detektion maligner
Läsionen [32]. In einer aktuellen Untersuchung konnten 364 Strukturmerkmale mittels Sonoelastografie
bei 42 Patientinnen mit Brustkrebs und 75 Patientinnen mit benignen Läsionen untersucht
werden. Sieben sonoelastische Merkmale wurden ausgewählt, die mit einer Sensitivität
von 85,7% und einer Spezifität von 89,3% Malignität voraussagen konnten [35]. Der Übergang der frühen Strukturanalysen zu modernen Radiomics ist hierbei fließend.
In der Schichtbildgebung ist – im Gegensatz zur Detektion von Lungentumoren, bei der
die Computertomografie in der Diagnostik und Strukturanalyse sowie die Etablierung
von Radiomics eine große Rolle spielt – als adäquate Bildgebung die Magnetresonanztomografie
zur Weichteilvisualisierung bei Brustkrebs dominanter. Auch hier reichen erste Strukturanalysen
bis in die 90er Jahre zurück. Sinha et al. konnten bereits 1997 anhand von acht Strukturmerkmalen
in Kombination mit dem Patientenalter mit einer Sensitivität von 93% und einer Spezifität
von 95% benigne von malignen Mammaläsionen unterscheiden [36]. Auch in folgenden Studien mit dem Ziel der Abgrenzung maligner Brusttumoren, konnten
Strukturanalysen gute Ergebnisse erzielen. Allerdings handelt es sich um retrospektive
Datenanalysen mit einer limitierten Patientenzahl [37]
[38]
[39]. Cai et al. initiierten eine Studie mit einer relativ großen Kohorte von 234 Patienten,
bei denen sie mit einer 85% Sensitivität und 89% Spezifität Brustkrebs von benignen
Läsionen abgrenzen konnten. 28 Strukturmerkmale wurden mithilfe von 3 klassischen
„Machine-Learning“ Algorithmen untersucht und zur Vermeidung von Redundanz und Verbesserung
der Aussagekraft auf 5 Merkmale reduziert. Die etablierten 5 Strukturmerkmale im diffusionsgewichteten
MRT (scheinbarer Diffusionskoeffizient, Summendurchschnitt, Entropie, Elongation,
Summenvarianz) wurden in einer zweiten, 93 Patienten umfassenden Kohorte, mit einer
Sensitivität von 69% und einer Spezifität von 91% validiert [40]. Kürzlich konnten auch Bickelhaupt et al. darstellen, dass die eine Radiomics-Signatur
die Aussagekraft einer alleinigen Analyse des scheinbaren Diffusionskoeffizienten
zur Differenzierung maligner Läsionen im MRT sinnvoll ergänzte [41]. Eine histologische Subtypisierung zwischen lobulärem und duktalem Brustkrebs, allerdings
nur innerhalb einer 20 Patienten umfassenden Pilotstudie (n=10 duktaler Brustkrebs,
n=10 lobulärer Brustkrebs) gelang Holli et al. [42].
Auf Ebene der Radiogenomics, konnte eine Korrelation MR-basierter Merkmale bei der
Subtypisierung von 91 Biopsien invasiver Mammakarzinome mit genomischen Daten (TCGA/TCIA:
The Cancer Genome Atlas/The Cancer Imaging Archive) in einer multizentrischen Analyse
des National Cancer Institute dargestellt werden. Wang et al. identifizierten mit
Radiomics Brustkrebs, der nicht die tyischen genomischen Marker aufwies („dreifach
negativ“) im DCE-MRI [43]. Einen kombinierten Ansatz von 38 Radiomics-Merkmalen und 144 genetischen Merkmalen
wählten Guo et al., die in Kombination und gegeneinander getestet wurden. Radiomics-Merkmale
eigneten sich besser für die Voraussage des Tumorstadiums, während genomische Merkmale
besser den Rezeptorstatus darstellten. Die Daten der 91 integrierten Patienten stammten
aus den TCIA und TCGA Datenbanken. Allerdings räumte die Arbeitsgruppe eine reduzierte
Aussagekraft ihrer Studie aufgrund limitierter Patientenzahl ein [44]. Kürzlich testeten auch Li et al. die Vorhersagekraft MR-basierter Radiomics gegen
in der klinischen Routine angewendete genetische Tests für Brustkrebs (MammaPrint,
Oncotype DX, PAM50 Gene Assay) an Daten von 84 Patientinnen und kamen zu der Schlussfolgerung,
dass die Radiomics-basierte Testung bei der Vorhersage von Rezidiven zukünftig eine
Rolle spielen könnte [45].
Das Ansprechen von Brustkrebs auf Chemotherapie wurde von unterschiedlichen Arbeitsgruppen
untersucht. Ahmed et al. und Parikh et al. konnten signifikante Unterschiede zwischen
Chemotherapie-Ansprechern und -Versagern anhand von 8 bzw. 2 (Entropie und Uniformität)
MR-basierten Strukturmerkmalen feststellen [46]
[47]. Eine aktuelle Studie von Braman et al. verwendet nicht nur Tumor-basierte Radiomics
zur Vorhersage des Therapieansprechens sondern untersucht auch das Tumor-umgebende
Gewebe. Ein mangelndes Ansprechen auf eine neoadjuvante Chemotherapie war mit einer
größeren peritumoralen Heterogenität verbunden. Die kombinierte Untersuchung konnte
das Therapieansprechen signifikant und unabhängig vom Rezeptorstatus voraussagen [48]. Insofern erfuhr durch diese Studie das Areal, das bei Radiomics-Untersuchungen
berücksichtigt wird, eine Erweiterung. Nicht nur der Tumor an sich beinhaltet aussagekräftige
Daten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beim Mammakarzinom die Varianz der Untersuchungsmethoden,
aus denen radiologische Strukturmerkmale gewonnen werden, größer ist als bei Lungenkarzinomen.
Als primär Weichteil-assoziierter Tumor kommen als klassische Untersuchung die Mammografie,
der Ultraschall inklusive der Sonoelastografie und das MRT primär zum Einsatz. Auch
hier gibt es bereits Studien, die als Endpunkt nicht nur benigne und maligne Läsionen
unterscheiden, sondern auch auf histologische und genetische Grundlagen eingehen und
das klinische Outcome und das Therapieansprechen vorhersagen. Eine in mehreren Analysen
genutzte Datenquelle sind nicht nur eigene Bildgebungen und Daten sondern größere
zugängliche Datenbanken wie TCIA und TCGA. Um auch in Zukunft statistisch sinnvollere
Ergebnisse zu erlangen und Radiomics-Signaturen auch überregional zu validieren, sind
diese sicher – auch für andere Tumorentitäten – eine geeignete Datenquelle, die berücksichtigt
werden sollte.
In geringerem Ausmaß gibt es auch Radiomics-Studien zu anderen soliden Karzinomen.
Hierzu gehören z. B. Zervixkarzinome [49], Leberkarzinome [50], Kolonkarzinome [51] und Prostatakarzinome [52]
[53]
[54]
[55]. Bei Glioblastomen und Gliomen konnten Radiomics-basierte Korrelation zu molekularen
Informationen, wie dem EGFR-Status und dem Isocitrat Dehydrogenase 1 (IDH1)-Status dargestellt werden [56]
[57]
[58]. Auch bei Nierenzellkarzinomen konnten radiologische Strukturmerkmale dargestellt
werden, die mit dem Mutationsstatus des BAP1 (BRCA2-associated protein 1) Gen, VHL
(von Hippel-Lindau) Gens oder KDM5C-Gens sowie dem EGFR-Rezeptorstatus korrelierten
[59]
[60]
[61]. In einer Proof-of-Concept Pilotstudie, die Strukturmerkmale aus FLT-PET/MRI von Patienten mit metastatischem
Nierenzellkarzinom analysiert, wird ein Therapieansprechen auf den Rezeptor-Tyrosinkinase-Inhibitor
Sunitinib vorhergesagt [62].
2.3 Radiomics bei Kopf-Hals-Karzinomen
Im Kopf-Hals-Bereich gibt es bereits Radiomics-basierte Untersuchungen für Ösophaguskarzinome,
Nasenrachenkrebs und „klassische“ Plattenepithelkarzinome des Oro- und Hypopharynx,
Larynx und der Mundhöhle.
Bei einer Kohorte von 41 Patienten mit Ösophaguskarzinomen untersuchte Tixier et al.
das Therapieansprechen auf eine kombinierte Radiochemotherapie (5-Flurouracil mit
Carbo- oder Cisplatin) . Ausgewertet wurden 38 Radiomics-Merkmale an prätherapeutisch
durchgeführten Ganzkörper (18)F-FDG PET-Untersuchungen. Hiernach konnten, besser als
nur mithilfe der standardisierten Aufnahmewerte („Standard Uptake Value“/SUV), komplette,
und partielle Therapieansprecher sowie Therapieversager identifiziert werden [63].
Für Radiomics bei Nasenrachenkarzinomen sind durch die Arbeitsgruppe um Zhang et al.
aktuell 2 Arbeiten veröffentlicht worden. Als Grundlage dienten jeweils MRT-Bildgebungen,
an denen pro Patient 970 Radiomics-Merkmale untersucht wurden. Eine Studie umfasste
110 Patienten, bei denen sechs Methoden zur Merkmalsauswahl und neun Klassifikationsmethoden
untersucht wurden. Es wurde hier eine optimale „Machine-Learning“-Methode identifiziert,
um ein Biomarkerscreening in Nasenrachenkarzinomen durchzuführen [64]. In der zweiten Studie wurden 118 Patienten mit der Erstdiagnose eines fortgeschrittenem
Nasenrachenkarzinom (Stadium II-IVb) ohne Fernmetastasierung integriert, von denen
88 in einer Trainingskohorte und 30 in einer unabhängigen Validierungskohorte untersucht
wurden. Es konnte eine Radiomics-Signatur anhand einer Kombination von CET1-gewichteten
und T2-gewichteten Bildern zusammen mit dem TNM-Stadium für das progressionsfreie
Überleben erstellt werden. Diese war einer alleinigen Signatur aus CET1-gewichteten
oder T2-gewichteten Bildern und auch der Klassifizierung durch das TNM-System alleine
überlegen [65]. Die Aussagekraft von Radiomics wurde hierbei durch die Kombination bekannter klinischer
Parameter – oder umgekehrt – im Sinne eines multimodalen Modellings verbessert.
Die Arbeitsgruppe um Lambin et al. kann im Feld der Radiomics insgesamt und im Speziellen
bei Kopf-Hals-Karzinomen als Vorreiter angesehen werden. Seine Arbeiten zu Kopf-Hals-Karzinomen
beruhen auf der Basis von Routine-CT-Untersuchungen. Bei Plattenepithelkarzinomen
im Kopf-Hals-Bereich scheint es hier synchrone Effekte zu kleinzelligen Lungenkarzinomen
zu geben. 2014 wurden 440 automatisch extrahierte Radiomics-Merkmale in Computertomografien
von 1019 Patienten, die entweder ein Lungen- oder Kopf-Hals-Karzinome hatten, untersucht.
Diese umfassten phänotypische Merkmale, die die Tumorbildintensität, -form, -struktur
und -wellen in mehreren Skalierungen abbildeten. Die Stabilität dieser Merkmale wurde
zuerst in 2 kleinen Kohorten (n=31 und n=21) getestet. Eine Radiomics-Signatur konnte
dann bei einer größeren Kohorte von 422 Lungenkarzinompatienten (Lung 1/Maastro) erstellt
werden, die mit dem klinischen Outcome (Kaplan-Meier-Kurven) der Patienten korreliert
wurde.
Sie enthält 4 Merkmale: „Statistics Energy, Shape Compactness, Grey Level Nonuniformity“
und „Grey Level Nonuniformity HLH“. Zur Validierung wurden 4 weitere Kohorten herangezogen.
Eine Unabhängigkeit wurde bei dreien schon dadurch erzeugt, dass sie aus unterschiedlichen
Studienzentren stammten (Lung 2/Radboud n=225, H&N2/VU Amsterdam n=95, Lung3/MUMC
n=89, H&N1/Maastro n=422). Die etablierte Signatur konnte in 3 Kohorten (Lung 2, H&N1,
H&N2) validiert werden. Erstaunlicherweise war sie der prädiktiven Aussagekraft des
TNM-Stagings alleine in Lung 2 und auch H&N2 überlegen und vergleichbar zur TNM-Klassifizierung
bei H&N1. Eine Kombination des TNM-Stagings mit der Radiomics-Signatur konnte in allen
Gruppen das Outcome besser voraussagen – unabhängig von der Behandlung des Patienten
(Bestrahlung oder Radiochemotherapie). Gerade nach Erscheinen der neusten TNM-Klassifikation,
die in dieser Studie noch keine Anwendung fand, ist es zusätzlich interessant, ob
HPV (Humaner Papilloma Virus)-positive von HPV-negativen Patienten mittels einer Radiomics-Signatur
voneinander abgegrenzt werden könnten, gerade weil sich auch ihr Outcome bei Strahlen(Chemo)therapie
unterscheidet [66]
[67]. Dies war jedoch leider nicht der Fall, obwohl v. a. bei den HPV-negativen Patienten
die Radiomics-Signatur das Outcome gut voraussagen konnte. Zusätzlich zur klinischen
Datenkorrelation wurde die Radiomics-Signatur der Lung3-Kohorte mit korrespondierenden
genetischen Daten derselben Kohorte in einer Gen-Anreicherungs-Analyse („gen-set enrichment
analysis/GSEA“) abgeglichen. Hierbei konnten Assoziationen zwischen der Expression
unterschiedlicher genetischer Gruppierungen und den radiologischen Strukturmerkmalen
festgestellt werden. Vor allem genetische Expressionsvariationen des Zellzyklus wurden
abgebildet. Insofern kann auch die dem Tumor zugrundeliegende molekulare Biologie
bei Kopf-Hals-Karzinomen bis zum gewissen Grad durch die Bildgebung dargestellt werden
[13] und somit die Wertigkeit der Radiogenomics unterstützt werden.
Dieselben 440 CT-basierten Radiomics Merkmale fanden in einer weiteren Studie der
Arbeitsgruppe Anwendung. Hierbei wurden sie mit weiteren klinischen Merkmalen korreliert.
Die Studie war, ähnlich wie die vorangegangene, in eine Trainings- und eine Validierungsphase
aufgeteilt. Es wurden 2 Kohorten mit Lungen- oder Kopf-Hals-Karzinomen als Trainingskohorten
(Lung1 n=422, HN1 n=135) verwendet und die Signaturen in 2 weiteren unabhängigen Kohorten
(Lung2 n=225, HN2 n=95) validiert. Beim Vergleich zwischen Kopf-Hals- und Lungenkarzinomen
waren 143 Merkmale für beide Tumorentitäten relevant. Zusätzlich kennzeichneten 190
Merkmale nur bei Lungenkarzinomen das Outcome und weitere 22 Radiomics-Merkmal waren
nur für die Kopf-Hals-Karzinome entscheidend. Unterschiedliche hieraus gebildete Cluster
konnten mit Überleben (Lungen- und Kopf-Hals-Karzinome), Histologie (Lungenkarzinome)
und Tumorstadium (Lungen- und Kopf-Hals-Karzinome) korreliert werden, der HPV-Status
konnte jedoch auch hier nicht durch eine Signatur dargestellt werden [68].
Um die Methodik der Radiomics weiter zu entwickeln, etablierte die Arbeitsgruppe als
nächstes eine „Machine-Learning”-basierte Methode, die das Gesamtüberleben von Kopf-Hals-Karzinompatienten
basierend auf einer Radiomics-Signatur mit einer hohen Stabilität voraussagen konnte.
Ziel dabei war es, die praktische Anwendung einer Radiomics-Signatur auch für den
klinischen Alltag zu verbessern. Dies ist notwendig, um Radiomics als nicht-invasive,
kosteneffektive Methodik mittelfristig in den klinischen Alltag einzuführen. Die bereits
bekannten 440 Radiomics Merkmale wurden mittels 13 Methoden zur Merkmalauswahl und
11 „Machine-Learning“ Klassifikationsmethoden in einer ersten Kohorte bestehend aus
101 Kopf-Hals-Karzinompatienten getestet und in einer weiteren unabhängigen Kohorte
mit 95 Kopf-Hals-Karzinompatienten validiert. Als Endpunkt wurde das Gesamtüberleben
gewählt. Hierbei konnte eine verlässliche „Machine-Learning“ Methodik identifiziert
werden [69].
Insgesamt konnten in diesen 3 Arbeiten Daten unterschiedlichen Ursprungs (klinische,
histologische und genetische Informationen) mit Radiomics Merkmalen korreliert werden
und so den Tumor Bildgebungs-basiert charakterisieren. Die Radiomics-Signatur alleine
war einzelnen Datenressourcen, die bisher zur Charakterisierung verwandt wurden, teils
überlegen. Doch selbst wenn dies nicht der Fall war, konnte ihre Ergänzung im Sinne
eines multimodalen Modellings die Aussagekraft für die Bewertung des Karzinoms verbessern.
Die Studien wurden anhand von relativ großen Patientenkohorten unabhängig in teils
unterschiedlich lokalisierten Institutionen durchgeführt, sodass sie methodisch gut
konzipiert waren und eine Verlässlichkeit ihrer Aussagekraft bereits intern überprüft
werden konnte.
Aktuell erschien ein Artikel der „Head and Neck Quantitative Imaging Work Group des
M.D. Anderson Cancer Centers/MICCA“. In eine neu initiierte Studie wurden 288 Patienten
mit einem Oropharynxkarzinom mit bekanntem HPV-Status eingeschlossen. Sie hatten eine
primäre, kurative-intendierte Radiotherapie (IMRT) und ein standardisiertes, prätherapeutisches
CT erhalten. Als primäre Endpunkte für eine Radiomics-basierte Analyse der CTs wurden
zum einen der HPV-Status und zum anderen das Auftreten von Lokalrezidiven definiert.
In einem als Wettbewerb mit einer Punktevergabe aufgebauten Ansatz konnten unterschiedliche
Forscher ihre Algorithmen zur Evaluation des HPV-Status und der Lokalrezidive gegeneinander
austesten. Auf dem Jahrestreffen der MICCAI 2106 wurden die Gewinner präsentiert [70].
Auch zur klinisch-praktischen Anwendung von Radiomics in der Therapie gibt es für
Kopf-Hals-Karzinome erste Studien. Auf CT-Basis untersuchte Ou et al. unter Beteiligung
von der Arbeitsgruppe um Philippe Lambin 544 Bildgebungsmerkmale bei 120 Patienten
mit fortgeschrittenen Kopf-Hals-Karzinomen. Die Patienten erhielten eine Radiochemotherapie
oder eine „Bioradiotherapie“. Anhand von prätherapeutischen Planungs-CTs konnte das
Gesamtüberleben (HR=0,3; p=0,02) und das progressionsfreie Überleben (HR=0,3, p=0,01)
mittels einer 24 Merkmale umfassenden Radiomics-Signatur prognostiziert werden. Eine
Kombination mit dem p16-Status als Indikator für den Biomarker HPV verbesserte die
Aussagekraft der Signatur. Diese Kombination war insgesamt aussagekräftiger als der
p16-Status oder die Radiomics-Signatur alleine [71]. In einer weiteren Studie wurden FDG-PET-Bilder von 174 Patienten mit einem fortgeschrittenen
Stadium III-IV Oropharynxkarzinom untersucht, die eine definitive Radiochemotherapie
erhielten. Die Bildgebung wurde vor und nach der Therapie durchgeführt. Als Endpunkte
wurden die Mortalität, das lokale Therapieversagen und eine Fernmetastasierung definiert.
In die Untersuchung gingen 24 repräsentative Radiomics-Merkmale, die die Tumorintensität,
-form und -struktur abbildeten, ein. Hieraus konnten jeweils prädiktive Modelle für
die Mortalität, das lokale Therapieversagen und das Auftreten einer Fernmetastasierung
erstellt werden, die intern kreuzvalidiert wurden. Leider erreichte das Modell für
lokales Therapieversagen keine Signifikanz bei der externen Validierung. Auch die
Modelle für Mortalität und Fernmetastasierung ließen sich statistisch nicht bestätigen,
obwohl sie nach Meinung der Autoren eine akzeptable prädiktive Performance abgaben
[72].
Insgesamt gesehen gibt es bei Kopf-Hals-Tumoren vergleichsweise viele vielversprechende
Ansätze, Radiomics sinnvoll zu etablieren und klinisch zu integrieren. Aktivitäten
weiterer Arbeitsgruppen, die das Feld um zusätzliche unabhängige Untersuchungen bereichern,
wären wünschenswert. Die CT als Standardbildgebung für Kopf-Hals-Karzinome scheint
eine vernünftige Grundlage zu bilden, obwohl weitere MRT-basierte Untersuchungen sicherlich
noch auszutesten sind. Gleichzeitig zeigen die bisherigen Untersuchungen an Kopf-Hals-
und andere Karzinomen, dass neben der Datenqualität und -menge, ein strukturiertes
Vorgehen bei Radiomics grundlegend den Erfolg der Studien bestimmt. Wie ist also die
Herangehensweise an diese Daten?
3. Praktische Durchführung von Radiomics
3. Praktische Durchführung von Radiomics
Mittlerweise wurde ein typischer „Radiomics“-Workflow definiert, der sich in fast
allen Untersuchungen prinzipiell wiederfinden lässt.
Zuerst identifiziert man die geeignete, standardisierte Bildgebung. In dieser wird
die zu analysierende Region („region of interest (ROI)“) definiert, z. B. ein Tumor.
Dieser wird segmentiert. Aus dem segmentierten Areal werden dann mit spezifischen
Algorithmen die Radiomics-Merkmale definiert und extrahiert. Diese werden in Datenbanken
zusammen mit Daten anderer Quellen in einem geeigneten Format eingebracht und stehen
zur Bearbeitung bereit. Aus diesen Datenbanken können dann mithilfe geeigneter statistischer
Methoden Biomarker und die „Radiomics-Signatur“ definiert werden. Rein prinzipiell
klingt das logisch und relativ einfach in der Durchführung.
Trotz der Anwendung eines standardisierten Arbeitsablaufs birgt aber jeder dieser
Schritte Fehlerquellen, Schwierigkeiten und Limitationen, die die Analyse beeinträchtigen,
verfälschen und erschweren können. Hierunter leiden dann potentiell die Analysequalität,
Aussagekraft und Vergleichbarkeit, obwohl geeignetes Bildgebungsmaterial zugänglich
ist. Bereits kleine Änderungen der Standards oder der Methodik können Effekte haben,
die die Reproduzierbarkeit beeinträchtigen. Als Konsequenz würde die erstellte Radiomics
Signatur nicht stabil und anwendbar sein. Insofern ist bei der Erstellung einer Radiomics-Signatur
immer als Grundlage eine große Kohorte mit vielen möglichst vergleichbaren Datensätzen
anzustreben. Eine Validierung an einer unabhängigen Kohorte – idealerweise durch eine
unabhängige Untersucher-Gruppe – nach standardisiertem Protokoll ist sinnvoll, um
auch interne Fehlerquellen, die teils schwer zu identifizieren sind, möglichst gering
zu halten. Typische Fehlerquellen werden im Folgenden für die einzelnen Schritte des
Workflows dargestellt.
3.1 Bildgebung
Die Bildgebung ist die essentielle Grundlage, um Radiomics praktisch durchführen zu
können. Sie muss in digitaler Form vorliegen. Alle in die Studie eingehenden Bildgebungen
müssen nach demselben Standard in derselben Modalität und wenn möglich zu einem vergleichbaren
Zeitpunkt der Erkrankung durchgeführt werden. Die geeignete, qualitativ hochwertige
Bildgebungsmodalität, das geeignete Untersuchungsprotokoll und die am sinnvollsten
zu analysierende Region (ROI) müssen identifiziert werden. Bei der Analyse solider
Karzinome ist die ROI meist der Tumor, kann aber auch umgebendes Gewebe oder eventuelle
Metastasen umfassen. Es können jedoch auch spezifische anatomische Strukturen, Krankheitsherde
o.ä. definiert werden. Optimalerweise wird eine Standardbildgebung mit dem Standardprotokoll
für die gängigsten Fragestellungen gewählt.
Unterschiedliche Bildgebungsmodalitäten führen zu verschiedenen Radiomics Merkmalen
mit potentiell unterschiedlicher Aussagekraft und Spezifität. Je nach Fragestellung
und ROI erwartet man bei einer bestimmten Modalität vermehrte Informationen. Ist dies
jedoch nicht der Fall, so kann man in angemessener Zeit ohne Mehraufwand am besten
von der Standardbildgebung der analysierten Erkrankung profitieren und hat hier wahrscheinlich
die meisten Bilder zur Verfügung. Dies ist wichtig, da je größer die Kohorte ist,
potentiell eine höhere statistische Aussagekraft besteht und sich weniger Fehler durch
„Ausreißer“ einschleichen. Ist die Wahl der Modalität getroffen, kann die Art, wie
die Bildgebung erstellt wird ebenso wie Parameter in der Bildgebung variieren. Dies
sind ganz basale Faktoren, die jedoch genau definiert werden müssen.
Eine Beeinflussung findet auch durch unterschiedliche Scanner statt. Unterschiedliche
Scanner existieren jedoch bereits an verschiedenen Institutionen und ihr Austausch
ist finanziell aufwendig. Gerade bei Multicenter-Studien sollte die Art des Scanners
deshalb berücksichtigt werden. Bei der Durchführung der Bildgebung können verschiedene
Schichtdicken, Programme, Konfigurationen oder Bildausschnitte gewählt werden. Jedes
dieser Programmmerkmale hat Einfluss auf die Struktur der Bildgebungsdaten. Bei Verwendung
von Kontrastmitteln variieren Radiomics-Merkmale potentiell je nach Art und Menge
des Kontrastmittels, dem Zeitpunkt der Gabe und physiologisch bedingten individuellen
Verteilungsmustern des Patienten. Nicht zuletzt können Bilder zu unterschiedlichen
Zeitpunkten und Stadien sowie metabolischen Zuständen einer Erkrankung erstellt werden.
Hierdurch kann die Definition des ROI und seine Segmentierung verändert werden. Alle
diese Parameter beeinflussen die zu messenden Merkmale teils erheblich. Einige der
oben genannten variablen Kenngrößen der Bildgebung sind nur schwer zu beeinflussen
und stets eine mögliche Fehlerquelle. Umso wichtiger ist es, diejenigen Charakteristika
streng zu standardisieren, die dies zulassen. Hierzu gehören v. a. technische Standards.
Die Art der Durchführung, der Bildgebungsmodus, die Matrices, die Art der Schichten,
Auflösungen, Rekonstruktion sowie die Art und angepasste Menge eines Kontrastmittels
lassen eine weitgehende Vereinheitlichung und insofern auch überregionale Vergleichbarkeit
zu. Die Einführung von Standards für spezifische Fragestellung findet glücklicherweise
zunehmend Verbreitung, sodass dies die Grundvoraussetzungen für Radiomics-Analysen
strukturell verbessert. Möglichst genaue klinische Informationen über etwa Krankheitsart
und -stadium, Stoffwechselerkrankungen und sonstige klinische Besonderheiten helfen
bei instabileren Variablen, Beeinflussungen zu identifizieren und diese zumindest
bei der Datenauswertung zu berücksichtigen [73].
3.2 Segmentierung
Die Segmentierung definiert die Grenzen des durch Radiomics zu analysierende Bereichs,
etwa eines Tumor. Deshalb ist die Segmentierung ein essentieller Schritt und eine
Grundvoraussetzung für die Durchführung von Radiomics. Die Region (ROI) und das Objekt
des Interesses (Volume of interest/„VOI“) werden identifiziert. Schicht für Schicht
wird das ROI in der Bildgebung markiert, sodass es danach für sich und in Relation
zu seinen umgebenden Strukturen komplett 3-dimensional darstellbar ist. Nur eingeschlossene
Strukturen gehen in die spätere Analyse ein. Eine Definition und Segmentierung mehrerer,
unterschiedlicher ROIs sowie deren spätere gemeinsame oder getrennte Auswertung ist
prinzipiell möglich. Radiologische Merkmale werden insofern ganz erheblich durch die
Segmentierung beeinflusst. Methodisch kann eine Segmentierung prinzipiell manuell,
semi-automatisch oder automatisch durchgeführt werden. Bislang stehen nicht für jede
Anwendung alle drei Methoden zur Verfügung. Je schärfer die Objektgrenzen und je besser
diese von der Umgebung abgrenzbar sind, um so einfacher ist potentiell die Etablierung
einer semi-automatischen oder automatischen Segmentierung. Schwieriger zu definierende
ROIs werden deshalb oft manuell segmentiert. Da hierbei Schicht für Schicht das ROI
vom Untersucher umzeichnet und seine Grenzen dargestellt werden müssen, ist dieser
Vorgang leider sehr zeitaufwendig und oftmals mit der klinischen Routine nicht gut
vereinbar. Die manuelle Segmentierung sollte immer von einem Spezialisten durchgeführt
werden, da ihre Qualität vom Untersucher abhängt. Trotzdem gibt es hier eine hohe
Interobserver-Variabilität, die die radiologische Signatur beeinflusst. Selbst derselbe
Untersucher definiert zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführten Segmentierungen
desselben ROIs oftmals unterschiedlich, entsprechend einer hohen Intraoberservervariabilität.
Die automatische Segmentierung unterliegt mathematischen Algorithmen. Durch diesen
Gewinn an Objektivität können Intra- und Interobservervariabilität vernachlässigt
werden. Die Segmentierungen lassen sich wesentlich besser reproduzieren und schneller
durchführen. Deshalb ist die automatische Segmentierung gerade für große Datensätze,
viele Datensätze und auch multizentrische Ansätze mit vielen verschiedene Untersuchern
gut geeignet. Allerdings gelingt sie nicht für jedes ROI. Unscharfe Objektgrenzen,
fehlende eindeutige Kontrastierungen derselben, multiple eng zusammenliegende Lokalisationen
oder auch Bildartefakte sind bei automatischer Analyse problematisch und bringen diese
an die Grenzen der derzeitigen Machbarkeit. Hierdurch können ROIs – wenn auch reproduzierbar
– falsch definiert werden. Der Tumor kann z. B. nicht als Ganzes erfasst werden oder
die Software erfasst alternative Areale. Es ist durchaus diskussionswürdig, ob eine
automatisierte Fehlinterpretation einer automatisierten Segmentierung oder die Intra-
und Interobservervariabilität der manuellen Segmentierung das größere Übel für die
Darstellung der Radiomics sind. Der Mittelweg und gleichzeitig oftmals Vorläufer einer
automatischen Segmentierung ist die semiautomatische Segmentierung. Hier wird das
ROI vom Untersucher identifiziert und z. B. in einer Schicht der Bildgebung umschrieben.
Die Software führt dann eine automatische Segmentierung des definierten Objektes durch
und der Untersucher bearbeitet diese nach. Die semiautomatische Segmentierung beinhaltet
insofern gleichzeitig Fehlerquellen und Vorteile des manuellen und automatischen Ansatzes.
Es ist schneller als die manuelle Segmentierung, hat aber die Intra- und Interobserver-Varianz
der manuellen [73].
3.3 Erstellung von Radiomics-Merkmalen
Die durch Segmentierung definierte ROI wird automatisch mithilfe von spezifischen
Algorithmen analysiert, die durch die Analyse der Voxels und Pixels numerische Werte
erzeugen. Hunderte Merkmale können produziert und variiert werden. Sie beschreiben
z. B. Lokalisationen, Intensitäten, Formen, Strukturen und Strukturunterschiede, Graustufen,
Farbintensitäten sowie Korrelationen und Relativwerte dieser Merkmale. Diese Merkmale
sollten vor ihrer Anwendung in einer Studie auf ihre Stabilität innerhalb der Untersuchung
und bei verschiedenen Individuen der Studie überprüft werden.
Die ROI-Merkmale können unterschiedlich dargestellt und weiter prozessiert werden.
So können ROI-Intensitäten über ein Histogramm visualisiert werden, dem fraktionierte
Volumendaten auf Voxel-Ebene zugrunde liegen. Daten, etwa zur ROI-Form (Volumen, Grundform,
Oberflächenmarker, Dichtigkeit usw.) liefern zusätzlich weitere begleitende statistische
Werte. Die Analyse zusätzlicher sekundärer Qualitäten, Clusterbildungen, Korrelationen
– auch über unterschiedliche Bildeinstellungen hinweg, können zusätzlich sehr große
Datenmengen liefern. Eine Herausforderung bildet der Ausschluss von Redundanzen. Natürlich
sind diese sehr großen Datenmengen unhandlich in der Bearbeitung. Mithilfe statistischer
Methoden und Machine-Learning müssen die Merkmale auf die für das Analyse- und Studienziel
informativen und validierten reduziert werden. Erst hierdurch gewinnen die Merkmale
an spezifischer Aussagekraft.
3.4 Erstellung von Datenbanken
Eine Besonderheit der Radiomics ist es, die radiologischen Merkmale im klinischen,
genetischen oder/und histopathologischen Kontext sinnvoll zu analysieren. Hierzu ist
die Erstellung entsprechender Datenbanken notwendig. Große Datenspeicher, die für
die Analyse gut zugänglich sind, müssen bereit stehen. Die Definition des Merkmalswertes
sollte einer Wahl der in Frage kommenden Variablen entsprechen, die genau voneinander
abgrenzbar sind. Für jedes klinische, genetische oder histologische Merkmal sollte
die Art und Quelle dieselbe sein. Eine Verknüpfung unterschiedlicher Datenbanken,
etwa klinischer, genetischer und radiologischer kann ebenfalls sinnvoll sein. Hierbei
sollten jedoch unbedingt die Regularien des Datenschutzes streng beachtet werden.
Natürlich müssen alle diese Daten in digitaler, statistisch auswertbarer Form vorliegen.
3.5 Analyse der Datenbanken
Mit der Erstellung der Datenbanken beginnt die eigentliche Auswertung. Ziel ist die
Erstellung einer Radiomics-Signatur, die mit einer spezifischen Anforderung oder Fragestellung
korreliert. Ein alternatives Ziel kann ein multimodales Modelling sein, bei dem die
Radiomics-Signatur zusammen mit weiteren Daten ausgewertet wird, wodurch ein Mehrwert
an Präzision und/oder Informationsgehalt erreicht werden kann. Eine Radiomics-Signatur
wird aus allen gewonnenen radiologischen Werten extrahiert und kann nur einen oder
auch mehrere Merkmale gleichzeitig enthalten. Diese Merkmale können sich „banal“ im
Sinne von uns schon makroskopisch bekannten Phänomenen darstellen, aber auch eher
abstrakt aus den aus Voxeln und Pixeln abgeleiteten Werten bestehen. Es gibt Radiomics-Signaturen,
die nur aus wenigen z. B. 2 Werten bestehen und andere, die eine dreistellige Anzahl
von Einzelwerten enthalten. Wenn man sich vor Augen führt, dass allein an radiologischen
Merkmalen pro Patient hunderte von Werte vorliegen und hier noch weitere Merkmale
hinzukommen, oder gar mit mehreren Quellen große Datenmengen gleichzeitig gearbeitet
werden (z. B. Kombination mit einer Genomanalyse), ist es unbestritten, dass erfahrene
Statistiker und eine entsprechende Software unabdinglich sind. Die Software sollte
in der Lage sein, auch große Datenmengen in einem sinnvollen Zeitrahmen zu erfassen
und solide, reproduzierbare, breit anwendbare Biomarkersignaturen generieren. Natürlich
verbessert ein sorgfältiges Vorgehen bei den vorherigen Arbeitsschritten die Datenqualität
erheblich. Fehlerquellen können zu diesem Zeitpunkt auch nur noch begrenzt durch die
Analyse und Statistik limitiert werden. Eine hohe Anzahl gut definierter Datensätze,
möglichst multizentrisch durch verschiedene Untersucher erhoben, limitiert Fehler
durch Ausreißer, Interobservervariabilität, lokale Besonderheiten und Messunschärfen
[73]. Dies zu erreichen, ist selbst multizentrisch logistisch nicht einfach und kostspielig.
Idealerweise wird eine primäre radiologische Signatur anhand einer retrospektiven
Kohorte erstellt, an einer weiteren unabhängigen Kohorte validiert und prospektiv
im klinischen Setting getestet [13].
4. Radiomics: Studienziele
4. Radiomics: Studienziele
In der Onkologie werden Radiomics derzeit v. a. zur Charakterisierung solider Tumore
auf verschiedenen Ebenen (histologisch, genetisch, klinisch-assoziiert), für Outcome-Vorhersagen
und zur Prädiktion von Therapieansprechen primär für konservative therapeutische Maßnahmen
genutzt. Eine Übertragung in andere sinnvolle Zusammenhänge ist jedoch gut möglich.
Bisherige Tumorcharakterisierungen umfassen klinische Daten, makroskopisch erfassbare
Bildgebungsdaten, selten funktionelle Daten (z. B. Stimmlippenbeweglichkeit beim Larynxkarzinom)
und die genetischen, proteomischen und (immun-)histologischen Informationen aus Tumorarealen,
die prätherapeutisch aus Biopsien gewonnen werden. Der gesamte Tumor kann nur bei
chirurgischer Exstirpation posttherapeutisch aufgearbeitet werden. Biopsien bilden
ein repräsentatives Gewebebild ab, das histopathologisch und/oder molekularbiologisch
charakterisiert werden kann. Unglücklicherweise ist es allerdings so, dass viele Karzinome
nicht homogen sind. Unterschiedliche Zellpopulationen und Klone mit differenten histologischen
und v. a. molekularen Eigenschaften finden sich in den verschiedenen Arealen. Diese
sind vor der Biopsie nicht unbedingt per se zu unterscheiden. Das Biopsieareal wird durch klinische Faktoren, wie seine anatomische
Lage und Zugänglichkeit sowie der Biopsiemethode und den Fähigkeiten und Erfahrungen
des durchführenden Untersuchers bestimmt, dem es gelingt ein mehr oder weniger repräsentatives
Gewebestück zu gewinnen. Studien, bei dem aus einem Tumor an verschiedenen Stellen
Biopsien entnommen wurden zeigten bereits dieses Phänomen.
Radiomics haben den Vorteil, dass sie bildmorphologisch den gesamten Tumor in seiner
Größe, Form, Oberflächen- und Binnenstrukturen sowie im anatomischen Kontext erfassen.
Gelingt die Ableitung von Radiomics-Signaturen für histologische, genetische und proteomische
Zustände des Gewebes, können diese potentiell durch Radiomics in der Gesamtheit des
Tumors erfasst werden. Radiomics können zudem auf das, den Tumor umgebende Gewebe
und Metastasen oder metabolische Zustände ausgeweitet werden. Alternativ könnten Radiomics
dazu verwendet werden, um die mit dem bloßen Auge nicht sichtbaren Subareale der Tumoren
besser abzugrenzen und dazu beitragen, die Biopsiequalität zu verbessern oder anzuzeigen,
an welchen Stellen insgesamt Biopsien idealerweise entnommen werden sollten, um den
Tumor histologisch und molekular besser zu charakterisieren. Allerdings wäre es andererseits
erstrebenswert, auf invasive Biopsien komplett zu verzichten. Hierzu wäre es wünschenswert,
die Spezifität von Radiomics so weit zu verbessern, dass ihre Charakterisierung der
Qualität einer Biopsie mindestens standhalten kann oder sogar bessere Ergebnisse liefert.
Ob und für welche Anwendungen dies gelingen kann, werden zukünftige Studien darlegen
müssen. Bisher sollten Radiomics allerdings eher im Kontext mit klinischen und Daten
zusätzlicher Quellen genutzt werden.
Einige Studien haben bereits gezeigt, dass eine Zusammenführung von Radiomics-Merkmalen
mit Biomarkern und Daten aus anderen Quellen eine bessere und schärfere Subtypisierung
von Erkrankungen und eine bessere Qualität von Outcome-Vorhersagen erreichen können.
Bisher gelangen Informationen aus Bildgebungen oftmals nur indirekt in die Tumortypisierung.
Sie tragen etwa zur TNM-Klassifizierung bei. Bei den bisher berücksichtigten, vergleichsweise
sehr groben radiologischen Merkmalen, wie Tumorgröße, Invasion, Lymphknotenkapseldurchbruch
u.ä. bleiben die informativen Metadaten im Hintergrund unberücksichtigt. Viele gehen
bei der Prozessierung der Bilder für den menschlichen Untersucher „verloren“. Daher
können sie bisher als eine „tote“ Datenquelle angesehen werden. Ebenso in Zusammenschau
mit Daten anderer Quellen können Radiomics die Typisierung durch andere Biomarker
zu schärfen und Graubereiche verringern. Hier würden die Radiomics ein Bestandteil
von multimodalen Vorhersage- oder Typisierungsmodellen werden, die letztendlich die
Grundlage einer breiten Anwendung der personalisierten Medizin bilden. Diese könnte
damit durch Radiomics bereichert und verbessert werden. Aufgrund der ungeheuren Datenmengen
und im Zuge einer möglichst standardisierten, objektiven Darstellung, ist die Entwicklung
und Anwendung geeigneter Software unabdinglich.
Sinnvolle Outcome-Korrelationen könnten zur Einschätzung der Tumoraggressivität beitragen.
Sowohl als Anteil einer multimodalen Gesamteinschätzung, als auch für bestimmte Anwendungen
als potentieller Biopsieersatz, könnten Radiomics die Vorhersage und das Monitoring
sowohl des Outcomes als auch von Behandlungsoptionen verbessern.
Unabhängig vom prädiktiven Charakter tragen die Radiomics-basierten Untersuchungen
auch dazu bei, das Krebsscreening im Allgemeinen vermehrt zu automatisieren und durch
die damit verbundene Standardisierung zu verbessern. Sie fördern eine kosten- und
zeiteffektive Diagnostik. Die Rolle des diagnostizierenden Untersuchers könnte dadurch
unterstützt oder in den Hintergrund gedrängt werden. Es darf dabei nicht vergessen
werden, dass die Radiomics-Algorithmen Informationen erfassen, die das menschliche
Auge bei der Visualisierung der Bildgebung nicht realisiert. Insofern haben Radiomics
sogar das Potenzial, besser als der Mensch zu diagnostizieren.
Und der große Vorteil ist: Die notwendigen Daten sind bereits in unseren Standardbildgebungen
in großer Menge vorhanden und warten nur darauf, exploriert zu werden. Sind die relevanten
Radiomics-Merkmale definiert und umgesetzt, werden keine zusätzlichen Untersuchungen
mehr benötigt.
5. Faktoren zur klinischen Integration der Radiomics: eine Zukunftsvision
5. Faktoren zur klinischen Integration der Radiomics: eine Zukunftsvision
Wie sieht also eine Zukunftsvision aus? Bisher haben Radiomics im Sinne der heutigen
Definition noch keinen Einzug in den klinischen Alltag erhalten. Das liegt unter anderem
an ihrer Neuigkeit. Sie werden allerdings zunehmend als alternative Biomarkerquelle
wahrgenommen und auf wissenschaftlicher Ebene gefördert. Bei weiterer Intensivierung
der Big Data und IT-basierten Modellansätze, könnten Bildgebungen Informationen durch
Biopsien (histologisch, genetisch/molekular) ergänzen oder ersetzen. Uni- oder multimodales
Modelling könnte Vorhersagen über Outcome und Therapieansprechen so präzise treffen,
dass sie ärztliche Entscheidung nicht nur unterstützen sondern im Extremfall sogar
ersetzen. Diese Ansätze sind nur mit einer sehr starken und multizentrisch einheitlichen
Standardisierung von Diagnostik und Therapie möglich. Eine Individualisierung der
Therapie würde aufgrund objektiver Daten vorangetrieben werden. Dies birgt jedoch
auch die Gefahr eines Verlustes der Individualisierung aufgrund in dieser Form nicht
fassbarer psychologischer, sozialer und allgemein gesagt „menschlicher“ Grundlagen.
Der Arzt – und mit ihm der Patient – wäre immer mehr der Standardisierung und Macht
der Datenlage untergeordnet – mit allen Vor- und Nachteilen. Eine Weiterentwicklung
von Radiomics und auch Modelling, würde außerdem die Telemedizin, und Selbstdiagnostik
weiter unterstützen und so die Zentralisierung der ärztlichen Leistungen in spezialisierten
Zentren.
Doch was muss geschehen, um Radiomics für Kliniker praktikabel zu machen? Was wünscht
sich der anwendende Arzt?
Es ist notwendig, dass sich der Anwender auf eine konstant hohe Spezifität und Sensitivität
der Analyse verlassen kann, da hiervon therapeutische und diagnostische Entscheidungen
abhängen. Radiomics sollten idealerweise möglichst breit anwendbar sein. Aus Kosten-Nutzen-Erwägungen
und um des Patientenkomforts willen, wäre die Verwendung von Standard-Bildgebungen
ohne Mehraufwand wünschenswert. Die verwendete Software sollte in die lokale IT integrierbar
sein und für einen reibungslosen Ablauf eine Verbindung klinischer Daten, ggf. genetischer
und (bearbeiteter) Bildgebungsdaten ermöglichen. Die Segmentierung sollte automatisiert
durchgeführt werden und in die Bearbeitungssoftware integriert sein. Sie sollte sich
benutzerfreundlich, also intuitiv und eindeutig darstellen. Ergebnisse der Radiomics-Analysen
werden besser angenommen, wenn sie adäquat visualisiert werden können. Praktisch gesehen
könnten Radiomics Biopsien nicht nur vermindern oder vermeiden, sondern zusätzlich
eine holistischere Darstellung des Tumor ermöglichen. Eine Verbindung zu ergänzenden
Software-Programmen, die multimodal orientierte Outcome-Vorhersagen oder Therapievorschläge
geben, wären weitere mögliche Optionen.
6. Schlussfolgerungen
Radiomics erweitern das Feld der Biomarker auf neuartige Weise und schließen die Basisdaten
der Bildgebung, die hierdurch an Aussagekraft gewinnen, in das weite Feld der „Omics“
und Biomarker mit ein. Hierbei tragen sie substantiell zur personalisierten Medizin
bei. Ein großer Vorteil ist, dass die Daten im Prinzip bereits vorhanden sind und
„nur“ ausgewertet werden müssen. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie ohne Biopsien
und deren potentiell aufwendige und teure Aufarbeitung (z. B. Genomics) auskommen.
Hierbei wird trotzdem ein Gesamteindruck eines Tumors generiert und nicht nur bioptische
Ausschnitte. Radiomics Signaturen können alleine als Biomarker dienen und andere klinische,
histopathologische und genetische Marker ersetzen. Hierdurch könnten der Patientenkomfort
verbessert und finanzielle Mittel eingespart werden. Ein Mehrgewinn kann aber auch
durch multimodales Modelling, durch eine gemeinsame Betrachtung mit Daten anderer
Ressourcen generiert werden und deren Aussagekraft erweitern und verbessern. Für beides
ist allerdings eine umfangreiche Aufarbeitung großer Datenmengen notwendig. Diese
erfordert eine hohe Kompetenz und birgt viele potentielle Fehlerquellen auf allen
Stufen der Etablierung und Validierung. Für die klinische Integration ist nicht nur
ein sehr hohes Maß an Standardisierung notwendig, sondern auch die Etablierung geeigneter
Segmentierungs- und Analyse-Software, die die Erstellung einer Radiomics-Signatur
im klinischen Alltag realisierbar machen.
6.1 Big Data statt Biopsie?
Es könnte sein, dass Radiomics Biopsien zukünftig für spezifische Fragestellungen
ersetzen. In näherer Zukunft scheint es jedoch wahrscheinlicher, dass Radiomics das
Wissen aus Biopsien ergänzen und um Radiomics bereicherte Datenmodelle die Präzisionsmedizin
verbessern.