Einleitung
Haarausfall kann infolge einer mykotischen Läsion entstehen. Diese Kenntnis kann diagnostisch
und therapeutisch genutzt werden und ermöglicht frühzeitige vorbeugende bzw. antiepidemische
Maßnahmen. Bewährt hat sich die Dermatoskopie (Synonym: Auflichtmikroskopie, Dermoskopie)
zur Diagnostik übertragbarer Erkrankungen der Haut, insbesondere bei Skabies. Oft
kann somit die Diagnose frühzeitig gestellt und mit der Therapie eher begonnen werden.
Über dermatoskopische Muster von Mykosen des behaarten Kopfes wurde bislang eher selten
berichtet.
Ziel der Untersuchungen war die Beurteilung der diagnostischen Effektivität der Dermatoskopie
hinsichtlich Differenzialdiagnostik von Mykosen und Alopecia areata.
Material und Methoden
Es wurden 78 wegen Haarausfalls in die Städtische Kinderklinik Nr. 9 eingewiesene
Kinder untersucht. Das Untersuchungsprotokoll war durch die regionale Ethikkommission
der Staatlichen Medizinischen Universität des Uralgebiets freigegeben worden (Protokoll
Nr. 9 vom 20. 11. 2015). Die Erziehungsberechtigten hatten eine schriftliche Einwilligungserklärung
zur Teilnahme an den Untersuchungen unterzeichnet.
Mykosen des behaarten Kopfteils und Alopecia areata wurden mittels epidemiologischer
Anamnese, klinischem Bild, Angaben der Lumineszenzdiagnostik, Labormethoden (KOH-Test
von Haarschuppen und Haaren) und kultureller Diagnostik mit Sabouraud-Medium diagnostiziert.
Die dermatoskopischen Untersuchungen der Läsionen erfolgten nach deren Bestreichen
mit Mineralöl mit einem Dermatoskop vom Typ HEINE DELTA 20 bei 10-facher Vergrößerung.
Folgende Merkmale wurden beurteilt:
-
kommaartige Haare,
-
zickzackförmige Haare,
-
korkenzieherartige Haare,
-
gelbe Punkte (Hyperkeratosen in den Ostien der Haarfollikel),
-
schwarze Punkte (kadaverisierte Haare),
-
ausrufezeichenartige Haare,
-
miniaturisierte, pigmentlose Haare (Vellushärchen).
Die Digitalfotografie der Läsionen erfolgte mit einer Kamera vom Typ Nikon D 3100.
Eine Mikrosporie des behaarten Kopfteils war bei 28 Kindern diagnostiziert worden,
davon 15 Jungen und 13 Mädchen, Alter: 8 Monate – 11 Jahre (Median: 7, interquartiler
Bereich: 3 – 9). Die Krankheitsdauer betrug 2 – 12 Wochen (Median: 4, interquartiler
Bereich: 2 – 5). Die Anzahl der Läsionen variierte von 1 – 4 (Median: 2, interquartiler
Bereich: 1 – 3). Die Größe der Läsionen betrug einen 0,5 – 3 cm (Median: 1,5, interquartiler
Bereich: 1 – 2,5).
Eine Trichophytie des behaarten Kopfes war bei 25 Kindern diagnostiziert worden, davon
20 Jungen und 5 Mädchen, Alter: 5 Monate – 17 Jahre (Median: 12, interquartiler Bereich:
10 – 14). Die Krankheitsdauer betrug 2 – 8 Wochen (Median: 4, interquartiler Bereich:
2 – 5). Die Anzahl der Läsionen variierte von 1 – 2 (Median: 1, interquartiler Bereich:
1 – 2). Die Größe der Läsionen betrug 1,5 – 5 cm (Median: 2, interquartiler Bereich:
2 – 3,5).
Eine Alopecia areata war bei 25 Kindern diagnostiziert worden, davon 13 Mädchen und
12 Jungen, Alter: 3 – 12 Jahre (Median: 8, interquartiler Bereich: 5 – 11). Die Krankheitsdauer
betrug 2 – 12 Wochen (Median: 4, interquartiler Bereich: 1 – 11). Die Anzahl der Läsionen
variierte von 1 – 2 (Median: 1,5, interquartiler Bereich: 1 – 2). Die Größe der Läsionen
betrug 2 – 4 cm (Median: 2, interquartiler Bereich: 2 – 3,5).
Ergebnisse
Anzahl und Prozentsatz der bei Kindern mit Mykosen der behaarten Kopfhaut dermatoskopisch festgestellten Merkmale:
-
kommaartige Haare: 30 (57 %),
-
zickzackförmige Haare: 31 (59 %; p < 0,05),
-
korkenzieherartige Haare bei Trichophytie: 8 (32 %; p < 0,05),
-
gelbe Punkte: 0,
-
schwarze Punkte: 0,
-
ausrufezeichenartige Haare: 0,
-
miniaturisierte, pigmentlose Haare: 0.
Zudem wurden bei Mikrosporie typische, horizontal verlaufende, weiße Streifen im Haarschaft
bei 17 Kindern (60,7 %) beobachtet.
Bei Mykosen der behaarten Kopfhaut wurden keine für Alopecia areata typischen Merkmale
beobachtet (p < 0,05).
Anzahl und Prozentsatz der bei Kindern mit Alopecia areata dermatoskopisch festgestellten Merkmale:
-
kommaartige Haare: 0,
-
zickzackförmige Haare: 0,
-
korkenzieherartige Haare: 0,
-
gelbe Punkte: 22 (88 %),
-
schwarze Punkte: 9 (36 %),
-
ausrufezeichenartige Haare: 12 (48 %),
-
miniaturisierte, pigmentlose Haare: 19 (76 %).
Diskussion
Bei Kindern sollte die Alopecia areata zunächst von Mykosen des behaarten Kopfes unterschieden
werden [1].
Das zunehmende Vorkommen atypischer Varianten von Mikrosporie und Trichophytie erschwert
die frühzeitige Diagnostik von Pilzerkrankungen des behaarten Kopfes.
Literaturübersicht
Die Sensitivität der Mikroskopie liegt bei nur 87,0 %, deren Spezifität bei 92,0 %.
Die Pilzkultur wird als diagnostischer Goldstandard angesehen. Ihre Durchführung ist
arbeitsaufwendig. Nicht selten steht ihr Ergebnis erst nach etwa 4 Wochen bereit [2]
[3]
[4].
R. Hughes et al. (2011) beschreiben korkenzieherartige Haare als ein dermatoskopisches,
mit Т. soudanense assoziiertes Muster der Trichophytie des behaarten Kopfteils [5]. R. Isa-Isa et al. (2014) haben in einer prospektiven Untersuchung von 43 Patienten
mit Mykosen des behaarten Kopfes kommaartige Haare bei allen Kranken mit Mikrosporie
und bei jedem zweiten Kranken mit Trichophytie festgestellt [6].
M. Slowinska et al. (2008) beschreiben folgende dermatoskopische Merkmale der mit
M. canis assoziierten Mikrosporie des behaarten Kopfteils: kommaartige Haare, gebrochene
und dystrophische Haare [7].
Italienische Autoren (F. Lacarrubba et al., 2015) beschreiben bei 5 Patienten mit
dem gleichen Typ von Mikrosporie kommaartige Haare, zickzackförmige Haare und morsezeichenartige
Haare. Die Verfasser merken an, dass infolge der massiven Pilzinvasion entstandene
halbdurchsichtige, leicht deformierbare Haare mit Verletzungen der Haarschäfte mittels
Dermatoskopie festgestellt wurden [8].
A-E. El-Taweel et al. (2014) haben bei Untersuchung von 20 Patienten mit Mykosen des
behaarten Kopfes in Banha (Ägypten) neben kommaartigen Haaren auch korkenzieherartige
und zickzackförmige Haare festgestellt. Die Verfasser geben an, dass mittels Pilzkultur
folgende Dermatophytenarten aufgefunden werden konnten: bei 6 Patienten (15 %) T.
violaceum, bei weiteren 6 Patienten M. canis, bei 3 (7,0 %) Patienten T. rubrum und
bei 5 Patienten (13 %) T. verrucosum [3].
O. Ekiz et al. (2014) beobachten bei der Untersuchung von 15 Patienten mit Mykosen
des behaarten Kopfes Symptome wie dystrophe Haare, korkenzieherartige Haare, kommaartige
Haare und schwarze Punkte. Mittels Pilzkultur wurden bei 7 Patienten (46,6 %) T. verrucosum
und bei 4 Patienten (26,7 %) M. canis festgestellt. In weiteren 4 Fällen zeigte sich
kein Pilzwachstum [4].
Eigene Untersuchungen
Auch in unserer Untersuchung wurden kommaartige Haare beobachtet. Diese entstehen
infolge Verletzung des Haarschafts mit Hyphen von Endo- oder Ectothrix-Arten.
Beim Verbiegen des Haarschaftes durch eingedrungene Pilze in einer Ebene, jedoch nur
an einer Stelle, verformt sich das Haar kommaartig ([Abb. 1 – 4]).
Abb. 1 Dermatoskopisches Bild der Trichophytie des behaarten Kopfes. Roter Pfeil: kommaartige
Haare, blauer Pfeil: korkenzieherartige Haare.
Abb. 2 Dermatoskopisches Bild der Trichophytie des behaarten Kopfes. Roter Pfeil: kommaartige
Haare, blauer Pfeil: korkenzieherartige Haare.
Abb. 3 Dermatoskopisches Bild der Mikrosporie des behaarten Kopfes. Roter Pfeil: kommaartige
Haare, grüner Pfeil: zickzackförmige Haare.
Abb. 4 Dermatoskopisches Bild der Mikrosporie des behaarten Kopfes. Roter Pfeil: kommaartige
Haare, schwarzer Pfeil: horizontale weiße Streifen in der Haarschaftstruktur.
Erfolgt die Verbiegung infolge Pilzinvasion ebenfalls in nur einer Ebene, jedoch an
mehreren Stellen, so wird der Haarschaft zickzackförmig verformt ([Abb. 3]).
Wird der Haarschaft in mehreren Ebenen und in mehreren Abschnitten verbogen, so rollt
er sich auf und nimmt eine korkenzieherartige Form an ([Abb. 1]).
Wir haben auch das dermatoskopische Muster „zickzackförmige Haare“ beobachtet. Korkenzieherartige
Haare wurden nur bei Kindern mit Trichophytie festgestellt (p < 0,05).
Bei Verletzungen der Haare durch Mikrosporonspezies wurden in der Haarstruktur typische
horizontale, weiße (leere) Streifen festgestellt ([Abb. 4]).
Es wurden folgende dermatoskopische Muster der Alopecia areata gefunden: ausrufezeichenartige
Haare, Vellushärchen und gelbe Punkte [3]
[4]
[7].
In der vorliegenden Untersuchung wurden „ausrufezeichenartige Haare“ bei Patienten
mit der Alopeсia areata ([Abb. 5]) festgestellt. Einige Autoren benutzen statt des Terminus’ „ausrufezeichenartige
Haare“ den Terminus „verengte Haare“, was den Mechanismus der Entstehung des Musters
kennzeichnen soll [3]
[9].
Abb. 5 Dermatoskopisches Bild der herdförmigen Alopezie. Violetter Pfeil: schwarze Punkte
(kadaverisierte Haare), schwarzer Pfeil: ausrufezeichenartige Haare.
Es wurden auch schwarze Punkte (kadaverisierte Haare) festgestellt ([Abb. 5]). Das sind Reste der ausrufezeichenartigen (verengten) Haare oder gebrochener Haare
[9].
Die zum dermatoskopischen Muster der Alopecia areata gehörigen gelben Punkte entsprechen
Hyperkeratosen in den Ostien der Haarfollikel ([Abb. 6]) [7].
Abb. 6 Dermatoskopisches Bild der herdförmigen Alopezie. Violetter Pfeil: schwarze Punkte
(kadaverisierte Haare), grüner Pfeil: gelbe Punkte, blauer Pfeil: miniaturisierte,
pigmentlose Haare (Vellushärchen).
Miniaturisierte, pigmentlose Haare (Vellushärchen, [Abb. 6]) sind nach Meinung einiger Autoren ein Zeichen von Spontanremission oder einer adäquaten
Behandlung [3]
[10].
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Die Dermatoskopie mit 10-facher Vergrößerung ist zur Diagnostik von Mykosen des behaarten
Kopfes und der Alopecia areata von Kindern geeignet.
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Zum dermatoskopischen Muster derartiger Mykosen gehören kommaartige, zickzackförmige
und korkenzieherartige Haare.
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Zum dermatoskopischen Muster kindlicher Alopecia areata gehören gelbe und schwarze
Punkte sowie ausrufezeichenartige und miniaturisierte, pigmentlose Haare.
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Miniaturisierte, pigmentlose Haare (Vellushärchen) werden von einigen Autoren als
Anzeichen von Spontanremission oder adäquater Behandlung angesehen.
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Die gelben Punkte entsprechen Hyperkeratosen in den Ostien von Haarfollikeln.