Audiovisuelles Sprachverstehen ist ein komplexer Prozess, welcher auf der individuellen
Fähigkeit beruht, auditive und visuelle Informationen zu integrieren. Zehn Cochlea-Implantat
(CI)-Träger, die ausschließlich mit ihrem CI hören, und zehn Normalhörende (NH) wurden
hinsichtlich ihrer Fähigkeit, visuelle Informationen für das Sprachverstehen zu nutzen,
untersucht. Beide Gruppen wurden bezüglich des Alters und Geschlechts mittels eines
Fallkontrollverfahrens angepasst. Eine modifizierte Version des weiblichen Oldenburger
Satztests (OLSA) mit Videomaterial der Sprecherin1 wurde verwendet, um die Sprachverständlichkeitsschwelle
bei 80% Sprachverständlichkeit (SRT80) in zwei Konditionen zu messen: – Audio (dB
SNR, AO) – Audiovisuell (dB SNR, AV) Die Fähigkeit des Lippenlesens wurde anhand des
Prozentsatzes korrekt erkannter Wörter in Videos von OLSA-Sätzen ohne Ton erfasst:
– Lippenlesen (%, LL) Der visuelle Zugewinn beschreibt die erhobene Veränderung der
SRT80, wenn dem Audio-Signal visuelle Informationen hinzugefügt werden: – Visueller
Zugewinn (dB) = SRT80(AV) – SRT80(AO) Wir fanden heraus, dass CI-Träger signifikant
höhere SRT80-Werte in AO- und AV-Konditionen aufwiesen. Obwohl sich das Lippenlesen
zwischen beiden Gruppen nicht signifikant unterschied, zeigten CI-Träger außerdem
einen größeren visuellen Zugewinn als NH. Der höhere visuelle Zugewinn von CI-Trägern
deutet darauf hin, dass diese aufgrund ihrer vorangegangenen Hörbeeinträchtigung eine
höhere Integrationsfähigkeit haben könnten. Dies unterstreicht die Bedeutung visueller
Informationen für ein verbessertes Sprachverständnis von CI-Trägern auch nach der
Implantation. Audiovisuelle Trainingseinheiten könnten daher eine wertvolle Ergänzung
zur CI-Rehabilitation darstellen. 1) Llorach G et al., Int J Audiol, 2022.
Deutsche Forschungsgemeinschaft (352015383)