Einleitung Sowohl für die Anorexia nervosa (AN) als auch für die Bulimia nervosa (BN) finden
sich in der S3-Leitlinie Empfehlungen zu tagesklinischer Behandlung. Das tagesklinische
Setting bietet durch die hohe Alltagsnähe einerseits therapeutische Chancen, andererseits
bringt es auch Limitationen mit Blick den behandelbaren Schweregrad mit sich.
Methoden Es wurden Routinediagnostikdaten bei Aufnahme und Entlassung von 122 erwachsenen
Tagesklinik-PatientInnen (Alter M=26 Jahre, 4 männlich, Behandlungsdauer M=79 Tage) mit AN (n=67) und BN (n=55) ausgewertet. Abhängige Variablen waren der Body-Mass-Index, das durch die BezugstherapeutInnen
eingeschätzte allgemeine Funktionsniveau (Global Assessment of Functioning) sowie
die selbstberichtete Essstörungssymptomatik (Eating Disorder Examination–Questionnaire),
Depressivität (Patient Health Questionnaire–9), Lebenszufriedenheit (Satisfaction
With Life Scale) und zwanghaftes Bewegungsverhalten (Commitment to Exercise Scale,
Compulsive Exercise Test).
Ergebnisse Beide Gruppen zeigten eine Gewichtzunahme, wobei diese bei PatientInnen mit AN (DM=1,0 kg/m²) stärker war als bei PatientInnen mit BN (DM=0,5 kg/m²). Eine Zunahme der Lebenszufriedenheit zeigte sich dahingegen nur bei den
PatientInnen mit BN, während die Werte bei PatientInnen mit AN unverändert blieben.
In beiden Gruppen nahm gleichermaßen das allgemeine Funktionsniveau stark zu, die
Essstörungssymptomatik stark ab und die Depressivität und das zwanghafte Bewegungsverhalten
mit kleinen bis mittelhohen Effektstärken ab.
Schlussfolgerung Die tagesklinische Behandlung von AN und BN ist insbesondere mit Blick auf die Essstörungssymptomatik
und das allgemeine Funktionsniveau wirksam. Andere wesentliche Symptombereiche (Gewichtszunahme
bei AN, Bewegungsdrang) sind im tagesklinischen Setting möglicherweise schlechter
adressierbar als im vollstationären Setting. Weitere Untersuchungen zur Differenzialindikation
der Behandlungsformen sind nötig.