Zaid Y.
et al.
Low α-Thrombin/GPIbα Interaction Is a Potential Contributor to Platelet Hyper-reactivity
in COVID-19 Patients.
Thromb Haemost 2023;
123: 804-807
Die posttranslationalen Modifikationen werden häufig durch die Aktivierung eines oder
mehrerer Rezeptoren auf der Plättchenoberfläche ausgelöst. GPIbα im GPIb-IX-Rezeptor-Komplex
ist die wichtigste Bindungsstelle für das mit den Thrombozyten assoziierte α-Thrombin.
Wichtig ist, dass die Bindung von α-Thrombin an die N-terminale Region von GPIbα durch
einen Antikörper (SZ2) blockiert werden kann. Nach neuesten Erkenntnissen ist GPIbα
der Rezeptor, über den das SARS-CoV-2-Spike-Protein an Thrombozyten bindet und deren
erhöhte Expression von Liganden aktiviert. Die Rolle von GPIbα bei der α-Thrombin-induzierten
Thrombozyten-Hyperreaktivität, die während einer SARS-CoV-2-Infektion beobachtet wird,
ist jedoch nicht ausreichend geklärt.
Bei niedriger Enzymkonzentration haben Younes Zaid von der Mohammed V University in
Rabat, Marokko, und Kollegen die Interaktion zwischen α-Thrombin und GPIbα als einen
neuen Mechanismus identifiziert, der die bei COVID-19-Patienten beobachtete Hyperreaktivität
auslöst. Ihre Ergebnisse zeigen, dass während einer SARS-CoV-2-Infektion eine Vorbehandlung
der Thrombozyten mit einem humanen SZ2-Antikörper die Hyperaggregation und Degranulation
der Thrombozyten verhindert. Sie stellten ausserdem fest, dass Thrombozyten von Patienten
mit dem Bernard-Soulier-Syndrom (BSS), die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, nicht hyperreaktiv
sind.
Dazu untersuchten sie COVID-19-Patienten (n=10) und COVID-19-Patienten mit BSS (n=3)
in einer prospektiven Beobachtungsstudie. Patienten mit BSS haben eine homozygote
Mutation auf GP9, die die GPIbα-Expression auf den Thrombozyten verhindert. Alle Patienten
mit COVID-19 wurden 5,8 Stunden nach Erhalt eines Nasopharyngealabstrichs, der positiv
für SARS-CoV-2 war, untersucht. Geschlechts- und altersgleiche gesunde Blutspender
(n=10) dienten als Kontrollen.
Die Marker für die Thrombozytenaktivierung, die Freisetzung von α-Granula und die
Sekretion von dichten Granula, waren in Thrombozyten von COVID-19-Patienten in Gegenwart
von α-Thrombin in unterschwelligen Konzentrationen deutlich erhöht. Zaid und Kollegen
untersuchten den Einfluss von GPIbα auf die Regulierung der Thrombozyten-Hyperaktivierung.
Dieser Prozess wurde nach Vorbehandlung der Thrombozyten mit einem selektiven humanen
Anti-GPIbα-Antikörper (SZ2) verhindert, während ein Kontroll-IgG-Antikörper keine
Wirkung zeigte. Dies deutet darauf hin, dass SARS-CoV-2 die Degranulation der Thrombozyten
abhängig von α-Thrombin und GPIbα auslöst.
Spielt die α-Thrombin-GPIbα-Achse eine Rolle bei der Hyperaggregation der Thrombozyten
von COVID-19-Patienten? Wie erwartet wurde das Priming, nicht aber die durch hohe
Konzentrationen von α-Thrombin induzierte Aggregation, bei Thrombozyten, die mit dem
humanen SZ2-Antikörper vorbehandelt wurden, signifikant gehemmt, im Vergleich zu COVID-19
und COVID-19-Kontroll-IgG-Gruppen. Das heisst, dass die spezifische Hemmung der hochaffinen
Bindungsstelle von α-Thrombin an GPIbα die Thrombozytensekretion und Aggregationsreaktion
hemmt. Das deutet darauf hin, dass die α-Thrombin/ GPIbα-Achse die Thrombozytenfunktion
in Gegenwart suboptimaler α-Thrombinkonzentrationen verstärken kann.
Zur Bestätigung des pharmakologischen Ansatzes wurde die zentrale Rolle von GPIbα
anhand von Thrombozyten untersucht, die von COVID-19-Patienten mit BSS isoliert wurden.
Deren Thrombozyten wiesen im Vergleich zu COVID-19-Patienten ohne BSS eine deutlich
verringerte Aggregation als Reaktion auf niedrige Konzentrationen von α-Thrombin auf.
Die Interaktion von GPIbα mit α-Thrombin in niedriger Konzentration trägt möglicherweise
zur Bildung von prokoagulierenden Thrombozyten bei COVID-19-Patienten bei. Eine solche
Interaktion ist vermutlich nur ein Aspekt von vielen, die möglicherweise die Thrombozytenaktivität
bei COVID-19-Patienten regulieren. Diese Ergebnisse liefern eine wichtige Grundlage
für das Verständnis der Pathophysiologie der Erkrankung und für die Identifizierung
eines Targets für neue Behandlungsmöglichkeiten.
Dr. Michaela Bitzer, Tübingen