Hintergrund Pflegende Angehörige sind die wichtigste Unterstützung für Patient*innen und damit
bedeutende Akteure im Gesundheitswesen. Auch die therapeutische Versorgung ist oft
nur mit Unterstützung der Angehörigen nachhaltig. In der Gesundheitsversorgung spiegelt
sich ihre Relevanz unzureichend wider. Sie sind „Hidden in plain sight“. Eine besondere
Teilgruppe sind Angehörige, die beruflich in Gesundheitsberufen tätig sind (u.a. Therapeut*innen)
und privat Angehörige pflegen, international als „Double-Duty Carer“ (DDC) bezeichnet.
Diese Gruppe hat Einblick in die Perspektive der privaten Angehörigenversorgung und
in den medizinischen (therapeutischen) Versorgungsprozess. Ziel dieses Beitrages ist
es, den Einfluss der Angehörigenperspektive auf die berufliche Praxis von DDC-Therapeuten
zu beleuchten.
Fragestellung Welche Erfahrungen erwerben DDC-Therapeuten durch ihre Angehörigenpflege und wie
wirken sich diese Erfahrungen auf ihre berufliche Angehörigenarbeit aus?
Methode Die Fragestellung ist eine Teilfragestellung einer Mixed-Method Studie zum Thema
„Private Angehörigenpflege bei Beschäftigten in therapeutischen Gesundheitsberufen“,
bestehend aus einer standardisierten Fragebogenerhebung bei 64 DDC-Therapeuten aus
den Berufsgruppen der Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten (quantitativer Teil) und
10 qualitativen Leitfadeninterviews mit Teilnehmenden des quantitativen Samples (qualitativer
Teil). Dieser Beitrag nimmt die Ergebnisse des qualitativen Studienteils in den Blick.
Die Auswertung basierte auf der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz.
Ergebnisse Durch ihre Erfahrungen als pflegende Angehörige erlangten die befragten DDC-Therapeut*innen
ein erweitertes Vorstellungsvermögen für den Gesamtkontext der Angehörigenpflege,
welches sie in Behandlung und Beratung integrierten. Sie berichteten über Veränderungen
der Einstellung im beruflichen Umgang mit pflegenden Angehörigen. Zudem beschrieben
sie eine Erweiterung des Fokus ihrer bisherigen beruflichen Angehörigenarbeit, z.B.
um die Unterstützung beim Agieren und dem Zurechtfinden im Versorgungssystem oder
die Hilfe zur Selbstfürsorge. Angehörigenarbeit sehen die Befragten als integrierten
Bestandteil der Therapie.
Diskussion Für einen nachhaltigeren Therapieerfolg sollten die Unterstützungsbedarfe der Angehörigen
im Versorgungs- und Therapieprozess mehr und differenzierter berücksichtigt werden.
Hierfür ist ein höherer Stellenwert der Angehörigenarbeit bereits in der beruflichen
Lehre erforderlich.