Einleitung Als Phokomelie bezeichnet man die Fehlbildung von Gliedmaßen mit flossenartigem Sitz
der Hände bzw. Füße am Schulter- bzw. Hüftgelenkt aufgrund stark verkürzter oder fehlender
körpernaher Röhrenknochen der Gliedmaßen. Neben der Vererbung, wie z.B. beim Roberts-Syndrom,
kann die Phokomelie als Nebenwirkung von Medikamenten auftreten.
Material/Methode Im Sommer 2023 stellte sich während einer ärztlichen Mission im HNO-Zentrum "Centre
médical Charlemagne" in Yaoundé, Kamerun, ein 11-jähriger Junge mit Phokomelie
mit der Frage nach Hörverbesserung bei unklarer bilateralen Schwerhörigkeit vor. Trotz
mehrfachen Ohroperationen resultierte ein Schallleitungsblock beidseits. Der Patient
war seit der Kindheit mit Hörgeräten beidseits versorgt und besuchte eine Regelschule.
Ergebnisse Neben der bekannten Phokomelie in Ärmen und Beinen zeigte sich eine beidseitige Gehörgangsstenose.
Die Ohrmuscheln waren regelrecht konfiguiert. Die mitgebrachte CT-Felsenbein-Untersuchung
zeigte außerdem eine Dysplasie der Gehörknöchelchen, trotz normalen schriftlichen
Befund. In der Tonschwellenaudiometrie wurde eine mittelgradige Schallleitungsschwerhörigkeit
rechts und eine hochgradige Schallleitungsschwerhörigkeit links aufgezeichnet. Wir
entschieden uns für die Behandlung mit einem Knochenleitungshörgerät beidseits und
rieten von weitere Operationen ab.
Diskussion Der Fall betont die Wichtigkeit einer guten HNO-ärztlichen Versorgung in Entwicklungsländern:
neben einer guten Bildgebung ist die Interpretation der Bildgebung essentiell, um
Fehlbehandlungen und Komplikationen zu vermeiden und die Patienten bestmöglich über
Behandlungsoptionen zu beraten. Bei unserem Fall handelte es sich um eine Gehörgangsatresie
und Mittelohrfehlbildung in Kombination mit der Phokomelie.